MORDVERSUCH IN STUDIO B - EIN FALL FÜR MIKE FARADAY - Basil Copper - E-Book

MORDVERSUCH IN STUDIO B - EIN FALL FÜR MIKE FARADAY E-Book

Basil Copper

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Beschreibung

Candy Barr, ein attraktiver Hollywood-Star, hat durch puren Zufall drei Mordanschläge überlebt. Sie hält ihren eigenen Ehemann für den Täter.

Und Mike Faraday, der Privatdetektiv aus Los Angeles, kann ihren Verdacht nicht zerstreuen. Vor allem, da Miss Barr eine gigantische Lebensversicherung zugunsten ihres Mannes abgeschlossen hat...

 

Der Roman Mordversuch in Studio B des britischen Schriftstellers Basil Copper (*5. Februar 1924; † 3. April 2013) erschien erstmals im Jahr 1974; die deutsche Erstveröffentlichung folgte im gleichen Jahr.

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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BASIL COPPER

 

 

Mordversuch in Studio B

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Signum-Verlag

 

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

MORDVERSUCH IN STUDIO B 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Candy Barr, ein attraktiver Hollywood-Star, hat durch puren Zufall drei Mordanschläge überlebt. Sie hält ihren eigenen Ehemann für den Täter.

Und Mike Faraday, der Privatdetektiv aus Los Angeles, kann ihren Verdacht nicht zerstreuen. Vor allem, da Miss Barr eine gigantische Lebensversicherung zugunsten ihres Mannes abgeschlossen hat...

 

Der Roman Mordversuch in Studio B des britischen Schriftstellers Basil Copper (*5. Februar 1924; † 3. April 2013) erschien erstmals im Jahr 1974; die deutsche Erstveröffentlichung folgte im gleichen Jahr. 

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

  MORDVERSUCH IN STUDIO B

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Es begann so gegen halb fünf an einem schwülen, drückend heißen Tag. Ich hatte es satt, mir den Allerwertesten in meinem Schreibtischsessel zu polieren und die Sprünge im Plafond zu studieren. Stella war schon früh nach Hause gegangen, daher musste ich aufstehen und mir selbst eine Tasse Kaffee zubereiten. Ich ging hinüber in die kleine Kochnische, wo wir die Kaffeemaschine und die Zutaten stehen hatten.

Und in diesem Augenblick hörte ich das Geräusch. Es war wie ein Schlurfen oder Schaben – als wenn jemand einen Schuh über Linoleum schleift. Und begleitet wurde das Geräusch von einem zögernden Klopfen auf den Boden. Ein ausgesprochen unheimliches Klopfen, das mich an irgendetwas erinnerte. Woran, konnte ich nicht sofort sagen. Als es mir einfiel, musste ich unwillkürlich grinsen. Es erinnerte mich an den alten Pew in der Schatzinsel. Ich sah jetzt deutlich in meiner Phantasie das Bild eines Einbeinigen, der sich mit einem Spazierstock oder einer Krücke über den Korridor schleppte. Ich ging hinüber ins Wartezimmer. Das Geräusch kam zögernd näher. Ich hatte meinen Smith & Wesson-Revolver nicht bei mir und witterte Gefahr. Fragen Sie mich nicht, warum. Ein sechster Sinn, den man sich als Privatdetektiv nach und nach mit Hilfe vieler Erfahrungen zulegt. Ich entschloss mich, das Gegenteil von dem zu tun, was die meisten in einer solchen Situation getan hätten. Ich dachte nicht daran, zur Tür zu gehen und hinauszuschauen auf den Korridor.

Stattdessen bückte ich mich, bis ich weit genug unter der Milchglasscheibe meiner Bürotür war, dass man mich von draußen nicht mehr sehen konnte, und schob sachte den Riegel vor. Ich hatte in meinem Büro kein Licht brennen, also musste jeder, der draußen auf dem Korridor herumschlich, annehmen, es sei niemand hier. Ich wartete eine volle Minute lang. Von draußen war nun nichts mehr zu hören, aber ich fühlte, dass jemand dicht an meiner Tür stand und lauschte. Die Luft war so dick, dass man sie mit dem Messer schneiden konnte. Dann plötzlich drehte sich der Türknopf. Und damit war die Sache für mich klar.

Wenn jemand ohne böse Absichten hierherkam, würde er entweder anklopfen oder versuchen, die Tür zu öffnen. Er hätte bestimmt nicht so sachte und zaghaft am Türknopf gedreht. Ich entschied mich dafür, so zu tun, als sei das Büro abgesperrt und verlassen. Ich setzte mich in der Nähe der Tür auf den Boden und stellte mich tot.

Wieder verging eine lange Minute. Vom Boulevard drang das dumpfe Geräusch des vorbeibrandenden Verkehrs herauf. Ich saß da, betrachtete das Vierfarbenplakat von Palm Springs, das wir an die Wand des Wartezimmers gepinnt hatten, und dachte daran, was ich für einen sonderbaren Eindruck auf meine Klienten machen musste, wenn sie mich hier auf dem Boden in meinem Büro hätten sehen können. Als ich wieder einmal auf die Tür schaute, sah ich gerade noch, wie ein Schatten über die Milchglasscheibe wischte. Und wieder drehte sich geräuschlos der Türknopf. Ich saß da und dachte an alles Mögliche, aber an nichts Bestimmtes.

Ich weiß nicht, wie lange ich so dagesessen habe. Vielleicht waren es fünf Minuten, vielleicht auch zehn. Jedenfalls war ich danach ziemlich steif. Und ich hatte nicht auf meine Armbanduhr schauen können, weil ich jedes noch so leise Geräusch vermeiden wollte. Plötzlich ließ meine Spannung nach. Ich wusste, dass jetzt niemand mehr da draußen vor meiner Tür stand. Die normalen Geräusche des späten Nachmittags gewannen wieder die Oberhand.

Ich stand auf und streckte mich. Dann starrte ich auf die Tür. Schließlich ging ich durch das Wartezimmer hinüber in mein Büro. Dabei achtete ich immer noch darauf, kein Geräusch zu machen – jedenfalls keines, das man draußen auf dem Korridor hätte vernehmen können. Ich trat ans Fenster, und in diesem Augenblick fiel mir wieder der Kaffee ein. Ich ging in die Nische und schenkte mir eine Tasse ein, gab Zucker dazu und trank einen Schluck. Er schmeckte gut. Was mich verwirrte, war die Tatsache, dass nun nichts mehr vor meiner Tür zu hören war. Ein Krüppel, ein Einbeiniger oder Lahmer war über den Korridor bis zu meiner Bürotür gehumpelt. Doch ich hatte nicht gehört, wie er wieder wegging. Ich dachte darüber nach, während ich meinen Kaffee trank.

Schließlich schaltete ich das Licht im Wartezimmer an. Ich trat noch einmal neben die Tür und lauschte. Ich hatte nämlich auch nicht gehört, wie der Lift nach unten fuhr. Allerdings hatte das in unserem Haus nicht viel zu besagen. Mit den technischen Errungenschaften ist das hier ausgesprochene Glücksache. Im Sommer läuft die Heizung grundsätzlich auf Hochtouren. Wenn es dagegen kühl und regnerisch ist, bleibt sie nicht selten kalt. Genauso ist es mit dem Lift. Manchmal funktioniert er, manchmal, vor allem dann, wenn man ihn besonders braucht, ist er kaputt. Solche Dinge hängen ausschließlich von den Launen des Hausmeisters ab. Ich entschied mich, das kleine Erlebnis unter Ungelöste Geheimnisse abzubuchen.

Währenddessen behielt ich den Gehsteig vor dem Haus im Auge. In den zwanzig Minuten, die ich am Fenster ausharrte, kamen zwei oder drei Geschäftsleute in grauen Anzügen aus dem Haus. Dabei konnte es sich entweder um Besucher oder um Mieter anderer Büroräume handeln. Schließlich gab ich es auf. Als ich mein Büro verließ, war es bereits gegen sieben Uhr. Ich schloss die Tür hinter mir ab. Währenddessen schaute ich mich auf dem Korridor um. Er war einsam und verlassen.

 

Ich ging zum Lift. Er schien zu funktionieren. Jedenfalls kam er herauf, als ich auf den Knopf drückte. Ich öffnete die Tür, hielt inne, warf einen nachdenklichen Blick in die leere Kabine. Schaute auf den verglasten Liftschacht und ließ die Tür leise zufallen. Es war wieder einmal eine Demonstration meines siebten Sinnes, als ich über den Korridor zurückging bis zur Treppe. Mittlerweile musste jemand im Stockwerk unter mir auf den Rufknopf gedrückt haben, denn der Lift fuhr jetzt nach unten. Während er in der nächsten Etage hielt, war ich gerade auf der Treppe, denn als ich unten ankam, war die Tür bereits wieder zugefallen.

Im nächsten Stockwerk blieb der Lift noch einmal stehen, vermutlich, weil noch jemand zusteigen wollte. Gleich darauf vernahm ich ein seltsames, zischendes Geräusch. Es hörte sich an wie ein Autoreifen, der plötzlich die Luft verliert. Vielleicht kam es vom Boulevard herauf, aber ich nahm eher an, dass es aus dem Liftschacht herüber ins Treppenhaus drang. Ich schaute den Korridor entlang, konnte aber nichts erkennen. Und ich war noch auf der Treppe, als der Lift unten im Parterre anhielt. Im ersten Stock lief ich rasch von der Treppe hinunter ins Parterre. Ich sah undeutlich, wie ein Wesen in einem dunklen Anzug aus der Kabine trat und mit raschen Schritten die Eingangshalle überquerte.

Als ich unten war, brauste gerade ein Wagen mit quietschenden Reifen davon. Er hatte direkt vor der Tür am Straßenrand geparkt. Der Fahrer versuchte anscheinend, seine Reifen um mindestens ein Pfund Gummi zu erleichtern. Als ich unter dem Hauseingang stand, sah ich gerade noch eine schwarze Limousine um die nächste Ecke fahren. Sie war zu weit entfernt, als dass ich irgendetwas erkennen hätte können, was mir weitergeholfen hätte. Abgesehen davon, hatte ich auch gar keine Veranlassung, mir den Wagen zu merken. Ich stand eine Weile unter dem Eingang und sah zu, wie sich die Auspuffgase des davonbrausenden Wagens mit dem Smog vermischten, der das Leben in Los Angeles so angenehm macht.

Und in diesem Augenblick hatte ich wieder eine meiner berühmten Eingebungen. Ich ging zurück in die Eingangshalle, trat vor den Lift. Die Mahagonitür war zu. Ich schaute mich um. Der Hausmeister war nicht in Sicht, und das Haus schien menschenleer zu sein. Ich sah ein kleines Bächlein einer dunklen Flüssigkeit, die aus der Liftkabine über die Schwelle sickerte.

Ich riss die Tür auf. Etwas sackte mir entgegen und blieb auf dem Boden der Halle liegen.

Etwas, das aussah wie ein Sack voll Fleisch, den jemand aus dem Schlachthaus mitgebracht hat. Es war ein jüngerer, gut angezogener Mann, mit blondem, kurz geschnittenem Haar. Er streckte seine Hände vor sich aus, als wolle er das großkalibrige Geschoss damit abwehren, das ihm den Brustkorb zerschmettert hatte. Überall war Blut, selbst an den Wänden der Liftkabine. Ich ging vorsichtshalber nicht allzu nah hin.

An seinen starren Augen erkannte ich, dass der Mann bereits tot war. Jetzt wusste ich, was dieses zischende Geräusch bedeutete, das ich aus dem Liftschacht vernommen hatte. Der Mann, der da so schnell in seiner Limousine weggefahren war, hatte dem Toten eine großkalibrige Waffe mit Schalldämpfer gegen die Brust gedrückt. Man sah es deutlich, weil die Kleidung rings um die Einschussstelle versengt war. Ich betrachtete den Toten noch einmal. Aber ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen.

Ich konnte die Lifttür nicht schließen, ohne den Toten anzufassen, also ging ich hinaus auf die Straße. Dort marschierte ich erst ziellos in der Gegend herum und zündete mir eine Zigarette an, um meine in Aufruhr geratenen Nerven zu beruhigen. Dann fand ich eine Telefonzelle und rief das nächste Polizeirevier an, ohne meinen Namen zu nennen, und sagte unseren Freunden und Helfern, wo und warum es für sie Arbeit gebe. Schließlich holte ich meinen Buick aus der Mietsgarage und fuhr davon, als sei der Teufel hinter mir her.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

»Du hast manchmal wirklich phantastische Ideen, Mike«, bemerkte Stella spöttisch.

Sie saß mir gegenüber auf ihrer Schreibtischkante, ließ eines ihrer langen, eleganten Beine herunterbaumeln und schaute mich aus ihren leuchtend blauen Augen an. Es war kühler geworden, aber die Sonne schien und verwandelte Stellas blonden Haarschopf in einen goldschimmernden Heiligenschein.

»Was ist daran so phantastisch, Schatz?«, fragte ich.

Ich hatte den Examiner auf meinem Schreibtisch ausgebreitet. Unten auf der ersten Seite war ein kurzer Artikel, der über den Mord im Lift berichtete. Das Opfer war ein gewisser Charles Blomberg. Ein harmloser Geschäftsmann, wie es schien, der ein Stockwerk unter mir ein paar Büroräume gemietet hatte.

Die Polizei war den ganzen Vormittag mit Schuhgröße vierundvierzig in unserem Haus herumgetrampelt. Sie hatte dabei auch nicht übersehen, mir einen Besuch abzustatten. Und ich hatte erklärt, gar nichts zur Lösung ihres Falles beitragen zu können. Die Mordkommission hatte Lieutenant Anderson mit der Untersuchung beauftragt, einen Beamten, den ich noch nicht kannte. Ein luchsäugiger Typ mit eisgrauem Haar und viereckigen Kiefern, aber einigermaßen höflich, wenn man einmal davon absah, dass er, wie man es von ihm erwartete, etwas ruppig um sich bellte.

Als er Stella erblickt hatte, war er augenblicklich aufgetaut. Er trank zwei Tassen Kaffee in unserem Büro, und ich dachte schon, er bleibt auch noch auf eine dritte Tasse hier, daher machte ich ihm deutlich, dass die Polizei der Stadt Los Angeles vermutlich Wichtigeres zu tun hatte, als mit hübschen Sekretärinnen Kaffee zu trinken. Erst jetzt, um die Mittagszeit, hatte sich der Aufruhr im Haus einigermaßen gelegt, und wir fanden Zeit, uns darüber zu unterhalten.

Ich wiederholte meine Frage. Stella betrachtete aufmerksam ihre Kniescheibe und starrte sie an, als sei irgendetwas damit nicht in Ordnung. Mir dagegen kam sie ausgesprochen perfekt vor.

»Die Schlüsse, die du daraus ziehst, Mike«, sagte sie. »Das ergibt meines Erachtens überhaupt keinen Sinn.«

»Das sagst du bekanntlich immer!«

Stella schaute mich wieder spöttisch an.

»Gehen wir die Sache doch noch einmal Schritt für Schritt durch«, schlug ich vor.

»Das mit dem Krüppel passt einfach nicht«, sagte sie unvermittelt.

»Dann lassen wir den Krüppel erst mal weg.«

»Aber warum bist du so sicher, dass derjenige, der Blomberg ermordete, es in Wirklichkeit auf dich abgesehen hatte?«

»Könnte der Krüppel nicht ein Beobachter gewesen sein?«, fragte ich. »Man schickte ihn hierher in mein Büro, damit er feststellte, ob ich noch hier war. Er nahm an, das Büro sei leer, und ging weg.«

»Du hast ihn aber gar nicht Weggehen gehört«, wandte Stella ein.

»Das lassen wir vorläufig auch weg. Aber bedenke doch: Blomberg ist mir im großen Ganzen nicht unähnlich. Anfang Dreißig und etwa meine Größe und Gestalt. Er hatte das Pech, ausgerechnet zu der Zeit in den Lift zu steigen, als man damit rechnete, dass ich das Haus verlassen würde.«

»Wer kann wissen, wann du das Haus verlässt?«, fragte Stella mit der ihr eigenen, unwiderlegbaren Logik.

»Vielleicht sollte es der Krüppel herausfinden? Es ist doch möglich, dass er sich auf der Treppe versteckt hat und hörte, wie ich das Büro abschloss und zum Lift ging. Dann warnte er den Killer und teilte ihm mit, ich sei auf dem Weg nach unten.«

»Natürlich«, sagte Stella mürrisch. »Er ist wie ein Wiesel auf Zehenspitzen hinuntergetänzelt ins Parterre, und du hast nichts davon bemerkt.«

»Hör mal, Schatz, führen wir doch unsere Unterhaltung auf dem gewohnten hohen Niveau weiter«, schlug ich vor. »Es gibt schließlich so etwas Schönes wie tragbare Funkgeräte.«

Stella zuckte mit den Schultern. »Und dann?«

»Ich hatte mich anders entschieden und ging zu Fuß, anstatt den Lift zu benutzen«, erklärte ich. Blomberg stieg im nächsten Stockwerk ein, um nach unten zu fahren. Und derjenige, der unten in der Halle wartete, hatte keine Ahnung davon. Daher wurde Blomberg statt meiner erschossen.«

Stella schloss die Augen, als würde sie vom Sonnenlicht geblendet. Einen Augenblick lang schaute sie sehr besorgt und nachdenklich drein.

»Vielleicht hast du sogar recht, Mike«, gab sie zögernd zu. »Aber was hätte der Mörder für ein Motiv?«

»Da bin ich freilich überfragt«, antwortete ich. »Ich kann nicht mehr tun als ein paar Gedanken aneinanderreihen. Und ich gebe keine Garantie dafür, dass ich den Fall von meinem Schreibtisch aus lösen kann.«

»Bleibt zum Beispiel die Frage, wie der Krüppel verschwunden ist, als du hinuntergegangen bist«, bemerkte Stella. »Du bist ihm doch vermutlich nicht auf der Treppe begegnet.«

»Vielleicht hat er sich ganz sachte von meiner Tür entfernt«, sagte ich. »Und vielleicht hat er sich auf dem ersten Treppenabsatz versteckt. Anschließend kann er dann irgendwo im unteren Stockwerk gestanden haben, als ich über die Treppe hinunterlief. Es gibt viele Möglichkeiten.«

»Aber er wäre ein großes Risiko eingegangen«, meinte Stella. »Und ganz abgesehen davon, dass an deiner Geschichte nicht viel dran ist – warum würde jemand ausgerechnet einen Krüppel dazu benutzen, dir nachzuspionieren? Es ist doch klar, dass ein solcher Mann sofort die Aufmerksamkeit auf sich lenken würde, oder?«

»Wenn ich darauf eine Antwort wüsste, brauchte ich dich nicht um Rat zu fragen«, antwortete ich verdrießlich.

»Das Dumme ist nur, dass du dich um meinen Rat überhaupt nicht kümmerst«, erwiderte sie schnippisch.

Sie hörte auf, ihr Bein hin und her pendeln zu lassen, und starrte mich an, als sei ich komplett übergeschnappt. Und ich muss zugeben, dass meine Gedanken ein wenig verrückt klingen mussten. Aber ich hatte eine Nacht lang Zeit gehabt, über alles nachzudenken. Und was ich dabei herausklamüsert hatte, gefiel mir ganz und gar nicht. Ich bin normalerweise nicht gerade überängstlich, aber ich hatte für alle Fälle meinen Smith & Wesson eingesteckt, den ich in dem kleinen Arsenal im Schlafzimmer meines gemieteten Häuschens am Park West auf bewahrte. Wenn ich mich jetzt bewegte, drückte er beruhigend gegen meine Brustmuskeln.

Stella trug ein graues Minikleid, das jedes Mal, wenn ich sie anschaute, meine Moralbegriffe durchlöcherte, und obendrein hatte sie sich ein weißes Band um ihr Haar geschlungen, mit dem sie wie ein vierzehnjähriges Mädchen aussah. Andererseits hatte eine Vierzehnjährige kaum so perfekte, weibliche Rundungen. Ich musste ein paar Jährchen zulegen. Also schön, sie sah aus, wie eine Achtzehnjährige.

Sie rutschte von der Schreibtischkante herunter und grinste über meine gierigen Blicke. Dann ging sie wortlos hinüber zur Kochnische. Während ich auf den Kaffee wartete, den sie gerade zubereitete, rauchte ich eine Zigarette und versuchte, mein Gehirn zu einer Sonderleistung anzuspornen. Und ich wartete immer noch auf das köstliche Gebräu, als das Telefon sich bemerkbar machte.

 

Mit einer einzigen Bewegung stellte Stella die Kaffeetasse auf meine Schreibunterlage und nahm mit der freien Hand den Telefonhörer ab.

»Faraday-Ermittlungen.«

Sie setzte sich zur Abwechslung auf die Kante meines Schreibtisches und hielt sich den Hörer ans Ohr, während ich meinen Kaffee umrührte. Ich hörte, wie die dunkle, gutturale Stimme eines Mannes blechern im Hörer dröhnte. Stella leckte sich die Lippen und starrte mich bedeutungsvoll an.

»Wir müssen erst etwas mehr über den Fall hören, ehe wir uns entschließen, den Auftrag zu übernehmen«, sagte sie kühl und vorsichtig. »Wollen Sie nicht einen Termin vereinbaren, damit wir die Sache hier in unserem Büro besprechen?«

Die Stimme redete weiter, und Stella schaute durch das Fenster hinunter auf den Verkehrsstau vor unserem Haus, sagte kein Wort und setzte eine undurchsichtige Miene auf.

»Was ist denn?«, fragte ich sie und trank einen Schluck Kaffee. Sie legte eine Hand über die Sprechmuschel und beugte sich zu mir herüber.

»Ein sehr sonderbarer Kunde, Mike«, sagte sie. »Der gefällt mir gar nicht. Soll ich ihn abwimmeln?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Du machst es genau richtig«, sagte ich. »Worum geht es denn?«

Jetzt schüttelte Stella den Kopf.

»Das will er nicht verraten. Er sagt, er muss mit dir selbst sprechen!«

»Dann schlage ich vor, du gibst mir mal kurz den Hörer.«

»Er behauptet, er weiß etwas über den Mord an Blomberg«, fügte Stella hinzu.

»Verdammt und zugenäht«, zischte ich. »Geh an den Zweitapparat und mach dir Notizen.«

Ich wartete, bis Stella den Hörer ihres Apparates abgehoben hatte, dann nahm ich den Hörer, den sie auf den Schreibtisch gelegt hatte.

»Sie haben sich aber Zeit gelassen, Faraday«, blökte eine Männerstimme.

»Es ist schließlich meine Zeit, oder?«, entgegnete ich. »Und heute ist ein schöner Tag.«

Stella grinste zu mir herüber.

»Lassen Sie gefälligst die Witze«, sagte die Stimme.

»Dann schlage ich vor, Sie kommen zur Sache, mein Freund.«

»Die Sache? Es geht um den Tod eines gewissen Blomberg«, schepperte es mir ins Ohr. »Wollen Sie wissen, wer es getan hat?«

»Nicht unbedingt«, erwiderte ich. »Hören Sie, warum rufen Sie eigentlich nicht bei der Polizei an?«

Jetzt drang eine Art ersticktes Knurren durch die Leitung zu mir.

»Sie wissen genau, warum ich das nicht tue«, antwortete die Stimme.

»Die Kugel hat nämlich Ihnen gegolten.«

Stella warf mir einen raschen Blick zu.

»Das habe ich mir fast gedacht«, erklärte ich.

»Dann werden Sie vermutlich auch mehr darüber wissen wollen.« Der Bursche schlug einen triumphierenden Ton an, der mir gar nicht gefiel.

»Vielleicht«, sagte ich. »Und was haben Sie vor?«

»Wir sollten uns irgendwo treffen.«

»Aber Ihren Namen wollen Sie mir nicht nennen?«

»Also, entweder bin ich verrückt, oder Sie?«, sagte die Stimme.

Ich seufzte.

»Genauso habe ich mir das vorgestellt«, meinte ich. »Also, was schlagen Sie vor?«

»Können wir uns heute Abend treffen?«

»Aber nicht auf einer einsamen Brücke um Mitternacht«, sagte ich. »Von der Sorte hab’ ich vorläufig die Nase voll.«

»Ich nenne Ihnen eine Adresse«, erklärte der Unbekannte. »Als Zeitpunkt schlage ich elf Uhr vor.«

»So klingt es schon bedeutend besser«, entgegnete ich. »Und was ist das für eine Adresse?«

Der andere ignorierte meine Frage.

»Fragen Sie nach Caryl, wenn Sie dort sind. Ich rufe um zehn Uhr heute Abend bei Ihnen an und gebe Ihnen die Adresse durch.«

»Na schön«, meinte ich. »Passen Sie auf, ich gebe Ihnen meine private Telefonnummer.«

»Nicht nötig, die habe ich mir schon besorgt,«, erklärte der Kerl. »Ich rufe um zehn an. Aber kommen Sie bloß nicht auf irgendwelche komischen Ideen.«

Und damit legte er auf.

Ich hielt den Hörer noch eine Weile in der Hand, ehe ich ihn nachdenklich auf die Gabel legte. Dann zündete ich mir eine Zigarette an, saß da und betrachtete Stella, die noch mit ihren Notizen beschäftigt war. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und trug den genauen Zeitpunkt des Telefongesprächs ein.

»Na, und?«, fragte ich.

Stella lächelte. Ein verführerischer Anblick.

»Der Kandidat bekommt hundert Punkte«, sagte ich. »Du hast nicht zufällig einem arbeitslosen Schauspieler etwas dafür bezahlt, dass er hier anruft – nur um deine kluge Voraussicht unter Beweis zu stellen?«

»Leider, nein«, entgegnete ich.

Ich warf das abgebrannte Streichholz in den Keramikaschenbecher auf meinem Schreibtisch. Dann legte ich meine Füße auf die Schreibtischplatte und studierte die Sprünge im Plafond. Die Klimaanlage gab heute wieder einmal besonders merkwürdige Geräusche von sich.

»Man hat so etwas einfach im Gefühl«, sagte ich nach ein paar Minuten. »Der Kerl hat auf mich gewartet, nicht auf Blomberg. Und der Freund am Telefon hat es uns eben bewiesen.«

»Du gehst doch nicht hin zu diesem Treffpunkt, oder?«, fragte Stella.

Ihre Augen waren sehr groß, und ihr Gesicht zeigte einen leicht erschreckten Ausdruck.

»Natürlich gehe ich hin«, erwiderte ich. »Aber nicht so, wie er sich das vielleicht denkt.«

Ich tippte auf die Ausbuchtung meines Jacketts.

»Zweifellos ist das eine Falle«, sagte ich nach einer Weile. »Sonst hätte er mir die Adresse gleich nennen können. Aber er wollte vermeiden, dass ich mich im Voraus dort umsehe. Wenn er erst um zehn anruft, und ich brauche eine Stunde, um durch den Verkehr dort hinzukommen, hat er genügend Zeit, um alles für meine Ankunft vorzubereiten.«

»Soll ich Captain Tucker anrufen?«, fragte Stella.

Sie hatte schon die Hand am Telefon.