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Privatdetektiv Mike Faraday erhält endlich wieder einmal einen lukrativen Auftrag. Er soll für den Juwelenhändler Burke Della Thomas, eine Schmuckdesignerin, aufspüren. Sehr bald schon wird Mike schmerzhaft bewusst, dass Burke nicht der einzige ist, der an Della interessiert ist und dass er sich ganz besonders vor dem Mann im Zweireiher in Acht nehmen muss...
Der Roman Schwarzes Gift - Blond serviert des britischen Schriftstellers Basil Copper (*5. Februar 1924; † 3. April 2013) erschien erstmals im Jahr 1980; die deutsche Erstveröffentlichung folgte 1982.
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
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Veröffentlichungsjahr: 2021
BASIL COPPER
Schwarzes Gift -
blond serviert
Roman
Apex Crime, Band 195
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
SCHWARZES GIFT - BLOND SERVIERT
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel
Privatdetektiv Mike Faraday erhält endlich wieder einmal einen lukrativen Auftrag. Er soll für den Juwelenhändler Burke Della Thomas, eine Schmuckdesignerin, aufspüren. Sehr bald schon wird Mike schmerzhaft bewusst, dass Burke nicht der einzige ist, der an Della interessiert ist und dass er sich ganz besonders vor dem Mann im Zweireiher in Acht nehmen muss...
Der Roman Schwarzes Gift - Blond serviert des britischen Schriftstellers Basil Copper (*5. Februar 1924; † 3. April 2013) erschien erstmals im Jahr 1980; die deutsche Erstveröffentlichung folgte 1982.
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
Es begann wie immer ganz harmlos, an einem jener heißen drückenden Abende, wo kein Lüftchen weht, wo die Wärme aus den Straßen von Los Angeles aufsteigt und die Hitze des Pflasters die Schuhsohlen durchdringt wie etwas Lebendiges, das versucht, einem den Rest von Energie aus dem Körper zu saugen. Du wirst ein Spinner, Mike, sagte ich mir. Du hast zu viele alte Filme im Fernsehen gesehen.
Ich war hinübergefahren nach La Brea in einem Beschattungsauftrag, der mich nicht weiterbrachte, und schaute danach noch in meinem Büro vorbei, nur auf ein Viertelstündchen, um das Hemd zu wechseln und den Kopf unter den laufenden Kaltwasserhahn zu stecken. Während ich letzteres tat, klingelte das Telefon. Ich schaute auf die Uhr. Viertel nach neun, und bei mir klingelte keiner außerhalb der Bürostunden, abgesehen von Stella. Aber sie konnte nicht wissen, dass ich hier war.
Ich seufzte, doch das hielt das Telefon nicht vom Klingeln ab. Ich war irgendwie erledigt und hatte vor, in mein Lieblingsrestaurant zu einem leichten Abendessen zu fahren, bevor ich in meine Mietwohnung im Park West zurückkehrte. Aber ich weiß nicht, was mich dazu bewegte - ich ging doch hinüber zu meinem Schreibtisch. Immerhin hatte ich ein paar magere Monate hinter mir und konnte es mir kaum leisten, einen Auftrag abzulehnen, nur weil er mir außerhalb der Geschäftszeit erteilt wurde. Vorausgesetzt, dass es sich um eine geschäftliche Angelegenheit handelte.
»Faraday-Ermittlungen?«
Die Stimme eines Mannes; sie klang tief und kultiviert.
»Richtig«, antwortete ich.
»Ich möchte mit Mr. Faraday persönlich sprechen.«
»Sie sprechen mit ihm«, sagte ich. »Und Sie haben Glück, mich um diese Zeit noch hier zu erreichen.«
Ein trockenes Lachen ertönte am anderen Ende der Telefonleitung.
»Wir werden ja sehen, wer von uns beiden der Glücklichere ist, Mr. Faraday.«
»Da komme ich nicht ganz mit«, sagte ich. »Wer spricht eigentlich?«
»Mein Name ist Ladislav Burke«, fuhr die Stimme ungeduldig fort. »Sie haben zweifellos schon von mir gehört.«
Ich schwieg einen Augenblick und überlegte. Der Name kam mir irgendwie bekannt vor.
»Antiquitäten, Juwelen und Kunstgegenstände«, sagte ich, als es mir wieder eingefallen war. »Drüben an der Glitzerschlucht.«
Die Stimme klang jetzt eisig.
»Seien Sie nicht kindisch, Mr. Faraday. Sie sind zwar gut informiert, aber wir nennen die Straße lieber Rodeo Drive.«
»Nennen Sie sie, wie Sie wollen«, sagte ich. »Ich handle mit weniger kunstvollen Realitäten, und kleine Leute wie wir nennen den Rodeo Drive eben die Glitzerschlucht.«
Jetzt war deutlich ein Ton von Amüsement in Burkes Stimme zu verspüren.
»Verkaufen Sie sich nicht zu billig, Mr. Faraday. Und um Ihren Fragen zuvorzukommen - man hat Sie mir empfohlen. Und ich benötige Ihre Dienste.«
»Schon möglich«, sagte ich. »Aber zuvor möchte ich etwas mehr darüber wissen. Passt es Ihnen morgen? Ich habe einen harten Tag hinter mir.«
Burke erwiderte in einer gemäßigten Eruption von Ungeduld: »Nein, es passt mir nicht, Mr. Faraday. Die Sache ist von äußerster Dringlichkeit. Geld spielt keine Rolle, in diesem Punkt kann ich Sie beruhigen. Ich biete Ihnen einen, Vorschuss von fünftausend Dollar.«
»Aha - meine Lebensgeister kehren schon wieder zurück«, erklärte ich.
Burke grinste. Das konnte ich natürlich nicht sehen, aber ich fühlte es durch den Draht.
»Ich dachte, dass Sie das ermuntern wird, Mr. Faraday. Kann ich Sie in einer Stunde erwarten?«
»Nicht so schnell«, sagte ich. »Was ist denn so dringlich an dieser Angelegenheit?«
Jetzt klang die Stimme wieder eisig.
»Es ist etwas, was ich nicht am Telefon besprechen kann. Darf ich davon ausgehen, dass Sie sobald wie möglich hier bei mir erscheinen?«
»Sind Sie zu Hause oder im Geschäft?«
»Ich habe ein Apartment hier«, fuhr die Stimme ungeduldig fort.
»Das heißt, Sie wohnen über dem Geschäft«, sagte ich.
Jetzt klang Burkes Stimme ausgesprochen schmerzerfüllt, aber es gelang ihm noch immer, sich zu beherrschen.
»Das könnte man sagen, Mr. Faraday, wenn man taktlos, gefühllos und frech wäre.«
»Ich bin alles drei«, erwiderte ich. »Aber daran dürfen Sie sich nicht stören.«
Burke schniefte nicht gerade, aber es klang so, als ob ihm ein Knoblauchesser ins Gesicht gerülpst hätte.
»Ich fürchte, Ihre Art von Humor wird unsere Beziehung ziemlich ungünstig beeinträchtigen, Mr. Faraday.«
»Wir werden ja sehen, Mr. Burke.«
»Ich warte also«, sagte er.
Einen Augenblick lang ließ ich ihn noch schmoren, betrachtete die Decke und lauschte auf das Geknister, das über die Leitung kam.
»Ich bin schon unterwegs«, sagte ich dann.
Glitzerschlucht, oder Rodeo Drive, wie sie korrekt heißt, war und ist eine Straße in Beverly Hills, welche die teuerste Einkaufsstraße von Kalifornien zu sein vorgibt. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber weit davon entfernt kann sie nicht sein, und auf ein paar Dollar hin oder her kommt es bei diesen Größenordnungen ohnehin nicht an. Als ich dort ankam, hatte ich noch zehn Minuten übrig. Zehn Minuten, die ich zum Nachdenken brauchte.
Aber ich dachte nicht so sehr an das Geld, das man hier verschwendete. Mich plagten andere Erwägungen. Die Leute, die hier ihre Geschäfte machten, waren wohlorganisiert und überaus diskret, und wenn sich hier ein Diebstahl oder etwas dieser Art ereignete, war die Polizei schneller bei der Sache, als ein verlorener Dollar in einen Gully rollt. Die Tatsache, dass Mr. Burke nach mir rief, ließ mich nachdenklicher werden als gewöhnlich. Ja, ich witterte Ungewöhnliches. Na schön - alles, was mich aus meiner Flaute reißen konnte, sollte mir heute Abend willkommen sein.
Meine Müdigkeit war völlig verflogen, als ich meinen alten, pulverblauen Buick hinüberrollte zu den zweieinhalb Blocks teurer Besitztümer im spanischen Kolonialstil. Die Fassaden, die üppig mit Glas und Marmor geziert waren, glitzerten im Licht, und man sah sie schon von weitem. Wie immer fand in einer der Dachwohnungen eine Party statt, und ich musste ein ganzes Stück die Straße entlangrollen, ehe ich einen Parkplatz fand.
Endlich entdeckte ich eine Lücke vor einer riesigen, fensterlosen Backsteinwand, die so lange schwarz lackiert worden war, bis sie den Schimmer der roten Neonlichter wie ein Spiegel reflektierte. Solche Verbrechen begingen die Architekten in den dreißiger Jahren, aber die Leute, die sich seinerzeit so etwas bauen ließen, dachten vermutlich, sie seien ihrer Zeit um ein ganzes Jahrhundert voraus. Ihre Bankkonten waren es zweifellos. Ich musste grinsen. Keine großartige Reaktion, aber für mehr reichte meine Energie nicht aus.
Ich stieg aus dem Buick und ging ein paar Blocks zurück, bis ich das betreffende Haus gefunden hatte. Dann warf ich einen Blick in die Schaufenster, die auf den Boulevard herausgingen. Ich entdeckte nichts, was weniger als dreihundert Dollar gekostet hätte. Und selbst dafür hätte man kaum mehr als einen goldplattierten Zahnstocher bekommen. So ungefähr war dieser Laden. Natürlich standen neben den ausgestellten Kostbarkeiten keine Preisschildchen - nein, das wäre sicher nicht vornehm gewesen. Was das Zeug kostete, sollten die Leute selbst schätzen.
Mir lief es ein bisschen kalt über den Rücken, aber nicht wegen der leichten Brise, die aufgekommen war. Ich fand es nur irgendwie unheimlich, dass es Menschen mit so viel Geld gab. Schließlich beendete ich meine Betrachtungen ziemlich abrupt und ging bis zur nächsten Querstraße und von dort zur Rückseite des Gebäudes. Die Party, die in einem der Apartments stattfand, näherte sich ihrem Höhepunkt. Als ich ein paar Treppen nach oben gegangen war, konnte ich die breite Terrasse sehen und die Flutlichter, die importierten Blumen und die Grünpflanzen in den Kübeln. Eine Oben-ohne-Tänzerin brachte die Stimmung der Gäste gerade auf den Siedepunkt.
Daraus erkannte ich, dass es sich nicht um eine gemietete Berufskünstlerin handeln konnte. Sie war sicher eine von den Gästen, daher das große Interesse der anderen. Ich blieb stehen und bewunderte sie ein paar Augenblicke lang, als sie am Ende der Terrasse durch eine Lücke in dem Grünzeug zu sehen war. Hübsch. Ich hätte die ganze Nacht dort stehen und ihr zuschauen können, aber schließlich war ich hergekommen, um mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Also ging ich weiter nach oben und kam an ein schweres, schmiedeeisernes Gitter, das in den Mauern der beiden Seiten der Treppe verankert war. Es gab keine Möglichkeit, sich daneben vorbeizudrücken. Aus einem unsichtbaren Lautsprecher, der irgendwo in dem Grünzeug montiert sein musste, welches auf der Hügelseite wuchs, kam eine Stimme.
»Ja?«
»Faraday«, sagte ich.
Es war dieselbe Stimme wie am Telefon.
»Kommen Sie weiter, aber halten Sie sich im Licht.«
Ich hatte schon zuvor gewusst, dass es eine Fernsehanlage geben musste, die den Eingang überwachte. Also folgte ich der Anweisung der Stimme, behielt allerdings die Hände in den Hosentaschen und setzte meine Schuhnummer 43 so sachte wie möglich auf die gewienerten Steinplatten.
Das große Gitter glitt geräuschlos zur Seite, als ich mich ihm weiter genähert hatte, und verschwand auf gutgeölten Rädern in der einen Seitenwand. Ich hörte es hinter mir wieder ins Schloss schnappen, während ich die Treppe hinaufging, die sich auf der Rückseite des Blocks zwischen Blütensträuchern nach oben wand. Gleich danach war ich auf einer zweiten, in den Hang gegrabenen Terrasse und hatte einen großartigen Ausblick auf die Untere Terrasse, wo die Party stattfand. Das Haus, das zu der Terrasse gehörte, war der obere Teil des Blocks, dessen unterste Etage sich auf einer Höhe mit dem Boulevard befand. Ich folgte einem Pfad zwischen dem gutgetrimmten Minirasen der Terrasse bis zu einer eisernen Brücke, die sich über eine dunkle Schlucht spannte.
Es war eine großartige Anlage; ich nahm an, dass Burke noch ein paar andere Überraschungen in der Tasche hatte für Menschen zweiter Klasse, die versuchten, unbefugt hier heraufzukommen. Die stählernen Pfeiler der Brücke wiesen auf beiden Seiten Schlitze auf; vermutlich befanden sich Fotozellen dahinter, die in Notfällen die Brücke einfach wegklappen oder hochziehen ließen. Ziemlich unsozial das Ganze, und vermutlich auch ziemlich illegal, denn wenn sich jemand auf der Brücke befand, während sie wegrollte, würde er mit Sicherheit tot oder zumindest mit gebrochenen Knochen unten auf die Steine klatschen. Oder was es sonst sein mochte - vielleicht waren es auch Felsen oder Gebüsch.
Ich fühlte, wie meine Bauchmuskeln ein wenig flatterten, als ich die Brücke betrat, merkte, wie die verhältnismäßig dünnen Stahlplatten unter meinen Füßen vibrierten. Die Polizei wäre mit solchen Vorsichtsmaßnahmen wohl kaum einverstanden gewesen, wenn sie sich darum gekümmert hätte. Aber die Leute in Kalifornien umgeben sich heutzutage mit solchen elektronischen und mechanischen Bodyguards, weil sie das dringende Bedürfnis empfinden, sich gegen Belästigungen und Schlimmeres einer immer gesetzloser werdenden Gesellschaft zu schützen. Und ich konnte es ihnen nicht einmal verübeln.
Du wirst noch ein richtiger Mr. Saubermann, Mike, sagte ich mir. Jetzt hatte ich die Brücke überquert und stand vor ein paar Bäumen. Das Haus selbst sah aus, als ob es aus weißem Marmor errichtet wäre, umgeben von einer ebenfalls strahlend weißen Terrasse mit einem ovalen Fischbecken. Die Außenbeleuchtung war eingeschaltet, und die hellblaue Haustür mit den echten Regency-Messingbeschlägen erinnerte mich an ein Bühnenbild. Als ich näher hinkam, fühlte ich mich schon fast als Schauspieler.
Ich drückte auf den Messingknopf in seinem hochpolierten Mahagonirahmen und lauschte einem Blasorchester, das irgendwo im Inneren des Hauses Parsifal intonierte. Das kleine Guckloch in der Tür begann auf einmal zu glitzern.
»Ich trete einen Schritt zur Seite - mein Profil ist noch das Erfreulichste an mir«, sagte ich.
Die Stimme, die durch den wiederum versteckt angebrachten Lautsprecher kam, klang ziemlich ironisch.
»Sie müssen viele Bob-Hope-Filme gesehen haben, Mr. Faraday.«
»Alan Ladd«, berichtigte ich. »Aber vielleicht haben wir beide oft denselben Kanal eingeschaltet.«
Aus dem Lautsprecher drang ein Seufzer, dann öffnete sich die Tür, und ich trat ein.
In der Diele stand ein hässlicher Kerl mit einem gelben Gesicht und einer Glatze, die genauso gelb war wie das Gesicht und deren Farbe sich bis in den Nacken fortsetzte. Auch der Mund kam mir gelblich vor, während er mich irgendwie schief anlächelte. Er war nur mittelgroß, aber sein formelles, schwarzes Jackett beulte sich an den Schultern, so dass man auf ein paar recht ansehnliche Muskelpakete schließen konnte. Er trug eine schwarzweiß gestreifte Hose und blendend polierte schwarze Schuhe. Insgesamt wirkte er wie der Rausschmeißer in einem Bestattungsverein, so dass ich erst gar nicht auf den Gedanken kam, es könnte sich um Burke selbst handeln.
»Guten Abend, Sir«, sagte er mit weicher Stimme. »Wenn Sie bitte entschuldigen wollen...« Und dann glitten bereits die Hände eines Experten über mein Jackett.
»Ich trage heute Abend keine Kanone«, sagte ich.
Das Lächeln wurde einen halben Millimeter breiter.
»Wir gehen lieber auf Nummer Sicher, Sir. Mr. Burke ist in solchen Dingen sehr genau.«
»Kann ich mir denken.«
Ich wartete, bis er mit der Inspektion meines Leibes fertig war. Und ich muss zugeben, dass er sich dabei nicht ungeschickt anstellte.
»Sagen Sie bloß, Sie sind der Butler«, erklärte ich.
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht.
»Unter anderem, Sir. Ich heiße Hawkins.«
»Wie nett für Sie«, erwiderte ich.
Er trat zurück und stieß einen Laut der Befriedigung aus.
»Nett genug«, stimmte er mir zu. »Wenn Sie mir jetzt folgen wollen.« Dann wartete er einen Augenblick, und jetzt änderte sich auch sein Gesichtsausdruck. »Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Sir...«
»Aber natürlich«, sagte ich. »Wie Sie zu Recht annehmen, bin ich es nicht gewohnt, mich in so exklusiver Umgebung zu bewegen.«
Daraufhin begann er unerwarteterweise wieder zu grinsen. Und das veränderte sein Gesicht erneut. Zuvor hatte er wie ein Schakal ausgesehen; jetzt kam er mir eher wie ein Wolf vor. Und Wölfe zählen bekanntlich zu den edleren Tieren.
Er senkte seine ohnehin sehr leise Stimme.
»Ich meinte damit nicht irgendwelche sozialen Hinweise, Sir.«
Jetzt schaute ich mich erst einmal in der Diele um. Der Boden war aus poliertem Marmor, und die Wände sahen so aus, als ob sie mit Nerz ausgeschlagen wären. Aber vielleicht kam das nur von der Beleuchtung. Sie stammte von einem Kristalllüster, der den Eindruck vermittelte, als ob er direkt von Napoleons Palast in Malmaison hierher transportiert worden wäre. Was vermutlich sogar der Fall war. Jedenfalls war das Licht sogar imstande, dem gelblichen Glatzkopf einen weichen Schimmer zu verleihen.
»Oder haben Sie das nur zum Spaß gesagt?«, fragte ich.
Hawkins schüttelte den Kopf.
»Nein, Sir. Ich sprach eigentlich von etwas - äh - Delikaterem.
Vielleicht können wir noch ein paar Worte miteinander sprechen, nachdem Sie bei Mr. Burke gewesen sind.«
Ich betrachtete ihn von der Glatze bis zu den Schuhspitzen.
»Warum nicht?«
Er nickte mit sichtlicher Befriedigung. Die Goldzähne in seinem Gebiss erinnerten an den gelblichen Schimmer seines kahlen Schädels. Komm, Faraday, spinn dir jetzt nichts zusammen, sagte ich mir. Du hast ein paar schlechte Monate hinter dir und brauchst die Kröten. Für das, was Burke mir bot, konnte ich meine Prinzipien ruhig ein bisschen erweitern. Hawkins betrachtete mich jetzt ziemlich nachdenklich.
»Ich glaube, Sie sind ganz gut geeignet«, sagte er, und es klang fast wie ein Flüstern.
»Für Ihre - oder für Mr. Burkes Angelegenheit?«
Er leckte sich die Lippen mit seiner fleischigen, purpurnen Zunge. »Für beide, Sir. Wenn Sie mir jetzt aber folgen wollen - ich finde, wir haben genug Zeit verschwendet mit unserem kleinen Geplauder.«
Ich musste grinsen, während ich ihm durch die Diele folgte, deren Decke mit Rokokostuck und hölzernen Stützpfeilern die Malmaison-Atmosphäre noch verstärkte.
Nach meinen bisherigen Erfahrungen rechnete ich damit, dass auch die übrigen Räume des Hauses ungewöhnlich sein würden, aber das Zimmer, in das mich Hawkins führte, stammte offenbar aus dem Film Die Zukunft hat schon begonnen. Es waren nicht nur der schwarze Glasboden und die gläserne Wendeltreppe in der einen Ecke, die sowohl nach oben als auch nach unten führte, obwohl die natürlich wesentlich dazu beitrugen. Das Entscheidende waren die Wände: auch sie aus Glas, und als ich sie betrachtete, stellte ich fest, dass sie die Farbe wechselten. Einmal waren sie durchsichtig und gaben den Blick auf dahinterliegende Räume frei, dann schimmerten sie wieder blassgolden und verdunkelten sich zu einem leuchtenden Goldbraun; im einen Augenblick sah man tropisches Blattwerk dahinter, dann wieder Möbel und Bilder, so dass man den Eindruck hatte, als ob die gesamte Umgebung sich fortwährend veränderte und zu immer neuen Bildern zerfloss.
»Beeindruckend, nicht wahr?«, sagte Hawkins leise.
»Das können Sie zweimal sagen.«
Ein sonderbarer Ausdruck zeigte sich in seinen Augen, aber er hatte sich zu sehr unter Kontrolle, als dass er auf meine flapsigen Bemerkungen reagiert hätte. Offenbar war er der perfekte Angestellte für ein solch unglaubliches Haus und einen vermutlich ebenso unglaublichen Hausherrn. Zu perfekt vielleicht. Ich entschloss mich, es bei meinem ersten Eindruck zu belassen. Wenn ich danach mit ihm gesprochen hatte, konnte ich meine Ansicht über ihn immer noch revidieren. Was er sich davon versprach, war mir allerdings ein Rätsel.
In der einen Ecke des Raums stand ein großer, gläserner Schreibtisch, und das Blattwerk und die schummerige Beleuchtung in dieser Ecke ließ an einen besonders gepflegten Dschungel denken.
»Mr. Faraday, Mr. Burke«, sagte Hawkins leise.
Dann drehte er sich rasch um und ging geräuschlos weg, ließ mich allein mit der tropischen Vegetation, meinem Herzklopfen und meinen verwirrten Gedanken.
Drüben in der tropischen Düsternis regte sich etwas, dann hörte ich jemanden sich räuspern.
»Das ist aber eine böse Erkältung«, sagte ich. »Vielleicht sollten Sie einen Arzt konsultieren.«
»Immer noch der Witzbold, Mr. Faraday«, erwiderte die Stimme, die ich am Telefon gehört hatte. »Ich sagte es schon - damit werde ich nur schwer zurechtkommen.«
»Ich wüsste nicht, dass man Sie dazu gezwungen hätte«, erklärte ich.
Meine Augen hatten sich inzwischen an das Dämmerlicht gewöhnt, und ich konnte auch schon die Umrisse der Gestalt ausmachen, die hinter dem schwarzen, gläsernen Schreibtisch saß. Ein Licht hinter einem dreieckigen Milchglasschirm begann heller zu werden. Es wirkte so bizarr wie alles andere hier im Raum.
»Sie müssen Faraday sein«, fuhr die Stimme fort. »Niemand sonst würde so ungehobelt mit mir sprechen.«
»Wenn ich gewusst hätte, dass Sie lieber ein zartes Cremeschnittchen haben möchten, würde ich Ihnen einen von den Chorknaben vom Sunset Boulevard empfohlen haben«, sagte ich.
Burkes Gesicht war noch immer im Dunkeln, aber seine Stimme deutete so etwas wie ein Lächeln an.
»Sie sind mir lieber, Mr. Faraday«, sagte er fast ein wenig widerwillig.
»Fragt sich nur, ob das auf Gegenseitigkeit beruht.«
»Das werden wir ja sehen. Setzen Sie sich erst einmal.« Es klang versöhnlich, also ließ ich mich auf ein Dreieck aus Glas und Leder nieder, das zwischen dem Schreibtisch und einem illuminierten Aquarium stand. Burke neigte sich ein wenig nach vorn, so dass er in den Schein seiner Dreieckslampe geriet, und ich erhielt erstmals Gelegenheit, ihn mir genauer anzusehen. Ich erwartete auch hier Ungewöhnliches, aber diesmal wurde ich ein wenig enttäuscht.
»Sie müssen mit dem Geld, das ich Ihnen geboten habe, etwas anfangen können, sonst wären Sie nicht hier«, sagte er.
»Mit Geld kann ich immer was anfangen«, erwiderte ich wahrheitsgemäß.
Burke lächelte. Er hatte ein hartes Gesicht und große, kräftige Zähne, die gut dazu passten. Ein Mann Mitte Vierzig, mit Augen, die so erfahren wirkten wie die eines Achtzigjährigen. Eine Erscheinung, die ich schon öfters bei Geschäftsleuten beobachtet hatte, besonders bei den erfolgreicheren. Wahrscheinlich werden sie schon mit diesem altersweisen Blick geboren.
Sein silbergraues Haar war ganz kurz geschnitten, ein Bürstenschnitt, wie man ihn früher bei der Armee trug, und die rosige Haut seines Skalps schimmerte überall durch den dünnen Pelz. Das Haar wirkte so metallisch, als ob es gebleicht wäre - solche fabelhaften Silbertöne hatte die Natur normalerweise nicht zur Verfügung. Die Augen waren braun, aber so dunkel, dass sie gegenüber dem Weiß auf dem Schädel fast schwarz wirkten. Das Gesicht war schmal, mit spöttischem Ausdruck, dazu tiefgebräunt von Sonne, Wind oder Solarium.
Er war ein großer Mann, sicher über einsachtzig, mit breiten, athletischen Schultern. Sein gutgeschnittenes Jackett zeigte seinen umfangreichen Oberkörper, und in einer der Brusttaschen steckte ein rotseidenes Taschentuch. Seine Hände waren wohlmanikürt, und an seinem linken Handgelenk befand sich eine sehr, sehr teuer aussehende goldene Uhr an einem ebenso teuer aussehenden goldenen Armband.
Weiter trug er eine dunkle Hose, schwarze, hochpolierte Schuhe, ein cremefarbenes Seidenhemd und eine graue Seidenkrawatte, die wie ein Streifen Haifischhaut zwischen den beiden Revers des Jacketts hing. Alles in allem hätte Cary Grant neben ihm wie ein Penner gewirkt. Außerdem war er jünger als Grant.
»Ich komme gleich zur Sache, Faraday«, sagte er, als hätte er in den vergangenen Sekunden einen Entschluss gefasst.
»Das wäre nicht schlecht«, erwiderte ich. »Von jetzt an geht es um Ihre Zeit, und wie man sagt, Zeit ist Geld.«
Danach ließ ich mich für längere Zeit zu keinen weiteren Aphorismen mehr hinreißen, denn ich kam mir allmählich vor wie eine Volksausgabe von Maupassant. Burke tat so, als hätte er es überhört. Er setzte sich wieder zurück und runzelte die Stirn, als müsste er eine der größten Entscheidungen über die Zukunft dieser Erde treffen. Dann hob er den Kopf.
»Sie werden ein Mädchen suchen.«
Ich versuchte, sein Stirnrunzeln zu imitieren, was mir nicht gelang. »Ach, wirklich?«
Wieder stieß er einen rauen, krächzenden Laut aus, der wie ein Räuspern klang. »Sie heißt Della«, sagte er. »Und sie hat bei mir gearbeitet.«
»Nun gut«, erklärte ich. »Und was ist daran so schwierig?«
Er schüttelte den Kopf. »Es ist alles andere als einfach, Mr. Faraday. Ich habe mich schon umgehört in der Stadt. Sie scheint spurlos verschwunden zu sein.«
Ich servierte ihm meine beste Version eines fragenden Blicks.
»Und was hat sie angestellt?«
»Gar nichts - vermutlich. Aber ich möchte ein paar Antworten haben von ihr.«
Ich nickte.
»Wie wär’s, wenn Sie mir erst mal ihren ganzen Namen verraten würden?«
»Della Thomas. Sie ist ungefähr fünfundzwanzig. Gutaussehend, mit langem, blondem Haar. Wie Veronica Lake es getragen hat.«
»Mein Gott«, sagte ich. »Wir sehen wirklich den gleichen Kanal.«
Dann machte ich mir Notizen auf meinem Block, während Burke mich mit beherrschter Ungeduld betrachtete. Ich erkannte es an der Haltung seiner Schultern.
»Haben Sie kein Foto von ihr?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Es handelt sich nicht um eine persönliche Angelegenheit. Meine Beziehungen zu Miss Thomas sind rein geschäftlicher Natur.«
»In welcher Weise?«
Er rutschte zur Seite und tat so, als betrachte er das Dekor des Raums. Obwohl er es selbst gestaltet haben musste, schien es ihm plötzlich gar nicht zu gefallen.
»Darauf kommen wir noch. Notieren Sie sich erst einmal die Einzelheiten. Sie ist ziemlich groß, etwa einsachtundsiebzig, würde ich sagen. Schlank, und sie spricht sehr gebildet mit leichtem englischen Akzent. Sie hat mir vor mehr als zwei Wochen gekündigt.«
Nachdem ich mit den Notizen fertig war, lehnte ich mich zurück. Allmählich hatte ich mich an das Dreieck aus Glas und Leder gewöhnt.
»Waren Ihre Beziehungen - gut?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Sicher. Sie arbeitete in meinem Atelier und entwarf Schmuckstücke. Sie war recht gut als Designerin. Und sie hatte ihren eigenen Spind, wie alle meine Angestellten.«
Jetzt schaute er mich düster an.
»Ich habe leider noch keinen Ersatz für sie gefunden, daher hat seitdem niemand ihren Spind geöffnet.«
»Warum hat sie denn gekündigt?«, unterbrach ich ihn.
Burke lehnte sich zurück und schaukelte dann wieder nach vorn. Die Glaswand hinter ihm wechselte die Farbe.
»Sie sagte, sie wollte ein eigenes Geschäft eröffnen und habe hier bei mir genügend Erfahrung dazu sammeln können. Das stimmte auch. Sie war ein Jahr bei mir und hatte zuvor an einer Akademie studiert.«
»Wollte sie das Geschäft hier in Los Angeles eröffnen?«
Wieder zuckte er mit den Schultern.
»Wer weiß? Darüber hat sie mir nichts gesagt.«
»Na ja, macht nichts. Die Vereinigten Staaten sind ja ein verhältnismäßig kleines Ländchen.«
Burke konnte den Arger in seiner Stimme immer weniger verbergen...
»Seien Sie so gut und antworten Sie mir nach Möglichkeit so, wie man das von einem vernünftigen Menschen erwarten kann, Mr. Faraday. Sie sagte, sie würde erst einmal in ein Hotel ziehen. Sicher können Sie sich umhören.«
»Klar«, sagte ich. »Damit haben Sie den Kreis der Möglichkeiten bedeutend eingeengt. Bei den fünf oder sechs Hotels, die es hier in Los Angeles gibt... Ohne die Motels mitzuzählen, natürlich.«
Burke machte eine wütende Handbewegung, doch dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. Ehe er etwas sagen konnte, fuhr ich fort.
»Sie haben mir noch-nicht verraten, warum ich sie finden soll.«
»Darauf wollte ich gerade kommen. Vor zwei Wochen hatte ich
Gelegenheit, mir den Spind anzusehen, den sie benützt hatte. Ich wusste, dass sie ihn eigentlich hatte leerräumen wollen, aber ich hatte es nicht kontrolliert.«
»Kommt es häufiger vor, dass Sie die Spinde Ihrer Angestellten kontrollieren?«, fragte ich.
Er lief dunkelrot an.
»Das gehört zu meinem Geschäft. Und nachdem sie die Stellung gekündigt hatte, befand ich mich auch im Recht.«
Ich zündete mir eine Zigarette an. Sicher, er befand sich zweifellos im Recht.
»Und dann?«
Er kramte in einer Schreibtischschublade.
»Das hier, Faraday. Sie hat etwas hiergelassen.«
Er warf es mir über den Schreibtisch zu. Ich fing es auf und hielt es in der Hand. Es war ein weicher Beutel aus Waschleder, wie ich ihn schon gelegentlich bei Juwelieren gesehen hatte. Jetzt setzte ich mich gerade hin, schaute erst Burke einen Augenblick lang an, dann den Beutel, und der Rauch meiner Zigarette stieg senkrecht zur Decke empor.
Burkes Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln, das ich als wenig angenehm empfand.
»Offnen Sie den Beutel, Faraday. Sie werden sich wundern.«
Ich folgte der Aufforderung. Ein ganzer Haufen Glitzerzeug rieselte in meine Hand. Burke lachte leise und genoss sichtlich mein dummes Gesicht.
»Natürlich sind das keine erstklassigen Steine, Mr. Faraday. Industriediamanten, wie sie für verschiedene Zwecke im Juweliergeschäft benützt werden.«
Sein Ausdruck verhärtete sich, als er mich durch den Rauch meiner Zigarette anstarrte.
»Aber immerhin - Diamanten, die eine meiner Angestellten in ihrem Spind zurückgelassen hat, als wären sie nicht wert, mitgenommen zu werden.«
Ich schaute ihn ein paar Sekunden lang unverwandt an.
»Das kapiere ich nicht«, sagte ich dann.
Er schüttelte ungeduldig den Kopf. »Ich auch nicht, Mr. Faraday. Deshalb bitte ich Sie, Miss Thomas ausfindig zu machen. Diese Diamanten entsprechen immerhin einem Wert von über dreißigtausend Dollar.«