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"So ist also die Erziehung durch Musik darum die vorzüglichste, weil der Rhythmus und die Harmonie am meisten in das Innerste der Seele dringt und am stärksten sie erfasst und Anstand bringt und anständig macht, wenn jemand darin richtig erzogen wird", drängte es bereits Platon vor ca. 2370 Jahren zu schreiben, wobei wir nur staunen können, dass er der Musik damit eine herausragende Rolle bei der Bildung eines ihm vorschwebenden idealen Staates übertrug. Doch nicht nur Platon, sondern beinahe alle großen Denker erkannten der Musik höchsten Wert zu. In diesem Buch kann und soll es daher nicht anders sein. Begegnen wir der Musik und ihrer Geschichte aus einer Perspektive, die uns diesen allgegenwärtigen Teil unseres Lebens - dem Zeitgeist entsprechend, selbstverständlich und routiniert zu Gehör gebracht - wieder ans Herz legt.
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Seitenzahl: 230
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„So ist also die Erziehung durch Musik darum die vorzüglichste, weil der Rhythmus und die Harmonie am meisten in das Innerste der Seele dringt und am stärksten sie erfasst und Anstand bringt und anständig macht, wenn jemand darin richtig erzogen wird“, drängte es bereits Platon vor ca. 2370 Jahren zu schreiben, wobei wir nur staunen können, dass er der Musik damit eine herausragende Rolle bei der Bildung eines ihm vorschwebenden idealen Staates übertrug. Doch nicht nur Platon, sondern beinahe alle großen Denker erkannten der Musik höchsten Wert zu. In diesem Buch kann und soll es daher nicht anders sein. Begegnen wir der Musik und ihrer Geschichte aus einer Perspektive, die uns diesen allgegenwärtigen Teil unseres Lebens - dem Zeitgeist entsprechend, selbstverständlich und routiniert zu Gehör gebracht - wieder ans Herz legt.
Als Pianistin, Pädagogin und Autorin blickt Irina Jacobson auf einen reichen Fundus pädagogischer und spiritueller Erfahrung zurück. Ihre Bücher entstehen aus Ehrfurcht und Dankbarkeit dem Leben gegenüber.
Die großen Seelen singen stets zu meinem Ruhme.
(Bhagavad Gita; 9:13-14)
Präludium
Das Wunder der Musik
Das kann ich nie vergessen
Du hörst, was du bist
Eine berechtigte Frage
Bewusstes Sein
Begabung ist alles
Wer macht Musik?
Ich will so bleiben wie ich bin
Gibt es morphogenetische Felder?
Ein Stück des Weges
Der Wert der Musik
Die Klangmauer
Mehr als ein Handwerk
Die Vision Franz Liszts
Die große Rebellion
12 Töne im Versuchslabor
Der Geist unserer Zeit
Der Weg der Inspiration
Sinnsuche
Das Gebot der Freiheit
Pas de deux
Die einzig richtige Methode
Die Hüter des Schatzes
Du musst perfekt sein
Panta rhei
Virtuosität
Johann Sebastian Bach und die Wissenschaft
Zwischenspiel
Chaconne d-moll
Sinfonie c-moll, op. 67
Zwei große Schicksale
Eine vollkommene Sprache
Man will nichts, man lässt es entstehen
Musik an allen Ecken
Kunst und Selbstbewusstsein
Meine Lehrer
Intelligenz
Der Ton macht die Musik
Inhalt und Form
Du musst es lieben
Glaube und Dankbarkeit
Literatur- und Zitatnachweis
Für Vage,
der immer in meinem Herzen bleiben wird.
Hieronymus Bosch "Konzert im Ei" (1561); Palais des Beaux-Arts, Lille
Horch wie orgelt, wie braußt die Aeolsharfe der Schöpfung! Droben und drunten und rings tönet ihr bebendes Gold. Helios Flammengeschoß, Selenens silberner Bogen, Hesperus Strahlengespann klirren im sphärischen Tanz.
Heilige Lyra, dein Hauch beflügelt den festlichen Reigen, Singend steiget, es sinkt singend der himmlische Schwan, Melodieen entwehn dem Flügelschwunge des Adlers, Auf der olympischen Bahn schmettern die Wagen daher.
Wie der Harmonika Glocken erklingen die Schalen der Waage,
Katarakten gleich braußt aus der Urne der Strom, Donnernder strudelt daher der Orellana des Himmels, Zürnend erhebt sich, ergrimmt fasset Orion den Schild, Schüttelt den funkelnden, klopft in die tausendbuklige Wölbung, Sendet melodischen Sturm durch die unendliche Nacht.
Freundliche Erde, du schwebst im Ringelreihen der Welten Leis’ und linde, doch nicht tonlos noch seellos dahin. Zunge wurde dem Wald, dem Blättchen Athem gegeben, Stimme dem schwätzenden Quell, Sprache dem rieselnden Bach,
Liebe wirbelnd begrüßt Bardale den röthlichen Morgen, Der ambrosischen Nacht klaget Aeodi ihr Leid, Von der Akkorde Fluthen ergriffen, erbebet des Menschen Zartbesaytetes Herz hinter der wölbenden Brust. Siehe, die Bebungen schwellen zu Lauten, die Laute zur Rede, Horch, in süssem Gesang fließet die Rede dahin.
Welcher Finger berührt die Harmonikaglocken der Schöpfung? Welchem beseelenden Hauch zittern die Saiten des All? Großer Harfner, dir tönt der Welten feyrender Hymnus, Hauchender Odem, dir schwillt heißer und höher das Herz.
Sey mein Leben ein tönendes Lied! Im Päan der Sphären Schmelz’ es, ein reiner Akkord, sanft und melodisch dahin!
(Ludwig Gotthard Kosegarten 1758-1818)
Ein Buch über Musik. Wer wird es wohl lesen wollen? Eine andere, wichtige Frage lautet, für wen es geschrieben wurde. Die große Frage ist allerdings, ob Worte jemals der Musik gerecht werden könnten. Dieses Buch gibt Antwort auf eine vielleicht noch nie gestellte Frage, nämlich jener, warum uns Menschen die Liebe zur Musik in die Wiege gelegt wurde. Darum sollte es gelesen werden, sei es auch, dass viele Bücher auf dieser Welt versucht haben zu beschreiben, was schwarz auf weiß gedruckt immer unbeschreiblich bleiben wird. Kein einziges Wort, das weiß ich wohl, wird annähernd das ausdrücken, was Musik uns sagen kann.
„Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an.“
(E.T.A. Hoffmann, seines Zeichens Schriftsteller, Jurist, Karikaturist, Zeichner, Komponist, Kapellmeister und Musikkritiker) )
Unter diesen Vorzeichen sollte es einer schwärmerischen Unbedarftheit, in gewisser Weise gleichzeitig sogar einer Anmaßung gleichkommen, wenn in bester Absicht, doch andererseits ganz und gar nicht opportun in einem Buch unsere Musik und Gott in eine Verbindung gebracht werden. Schwärmerei und Anmaßung halten sich in diesem Fall die Waage, weil Gott einerseits in der Welt der Hochtechnologie und Vermarktung nur die Rolle einer sentimentalen Märchengestalt einnimmt und andererseits das Wort Gottes in der Bibel für viele Gläubige als unantastbar gilt und darum nichts Musik zu tun haben dürfte. Doch entstammt diese vielen Meinungen trotzende Gewissheit nicht einer bloßen Einbildung, sondern aus berufener Feder eines Großen der Musik, der es wissen musste und auf dessen Schaffen sich beinahe alle Komponisten nach ihm berufen haben: Johann Sebastian Bach!
Der Stellenwert der Musik in unserer uns gegenwärtigen, geräuschvollen Welt steht dieser Tatsache eindeutig entgegen, gereicht sie hier doch vor allem als Mittel zum Zweck: In Wartezimmern, beim Einkaufen, im Auto, auf der Arbeit von ihr verfolgt, prägt sie subtil und entscheidend unser Lebensgefühl. Mit Musik geht vieles leichter, doch kann uns ihr ununterbrochenes „Gedudel“ auch leicht auf die Nerven gehen.
Als Autorin sollte es mehr als unklug sein, die alles entscheidende Pointe an den Anfang eines Weges zu setzen, den ich bitten möchte, mit mir zu gehen. Doch kann ich meinen Lesern nicht vorenthalten, warum sein Titel bereits feststand, noch bevor ich selbst es ahnte. Ohne ihn wäre das Buch niemals entstanden. Mit seinem Inhalt schon lange Zeit vertraut, war es durchaus fraglich, ob er je zu Papier gebracht würde. Das, was geschrieben werden sollte, schien ohne einen alles umfassenden Terminus einfach unmöglich. Selbst als klassische Musikerin ausgebildet, mit Unbedingtheit dem Klang gehorchend, kristallisierte sich im Suchen nach einer Antwort allmählich eine sich aus der Ewigkeit mitteilen wollende Wahrheit heraus. Seither bin ich mit der klingenden Welt in sicherer Erkenntnis verbunden. Denn nicht die heute mehr denn je von mir bewunderten Komponisten, so Bach, Beethoven und Mozart, zeichnen für die Autorenschaft unserer Konzertmusik, sondern im Ursprung ein viel höherer, genialer Geist, den wir nicht benennen können, doch den man gemeinhin in unserer Welt als „Gott“ bezeichnet.
Wenn man sich ehrlich mit den großen Werken der Musik auseinandersetzt und als ihre Interpretin um jeden Ton ringt, kommt man nicht umhin, vor der Perfektion und der absoluten Stimmigkeit jedes einzelnen von ihnen in die Knie zu gehen. Diesem Genius unbedingt zu entsprechen, war in meinem Beruf als Klavierpädagogin und Pianistin einziges Ziel. Ich wollte, wenn diese Musik zu Gehör gebracht wurde, jenen Klang sprechen lassen, der Unsagbares ausdrücken konnte. Jeder ihrer Zuhörer sollte tief in seiner Seele berührt werden. Dass es tatsächlich möglich ist, solches allein durch einen unbedingten Willen auf Instrumenten, deren Funktionsweise man physikalisch begründen und damit beschränken kann - ungeachtet aller technischer und akustischer Gesetze - zum klingen zu bringen, ist Teil des Unfassbaren der Musik. Es ist nicht von vornherein selbstverständlich, dass Klang entsteht wenn man eine Taste anschlägt, oder eine Saite streicht. Vorerst ist da nur ein Ton, den man macht. Erst der Wille lässt ihn zu Klang werden. Als Spielerin fühle ich mich seit jeher einzig dem Klang verbunden, und es ist deutlich zu spüren, dass wir – der Klang und ich – eins sind. Wie man dahin kommt, so zu musizieren, war ich stets bemüht, zahllosen meiner Schüler und Studenten zu vermitteln. All die reichen Erfahrungen will ich versuchen, in Worte zu fassen und aufzeigen, was alles wir unseren Zuhörern schenken, wenn wir uns erlauben, so wie es vom Genius der Musik bestimmt ist, zu klingen.
Die Musik allein die Tränen abwischet, die Herzen erfrischet, wenn sonst nichts hilflich will sein.
Inschrift an einer Orgel von 1762
Musik zu lieben ist, wenn ich meinen Erfahrungen trauen darf, beinahe jedem Menschen gegeben. Beinahe deshalb, weil es mir nicht möglich scheint auszuschließen, dass es auch einige wenige von uns geben könnte, denen Musik nichts bedeutet. Ohne Frage hat Musik in unserer Welt einen hohen Stellenwert. Was mich selbst in meinem Leben am meisten erstaunt hat, war die Tatsache, dass ich Musik immer verstanden habe. Es war mir insofern unerklärlich, als dass ich diese Fähigkeit einfach besaß, ohne mich daran erinnern zu können, sie jemals erlernt zu haben. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich mit der Klaviermusik der größten Komponisten, die wir kennen aufwachsen durfte: Chopin, Mozart, Beethoven, Bach, Tschaikowski, Haydn, Grieg. Sie alle gehörten zum Repertoire meiner Mutter, die mir ihre Werke anstatt einer „Gute-Nacht-Geschichte“ vorzuspielen pflegte. Zwei unserer Goldfische hießen Aida und Radames, wohl auch in Huldigung der Opern Verdis. Mein Vater sang oft zur Freude unserer Gäste, begleitet von seiner Gitarre, viele der eingängigen Schlager seiner Jugendzeit nach, unterstützt von einem phänomenalen Textgedächtnis. Damals erzählten die Lieder noch kleine Geschichten, von denen mir besonders eine wegen ihrer humorvollen Reime in Erinnerung geblieben ist. Im Blick auf die im Folgenden selbstverständlich nicht unerwähnt bleibende Rolle der Unterhaltungsmusik in unser aller Leben soll es mit seinem, für die Blütezeit des Schlagers typischen Humor, (augenzwinkernd) zitiert sein:
Ich bin heut schlecht rasiert,
sonst hätt ich dich verführt.
Doch so hat´s mich geniert aus Liebe.
Denn wenn mein Bart dich sticht,
ins Marzipangesicht,
betäubt mein Kuss das nicht durch Liebe.
Grad heut wo du ein Täubelein
bin ich ein Stachelschwein,
ist das gemein!
O je! mein Bart wächst!
Hätt ich heut früh gespürt,
was abends noch passiert,
hätt ich mich ja rasiert, aus Liebe!
Noch nach all den Jahren kann ich das Gesicht mit den funkelnden Augen meines Vaters vor mir sehen und höre in mir sein frohes Singen. Nach dem schrecklichen zweiten Weltkrieg wurde für viele Menschen Musik zu jener Quelle, aus der sie wieder Leichtigkeit und Freude für ihr Leben schöpfen konnten.
Den Erzählungen meiner Mutter nach, hat die Musik meine Eltern zusammengeführt. So war für mich nichts normaler, als von ihr umgeben zu sein und auch selbst Klavier zu spielen. Ich muss noch recht klein gewesen sein – ich weiß davon nur aus Erzählungen - als meine Großmutter glaubte, dass meine Mutter zu Hause wäre, weil eines ihrer geliebten Stücke in der Wohnung erklang. Sie war jedoch, wie üblich, tagsüber an der Arbeit und es muss mir gelungen sein, mit meinen kleinen Fingern ihr Spiel nachzuahmen, ohne dass mir jemand gezeigt hätte, wie man spielt. Diese „Vorbildung“ mag erklären, warum ich später, als ich mit 8 Jahren meine Klavierausbildung an der städtischen Musikschule begann, nach einmaligem Hören ein Stück sofort nachzuspielen wusste. Irgendwie fanden meine Finger stets die richtigen Tasten. Es war das Normalste für mich, was es gab. Und auch meine Eltern fanden all das vollkommen normal. Nur meine Lehrerin meinte, dass ich Musik studieren müsse. Ohne sie wäre ich sicher niemals auf diesen Gedanken gekommen. Ich selbst sah mich als zukünftige Ärztin, vielleicht darum, weil meine Mutter Oberschwester einer großen Betriebspoliklinik war.
Mit 12 Jahren kam ich auf ein Internat einer Spezialschule für Musik. Die Eignungsprüfung, von der Klavierlehrerin organisiert, bestand ich zum Erstaunen meiner Eltern mit Bravour. Ihre zweifelnden Fragen an den Direktor der Schule wurden hinweggefegt wie dürres Laub. Es war nicht leicht für sie, ihr einziges Kind aus seiner vertrauten familiären Umgebung zu verabschieden. Ich selbst saß nach einer Woche in meiner ungewohnten Umgebung auf gepackten Koffern und erklärte, dass ich niemals bleiben könne. Am Ende blieb ich doch. Von wunderbarer Musik meiner musizierenden Mitschüler umgeben begann ich fleißig zu üben. Und natürlich machte ich Fortschritte. Ich wusste, dass ich, wenn ich wollte, alles spielen konnte. Mit 23 Jahren war ich Pianistin und Klavierpädagogin und erhielt überraschend eine Anstellung an der Musikhochschule, die mich ausgebildet hatte.
Die Weichen für ein Musikerleben und mein Wirken als Pädagogin scheinen mir auch heute noch wie von ferner Hand gelenkt. Heute zweifle ich allerdings nicht mehr an meiner „Berufung“. Inzwischen habe ich vielen Studenten geholfen, Musiker zu werden. Es gab in dieser Zeit nie einen Moment, an welchem ich der Musik gegenüber ratlos gewesen wäre. Zwischen ihr und mir gab es immer nur die Ebene vollkommenen Verstehens. Doch warum die meisten Studenten Musik studieren wollten, wurde oft zum Rätsel, wenn ich mir in unserer Zusammenarbeit die größte Mühe geben musste, ihnen das, was Musik ausmacht, nahezubringen. Es gab so viele von ihnen, die glaubten, dass ich ihnen jede Note vorschreiben müsse und dass es ihre Aufgabe sei, nur alles „richtig“ nachzuahmen. Manche meiner Studenten hatten nur Freude an Perfektion und man konnte nie hören, dass sie fühlende Menschen waren. Was wollten sie von der Musik? Ich weiß nicht, ob es mir immer gelungen ist, jedoch wollte ich sie daran erinnern, dass ein Musiker ein Botschafter ist. Ein Botschafter einer Sprache, die nonverbal ist und darum viel mehr auszudrücken vermag, als es Worte jemals vermochten. All die großen Kompositionen, die man an einer Hochschule studiert, schienen mir von den hohen Meistern, Botschaften aus einer vollkommenen Ebene des Seins gleich, für uns niedergeschrieben zu sein. Ihrer Fähigkeit offen und genau zuzuhören und all das aufs Papier zu bringen vertraute ich voll und ganz.
Das unfassbare an jeder großen Komposition ist, dass in ihr keine einzige Note hätte anders geschrieben werden können, weil jeder einzelne Ton einen Sinn erfüllt. Man kann also nichts weglassen, nichts hinzufügen und nichts einfach im Klangrausch untergehen lassen, ohne einen tiefen Sinn zu zerstören. Es ist derart perfekt und genial, dass man nicht umhin kann, an das Wunder der Musik zu glauben.
Natürlich genügt es innerhalb einer großen Komposition niemals, alles, sei es harmonisch oder melodisch, nur einfach hörbar zu machen, sondern der in ihrem Inneren angelegten Ordnung folgend, sinnvolle Zusammenhänge herzustellen. So gilt es zum Beispiel, die oftmals geforderte Virtuosität nicht als Selbstzweck, sondern eben als Mittel zu Zweck ohne jede Überbewertung, allein dem Sinn entsprechend einzuordnen. Das fällt vielen Interpreten schwer. Im inneren Hören dessen, was Musik bezweckt, bin ich zur Überzeugung gelangt, dass man ohne bedingungslose Liebe der Musik niemals gerecht werden kann. Ihrem kostbaren Inhalt beraubt kann ihre Form nur missverstanden werden. Warum das so ist, soll uns in den folgenden Kapiteln beschäftigen.
Denken Sie daran, es gibt mehr Menschen auf der Welt als Sie selbst. Seien Sie bescheiden! Sie haben noch nichts erfunden oder gedacht, was andere zuvor nicht gedacht oder erfunden haben. Und wenn Sie es wirklich getan haben, betrachten Sie es als ein Geschenk des Himmels, das Sie mit anderen teilen möchten.
Robert Schumann
Unlängst rief mich eine Studienkameradin an weil sie anlässlich einer Musiktagung in meine Stadt kommen wollte. Es war ihr ein Bedürfnis mich bei dieser Gelegenheit wiederzusehen. Während unserer Überlegungen für ein Treffen sprach sie wie nebenbei davon, dass sie nie vergessen könne, wie ich eine Chopin-Ballade anlässlich eines Klavierabends vor etwa 25 Jahren gespielt hätte. Im Nachhinein fiel mir ein, dass ich Ähnliches vor allem von Musikern immer wieder in Bezug zu meinem Spiel gehört habe. So ungewöhnlich mir das jedes mal erschien, wurde es jetzt zum ausschlaggebenden, noch fehlenden Impuls, endlich das Buch über Musik zu schreiben, welches mir, begleitet von vielen „Zufällen“, von Zeit zu Zeit immer wieder zu verstehen gegeben hat, dass es geschrieben werden wollte. Um es an dieser Stelle vorwegzunehmen: Ich bin keine viel spielende Pianistin, jedoch wenn ich spiele, vermag ich es einzig so, wie es die Musik meinem inneren Hören nach verlangt.
Was ist es, dass geschehen muss, damit man niemals vergessen kann, wie eine große Komposition gespielt wurde? Wie kann etwas so Vergängliches wie Musik in uns so etwas, man muss es wohl „Bleibendes“ nennen, bewirken? Gerade wenn man davon ausgeht, dass es unter Musikern üblich ist, häufig Konzerte zu besuchen, ist es sicher nicht möglich, alles in Erinnerung zu behalten. Dazu kommt noch, dass das Niveau unserer Konzerte sehr hoch ist, und man oft bemerkenswerte Interpretationen hört. Die technischen Möglichkeiten heutiger Musiker sind herausragend und man sollte erwarten, dass nach so vielen Eindrücken ein einzelnes Stück darin untergeht.
Doch so ist es scheinbar nicht. Ich selbst habe live nur wenige solcher Momente in Erinnerung, die ich als unauslöschlichen Eindruck in mein ganzes Leben mitgenommen habe. Nur diese seltenen, glückvollen Momente schienen mir, bei allem was ich je hörte, wirklich in die Tiefe zu gehen und damit wahr zu sein. Dazu zählt die berühmte d-moll Chaconne für Violine von Bach, die ich in Studentinnentagen anlässlich eines Konzertabends der Geigerin Liana Isakadze hören durfte. Ihre tiefe Hingabe an dieses Stück konnte ich zu meiner Freude während Recherchen zu diesem Buch unvermutet auf YouTube durch einen seltenen Mitschnitt aus dem Jahre 2013 noch einmal miterleben: https://www.youtube.com/watch?v=_HJZ_XAdBv4. Dass diese große Interpretation gerade in unseren Tagen nicht unumstritten ist, wird uns im Laufe des Buches noch beschäftigen.
Wenn man sich heute über Musik verständigen will, findet man in seinem Umfeld, sei es auf CD oder in den Medien, unendlich viele Klangbeispiele allein für ein einziges Werk. Sie alle erklingen ohne jeden Fehler und aus der Überzeugung des jeweiligen Interpreten heraus. Und es gibt Interpreten, die die Fähigkeit haben, für beinahe jedes Stück, welches sie spielen, Maßstäbe setzen zu können. Denken wir nur an Glenn Gould, Wladimir Horowitz, Swjatoslaw Richter, die zu den Legenden der Pianisten gehören, doch auch David Oistrach, Yehudi Menjuhin als Geiger, den Cellisten Pablo Casals, die Sängerin Maria Callas und all die heute berühmten Musiker wie Yo-Yo Ma, Anna Netrebko, Daniil Trifonow und Yuja Wang, große Dirigenten wie Arturo Toskanini, Sergiu Celibidace, Sir Simon Rattle, Valery Gergiev.
Auf der Suche nach Wahrheit in der Musik haben mich selbst viele ihrer Interpretationen unendlich berührt und in sogenannter „konservierter“ Form gibt es dadurch vieles, was ich nie mehr missen möchte. Man sagt, dass man über Geschmack nicht streiten sollte und es selbstverständlich wäre, dass das, was einem an einer Interpretation eines Werkes gefällt, nicht allen gefallen muss, jedoch ist es im Fall der Großen in der Musik so, dass niemand in der Lage ist, ihnen abstreiten zu können, dass sie der Musik und ihrem wahren Sinn in ungewöhnlicher Weise nahekommen.
Dennoch gibt es hier derart prägnante Unterschiede, die jeden in Erstaunen versetzen müssen, der realisiert, dass sie nur durch eindeutig notierte, vom Komponisten genaustens vorgeschriebene Klang– und Spielanweisungen zustande kommen konnten. Für mein Empfinden wird Musik durch all die Möglichkeiten, die sie bietet, zu der lebendigsten aller Künste, weil sie weit über die verbale Verständigung, wie es z.B. bei einem Schauspiel, aus Worten und Bildern aufgebaut möglich ist, hinausgeht. Es ist und bleibt das Wunder der Musik, dass sie ohne Worte viel mehr auszudrücken in der Lage ist und uns damit auf einer Ebene berührt, die es vermag, wenn sie wirklich erreicht wird, uns niemals wieder „vergessen“ zu lassen.
Musik ist eine ruhige Mondnacht, das Rascheln der Blätter im Sommer. Musik ist die Glocke in der Abenddämmerung! Musik kommt direkt aus dem Herzen und spricht nur mit dem Herzen: es ist Liebe!
Sergej Rachmaninow
Hören will gelernt sein. Das ist vor allem für den Beruf eines Musikers unumstritten. Es gibt so viele Aspekte des Hörens, dass es Bände füllen würde, hier im Detail alles besprechen zu wollen. Außer dem Hören von Klängen und Worten, die uns im Außen begegnen gibt es darüber hinaus unser inneres Hören, welches es uns möglich macht Musik in uns zu erfahren. Daneben unsere Fähigkeit, zu erkennen, ob ein Ton sauber, das heißt seiner Intonation entsprechend gespielt oder gesungen wird, sowie das harmonische, polyphone, rhythmische Hören. Vieles habe ich darüber in meinem Buch „Klavierspielen mit der Seele“ beschrieben und möchte es darum an dieser Stelle nicht wiederholen. Erinnert sei hier dennoch an die Hörforschungen von Alfred Tomatis, der unsere Fähigkeit zu hören in Beziehung zu unserer ganzen Lebenssituation brachte und aufzeigte, dass Hörblockaden bereits in der frühembryonalen Phase einer menschlichen Entwicklung angelegt werden. Man könnte es auch so nennen, dass wir durch Prägungen hören, was wir wollen und nicht in etwa, wie man annehmen könnte, das, was wirklich erklingt. So verhält es sich natürlich neben dem Bezug zur Musik auch mit dem gesprochenen Wort. Es gibt sehr viele Menschen, denen klassische Musik nichts bedeutet, die aber Volksmusik, Schlager oder Countrymusik über alles lieben. Es ist eine Frage der Affinität, die nichts mit Gewohnheit zu tun hat, sondern sich allein aus dem Vermögen zu hören erklärt.
Wie es zu solch unterschiedlichen Hörbedürfnissen kommen kann, mag uns als ein Rätsel erscheinen, jedoch hat es erklärbare Ursachen. Menschen sind nicht nur in ihrer Erscheinung, sondern auch als Charaktere und Persönlichkeiten sehr verschieden. Und die Frage, wie sie sich selbst wahrnehmen, ist eine Frage ihres Bewusstseins. Man kann sich selbst sehr verschieden wahrnehmen, nämlich als klug, als Opfer, als Verlierer, als unglücklich, als begnadet, als unsicher, als genial...und all das ist in gewisser Weise bereits ein Hinweis auf unsere Sicht zu sein, auf das eigene Bewusstsein.
Um die Jahrtausendwende gelang einem US-amerikanischen Wissenschaftler, Dr. David Hawkins (1927-2012), diesbezüglich ein phänomenaler Durchbruch, indem er Möglichkeiten fand das Bewusstsein eines Menschen in Relation zu seinen Wahrnehmungen auf einer uns verständlichen Skala von 0 - 1000 zu messen sowie darzustellen.
Obwohl ich in anderen meiner Bücher ausführlich darüber geschrieben habe, möchte ich hier dennoch genauer darauf eingehen. Hawkins war psychiatrischer Arzt und seit seiner Erleuchtung im Alter von 38 Jahren fähig, jede Krankheit zu heilen. Das klingt wie ein Märchen und wird in Wikipedia darum auch als „angebliche“ Heilfähigkeit bezeichnet, ist jedoch, wenn man versteht, was unser Bewusstsein vermag eindeutig nachvollziehbar. Wie man sich vorstellen kann, bescherte ihm seine außergewöhnliche Fähigkeit einen nicht enden wollenden Zustrom schwerstkranker Patienten, vor dem er letztendlich kapitulieren musste. Zurückgezogen aus der Öffentlichkeit erkannte er, dass es unter dem Gesichtspunkt der Unmöglichkeit alle Menschen zu heilen, wichtig war, der Menschheit ein Instrument in die Hand zu geben, sich selbst heilen und helfen zu können. In mehreren Büchern, deren Grundlage seine Bewusstseinsforschungen bilden, zeigte er auf, dass es die Aufgabe der Menschheit ist, ihr Bewusstsein anzuheben, um zukünftig in Frieden und auch Gesundheit leben zu können. In großangelegten, bald staatlich anerkannten und geförderten Studien erarbeitete er eine Bewusstseinsskala, die heute im Internet allen Menschen zugänglich ist. Er selbst ermittelte deren Werte über den kinesiologischen Muskeltest, wobei für diese Testmethode ein relativ hoher Zeitaufwand nötig ist und man heute weiß, dass eine Testperson unterhalb des Bewusstseins von BW (Bewusstseinswert) 500 leicht eigene, also subjektiv gefärbte Testergebnisse erhält. Da Hawkins mit mehreren Testern gleichzeitig arbeitete, sind nicht alle seiner Messungen vollkommen fehlerfrei, zeigen jedoch deutlich auf, dass sogar Kunstwerke, dass auch Musik Bewusstsein trägt.
Um sich in etwa eine Vorstellung von allem machen zu können, möchte ich hier eine kleine Übersicht über grundlegende Bewusstseinswerte (BW) einfügen, die ein Mensch erfahren kann und die uns helfen, sein Bild von der Welt und alle daraus erfolgenden Handlungen zu verstehen.
Tabelle 1:
BW 40:
Schuld
BW 100:
Angst
BW 175:
Arroganz
BW 200:
Mut/Übermut
BW 310:
Bereitwilligkeit
BW 350:
Akzeptanz/Vernunft
BW 400:
Intellekt
BW 500:
Liebe
BW 600:
Friede, Selbstheilung
BW 700:
Weisheit
BW 850:
Erleuchtung
BW 930:
Wahrnehmung Gottes
BW 1040:
höchstmögliches menschliches Bewusstsein
Interessant sollte in diesem Zusammenhang sein, dass Hawkins alle Werte unterhalb von BW 200 als die Ebene der Unwahrheit bezeichnete. Im Verlauf dieses Buches werden wir erkennen, dass sich jedes Bewusstsein unterhalb von BW 500 in einem willkürlich konstruierten, sich selbst bestätigenden Gedankenkonstrukt wahrnimmt und agiert. Ich bezeichne daher diese Ebene als jene der Unfreiheit.
Selbst seit vielen Jahren über die Homöopathie mit dem Pendeln vertraut, habe ich mittels dieser einfachen Methode entdecken können, dass ich einmal zu identischen Messergebnissen wie Hawkins gelangte und auf dieser Grundlage gleichzeitig in der Lage war, weitere vor allem aktuelle Werte zu ermitteln. Die in diesem Buch dokumentierten Werte beruhen daher auf meinen eigenen Forschungen. Zum allgemeinen Verständnis kann ich versichern, dass mein Bewusstsein oberhalb von BW 500 liegt und ich, durch jahrelange Erfahrung geübt, nur gewissenhaft ermittelte und mehrfach überprüfte Werte veröffentliche. Das Kapitel „Zwischenspiel“ (siehe: Seite →) geht ausführlich auf viele der sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen ein, und sollte bitte im Fall eines mir durchaus verständlichen Zweifels vorab gelesen werden.
Das Durchschnittsbewusstsein der Menschheit beträgt derzeit (Stand Oktober 2018) BW 270. Das Bewusstsein Deutschlands erreicht hier BW 335, die Industrienationen insgesamt BW 435. Schaut man sich diesbezüglich die Werte meiner zuvor erschienenen Bücher an, wird man vergleichend feststellen können, dass sich das Bewusstsein der Menschheit leicht, doch kontinuierlich nach oben bewegt. Das ist nicht erstaunlich, obwohl es vielen Menschen erscheint, dass unsere Situation als Gesamtkollektiv immer schwieriger wird. Jedoch – und das ist ein weiterer Beweggrund für mich dieses Buch zu schreiben – befindet sich die Menschheit in einem Übergangsstadium, in welchem sie aus der Phase blinden Egoismus in diejenige der Vernunft wechselt. Musik hat in diesem Kontext eine wesentliche Funktion und darum soll es in diesem Buch natürlich in erster Linie gehen.
Wenn wir bereits eine allgemeine Wertetabelle des Bewusstseins vor uns hatten, bietet es sich an, gleichfalls einen Überblick über die speziellen Werte einzelner Musikrichtungen zu geben, die in diesem Fall durch zwei Werte gleichzeitig ihr mögliches Spektrum anzeigen.
Tabelle 2:
Blasmusik
BW 180 -
BW 430
Marschmusik
BW 130 -
BW 240
Volksmusik
BW 180 -
BW 250
europäische Volkslieder
BW 190 -
BW 260
Rockmusik
BW 160 -
BW 260
Beatmusik
BW 200 -
BW 365
Schlager
BW 150 -
BW 270
klassische Gesellschaftstänze
BW 200 -
BW 360
Blues
BW 195 -
BW 295
Jazz
BW 190 -
BW 350
Weltmusik
BW 230 -
BW 657
esoterische Musik
BW 190 -
BW 480
Ragtime
BW 180 -
BW 355
Rock´n Roll
BW 188 -
BW 365
elektronische Musik
BW 40 -
BW 470
Musik des Renaissance
BW 260 -
BW 405
Barockmusik
BW 260 -
BW 760
Musik der Klassik
BW 200 -
BW 810
Romantische Musik
BW 170 -
BW 890
Musik des Impressionismus
BW 200 -
BW 770
Musik des 20. Jahrhunderts
BW 125 -
BW 1010
atonale Musik
BW 80 -
BW 220
12-Ton-Musik
BW 105 -
BW 230
serielle Musik
BW 105 -
BW 145
intuitive Musik
BW 80 -
BW 260
Diese Liste spricht für sich (weitere Werte finden sich im Kapitel „Musik an allen Ecken“, S. →), vor allem wenn wir beginnen die Bedeutung, die in den einzelnen Werten liegt zu verstehen. So hat die überbordene Marktwirtschaft, die viele Menschen noch vor 30 Jahren als erstrebenswert ansahen den Wert von BW 300. Ihr materieller Rausch, alles vermarkten zu können ist auch an der Musik nicht spurlos vorüber gegangen. Nicht nur ein Mensch mit diesem Bewusstsein, sogar ein ganzes Wirtschaftssystem vermag über diesen seinen sprichwörtlichen „Horizont“ nicht hinauszugehen, weil ein jeder einzelne Bewusstseinswert gleichzeitig auf eine definierbare Wahrnehmungsgrenze hinweist (siehe Tabelle 1). Keine der jenseits ihrer Grenzen liegende reale Möglichkeit wird erkannt, auch wenn es sich aus Sicht der Vernunft um die schlüssigsten Argumente handeln sollte. Es kann und wird diese einfach nicht „verstehen“ und von außen betrachtet sofort beliebig entkräften. Auf diese Weise erklärt sich vieles in unserem chaotischen Leben.
Warum ich in einem Buch über Musik hauptsächlich auf die klassische Musik eingehen werde hängt mit ihrer wunderbaren Eigenschaft zusammen, ein auf die oben beschriebene Weise in sich gefangenes Bewusstsein öffnen zu helfen. Indem ich vorab schrieb, dass Musik ohne Liebe (komponiert) keinen nennbaren Wert besitzt, heißt dies selbstverständlich nicht, dass jede andere Musik ein unbedeutender Funktionsträger innerhalb unserer Gesellschaft wäre. Wir werden ihre diesbezügliche „Aufgabe“ im Laufe des Buches noch näher beleuchten.
Sehr leicht lässt sich erkennen (siehe: Tabelle 2