Mustang-King - G.F. Barner - E-Book

Mustang-King E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. Willowbys grässlicher Schrei hallte von den steilen Wänden des Bradsha Canyons wider. Während sich sein Pferd aufbäumte, kippte der notorische Dieb, wie man ihn in der Ausschreibung des Sheriffs von Phoenix bezeichnet hatte, nach hinten. Und dann machte das Pferd einen gewaltigen Satz nach vorn. Deputy Averall Jones aus Prescott sah gerade noch, dass Willowby sein Gewicht nach links verlagerte, dann spannte sich das Seil zwischen Willowbys und Parkers Pferd, das beide Tiere sicher miteinander verband. »Hilfe, ich stürze …!« Der gellende Schrei des notorischen Diebes verstummte mit dem dumpfen Aufprall des Pferdes, das auf die Seite fiel. Jetzt schrie auch Budd Parker los, der bärenstarke und im Ausschreibungsblatt als »gefährlicher Schläger« bezeichnete zweite Gefangene des Deputys. In diesem Moment gab das Geröll unter Willowbys Pferd nach, und der Braune des schmächtigen, aber zähen Diebes begann zu rutschen. Er glitt jetzt wie auf einer mit Schmierseife bestrichenen Gleitbahn den Hang abwärts. »Verdammt noch mal!«, knurrte ­Jones. Er war ein umsichtiger und erfahrener Mann, kaltblütig und schnell genug mit dem Revolver, um es zwei Kerlen wie Willowby und Parker zu zeigen. »Der geht ab!« Im bleichen Mondlicht über den Bradsha Mountains wirbelte am Steilhang eine Staubwolke empor und nahm Jones die Sicht auf den stürzenden Gaul. Das Pferd verschwand samt Willowby, der mit gebundenen Beinen und auf dem Rücken angeschlossenen Händen an dem Tier hing. Willowby schrie so grauenhaft, dass Jones ein kalter Schauder über den Rücken lief. Der linke Schenkel des schmächtigen Diebs befand sich todsicher zwischen dem gestürzten Pferd und dem groben Geröll. Seine Hose musste längst zerfetzt sein, sein Oberschenkel von tiefen Schrammen gezeichnet, wenn er ihn sich nicht sogar bei dem Sturz gebrochen hatte. Während Jones in Gedanken den Sturm verfluchte, der in den letzten drei Tagen in Arizona gewütet hatte, trieb er sein Pferd an, um Willowbys Gaul in den Weg zu reiten und es aufzuhalten.

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G.F. Barner – 218 –

Mustang-King

G.F. Barner

Willowbys grässlicher Schrei hallte von den steilen Wänden des Bradsha Canyons wider. Während sich sein Pferd aufbäumte, kippte der notorische Dieb, wie man ihn in der Ausschreibung des Sheriffs von Phoenix bezeichnet hatte, nach hinten.

Und dann machte das Pferd einen gewaltigen Satz nach vorn.

Deputy Averall Jones aus Prescott sah gerade noch, dass Willowby sein Gewicht nach links verlagerte, dann spannte sich das Seil zwischen Willowbys und Parkers Pferd, das beide Tiere sicher miteinander verband.

»Hilfe, ich stürze …!«

Der gellende Schrei des notorischen Diebes verstummte mit dem dumpfen Aufprall des Pferdes, das auf die Seite fiel. Jetzt schrie auch Budd Parker los, der bärenstarke und im Ausschreibungsblatt als »gefährlicher Schläger« bezeichnete zweite Gefangene des Deputys.

In diesem Moment gab das Geröll unter Willowbys Pferd nach, und der Braune des schmächtigen, aber zähen Diebes begann zu rutschen. Er glitt jetzt wie auf einer mit Schmierseife bestrichenen Gleitbahn den Hang abwärts.

»Verdammt noch mal!«, knurrte ­Jones. Er war ein umsichtiger und erfahrener Mann, kaltblütig und schnell genug mit dem Revolver, um es zwei Kerlen wie Willowby und Parker zu zeigen. »Der geht ab!«

Im bleichen Mondlicht über den Bradsha Mountains wirbelte am Steilhang eine Staubwolke empor und nahm Jones die Sicht auf den stürzenden Gaul. Das Pferd verschwand samt Willowby, der mit gebundenen Beinen und auf dem Rücken angeschlossenen Händen an dem Tier hing. Willowby schrie so grauenhaft, dass Jones ein kalter Schauder über den Rücken lief. Der linke Schenkel des schmächtigen Diebs befand sich todsicher zwischen dem gestürzten Pferd und dem groben Geröll. Seine Hose musste längst zerfetzt sein, sein Oberschenkel von tiefen Schrammen gezeichnet, wenn er ihn sich nicht sogar bei dem Sturz gebrochen hatte.

Während Jones in Gedanken den Sturm verfluchte, der in den letzten drei Tagen in Arizona gewütet hatte, trieb er sein Pferd an, um Willowbys Gaul in den Weg zu reiten und es aufzuhalten. Er musste verhindern, dass das Pferd über die etwa sechs Schritt tiefe Kante in den Bradsha-Creek abstürzte. Obgleich auch hier Geröll und große Steinbrocken zwischen umgestürzten, gesplitterten und vom Sturm über den Hang gefegten Bäumen lagen, fand das Pferd keinen Halt – das Geröll trug es schnell der Tiefe entgegen.

»Hilf ihm! Halte ihn! Halte ihn doch!«, brüllte Budd Parker. Der vierschrötige Mann hatte eine tiefe, raue Stimme. Er versuchte, sein Pferd zurückzuhalten, aber es gelang ihm nicht wegen der auf dem Rücken zusammengeschlossenen Arme. Budd Parker schrie aus Leibeskräften. Sein Pferd und das von Willowby waren durch die Longe sicher miteinander verbunden. Jones hatte die beiden immer vor sich her reiten lassen. Jetzt ritt der Deputy von hinten heran. Er unterschätzte die Heimtücke und Gefährlichkeit der beiden Diebe auch jetzt nicht, darum ritt er in zwei Schritt Sicherheitsabstand an Parker vorbei. Jetzt sah Jones das stramm angespannte Seil. Es stand unter solchem Druck, dass es den Sattel von Parker nach vorn gerissen hatte.

»Mein Gaul rutscht ab!«, brüllte Parker mit überschnappender Stimme. »Hilfe, mein Gaul …«

Jones hatte keine Zeit, sich um Parkers Geschrei zu kümmern. Willowby heulte wie ein Wolf, der in einem Bügelfalleneisen steckte und dessen Bein von den Fangzähnen der Falle zerbissen wurde. Das Pferd war jetzt zu erkennen – Jones hatte die Staubwolke erreicht und sah Willowby unter dem Pferd liegen und talwärts rutschen.

Als das Pferd, das erfolglos versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, nur noch drei Schritt vor der Kante war, die steil in das trockene Bett des Brad­sha Creeks abfiel, war Jones heran.

In der gleichen Sekunde hörte er durch die Schreie Willowbys hindurch das schwere Hufgepolter, aber es war bereits zu spät.

Der bullige Budd Parker hatte nur so lange geschrien, wie der Deputy neben ihm gewesen war. Jetzt kam Parker auf seinem Pferd herangejagt.

Averall Jones hatte die Beinfesseln seiner Gefangenen noch vor zwei Stunden bei Einbruch der Dunkelheit überprüft und nichts Verdächtiges entdeckt. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass seine Gefangenen ihn getäuscht und jeweils das Bein nach außen gestemmt hatten, das er gerade nicht sehen konnte. Da kein Mensch durch ein Pferd sehen kann, und Jones immer nur an einer Flanke der Pferde gewesen war, hatten ihn die beiden Halunken ausgetrickst.

So traf das, was jetzt kam, Jones wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Und der Deputy begriff zu spät, wie gefährlich Budd Parker war. Der bullige Dieb und Schläger jagte heran und benutzte sein Pferd als Rammbock. Parker hatte die richtige Sekunde dafür abgepasst. Willowbys Geschrei gellte dem Deputy so in den Ohren, und lenkte ihn auch so ab, dass er das Poltern der Hufe viel zu spät vernahm und auch nicht mehr zum Colt greifen konnte.

Parkers schwerer Gaul war heran, als Jones sein Pferd nach links gezogen hatte, um es vor Willowbys abrutschenden Braunen zu bringen. In diesem Moment tauchte Parker neben dem Deputy auf. Jones sah das verzerrte Gesicht des bulligen Diebes und den gesenkten Schädel des Wallachs kommen – und alles, was er tun konnte, war, dass er seinem Pferd die Sporen gab.

Es war auch dafür zu spät. Zwar sprang das Pferd bei dem Doppeltritt an, seine Vorderhufe hoben sich – und Parker, der es sah, stieß einen lauten Schrei des Triumphes aus. Jetzt hatte das Pferd des Deputys keinen Halt mehr – es stand nur noch auf zwei Hufen.

Der Rammstoß warf Jones’ Pferd zur Seite. Der Deputy sah noch, wie ihm die steil abfallende Kante zum trockenen Bachbett entgegenkam. Dann drehte sich sein Pferd, es stürzte, fiel zur rechten Flanke um. Jetzt handelte Jones. Er riss das linke Bein hoch, warf sich nach hinten und stieß den rechten Fuß nach vorn. So traf Jones die weiche Flanke des Pferdes, doch das Tier drehte sich zu schnell. Die Kruppe fuhr herum, sie prallte Jones in die Hüfte. Statt nach hinten zu fliegen, stieß der wuchtige Stoß den Deputy nun erst recht in das trockene Bachbett hinein.

In diesem Moment bezahlte er den Fehler, den hundert andere Männer auch begangen hätten. Jones sauste den groben Felsbrocken entgegen. Er knallte gegen das Gestein, spürte ein paar schmerzhafte Schläge und kam dann doch noch wieder auf die Beine. Da tauchte plötzlich links von ihm ein riesengroßer Schatten auf – das Pferd.

Das Tier prallte mit voller Wucht auf den aufstehenden Deputy, warf ihn zurück und mit solcher Macht gegen die Steine, dass Jones nur noch ein Feuerwerk sah. Dass er sich dabei den rechten Arm brach, merkte er schon nicht mehr. Sein Pferd fing sich und sprang wiehernd auf die Hufe. Das Gewehr war bei dem Sturz aus dem Scabbard geglitten und blieb zwischen den Steinen liegen, während das Pferd in donnerndem Galopp davonpreschte.

»Halt – halt!«, schrie Parker entsetzt. »Verflucht, bleib stehen, du Ziegenbock – bleibst du stehen!«

Einen Moment später war das Pferd um die Biegung des Bacheinschnittes verschwunden. Parker hörte Willowbys Geheul, konnte gerade noch nach rechts reiten und damit das Seil wieder anspannen. Und nun ritt er in direkter Linie gegen den Hang an. So gelang es ihm, den Absturz des Pferdes und Willowbys zu verhindern.

»Mein Bein!«, stöhnte Willowby, als sich die Staubwolke ein wenig verzog und Parker nach ihm rief. »Um Gottes willen, mein Bein, Budd, ich glaube, es ist zerschmettert!«

Budd Parker hatte zuerst nach Jones geblickt und dessen Bewusstlosigkeit erkannt. Der bullige Mann schnaufte schwer, starrte Willowby beklommen an. Dann warf er sich mit einem entschlossenen Ruck ganz auf die linke Flanke seines Pferdes. Es gelang ihm, jetzt nach vorn aus dem Sattel zu rutschen, doch er blieb danach vor dem Sattel auf dem Rücken des Pferdes hängen.

»Reiß dich zusammen!«, knirschte Parker. »Sei ruhig, ich muss das verdammte Mistding erreichen können. Wenn ich das nicht schaffe, ist es aus mit uns.«

Er keuchte schrecklich, als er die Arme so weit es ging zurückbog und dann tatsächlich den Verschluss des Sattelgurtes zu packen bekam.

Währenddessen lag der schmächtige Dieb Willowby, der den Plan zu ihrer Befreiung ausgeheckt hatte, unter seinem Braunen. Das Pferd blieb aus irgendeinem Grund liegen, es stieß zwar die Hufe aus, stand aber nicht auf.

»Mit dem Gaul ist irgendetwas«, wimmerte Willowby. »Mein Gott, mach schnell, Budd, mach doch schnell!«

»Erst können«, fluchte Parker. »Die Schnalle – sie will nicht aufgehen, sie will nicht …, aaah!«

Die Schnalle öffnete sich dann doch und so plötzlich, dass der Sattel nach links rutschte, Parker den Halt von einer Sekunde zur anderen verlor und mitsamt dem Sattel seitlich vom Pferd stürzte. Der bullige Mann schlug hart auf dem Boden auf, stieß und strampelte dann so lange, bis er die Stricke von den Füßen hatte, und kam keuchend auf die Beine. Mit einem Triumphgebrüll rannte er zu dem bewusstlosen Jones hinüber. Er brauchte drei Minuten, bis er den Handschellenschlüssel aus Jones’ Westentasche gefischt hatte. Danach hastete er zu Willowby, der noch immer unter seinem Braunen lag.

»Der Gaul hat sich den Huf gebrochen oder verstaucht – vorn links!«, sagte Parker beklommen. »Verflucht, das auch noch – nun gut, nicht zu ändern, Jeff. Nimm die Arme mehr zurück.«

»Ja, ja!«, wimmerte Willowby. Parker gab Willowby den Schlüssel, aber sie brauchten beinahe fünf Minuten, bis der kleine Mann den Schlüssel in das Loch gesteckt und umgedreht hatte.

»Frei, frei!«, schrie Parker. Er schlenkerte mit seinen Armen, streckte sie glücklich empor, schloss seinen Partner los, rannte zu Jones zurück und stellte fest, dass der Deputy sich den Arm gebrochen hatte. Dennoch riss er ihm beide Arme auf den Rücken und fesselte ihn mit den Handschellen. »Das hat der Sklaventreiber nun davon! He, jetzt sind wir sicher, Junge. Warte, ich hole dich heraus!«

Einen Augenblick später hatte er Willowby losgeschnitten und ihn unter dem Pferd hervorgezogen. Jetzt zeigte sich, dass Willowbys Bein zwar einige Schürfwunden abbekommen hatte, aber der kleine Mann hatte sein Bein so geschickt neben die Sattelberge gedrückt, dass ihm weiter nichts geschehen war.

»Na, du Jammerlappen?«, fragte Parker spöttisch. »Das heilt von selbst – warte mal, hatte der Kerl nicht Schmalzbrote für uns dabei? Oh, verdammt, die sind ja auf seinem Gaul. Jeff, wir müssen den Gaul finden!«

Willowby stand ächzend auf, humpelte ein paar Schritte und grinste dann schon wieder. Er hatte ein richtiges Fuchsgesicht, und das Lächeln machte es einem Fuchs noch ähnlicher. Sie halfen Willowbys Pferd auf die Beine, doch der Vorderhuf knickte um – das Pferd war nicht mehr zu reiten.

»Die Hölle!«, knirschte der kleine Dieb. »Ein Pferd für zwei Mann, ein Karabiner, genug Patronen und einen Revolver. Wir müssen machen, dass wir von hier fortkommen, Mann. Schleifen wir Jones zwischen die Büsche da hinten! Hat der wirklich auch nur eine Sekunde geglaubt, er könnte uns sicher nach Phoenix bringen?« Sie lachten höhnisch.

Eine Viertelstunde später hatten die beiden Ganoven das lahmende Pferd und den Deputy in die Büsche geschleift und machten sich auf die Suche nach dem davongelaufenen Pferd von Jones, aber sie fanden es nicht. Das Pferd war anscheinend aus dem Creek geprescht und dann weiter in nordöstliche Richtung gelaufen.

»In den Bergen finden wir es nie«, stellte Willowby fest. »Wir haben nur zwei Flaschen Wasser, das ist verdammt wenig. Hör zu, wir reiten nach Süden.«

»Warum dorthin?«, fragte Parker missmutig. Am Colorado River kannten sie sich aus, dort waren sie gewesen. Im Süden aber nicht. Wie es dort aussah, wussten sie nur vom Hörensagen.

»Muss man dir alles erklären?«, brummte Willowby. »Mann, wir sind aus Nevada nach Phoenix gekommen und dann nach Norden geritten. Die wissen, woher wir sind und werden sich ausrechnen, dass wir nach Nevada zurückgehen – und das tun wir nicht. Wir reiten nach Süden. Dort unten fließt der Gila River. Danach soll es nur noch ein kurzes Stück bis zur mexikanischen Grenze sein. Wenn wir die hinter uns haben, bleiben wir jenseits der Grenze und reiten nach Osten davon.«

»Mit siebenundzwanzig Dollar und ein paar Cent?«

*

Der kleine Mann richtete sich langsam hinter dem Zaunpfosten auf und äugte wie ein sichernder Fuchs, der sich immer erst gründlich umsah, bevor er sich ein Huhn holte, zu dem flachen Gebäude hinüber.

Parker lag neben dem Zaun im ­kargen Gras am Boden. Er war satt bis an die Ohren, wie er es genannt hatte. Am Nachmittag hatten sie eine Anti­lope geschossen, das Tier enthäutet und dann ein Feuer gemacht, um wie zwei hungrige Wölfe über den Braten her­zufallen, ehe er halbgar gewesen war.

»Mensch, Pferde – Pferde!«, zischelte Willowby. »Ein Glück, dass wir von den Bergen aus das Licht gesehen haben. Lauter Pferde – ich werde verrückt!«

In diesem Corral, der etwa dreißig Schritt von der Rückfront des langgestreckten Gebäudes entfernt war, standen gut vierzig Pferde. Parker verstand nicht viel von Pferden, Willowby dafür umso mehr.

Sie hatten die flachen Gebäude und das Windrad erst entdeckt, als sie schon von Zweifeln geplagt worden waren, dass das Licht, das am frühen Abend durch die Nacht geschimmert hatte, vielleicht von einem Wagen war und sie genarrt hatte. Die Gebäude waren in einem einseitig offenen Rechteck angeordnet und lagen in einem Tal, das hier breit war. Zwei Heuschuppen sah man drüben an der östlichen Talwand wie dunkle Schatten in der Nacht. Sie waren so flach wie alle Heuscheunen in Arizona, damit die sengende Hitze das Heu nicht entzündet, wie es bei zweistöckigen Scheunen sonst leicht der Fall gewesen wäre.

»Ich sehe kein Gatter«, wisperte der kleine Dieb. »Hol’s der Teufel, das muss eine Pferderanch sein. Ich sage ja, ich habe Glück im Leben, was?«

Er kicherte, winkte Parker und kroch dann auf allen vieren am Zaun entlang. Sie näherten sich jetzt dem Ende des langen, flachen Baues, krochen parallel zu ihm und sahen dann das Gatter.

»Doch keine ganz geschlossene Hufeisenform der Gebäude«, zischte der kleine Dieb. »Da ist ’ne Durchfahrt, Junge. Ah, das muss der Stall sein – da ist der Misthaufen. Siehst du das Häus-chen?«

Willowby kroch am ersten Gatter weiter, dann hinüber zum zweiten Corral, blieb liegen und schnappte hörbar nach Luft. Die Pferde in diesem Corral – es waren gut ein Dutzend – waren nicht nur gut, sie waren unbeschreiblich. Bisher hatte Willowby solche Pferde nur aus der Ferne zu sehen bekommen. Es mussten Zuchtpferde sein.

»Mensch, Mensch, die sind ja …, alle Wetter, Renner sind das, Renner! Das Gatter …«

Der schmächtige kleine Dieb kroch ganz bis zum Gatter weiter und blieb liegen, als er die dicke Kette und das mächtige Schloss erblickte.

»Verdammt, die ist nicht zu zerbeißen und das Schloss nicht zu knacken!«, fluchte Parker, der sich auf solche Sachen verstand. »Ist auch besser, wenn wir eins der anderen Pferde aus dem großen Corral holen, das fällt denen vielleicht gar nicht auf, was?«

»Könntest ja recht haben«, murmelte Willowby enttäuscht. »Die Gäule hier … Mensch, jeder seine vierhundert Dollar oder mehr wert. Also, zurück – du passt auf, ich hole den Gaul. Erst noch mal umsehen …«

Zwei Minuten später kauerten sie in der schmalen Durchfahrt. Jetzt stellten sie fest, dass jenes flache Gebäude, dessen Rückwand sie zuerst gesehen hatten, ein Schlafhaus war. Die Ställe, eine Remise, unter deren Dach zwei Wagen standen, eine Schmiede, deren Esse zu erkennen war, und ein Wassertank vor dem Gebäude bildeten eine lange Front. Daran schloss sich das Wohnhaus im Winkel an. Es war einstöckig, musste jedoch hohe Zimmer haben und besaß jenes typische flache Dach mit ringsumlaufender Brüstung, wie Willowby und Parker es aus Nevada kannten. Ein gut fünfzehn Schritt langer Vorbau lag unter einer Balkenpergola. Neben den Stützen standen ringsherum Stechpalmen und Zieragaven vor der breiten, schweren Haustür, die nur undeutlich zu erkennen war.

Rechts und links neben der Tür und an den Ecken des Gebäudes konnte man senkrechte Schießscharten ausmachen. Eine breite Tür weiter links verriet Willowby, dass das Haus mindestens zwanzig Jahre alt sein musste, also schon zur Apachenzeit hier gestanden hatte.

»Eine Festung«, wisperte Willowby. »Das Ding hat meterdicke Mauern. Es rührt sich nichts, aber immer vorsichtig, was? Du bleibst hier, Buddy – komm etwas zurück, stell dich an die Stallecke und pass gut auf. Rührt sich etwas, wirfst du einen Stein in meine Richtung. Los, nimm dir zwei mit!«

Gleich darauf stand Willowby am Gatter, er schob es etwas weiter auf, führte das Pferd sacht hinaus, band es an und wollte das Gatter gerade wieder schließen, als das leise Knarren Parker förmlich herumriss.

Die Tür des Hauses öffnete sich langsam, leise knarrend.

Und dann trat der Schatten eines Mannes ins Freie.

Jemand verließ das Bunkhaus.

*

Budd Parker blieb wie angewurzelt stehen, seine Beine schienen gelähmt zu sein. Zu seinem Glück machte der Mann keinen Lärm und schloss die Tür leise, indem er sich umdrehte und Parker den Rücken zukehrte.

Erst in diesem Moment glitt der bullige Dieb hinter die Ecke zurück, duckte sich und lugte über den Rand der Regentonne.

Er befand sich hier im Schatten, und der Mann konnte ihn nicht sehen. Dafür beschien ihn das Mondlicht, und was immer Parker im ersten Moment gedacht hatte – es war vollkommen falsch gewesen. Der Mister dort trug zwar eine Hose, war jedoch barfuß und hatte sein Hemd so flüchtig in die Hose gestopft, dass ein Zipfel heraushing.

Der … der will – der will auf das Häuschen, dachte Parker. Alle Teufel, der muss auf die Toilette und kommt her! Gerechter Moses – weg hier!

Vorsichtig wich Parker zurück. Er nahm sein Gewehr fester in die Linke, packte einen Stein, holte aus und warf. Er zielte dabei absichtlich weiter nach links und schleuderte ihn nicht mit voller Kraft, weil er befürchtete, dass sich das Pferd erschrecken oder der Stein bis an das Holz der Corralstangen fliegen könnte. Das Pech hatte sie wieder einmal eingeholt – ausgerechnet jetzt musste jemand aus dem Bunkhaus kommen!

Budd Parker wartete den Aufschlag des Steines nicht ab. Er hastete leise zurück, kam an das Häuschen, warf einen Blick auf den Holzknebel der Tür und trat hinter das kleine Holzhaus.

Dreißig Schritt weiter schlug der Stein auf. Willowby fuhr erschrocken herum, sah Parkers hastiges Winken, duckte sich, blickte sich suchend um. Er hatte nichts von jenem leisen Knarren der Tür gehört.

Der kleine Dieb starrte zu dem Häuschen hinüber, er konnte sehen, wie Parker verzweifelt nach der Durchfahrt wies, ahnte, dass jemand kam und reagierte sofort. Willowby hielt dem Pferd die Nüstern zu, aber nackte Angst packte ihn, denn er stand hier deckungslos mit dem Pferd am Gatter.

Wer immer dort kam – blickte er nach rechts zum Corral, war es um Willowby geschehen.

Allmächtiger, schoss es ihm durch den Kopf, wenn man mich hier entdeckt, ist alles aus. Wir könnten zwar türmen, aber mit den schnellen Gäulen holen sie uns nach ein paar Meilen ein. Heiliger Rauch, was tue ich?

Er konnte nichts mehr tun. Es war zu spät. Er hatte das Gatter angeschoben, er konnte es nicht mehr öffnen und mit dem Pferd in den Corral zurück.

Willowby packte ein ähnliches Gefühl wie damals, als er mit Parker den Mietstallbesitzer in Phoenix überfallen, gebunden, geknebelt und dessen Haus durchsucht hatte. Gerade als sie es wieder verlassen wollten, hatte er jemanden zur Tür kommen sehen und klopfen hören – und er war vor Angst beinahe gestorben.

Der Schweiß brach Willowby aus. Er würgte, musste schlucken, hatte ein leeres Gefühl im Kopf, stand wie angewurzelt und starrte wie gelähmt zur Durchfahrt.

Von Parker war nichts mehr zu sehen. Das kleine Häuschen lag im Schatten, Parker war hinter ihm verschwunden. Und dann tauchte der Mann auf.

Es war kein großer Mann – der Bursche war nur wenig größer als Willowby, und zur Erleichterung des kleinen Diebes ging er schräg auf die Ecke des Stalles und die Regentonne zu. Willowby hatte dennoch das Gefühl, dass ihm vor Furcht die Haare zu Berge standen. Jetzt atmete der kleine Dieb nicht mehr, er hielt vor Angst die Luft an.