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Taylor Caldwell weiß nicht, was sie von ihrem neuen Mitbewohner halten soll. Auf der einen Seite hat Hunter Zaccadelli diese unglaublichen blauen Augen, mit denen er direkt in ihre Seele zu schauen scheint. Auf der anderen Seite ist er ein tätowierter, Gitarre spielender Bad Boy, der etwas verheimlicht. Doch wer ist Taylor, ihm das vorzuwerfen? Sie selber hält ihre Vergangenheit unter Verschluss. Aber als plötzlich der Mann, der beinahe ihr Leben zerstört hätte, wieder auftaucht, hat Taylor sich schon auf Hunter eingelassen. Jetzt muss sie ihm ihr größtes Geheimnis anvertrauen oder alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihn für immer aus ihrem Leben zu verbannen.
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Seitenzahl: 550
Chelsea M. Cameron
My Favorite Mistake – Der beste Fehler meines Lebens
Roman
Aus dem Amerikanischen von Sophie Schweitzer
MIRA® TASCHENBUCH
MIRA® TASCHENBÜCHER
erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,
Valentinskamp 24, 20354 Hamburg
Geschäftsführer: Thomas Beckmann
Copyright © 2014 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH
Deutsche Erstveröffentlichung
Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:
My Favorite Mistake
Copyright © 2013 by Chelsea Cameron
erschienen bei: HQN Books, Toronto
Published by arrangement with
Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l
Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln
Covergestaltung: pecher und soiron, Köln
Redaktion: Thorben Buttke
Titelabbildung: Thinkstock/Getty Images, München
Illustration: Roland Pecher/pecher und soiron, Köln; Franziska Beckmann, Hamburg
Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz
ISBN eBook 978-3-95649-317-1
www.mira-taschenbuch.de
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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder
auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich
der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Bei meinem ersten Zusammentreffen mit Hunter Zaccadelli knallte ich ihm eine. Er hatte es aber auch wirklich verdient, sogar regelrecht danach verlangt.
Als unsere vierte Mitbewohnerin uns drei Tage vor Collegebeginn sitzen ließ, dachten Darah, Renee und ich, die Zimmerverwaltung des Colleges würde sich schon darum kümmern und uns irgendeine unglückliche Seele zuweisen. Vermutlich ein armes Ding, das sich im letzten Moment entschlossen hatte, das College zu wechseln, um bei ihrem Freund sein zu können, oder dessen ursprüngliche Wohnungspläne sich zerschlagen hatten. Wir wussten nicht, was auf uns zukommen würde, doch die Person, der ich am Einzugstag die Tür öffnete, hatte ich ganz sicher nicht erwartet. Obwohl mir klar war, dass es auch gemischte Unterkünfte gab, hätte ich selbst in meinen wildesten Träumen nicht gedacht, dass uns das tatsächlich passieren würde.
Denn anstatt eines verzweifelten Mädchens, stand er auf einmal da, komplett mit Armeekiste, Rucksack und Gitarre. Das war so klischeehaft, dass ich die drei Sekunden lang, die ich brauchte, um ihn einzuordnen, nichts sagte. Sein Haar war so kurz rasiert, dass er beinahe eine Glatze hatte, dazu trug er einen Dreitagebart. Seine Augen waren von einem stechenden Blau und er war mindestens einen Kopf größer als ich mit meinen ein Meter fünfundfünfzig. All das wurde gekrönt durch ein großspuriges Lächeln. Genauso gut hätte er sich Ärger auf die Stirn tätowieren lassen können. Apropos Tattoos: Es war eines auf seinem Arm zu erkennen, doch ich konnte nicht sehen, was es darstellte. Und sein dünnes T-Shirt war so eng, dass es nicht viel der Fantasie überließ. Wahrscheinlich hatte er es sich von seinem kleinen Bruder geliehen.
„Bist du Darah, Renee oder Taylor? Siehst aus wie eine Taylor“, sagte er und musterte mich von Kopf bis Fuß.
Ich trug nicht gerade mein schönstes Outfit, sondern Kleidung, mit der man schwere Gegenstände tragen konnte: ein blaues T-Shirt mit University-of-Maine-Aufdruck und eine schwarze Fußballshorts. Mein hellbraunes Haar hatte ich zu einem unordentlichen Knoten im Nacken zusammengebunden. Er ließ seinen Blick zweimal an mir auf- und abwandern und aus irgendeinem Grund ließ mich die Art, wie er mich begutachtete, erröten und gleichzeitig den Wunsch in mir aufkeimen, ihm in die Weichteile zu treten.
„Mist, da muss ein Fehler passiert sein“, sagte ich.
Er verlagerte die Tasche auf seiner Schulter. „Das ist ein interessanter Name. Wie kürzt man das ab? Missy?“
„Das meinte ich nicht.“
Sein Grinsen wurde noch breiter. Entweder war sein Vater Zahnarzt, oder er war ein großer Fan von Zahnseide, denn sein Gebiss war so ziemlich perfekt. Seit meiner eigenen endlosen Leidensgeschichte – drei Jahre lang musste ich eine Zahnspange und nachts zusätzlich einen Außenbogen tragen – fielen mir solche Dinge auf. Ich musste den Retainer immer noch jede Nacht zur Stabilisierung tragen.
„Ist sie das?“, rief Darah aus ihrem Zimmer, wo sie ihre gerahmten Fotos so aufhängte, dass sie genau auf der gleichen Höhe waren. Sie war etwas neurotisch.
„Ich bin übrigens Hunter. Hunter Zaccadelli.“
Wie sollte er auch anders heißen. Der einzige Hunter, den ich je gekannt hatte, war ein totaler Mistkerl, und es sah so aus, als würde dieser Typ die Tradition fortführen.
Er deutete auf seine Kiste. „Also, kann ich jetzt meine Sachen reinbringen, oder …?“
Mein Gehirn arbeitete immer noch nicht richtig.
„Wer ist das?“ Darah kam endlich aus ihrem Zimmer. Meine andere Mitbewohnerin, Renee, war noch dabei, ihre Sachen aus dem Auto zu laden.
„Euer neuer Mitbewohner, hallo“, erwiderte er.
„Du willst hier einziehen?“ Sie zog die Augenbrauen so hoch, dass sie beinahe unter ihrem langen Pony verschwanden. Dann musterte sie ihn von oben bis unten, wie ich es getan hatte, doch er erwiderte ihren Blick nicht. Stattdessen sah er immer noch mich an.
„Ja, mit meiner Unterkunft ist im letzten Moment was schiefgelaufen. Ich sollte bei meinem Cousin einziehen, aber das hat doch nicht geklappt, und hier bin ich also. Was dagegen, wenn ich reinkomme?“
„Du kannst hier nicht wohnen“, sagte ich und verschränkte die Arme.
„Warum nicht? Das sind gemischte Unterkünfte, soweit ich weiß.“ Er grinste wieder und drängte sich ungerührt an mir vorbei in die Wohnung, wobei unsere Oberkörper sich leicht berührten und mir ein Hauch seines Eau de Toilette entgegenwehte. Es war nicht so ein billiges Zeug, von dem einem die Luft wegblieb. Es war würziger und roch ein wenig nach Zimt. Ich wich nicht von der Stelle, obwohl er mir einiges an Gewicht und Größe voraushatte. Doch ich hatte den Überraschungseffekt auf meiner Seite.
„Na ja, besser als bei meinem Cousin auf der Couch zu schlafen“, sagte er, ließ seine Tasche auf den Boden fallen und sah sich um. Der Gemeinschaftsbereich war klein und bestand aus einer Küche und einer winzigen Esstisch-Nische auf der einen Seite und einem kleinen Wohnzimmer mit Couch und Sessel auf der anderen. Am schlimmsten waren die Schlafzimmer, in denen zwei Betten im rechten Winkel zueinander an die Wand gequetscht standen, die Schreibtische direkt daneben, und in denen ansonsten nur noch Platz für jeweils zwei kleine Schränke und Kommoden war.
„Kannst du dich ausweisen?“, fragte Darah und stützte die Hände in die Hüften. „Woher sollen wir wissen, dass du nicht einfach irgendein Spanner bist?“
„Sehe ich etwa aus wie ein Spanner?“ Er breitete die Arme aus, sodass ich endlich sehen konnte, was das für ein Tattoo auf seinem Oberarm war: Die Zahl Sieben in schnörkeliger Schrift. Mein Blick wanderte zu seinem Gesicht.
„Woher sollen wir das wissen?“ Darah baute sich in voller Größe vor ihm auf. Sie waren beinahe gleich groß.
„Hört mal, ich hab einfach nur eine Anfrage an das College geschickt und eine Mail mit einer Zimmernummer und euren Namen bekommen. Hier, ich hab sie ausgedruckt. Behandelt ihr alle eure Gäste wie Kriminelle?“ Er zog ein mehrfach gefaltetes Blatt Papier aus der Tasche und reichte es Darah. Sie faltete es auseinander und warf einen Blick darauf. Dann seufzte sie und reichte es an mich weiter.
Da stand es, schwarz auf weiß. „Warum haben die uns nicht benachrichtigt?“, fragte ich, nachdem ich den Ausdruck gelesen hatte.
„Keine Ahnung“, sagte Darah, die Hunter immer noch misstrauisch beäugte.
„Oh Gott, ich schwöre, ich ziehe nie wieder um“, fluchte Renee, die gerade die Treppe hochkam, die Arme voller Kisten und die Schultern behängt mit zwei Taschen. „Wer hat denn hier seinen Kram mitten im Flur stehen lassen?“
Sie warf einen genervten Blick auf die Armeekiste und den Gitarrenkoffer, während sie darüberstieg. „Ist unsere neue Mitbewohnerin aufgetau… Oh, hallo.“ Als sie Hunter sah, wechselte ihr Tonfall schlagartig von verärgert zu zuckersüß. „Ich schätze mal, das ist deine Gitarre im Flur.“ Sie ließ ihre Sachen fallen und lehnte sich mit geziert in die Hüfte gestützter Hand in die Tür. Oh, Mann.
„Das“, sagte ich und zeigte auf Hunter, „ist unsere neue Mitbewohnerin. Jedenfalls laut Zimmerverwaltung.“
„Das kann doch nicht sein.“ Renee riss die Augen in ihrem winzigen Gesicht auf. Sie sah aus wie eine blonde, blauäugige Porzellanpuppe, die man in ein Trägerhemdchen von Victoria’s Secret gesteckt hatte. „Wollt ihr mich verarschen?“
„Was für ein Empfang“, sagte Hunter.
„Halt die Klappe“, erwiderte ich. Er lächelte nur wieder. Mann, wie gerne hätte ich ihm einfach sein Grinsen aus dem Gesicht gehauen.
„Ich sollte wohl mal meinen Krempel aus dem Flur entfernen“, sagte er, ging zu seiner Kiste und hob sie hoch, als würde sie nicht mehr wiegen als ein Schuhkarton. Angeber.
Er musste Kartons, herumfliegende Kissen und anderen Kram, mit denen die Räume vollstanden, umschiffen, was ihm leichtfüßig gelang. Er fand eine freie Stelle, setzte die Kiste ab und sah uns an.
„Also, mit wem schlafe ich?“, fragte er und lehnte sich in den Türrahmen meines Schlafzimmers.
Da Darah und Renee schon letztes Jahr zusammengewohnt hatten und ich die neue im Bunde war, hatten wir vereinbart, dass die neue Mitbewohnerin bei mir schlafen würde. Aber jetzt, da die neue Mitbewohnerin ein Mitbewohner war, kam das so was von nicht mehr in Frage.
„Hast du das gerade ernsthaft gesagt?“, fragte ich.
Im gleichen Moment sagte Darah: „Das einzige freie Bett steht in Taylors Zimmer.“
„Auf keinen Fall wohnt er bei mir“, blaffte ich und verschränkte die Arme noch enger, sodass sie meine Brüste besser bedeckten. Er hatte sie durchgehend angestarrt, seit der Frage, mit wem er schlafen würde. Nicht, dass da viel zu sehen gewesen wäre, aber das hielt seinen Blick nicht davon ab, dorthin zu wandern.
„Nein, wir rufen jetzt sofort die Verwaltung an und klären das“, sagte ich und zog mein Handy aus der Tasche.
„Tay, die hat montags geschlossen“, sagte Renee.
„Das ist mir egal. Es muss jemand da sein, heute ist doch Einzugstag.“
Ich schnappte mir das Campus-Telefonbuch, das wir bei unserer Ankunft auf der Fußmatte vorgefunden hatten, und blätterte es durch, bis ich die Nummer der Wohnungsverwaltung gefunden hatte.
„Ach, komm schon, Missy, du willst nicht mit mir zusammenwohnen?“ Für wen hielt sich dieser Typ? Wir kannten uns seit gerade mal zehn Minuten und er hatte mir bereits einen Spitznamen verpasst und mich angebaggert.
„Wenn du mich noch ein Mal so nennst …“ Anstatt den Satz zu beenden, tippte ich blindwütig die Nummer ein. Darah und Renee flüsterten Hunter etwas zu, jedoch nicht leise genug, als dass ich es nicht hören konnte.
„Wenn sie so ist, lässt man sie am besten in Ruhe“, zischelte Renee.
„Ich würde es nicht wagen, mich mit ihr anzulegen“, erwiderte er, während ich ein weiteres Mal das Freizeichen hörte.
Schließlich sprang ein Anrufbeantworter an, der mich über die Öffnungszeiten informierte und mir ein paar Durchwahlnummern gab, bei denen ich es probieren konnte. Ich hämmerte die erste in das Handy. Es ging keiner ran, aber es gab wieder einen Anrufbeantworter. Ich hinterließ eine kurze Nachricht, erklärte die Situation in all ihrer Dringlichkeit und wählte dann die zweite Durchwahl. Ich hörte nicht auf, bis ich bei allen fünf Verwaltungsstellen Nachrichten hinterlassen hatte. Dann knallte ich mein Handy auf die Küchentheke.
„Geht’s dir jetzt besser?“, fragte Hunter.
„Nein.“ Ich pfefferte das Telefonbuch auf die Couch. Darah und Renee sahen mich an, als befürchteten sie, ich würde explodieren. Ich war tatsächlich kurz davor. „Wärst du ein Gentleman, würdest du anbieten, auf der Couch zu schlafen“, fuhr ich ihn an.
„Nun ja, Missy, dann wirst du jetzt feststellen, dass ich kein Gentleman bin. Ich habe jedenfalls vor, die Situation voll auszunutzen.“ Vor Schreck blieb mir der Mund offen stehen. Noch nie hatte ein Typ so mit mir gesprochen.
„Findet ihr es auch so heiß hier drin? Ich glaub, ich mach mal das Fenster auf“, sagte Renee und eilte zu unserem einzigen Fenster, das sich hinter der Couch befand.
Darah sah zu mir, dann zu Hunter und wieder zu mir. „Na ja, wir können wohl gerade nichts daran ändern. Lasst uns seine Sachen reinholen, und dann können wir vielleicht mal nach unten gehen und sehen, ob wir jemanden von der Verwaltung finden“, sagte sie. Darah war schon immer die Friedensstifterin gewesen.
„Hört sich gut an“, sagte Hunter und ging geradewegs in mein Schlafzimmer, als würde es ihm gehören.
„Ich kann nicht fassen, was hier gerade passiert“, sagte ich und schloss entnervt die Augen. Dann hörte ich „Back in Black“ von AC/DC aus meinem Raum schallen. Hunters Klingelton.
„Hey, Alter. Nein, bin gerade erst angekommen. Raum 203. Ja, das wär cool …“ Er stieß die Tür zu und ich warf Renee und Darah einen Blick zu.
„Ich hätte nicht gedacht, dass das schon so früh nötig sein würde, aber ich glaube, wir brauchen ein WG-Meeting“, sagte ich. Wir hatten abgemacht, dass wir wöchentliche Treffen abhalten würden, bei denen wir unseren Kummer loswerden konnten. Ich war dafür, alles offen anzusprechen, damit wir uns nicht irgendwann hassten. Im Jahr zuvor hatte ich eine schreckliche Mitbewohnerin gehabt, und so etwas wollte ich nicht noch einmal durchmachen.
Ich lauschte, doch es klang so, als sei Hunter immer noch am Telefon. Ich hörte, wie er irgendwo herumwühlte und betete, dass er nichts kaputtmachte. Andernfalls würde ich ihn umbringen.
„Ich sehe das Problem nicht“, sagte Renee. „Ich meine, es ist doch dasselbe, als würde eine von uns ihren Freund hier übernachten lassen. Paul war die ganze Zeit bei uns, als Darah und ich letztes Jahr zusammengewohnt haben.“
„Aber das war, weil du mit ihm geschlafen hast“, sagte ich.
„Vielleicht schlafe ich ja auch mit Hunter“, gab sie zurück. Renee hatte sich erst vor Kurzem von Paul getrennt und war auf der Suche nach jemandem, mit dem sie sich an ihm rächen konnte. Wir wussten alle, dass sie und Paul füreinander bestimmt waren und dass sie das irgendwann auch selbst begreifen würden, doch Renee steckte noch immer in der Wut-Phase.
„Fühlst du dich unwohl bei dem Gedanken, mit ihm in einem Zimmer zu schlafen, Taylor? Das wäre völlig okay“, sagte Darah.
„Warum sollte ich mich unwohl dabei fühlen, ein extrem kleines Zimmer mit einem Typen zu teilen, den ich gerade mal eine halbe Stunde kenne und der die ganze Zeit schmierige Kommentare von sich gibt? Wieso sollte ich damit wohl ein Problem haben?“
„Wenn du willst, können wir tauschen. Ich kann bei ihm schlafen und du bei Renee“, sagte Darah.
„Warum kann er nicht bei mir schlafen?“, nörgelte Renee.
„Weil du ihn in seinem Schlaf vergewaltigen würdest“, sagte ich.
„Man kann niemanden vergewaltigen, der willig ist, Tay“, sagte sie und zwinkerte mir zu.
„Du bist krank.“
„Wie wäre es, wenn wir Streichhölzer ziehen?“, schlug Darah vor.
„Haben wir überhaupt welche?“, fragte Renee. „Wir könnten auch einfach Nummern ziehen oder so. Hier“, sagte sie und griff nach einem Notizblock, den jemand zusammen mit einem Kugelschreiber auf der Küchentheke liegengelassen hatte. „Ich schreibe unsere Namen auf und wir tun sie in …“ Sie schnappte sich das Baseballcap, das ich kurz zuvor abgenommen hatte. „Und Hunter zieht einen Zettel. Problem gelöst.“
Die Tür zu meinem Zimmer ging auf, und Hunter erschien, mit seinem üblichen Grinsen im Gesicht.
„Ihr habt doch nicht über mich gesprochen, oder?“
Als wüsste er das nicht ganz genau. Ich rollte mit den Augen, während Renee unsere Namen auf kleine Papierstücke schrieb, sie faltete und in mein Cap warf. Dann legte sie die Hand darüber und schüttelte sie durch.
„Zieh einen Zettel“, sagte sie und hielt Hunter die Kappe vor die Nase.
„Okay“, sagte er, griff hinein und zog ein Stück Papier heraus. Renee faltete es langsam auseinander. Wir warteten alle gespannt, während sie eine dramatische Pause einbaute.
„Taylor“, verkündete sie und drehte den Zettel herum, sodass wir alle meinen Namen schwarz auf weiß lesen konnten.
„Scheiße“, sagte ich.
Was sollen denn die ganzen Pfauenfedern?“
Es war eine Stunde später und ich hatte Hunter immer noch am Hals. Ich war sogar zur Verwaltung runtergegangen, die sich ein Stück weiter die Straße runter befand, doch es war niemand da gewesen. Wahrscheinlich hatten sie alle Hände voll damit zu tun, aufzupassen, dass die ganzen Erstsemester nicht unter den Massen an Unterhaltungselektronik zusammenbrachen, die sie über die Flure schleppten.
Ich gab mir Mühe, Hunter zu ignorieren, doch er wollte einfach nicht still sein. Er war eindeutig einer dieser Typen, die sich gerne reden hören.
„Weißt du nicht, dass Pfauenfedern Unglück bringen?“ Im Augenwinkel sah ich, wie sein Bizeps mit der tätowierten Sieben darauf sich anspannte, während er ein paar Shirts aus seiner Armeekiste nahm.
Ja, ich wusste, dass die meisten Leute glaubten, sie würden Unglück bringen. Aber es ging ihn nichts an, warum ich sie überall im Raum verteilt hatte: in Bilderrahmen an der Wand, an den Traumfänger gebunden, den meine Schwester mir geschenkt hatte, und sogar als Aufdruck auf meiner Bettdecke. Das ging ihn so was von gar nichts an.
Ich wünschte, Tawny wäre hier. Meine Schwester hätte genau gewusst, was sie zu Hunter sagen sollte, damit er ging. Sie war Rechtsanwaltsgehilfin und konnte sich nicht einfach so freinehmen, und Mom musste auch arbeiten. Wahrscheinlich fanden sie, so ein Umzug sei für mich als Studentin im zweiten Jahr keine große Sache mehr. Trotzdem vermisste ich Tawny.
„Bist du sauer auf mich, Missy?“
Der Spitzname brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Ich wirbelte herum und starrte ihn zornig an. „Hör mal, ich kenne dich nicht und du kennst mich nicht. Sobald es irgendwie geht, schmeiße ich dich hier raus, verstanden? Ich bin nicht dein Baby. Ich bin nicht eines dieser Mädchen, die du angrinsen und dann einfach so ins Bett zerren kannst. Kapiert? Halt dich verdammt nochmal fern von mir.“
Der Blick seiner blauen Augen bohrte sich in meine. Er schien zu den Leuten zu gehören, die Dinge sehen konnten, die andere nicht sahen – Dinge, die ich mich mein Leben lang bemüht hatte, zu verbergen. Bisher war es nur sehr wenigen Menschen gelungen, hinter meine sorgfältig gepflegte Fassade zu blicken; die meisten von denen hatte ich abgelegt wie eine schlechte Angewohnheit, bis auf einen. Ich musste diesem Typen einen Riegel vorschieben, bevor er auf die Idee kam herauszufinden, was die Welt mir so Schlimmes angetan hatte.
„Es ist nicht ganz einfach, mich von dir fernzuhalten, wenn wir im selben Zimmer wohnen“, sagte er.
„Das. Weiß. Ich.“, sagte ich durch meine zusammengepressten Zähne.
Er hielt abwehrend die Hände hoch. „Sei nicht sauer auf mich. Das Schicksal hat dir deinen Namen gegeben.“
„Ich glaube nicht an das Schicksal.“
Er lachte. „Ich auch nicht. Ich glaube nur an Glück.“ Er deutete auf die Sieben auf seinem Arm. „Man kann nie vorsichtig genug sein.“
„An Glück glaube ich auch nicht.“
„Das ist offensichtlich.“
In diesem Moment wurden wir von einer dröhnenden Stimme unterbrochen. Hunter stieg über das Chaos, das immer noch den Boden bedeckte, und streckte den Kopf aus der Tür.
„Mase, Alter, wo warst du so lange? Hast du dich verlaufen?“
Die männliche Stimme antwortete. „Nö, ich wurde nur aufgehalten. Das ist also deine Wohnung?“ Na klar, kommt doch alle rein.
„Nee, ich bin einfach irgendwo rein gelaufen und hab meinen Kram reingeschmissen … Ja, das ist meine Wohnung.“
Er ging ins Wohnzimmer und ich folgte ihm. Darah und Renee kamen ebenfalls aus ihrem Zimmer. Es war Gehämmer und Geschrei zu hören gewesen. Vermutlich hatten sie gerade Darahs Bilderrahmen ihren genauen Wünschen entsprechend aufgehängt.
In unserer Wohnungstür stand ein Typ, der Hunters Bruder hätte sein können. Er hatte etwas helleres Haar, dunklere Augen und war ein bisschen stämmiger, doch die Ähnlichkeit war nicht zu übersehen.
„Und wer sind diese entzückenden Ladies?“, fragte der Neuankömmling.
„Das sind Taylor, Darah und Renee, meine Mitbewohnerinnen“, antwortete Hunter.
„Ernsthaft, Alter? Wie kannst du nur immer so ein Glück haben?“
„Ich bin eben ein Sonntagskind“, sagte Hunter. „Das ist mein Cousin Mase.“
„Freut mich sehr, Mase“, flötete Renee und stürzte auf ihn zu. Mase sah ein wenig benommen aus, als er ihre Hand nahm und schüttelte. „Ich bin Renee.“
„Schön, dich kennenzulernen, Renee. Dann musst du Darah sein“, sagte er und zeigte mit dem Finger auf Darah, die ihm zuwinkte. „Und du bist Taylor. Ich hab schon viel von dir gehört.“ Wie konnte das sein? Ich warf Hunter, der ein unschuldiges Gesicht machte, einen finsteren Blick zu. „Es ist total nett von euch, dass ihr meinen armen Cousin in seiner Not aufnehmt. Ich dachte, er würde bei uns auf der Couch schlafen können, aber einer meiner Mitbewohner hatte sie schon jemand anders versprochen, der dafür zahlen wollte, und damit war ich überstimmt. Tut mir leid, Alter.“
„Schon okay“, sagte Hunter.
Zum ersten Mal seit ich ihn kennengelernt hatte, konnte ich etwas anderes in ihm erkennen als einen eingebildeten Idioten. Jemand Echtes. Doch ehe ich mir diese Person genauer anschauen konnte, war sie schon wieder hinter dem großspurigen Grinsen verschwunden.
„Das sehe ich. Brauchst du irgendwie Hilfe?“
„Ich glaube nicht“, erwiderte Hunter.
Sogleich meldete sich Renee zu Wort. „Ich könnte ein Paar starke Arme gebrauchen. Mein Bett steht ein bisschen schief, und ich kann es alleine nicht verschieben. Würdest du mir helfen?“ Sie nahm eine sexy Pose ein, als wollte sie ihm zeigen, was er haben könnte, wenn er einwilligte. Gott, sie war so durchschaubar.
„Klar, kein Problem.“
Und so ließen wir einen weiteren seltsamen Typen in unser Apartment. Ich drehte dem Ganzen den Rücken zu und ging zurück in mein Zimmer, in der Hoffnung, dass nicht noch mehr Leute auftauchen würden. Hunter folgte mir.
„Hast du Hunger? Ich hab überlegt, was bei Pat’s Pizza zu holen. Die Lieferdienste sind bestimmt überlastet, deshalb geh ich lieber selbst. Bist auch eingeladen“, sagte er, während er ein paar weitere Shirts nahm und sie in seinen Schrank legte.
Versuchte er, nett zu mir zu sein? Tat ich ihm leid? Ich starrte ihn an und versuchte herauszufinden, was dahintersteckte.
„Magst du Salami?“ Seine Stimme klang jetzt weniger überheblich. Sie war sanfter und … Nein, er war immer noch der Gleiche. Er versuchte immer noch, mit mir zu spielen. Ich wusste, wie diese Art von Typen tickte: Sie waren nur so lange nett, bis sie bekommen hatten, was sie wollten. Und wenn sie es nicht bekamen, nahmen sie es sich einfach.
„Ich bin Vegetarierin“, sagte ich und ging ins Bad, einfach nur, um von ihm wegzukommen.
Als ich an Darahs und Renees Zimmer vorbeikam, hörte ich, wie Mase etwas sagte, das die beiden zum Lachen brachte. Großartig. Einfach nur großartig. Ich schloss die Tür des kleinen Badezimmers und stützte mich mit den Händen auf das Waschbecken; ich war dabei, die Kontrolle zu verlieren. Ich betrachtete mich im Spiegel. Das furchtbare Licht machte meinen Teint nicht gerade besser, aber das würde es wohl bei niemandem. Nachdem ich mir etwas Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, setzte ich mich auf das Waschbecken und lehnte den Rücken gegen den Spiegel. Innerhalb weniger Minuten war mein zweites Studienjahr völlig auf den Kopf gestellt worden.
Was sollte ich jetzt tun? Dieser merkwürdige Typ war gerade in mein Leben eingedrungen. Nicht nur in mein Leben, sondern auch in mein Zimmer. Unser Schlafzimmer war kleiner als ein Zweierzimmer im normalen Wohnheim; wir würden uns die ganze Zeit auf die Füße treten. Er würde mich sehen, wenn ich morgens aufwachte. Seine Stimme würde die letzte sein, die ich hörte, wenn ich ins Bett ging. Ich würde die ganze Zeit dieses verdammte Tattoo und sein dämliches Grinsen vor Augen haben. Hunter Zaccadelli würde das Letzte sein, was ich sah, wenn ich schlafen ging und das Erste, wenn ich aufwachte. Das konnte einfach nicht sein.
Ein Klopfen an der Tür ließ mich so zusammenfahren, dass ich mir den Hinterkopf am Spiegel stieß.
„Alles klar bei dir da drin?“ Es war Hunter.
„Herrgott nochmal, kannst du mich nicht mal fünf Minuten in Ruhe lassen?“ Ich sprang vom Waschbecken und riss die Tür auf.
„Ich schlag dir einen Deal vor, Missy.“
„Warum sollte ich einen Deal mit dir machen wollen?“
Er schmunzelte, als hätte er diese Antwort erwartet.
„Hör mir einfach zu: Wenn du mir beweisen kannst, dass du mich hasst, so richtig hasst, dann gehe ich und such mir eine Couch bei irgendwem anders.“
Ich schnaubte wütend. „Das sollte nicht schwer sein. Kannst schon mal deine Sachen packen.“
„Du hast den Rest des Deals noch nicht gehört. Wenn du mir beweisen kannst, dass du mich liebst, wirklich liebst, dann gehe ich auch.“ Zum ersten Mal sah er ernst aus.
„Willst du mich verarschen? Niemals würde ich einen Typen wie dich lieben.“ Ich würde niemals irgendwen lieben, aber darum ging es jetzt nicht.
„Beweis es. Wenn du bis zum Ende des Semesters eins von beidem beweisen kannst, werde ich gehen.“
„Du wirst schon lange vorher hier raus sein.“
Sein Lächeln wirkte ungezwungen. Er spielte mit mir.
„Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Du siehst jedenfalls aus wie ein Mädchen, das die Herausforderung liebt.“
Das kleine Badezimmer wurde enger um uns herum, die Wände kamen immer näher. Er machte einen Schritt auf mich zu, und dann noch einen. Ich wich zurück, bis ich gegen die Toilette stieß.
„Beweis es mir. Zeig mir, dass du mich hasst.“ Seine Stimme war sanft, doch seine Augen fordernd. Mein Atem wurde immer schwerer, und ich sah nur noch seine blauen Augen. Dann setzte irgendwas bei mir aus und mein Kampfinstinkt brach durch.
Bevor er noch näher kommen konnte, verpasste ich ihm mit der Faust einen Schlag gegen den Kiefer und rammte ihm mein Knie in den Unterleib. Er krümmte sich und hielt sich mit der einen Hand das Gesicht und mit der anderen den Sack.
„Ich hasse dich. Bedränge mich nie wieder so, du verdammter Scheißkerl.“ Da er gerade andere Probleme hatte, gelang es mir, ihn zur Seite zu drängen und die Tür aufzubekommen, hinter der mich drei verdutzte Gesichter erwarteten.
„Was hast du mit ihm gemacht?“, fragte Renee.
„Nichts“, sagte ich und schob mich an ihnen vorbei. Dann rannte ich auf den Flur, die Treppe runter und aus dem Gebäude. Ich keuchte, als wäre ich mehrere Meilen im Sportunterricht gerannt und dürfte mich nun endlich ausruhen. Ich stützte die Hände auf die Knie und rang nach Luft. Es fühlte sich an, als würden meine Lungen sich nie wieder vollständig füllen können.
Ein paar Studenten sahen mich merkwürdig an, während sie Lampenschirme, Kissen und Bettkästen aus ihren Autos luden. Ich ignorierte sie und begann, auf dem Bürgersteig in Richtung Parkplatz zu gehen. Dann holte ich mein Handy aus der Tasche und wählte Tawnys Nummer, in der Hoffnung, dass sie gerade Mittagspause hatte.
„Hey, Kleine, wie läuft der Umzug?“ Tawnys Stimme und meinen alten Spitznamen zu hören, beruhigte mich auf der Stelle. In meiner Familie hatten mich schon immer alle „Kleine“ genannt.
„Du glaubst nicht, was ich für einen Tag hatte.“
„Erzähl“, sagte sie, ohne zu zögern.
Ich trug ihr meine Version der Ereignisse vor, auch, dass ich Hunter geschlagen hatte. Das Handy musste ich mit der linken Hand halten, da die rechte seit ihrer Begegnung mit Hunters Kiefer zusehends anschwoll. Bald würde ich etwas Eis zum Kühlen benötigen.
Ich war überrascht, dass niemand hinter mir her gerannt kam, doch Darah und Renee kannten meine Ausbrüche. Sie wussten, dass man mich in diesen Momenten allein lassen und mir Raum geben musste; es war nicht das erste Mal, dass sie mich so sahen. Meistens gelang es mir, meine Wut unter Kontrolle zu halten, doch Hunter hatte die falschen Knöpfe gedrückt. Niemand, der mich in einem kleinen Raum in die Enge trieb, kam ungeschoren davon.
„Oh, Kleine, warum hast du das getan?“
„Er hat mich bedrängt, was sollte ich denn tun?“ Die Farbe meiner Hand verwandelte sich langsam von einem dunklen Rot in ein hübsches Lila.
„Du hättest ihm sagen können, dass er dich in Ruhe lassen soll. Das wäre die logische Reaktion gewesen.“
„Du weißt doch, dass ich kein logischer Mensch bin.“
„Ach was.“ Sie seufzte und ich hörte sie kauen. „Meinst du nicht, du solltest dir nochmal jemanden zum Reden suchen?“ Das hatte sie mich schon mindestens tausend Mal gefragt.
„Weil das ja auch immer so viel gebracht hat. Nein, danke.“
Tawny seufzte wieder. Endlich hatte ich mein Auto, einen roten Dodge Charger, den ich auf den Namen „Sassy“ getauft hatte, auf dem Parkplatz gefunden und drückte auf den Türöffner. Ich setzte mich bei offener Tür auf den Fahrersitz und plauderte noch eine Weile mit Tawny über den Einzug und andere unwichtige Dinge. Nur nicht über Hunter.
Mit Tawny konnte ich jeden Tag stundenlang reden und immer noch etwas finden, was ich sagen wollte. Wir waren sechs Jahre auseinander, uns aber so nahe wie zwei Menschen es nur sein konnten, wenn sie nicht gerade auch noch Zwillinge waren. Nicht, dass wir uns so ähnlich gewesen wären: Tawny war schöner, schlauer und beliebter. Ich war kleiner, nicht so hübsch wie sie und wurde leicht wütend. Ich bemühte mich, weniger schnell wütend zu werden, und meistens gelang mir das auch, doch manchmal ging es eben einfach mit mir durch. So wie heute bei Hunter.
„Wann kommst du mich besuchen?“, fragte ich.
„Wahrscheinlich dieses Wochenende. Wie wär’s mit Mittagessen im Margaritas?“ Das war eines unserer mexikanischen Lieblingsrestaurants.
„Alles klar, schon im Kopfkalender eingetragen. Ach so, ich hab ganz vergessen, die hübsche Pyjamahose mit dem passenden Top mitzunehmen. Könntest du vielleicht zu Hause vorbeifahren und sie mir mitbringen?“
„Werd ich wohl müssen. Und lädst du mich dafür zum Essen ein?“
„Werd ich wohl müssen“, erwiderte ich.
„Du, ich muss Schluss machen. Aber ruf mich heute Abend an. Und ruf mich auf jeden Fall an, bevor du wieder jemanden schlägst, okay? Du wirst dich zügeln müssen, wenn du mit diesem Typen zusammenwohnst. Außerdem solltest du bald mal deine Hand kühlen.“
„Ich wohne nicht mit ihm zusammen.“
„Doch, Süße, irgendwie tust du was. Es sei denn, du gewinnst diese Wette. Wie zum Teufel willst du aus der Nummer wieder rauskommen?“
„Ich hab keine Ahnung. Eigentlich habe ich ja gar nicht eingewilligt.“
„Ich würde sagen, ihn zu schlagen und ihm in die Eier zu treten war eine Art Handschlag.“
„Wie auch immer. Ich ruf dich später an. Schreib mir eine SMS, wenn du magst.“
„Ciao, Kleine.“
„Ciao, Tawn.“ Ich legte auf und lehnte die Stirn gegen das Lenkrad. Was zum Teufel sollte ich bloß tun?
Ich ging erst zurück, als meine Hand so sehr schmerzte, dass ich sie unbedingt kühlen musste. Im Wohnzimmer war es ruhig, als ich mich hineinschlich. Die meisten Kisten waren verschwunden, und Darah war dabei, ihre Töpfe und Pfannen in der Küche auszupacken.
„Hey, alles klar mit dir? Wir haben uns ein bisschen Sorgen gemacht. Hunter, Renee und Mase sind Pizza holen gegangen.“
„Ja, alles okay. Ich brauch nur ein bisschen Eis“, sagte ich und hielt meine Hand hoch, die an den Knöcheln bereits lila angelaufen war.
„Oh Gott“, sagte sie und lief zum Kühlschrank. Glücklicherweise hatte jemand einen Eisbeutel im Gefrierfach gelassen, den auch die Putzkolonne vergessen hatte zu entfernen. Sie wickelte ihn in ein Geschirrtuch, das sie aus einem der Kartons nahm, und reichte ihn mir.
„Und wie sieht sein Gesicht aus?“ Ein kleines bisschen wünschte ich mir ja, dass es genauso aussah wie meine Hand.
„Du hast ihn ganz schön erwischt. Er hat einen ziemlichen Bluterguss.“ Volltreffer.
„Und haben sich seine Eier erholt?“
„Ich glaube, er wird schon noch Kinder zeugen können“, sagte sie und betrachtete mich, als würde ich jeden Moment noch einmal ausrasten und um mich schlagen. Sie stützte sich auf die Küchentheke und vergaß das Einräumen für einen Moment. „Was ist denn passiert? Er hat nur erzählt, dass er etwas gesagt hat, das dich geärgert hat, und dass er es verdient hat.“
„Das hat er gesagt?“ Ich zuckte zusammen, als das kalte Eis meine brennende Hand berührte. Das überraschte mich. Ich hatte gedacht, er würde alles auf mich schieben und mich eine durchgeknallte Psycho-Bitch nennen. Tief in mir drin hatte ich sogar eine Spur Hoffnung gehabt, dass mein gewalttätiges Verhalten ihm solch einen Schrecken versetzt hatte, dass seine Sachen verschwunden wären, wenn ich zurückkam. Aber das Glück blieb mir verwehrt.
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