Na bitte, geht doch! - Lisa Lenardi - E-Book

Na bitte, geht doch! E-Book

Lisa Lenardi

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Beschreibung

Claudia stürzt sich in das Abenteuer Vertrieb. Noch ahnt sie nicht, welche Felsen sie aus dem Weg räumen muss und entwickelt eine überschäumende Freude an ihrer Arbeit. Kuriose Erlebnisse und außergewöhnliche Freundschaften säumen ihren Weg nach oben. Dann aber steht sie vor einem beruflichen Wendepunkt und muss sich entscheiden. Viel zu spät merkt Claudia, dass sie die falsche Entscheidung getroffen hat und muss teuer dafür bezahlen.

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Seitenzahl: 378

Veröffentlichungsjahr: 2015

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www.tredition.de

Für meinen Mann

Lisa Lenardi

Na bitte, geht doch!

www.tredition.de

© 2015 Lisa Lenardi

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7323-5101-5

Hardcover

978-3-7323-5102-2

e-Book:

978-3-7323-5103-9

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Claudia saß versunken im Sessel und dachte nach, dachte darüber nach, wie vor fünfzehn Jahren alles angefangen hatte. Tränen schossen ihr in die Augen, denn die Erinnerungen taten immer noch weh:

Es begann an einem sonnigen Oktobertag. Claudia tuckelte mit ihrem alten Opel gen Norden und freute sich auf ihren neuen Job. Doch irgendwann wich die Freude der Aufregung und sie hatte Mühe, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Ihr Puls schien sich zu überschlagen, als das Firmengebäude sah.

Bleib ruhig Claudia. Du wolltest diesen Job. Die Kollegen sind sehr nett und einen sympathischen Chef hast du auch. Alles andere kannst du lernen.

Auf dem Firmenparkplatz war es noch leer. Kein Wunder, sie war eine Stunde zu früh. Egal. Claudia schloss den Wagen, klemmte ihre Aktentasche unter den Arm und ging Richtung Eingang. Die Empfangsdame rief ihr freundlich zu: „Heute geht’s also los, Frau Damarus! Ich wünsche Ihnen alles Gute. Herr Schmitz ist auch schon da.“

Claudia nickte und ging zügig Richtung Aufzug. Dann bog sie aber doch ins Treppenhaus ab. Sie hatte ja Zeit. Im sechsten Stock angekommen atmete sie noch einmal tief durch und öffnete die Tür.

„Auch einen Kaffee oder besser eine Valium?“ Seine Ohren bekamen Besuch, wenn er grinste und sie konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Ich fange mit Kaffee an und komme später auf das Valium zurück.“

Seine Hand preschte nach vorn: “Herzlich Willkommen.“ Claudia griff zu und ihre Aufregung war plötzlich wie weggeblasen.

Nach und nach trudelten die Kollegen ein und als gegen 8.30 Uhr alle anwesend waren, wurde sie offiziell begrüßt. Danach zog Schmitz sie in sein Büro und schloss die Tür. „So Damarus, jetzt mal Klartext. Ich habe mit ihnen etwas Besonderes vor. Diesen Kistenschiebern da draußen…“, er wies mit der Hand Richtung Großraumbüro. “…brauche ich gar nicht erst mit Software und Prozesskosten kommen. Das kapieren die in diesem Jahrhundert sowieso nicht mehr. Sie sind genau der frische Wind, den wir hier brauchen. Neue Ideen, konstruktive Vorschläge, komplexes Prozessdenken. Genau darum, und nur darum, sind Sie hier!“ Er versuchte eine ernste Miene aufzusetzen, was ihm aber nicht gelang. Claudia schmunzele: „Genau darum bin ich hier.“

Schmitz lachte laut auf und einige der Kistenschieber starrten ihn erschrocken an. Dann griff er in seinen Kühlschrank, zückte eine Flasche Sekt und ließ den Korken knallen. Claudia dachte nur, das macht der öfter.

Nachdem sie die Sektgläser gelehrt und eine Weile geplaudert hatten, schob er ihr ihren Schulungsplan über den Schreibtisch: „Da müssen Sie durch, Damarus. Basiswissen ist Pflicht. Danach beweisen Sie mir ihr technisches Verständnis und dass Sie Kisten verticken können. Erst dann kommt die Kür. Alles klar?“ Claudia schmunzelte: „Alles klar!“

Er stand auf: „So und nun machen wir einen Rundgang durch alle Abteilungen. Auf geht’s.“ Mit einer aufmunternden Handbewegung wies er Claudia den Weg.

Als sie den Fahrstuhl betraten war es bereits elf Uhr. Ein Blondschopf mit wüstem Haar lächelte ihnen entgegen: „Sie sind die Neue, richtig?“ Claudia nickte. Schmitz sah ihn ernst an.

„Tschuldigung. Paulsen, Lager, angenehm, Frau Damarus.“ Die kleine Verbeugung passte gar nicht zu ihm und sie musste unwillkürlich grinsen. Als sich die Fahrstuhltür öffnete, sagte Schmitz: „Na dann Paulsen, sortieren sie mal noch ihre Kisten. Im Lager zwei kann man ja kaum treten.“ Mit einem kurzen: „Wird gemacht, Chef.“, war er blitzartig verschwunden.

Von der Ausstellung war Claudia bereits bei ihrem ersten Besuch beeindruckt gewesen. Heute wurden einige Neuinstallationen vorgenommen. Darum konnte man vor Kabeln und Containern kaum treten. Schmitz zog sie galant durch die Unwegsamkeiten bis ans äußerste Ende des Raumes. Abrupt blieb er stehen: „Unser Flaggschiff, kann alles, außer Kaffee kochen.“

Sie sah sich eines riesigen Kopierers gegenüber.

„Kurze Vorführung, Damarus?“ Sie nickte stumm.

„Claasen kommen sie mal bitte! Hier ist ein Profi gefragt.“ Ein hochgeschossener junger Mann steuerte auf die beiden zu. “Moin, moin, Claasen.“

„Das ist unser technischer Leiter. Claasen, zeigen sie doch der neuen Kollegin mal unser Schmuckstück hier. Sie wissen doch, ich kann nur den grünen Knopf bedienen.“ Claasen zwinkerte Claudia zu. Flirtet der mit mir, dachte sie?

Nachdem Schmitz sich entfernt hatte, bekam sie einen Schnellkursus in der Bedienung des „Flaggschiffs“, einige Prospekte und ein dreißigminütiges Dauerlächeln von Claasen. Danach quollen ihr die technischen Daten bereits aus dem Kopf und den Dauergrinser konnte Claudia auch nicht länger ertragen. Gott sei Dank sah sie Schmitz schon von weitem zurückkommen. Lächelnd bedankte sie sich beim Technikleiter und steuerte auf ihren Chef zu. Der rief schon aus der Ferne: „Na? Das ist ein Schätzchen, was?“ Claudia grinste: „Herr Claasen oder der Kopierer?“ Sein Lachen hallte durch die gesamte Ausstellung: „Sie sind die Richtige! Sie gehören in den Vertrieb! Das habe ich von der ersten Minute an gewusst. Kommen Sie. Ich lade Sie zum Essen ein.“

Vor dem Parkplatz schloss er bereits von weitem seinen Wagen auf und schenkte ihr dabei ein strahlendes Lächeln. Als sie darauf nicht reagierte, sagte er: „In ein paar Jahren fahren sie auch so ein Schiff. Das ist doch was oder?“ Claudia nickte.

Schmitz hatte versucht, sie während des Essens mit allerlei Episoden aus dem Vertriebsleben aufzuheitern und dabei sein eigenes kalt werden lassen. Dann stauchte er den Kellner zusammen, dass er gern wärmeres Essen bekommen hätte.

Zurück im Büro erschrak Schmitz, dass es schon drei Uhr war. Also rannte er mit Claudia durch die Ausstellung und steuerte der Auftragsabteilung entgegen. Vor der Tür blieb er stehen: „Vorsicht. Das ist ein ganz sensibler Bereich. Die Damen fassen Sie besser mit Samthandschuhen an, besonders wenn Sie oder Ihre Kunden es mal eilig haben. Eine Schachtel Pralinen hilft da manchmal Wunder.“ Langsam öffnete er die Tür.

„Gut, dass sie gerade kommen, Herr Schmitz. Hier, so geht das nicht!“, ruckartig hielt eine der Damen ihm einen Stapel Papiere vor die Nase. „Ich habe es den Verkäufern schon einhundertmal gesagt, dass ich nur Aufträge bearbeiten werde, die vollständig ins System eingegeben sind. Dieses Gekrakel hier, kann doch keiner lesen.“ Sie holte tief Luft: „Und wenn sie schon mal hier sind, da gibt es noch etwas!“ Sie stockte und starrte Claudia an, als hätte sie den Neuzugang eben erst wahrgenommen.

„Das ist Frau Damarus, unser neue Kollegin für das Projektmanagement. Das ist Frau Peters, eine Seele von Mensch, wenn sie will.“ Schmitz grinste mal wieder. Claudia reichte ihr lächelnd die Hand. Frau Peters wechselte schlagartig auf freundlich: „Kommen sie gern vorbei, wenn sie Fragen haben, und Schätzchen, die werden sie haben, garantiert.“ Claudia dankte ihr und Schmitz zerrte sie förmlich aus dem Büro. Ruckartig drehte er sich noch einmal um: „Übrigens, Frau Peters, wenn ich schon mal hier bin, dann was? Was wollten sie noch?“ Sie winkte ab: „Schon gut Chef, machen wir später.“

Also zogen beide weiter zum Einkauf. Peter Ahlert, stand auf dem Schild. „Muss ich zu dem Kollegen auch was Besonderes wissen?“, wandte sie sich an Schmitz. „Einfach reingehen. Der beißt nicht.“ Die Tür war jedoch abgeschlossen.

„Hier hängt ein kleiner Zettel, Chef.“ Bevor Claudia ihn jedoch lesen konnte stürmte ein kräftiger Mann in Jeans und Pullover heran: „Bin schon wieder da.“ Noch völlig außer Atem reichte er ihr seine Hand: „Ahlert, Peter Ahlert. Kommen sie doch rein in die gute Stube.“

Mit dem Öffnen der Tür hatten sie Einsicht in etwas, was man Chaos nennt. Unzählige lose Blätter säumten den Rand seines Schreibtisches. Klebezettel versperrten die Sicht auf den Bildschirm seines PCs, Türme von Ordnern stapelten sich auf der Fensterbank und die Rauchschwaden seiner letzten Zigarette schienen noch den Raum einzunehmen. Ahlert bemerkte das Entsetzten in ihrem Gesicht und sagte: „Ja ich weiß, nur das Genie überblickt das Chaos.“ Er zog den Stuhl vor seinem Schreibtisch auffordernd zur Seite und Claudia setzte sich. Schmitz verließ das Büro mit den Worten: „Ihr macht das schon.“

Es war eine halbe Stunde vergangen als der Chef wieder auftauchte: „Na mein Lieber, alles erklärt?“ Ahlert nickte ihm zu. Claudia zugewandt sagte er: „Und wenn sie Fragen haben, immer hereinspaziert.“ Claudia lächelte: „Danke, ich werde bestimmt darauf zurückkommen.“

Auf dem Flur zog Schmitz die Neue zur Seite: „Komischer Typ, aber ein top Einkäufer, der Beste, den wir je hatten. Wenn Ahlert was nicht besorgen kann, dann schafft das keiner. Die Einkaufspreise, die wir haben, sind unterirdisch.“

In der sechsten Etage angekommen, betraten sie ein leeres Großraumbüro. Auch in den Nebenräumen waren alle ausgeflogen.

Schmitz strahlte: „Alle bei Kunden, so liebe ich das.“ Er schaute kurz zur Uhr. „16.30 Uhr. Na, der Tag ist ja schnell vergangen. Machen sie auch Feierabend. Bis morgen.“ Damit war er auch schon in seinem Büro verschwunden.

Ein Hotel im Süden Deutschland sollte für die kommenden zwei Schulungswochen Claudias Herberge sein. Bereits als sie das Foyer betrat, umgab sie ein Geruch von Orangen und weihnachtlichen Gewürzen. Claudia konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie im falschen Hotel abgestiegen war. Langsam holte sie die Buchungsbestätigung aus der Tasche. Nein, hier war sie tatsächlich richtig. Nach einer überfreundlichen Begrüßung an der Rezeption, fuhr Claudia in den zehnten Stock.

Beim Blick durch die offene Tür des Appartements verschlug es ihr den Atem. Ein riesiges Bett, mit seidig glänzendem Baldachin, zog ihre Blicke auf sich. Eine Unmenge an Kissen stapelte sich an der Rückwand des Bettes, große, kleine, eckige, runde und alle in einem seidigen Blau mir goldenem Muster. Sie sank auf die Bettkante und musste erst einmal durchatmen. Was zum Teufel sollte dieser Prunk? Ein Köder oder etwa ein Ausblick auf zukünftige Erfolge? Egal. Erst einmal auspacken. Sie öffnete den übergroßen Schrank und entdeckte in der Innentür eine Preisliste. 349 € je Nacht. Claudia setzte sich abermals und holte tief Luft. Dann schloss sie achselzuckend die Tür und entschied später auszupacken.

Als sie an der Hotelbar ihr Hefeweizen bestellte, erkannte Claudia auf der gegenüberliegenden Seite des Tresens einen Kollegen. Winkend kam er herüber. „Tja, selbst für alte Hasen gibt es immer noch Schulungsbedarf.“, Hoffmann reichte ihr seine Hand. „Aha und was?“, lächelte sie ihn an. Er drückte immer noch ihre Hand: „Äh, na Bürotechnik halt und so ‘n Kram.“

„So ’n Kram? Ach deswegen dieser Aufwand hier?“ Sie trank endlich von ihrem Bier und konnte nicht umhin ihn über den Glasrand anzuschmunzeln. Dann fragte sie neugierig: „Ist es eigentlich üblich, dass wir in solchen Etablissements untergebracht werden?“

„Ja, ja, die Schulungshotels sind immer super“, antwortete Hoffmann mit erhobenem Daumen. Nach ein paar belanglosen Floskeln verabschiedete Claudia sich mit dem Hinweis morgen ausgeschlafen sein zu wollen und ging. Sie konnte seine Blicke im Rücken förmlich spüren und war froh als der Fahrstuhl sich endlich öffnete.

Claudia hatte wunderbar geschlafen und gönnte sich ein ausgedehntes Frühstück. Dann schlenderte sie zum Schulungsraum, der sich bereits gut gefüllt hatte. Sie wollte sich gerade setzte als ihr Blick ein kauendes Individuum streifte. Der Schönling lehnte im Türrahmen und stocherte mit einem Plastiklöffel in seinem Milchreisbecher. Dabei lächelte er unentwegt zu ihr herüber. Claudia drehte sich ruckartig um und setzte sich.

Plötzlich fasste ihr jemand auf die Schulter. Erschrocken fuhr sie herum: „Herr Ahlert! Das ist ja eine Überraschung!“ „Hallo Frau Damarus. Ich wollte mich nur rechtzeitig anmelden, um Sie heute Abend zum Essen einzuladen. Passt das?“ Claudia verstand nicht: „Anmelden?“

„Na hier sind etwa zwei Dutzend Männer im Raum, bevor sie nachher schon vergeben sind…“

„Ich bin vergeben, aber ich nehme ihre Einladung gern an.

„O.k., an der Bar, 18 Uhr.“

Sie nickte zustimmend und drehte sich um.

Die übliche Vorstellungsrunde begann und als Claudia an der Reihe war bekam sie kein Wort heraus. Zwei Dutzend Augenpaare starrten sie an, bis Hoffmann sie rettete: „Na so einen schönen Namen würde ich auch nicht jedem verraten, Frau Kollegin!“ Vorsichtig erhob sie sich: „Claudia Damarus.“ Nach dem stockenden Anfang lief alles Weitere glatt und sie konzentrierte sich nur noch auf die Inhalte der Schulung. Deswegen war sie ja schließlich hier.

Claudia hatte sich in der Mittagspause bewusst auf ihr Zimmer zurückgezogen und den Rest des Tages ohne weitere Vorkommnisse überstanden. Als sie jedoch am Abend den Schulungsraum verlassen wollte versperrte ihr einer der Herren den Weg. Er war kleiner als sie und seine Haare glänzten wie ein gut gewachstes Auto. Sein breites Lächeln gewährte ihr einen Blick auf strahlend weiße Zähne, aber aus seinem Mund kam nur Müll: „Na, Claudia Damarus. Willst du noch mit einem großen, starken Mann an die Bar gehen?“ Er legte seine rechte Hand um ihre Hüfte und Claudia spürte, wie die Wut in ihr hochkroch. Sie sammelte sich und setzte ein kühles Lächeln auf: „Werde erst mal erwachsen, Kleiner!“ Dann drehte sie sich um und verließ den Raum. Das Grölen der anderen Gewachsten konnte sie noch an der Bar hören, wo Herr Ahlert bereits auf sie wartete. Er unterhielt sich angeregt mit dem Kollegen, der sie vorhin aus der Bredouille gerettet hatte.

„Herr Hoffmann, danke für ihren Einsatz heute Morgen.“ Sie reichte ihm die Hand und lud ihn zu einem Bier ein. Herr Ahlert sah verwirrt aus, bis ihn Hoffmann aufgeklärt hatten. „Sie haben aber auch wirklich einen schönen Namen“, wiederholte Ahlert. Dann stand er auf und wies höflich auf den Restauranteingang. Bereits von weitem konnten sie das Stimmengewirr wahrnehmen. Das Restaurant war komplett überfüllt. Ahlert lachte: „Na Gott sei Dank, habe ich reserviert.“ Er ging vor und sie folgte ihm bis ans andere Ende des Restaurants, wo auf einer kleinen Erhöhung ein Tisch gedeckt war.

„Ich habe Hunger. Nach den harten Verhandlungen heute, könnte ich ein halbes Schwein verspeisen. Wie war die Schulung, auch anstrengend?“ Er setzte sich und schaute sie an. „Viele Informationen auf einmal. Da qualmt schon mal der Kopf. Aber sehr interessant.“ Der Kellner unterbrach ihr Gespräch: „Haben die Herrschaften gewählt?“

Ahlert sah ihn säuerlich an und erwiderte: „Schlecht möglich ohne Speisekarte.“

Mit einem genuschelten >Sorry< flitze der Ober davon. Sekunden später stand er wieder vor ihnen und als er sich entfernt hatte, sagte Ahlert: „Die Steaks sind hier klasse. Ich brauche jetzt Fleisch.“ Claudia entschied sich ebenfalls für ein Steak und lies sich dazu einen Salat bringen. Ahlert hatte nicht übertrieben, das Fleisch war sensationell. Bald waren Ihre Teller blank geputzt und sie bestellten noch ein Bier.

„Wissen sie, dass sich viele von uns freuen, endlich mal eine Frau im Vertrieb zu haben.“ Er sah sie erwartungsvoll an.

„Ach ja?“, war das Einzige, was ihr dazu einfiel. Nach einem Moment des Schweigens fragte sie dann: „Warum?“

„Ich dachte schon, Sie fragen gar nicht mehr. Also, ich glaube, dass Frauen mehr auf den Menschen eingehen können. Dazu kommt, wenn Frauen dabei sind, benehmen sich die meisten Männer besser.“ Er schmunzelte. „Und schließlich gibt es hinter jedem noch so harten Einkaufsleiter, Geschäftsführer oder Prokuristen auch einen Menschen. Außerdem bin ich fest der Meinung, dass unser Team festgefahren ist, Standardgespräche, Standardangebote, einfach alles Standard. Ich habe gehört, dass Sie sich mit Prozessen in Unternehmen beschäftigen, also völlig anders an die Sache rangehen.“ Er schaute sie fragend an.

„Richtig. Ich finde es wichtig, zunächst die Arbeitsweise zu hinterfragen, also warum benötige ich beispielsweise an jedem Arbeitsplatz einen Drucker. Erst dann wird ersichtlich, wer, wann, warum, wie viele Dokumente braucht und wohin diese verteilt werden müssen. Wenn man sich die angeblichen Bedürfnisse genauer anschaut, ist schnell klar, warum der Papierausstoß sich alle fünf Jahre auf der Welt verdoppelt. Das Papierhandling jedoch kostet die Unternehmen enorm viel Arbeitszeit.“

Ahlert starrte sie an und schwieg.

„Alles ok?“, fragte sie ihn. Er starrte immer noch. „Schmitz hatte recht, Mann, der hatte sooo recht. Sie werden für frischen Wind sorgen und den Kistenschiebern in der sechsten so richtig einheizen.“ Er schlug seine Hand auf den Tisch und lachte. Im selben Moment vernahmen sie ein >Shit< und sahen den Kellner flitzen. Er kam mit einem Lappen und einer frischen Tischdecke zurück. Erst jetzt begriffen sie, dass jemand am Nebentisch vor Schreck den Rotwein verschüttet haben musste, als Ahlert seine Hand auf dem Tisch geknallt hatte. Sie grinsten und prosteten sich zu.

Nachdem der Einkaufschef die Rechnung beglichen hatte, lud er Claudia noch zu einem Absacker an die Bar ein. Mittlerweile glich der Raum einer gut gefüllten Bahnhofshalle, aber Ahlert zwängte sich bis zum Tresen vor und erschien bald danach mit zwei Gläsern Whisky. Dann gingen sie an den Rand des Vorraums, um sich besser unterhalten zu können. Hier war die Lautstärke zu ertragen und außerdem konnten sie noch zwei der azurblauen Samtsessel ergattern, die sie sofort in Beschlag nahmen.

Leider währte die angenehme Situation nicht lange. Hoffmann winkte ihnen zu. Nach seiner Unterstützung heute Morgen hatte er sich zu einer Klette entwickelt und Claudia wurde bereits übel, wenn sie an das kommende Gefasel dachte.

Schon stand er vor ihnen und strahlte sie an: „Na, da seid ihr ja. Trinkt ihr auch noch einen Absacker?“ Ahlert verdrehte die Augen: „Nee, wir trainieren nur unsere Handgelenke. Kuck.“ Und damit brachte er den Whisky im Glas zum Schwingen. Hoffmann sah ihn verdutzt an und Claudia nutze die Chance sich zu verabschieden.

Nach zwölf Tagen war Claudia froh, endlich wieder zu Hause zu sein. Sie genoss mit ihrer Familie das erste vorweihnachtliche Wochenende und alle ließen es sich richtig gut gehen, Mary mit heißem Kakao und ihre Eltern mit duftendem Glühwein.

Leider gingen die Tage viel zu schnell vorbei und Claudia sah sich bereits in ihrem alten Opel wieder auf der Autobahn Richtung Norden hetzen. Lange würde die Kiste das sicher nicht mehr durchhalten. Das war ihr klar. Ihr Chef hatte sie deshalb schon angesprochen: „Mit dem Schinken können sie nicht zum Kunden fahren. Sie kriegen doch eine saftige Monatspauschale. Kaufen Sie sich mal was Vernünftiges, sonst denken unsere Kunden noch, dass wir kurz vor dem Konkurs stehen.“ Sie konnte sich noch gut an sein breites Grinsen erinnern und hatte sich fest vorgenommen, in dieser Woche die Sache anzugehen.

Als sie um 7.30 Uhr ins Büro kam war es noch sehr leer in den Räumen. Nur Herr Petersen saß bereits an seinem Platz. Sein schwarzer Schreibtisch war wie immer pikobello aufgeräumt. Claudia ging direkt auf ihn zu: „Guten Morgen Herr Petersen, haben sie kurz Zeit für mich?“ „Moin, moin Frau Kollegin. Was gibt’s denn?“ „Ich muss mir einen neuen Wagen kaufen oder besser einen neuen Gebauchten. Gibt es eine bestimmte Regelung, welche PKWs in unsrem Job angemessen sind?“

Petersen lehnte sich genüsslich in seinem neuen Bürosessel zurück. Er hatte ihn gerade aus der Ausstellung erstanden, als diese umgebaut worden war. Seitdem erklärte er jedem wehrlosen Besucher die Vorteile dieses Wunders der modernen Bürotechnik. Er stand auf, streichelte verliebt die verchromte Lehne seines Schmuckstücks und atmete tief ein: „Na ja, Vorgaben gibt es nicht direkt. Allerdings repräsentieren wir die Firma, eine sehr erfolgreiche Firma. Da können sie nicht mit einer Schüssel aufkreuzen.“ Er verschränkte seine Arme vor der Brust und atmete wieder tief ein: „Ich fahre ja seit Jahren BMW, Z3, klasse Wagen und sehr repräsentativ. Das ist für sie als Einsteiger natürlich viel zu teuer. Aber ein Mercedes C Klasse oder ein Audi A4 wäre doch was für sie.“ Claudia schluckte. So was Ähnliches hatte Schmitz auch schon erwähnt und die meisten ihrer Kollegen fuhren sogar Wagen eines noch größeren Kalibers. Na, das würde ja noch lustig werden. Petersen sah sie fragend an. Als Claudia sich von dem Schock erholt hatte fragte sie ihn: „Wie hoch ist die monatliche Pauschale derzeit eigentlich?“

„570 Eu!“ Er lehnte sich wieder bequem in seine Bürosessel und erhob seine Zeigefinger: „Netto natürlich!“

„O.k.“, dachte sie, „damit kann man was anfangen. Nach Feierabend wollte sie sich mal umsehen.

Schmitz kam pfeifend ins Büro. Als er Claudia sah, steuerte er direkt auf sie zu: „Na, alles frisch Damarus? Alles frisch?“ Sie nickte nur, weil sie gedanklich immer noch bei ihrem bevorstehenden Autokauf war.

„Was ist los? Sie sind doch nicht etwa krank?!“

Erschrocken fuhr sie zusammen: „Äh, nein, natürlich nicht. Ich war nur in Gedanken, habe grad Herrn Petersen über PKWs ausgefragt. Ich will mich in nächster Zeit mal umsehen. Der alte Opel macht es nicht mehr lange.“ Er legte ihr die Hand auf die Schulter: „Wenn sie mich fragen, ist der schon lange tot.“ An sein Lächeln hatte sie sich bereits gewöhnt und fand es inzwischen sogar halbwegs erträglich. Jetzt aber erschien es ihr völlig deplatziert. Die alte Kiste war ihr schließlich über die Jahre ganz schön ans Herz gewachsen. Sie drehte sich um.

Schmitz schien verunsichert und folgte ihr bis zum Schreibtisch: „Mann, Damarus, mit der Monatspauschale können sie doch locker einen Gebrauchten finanzieren. Wo ist das Problem?“ Sie zuckte nur mit den Schultern. Er legte wieder seine Hand auf ihre Schulter: „So, jetzt gebe ich ihnen mal eine Dienstanweisung. Sie fahren jetzt los und klappern in der Gegend alle Autohändler ab. Montag ist eh ein Scheißtag für den Vertrieb. Ich will sie hier heute nicht mehr sehen, klar!“ Er boxte sie leicht an die Schulter: „Audi wäre gut.“ Damit drehte er sich um und steuerte sein Büro an.

Sie stand noch einen Moment da, um sich zu sammeln, bis Petersen sie ansprach: „Da haben sie wohl ein Stein im Brett bei Schmitz.“ Wortlos packte sie ihre Sachen und ging.

Auf dem Parkplatz angekommen musterte sie ihren Opel, strich ihm über die Kotflügel und lächelte: „Na dann schicken wir dich mal in Rente, mein Alter.“ Sie stieg ein und fuhr nach Hause.

Claudia setzte sich in ihr Kellerbüro, das ihr Mann liebevoll für sie eingerichtet hatte, schaltete den PC an und wartete bis er endlich hochfuhr. „Der müsste eigentlich auch in Rente gehen“, sagte sie laut und ging in die Küche. Zeit, sich erst einmal einen Kaffee zu machen.

Vorsichtig jonglierte Claudia ihre Tasse die steile Kellertreppe hinunter. Als sie das Büro betrat, musste sie unwillkürlich an Petersen denken, der an seinem blankpolierten Schreibtisch seine Stifte in Reih und Glied sortierte. Ihre Schreibtische waren zwar nicht mehr ganz neu, aber sie erfüllten ihren Zweck und ihr Büro war gemütlich. Der PC war inzwischen hochgefahren, ihre Recherche konnte beginnen. Claudia gab zunächst die Wunschmarke ihres Chefs ein und war erstaunt, wie wenige Audi-Händler es in der Gegend gab.

Ein wohliges Gefühl der Vorfreude umgab sie und sie startete ihren Wagen.

Ihre erste Station war ein kleiner Gebrauchtwagenhändler, der sich auf drei Marken spezialisiert hatte, Mercedes, BMW und Audi. Sie parkte den Wagen in einer Nebenstraße und lief die hundert Meter zurück. Als sie über den Platz schlenderte kam ein junger Mann aus dem Containerbüro: „Guckst du nur oder wollen du kaufen?“ Er ging einmal um sie herum und grinste. Schleimiges Arschloch, dachte sie und ging weiter. Er folgte ihr. „He, was is Frau?“ Ohne sich umzudrehen verließ sie mit schnellen Schritten den Platz. Gott sei Dank hatte sie in der Nebenstraße geparkt, so dass der Typ sie nicht weiter verfolgen konnte. Als sie im Auto saß war sie erleichtert. „Na das fing ja gut an. Am besten, ich fahre gleich ins Zentrum. Sie programmierte ihr Navi und fuhr los. Schon von weitem sah sie den geflaggten Vorplatz des Händlers und fand sofort einen Parkplatz. Als Claudia Richtung Gebrauchtwagenzentrum ging kam ihr auch hier ein junger Mann entgegen. „Nicht schon wieder, so ein Schleimbolzen“, flüsterte sie.

„Kann ich ihnen bereits behilflich sein oder schauen sie sich erst einmal um?“ „Ja, sie können mir gern helfen. Ich brauche einen PKW.“ Er sah sie verdutzt an: „Dann sind sie hier genau richtig.“ Claudia lachte. Er auch: „Marke? Ausstattung? PS?“

Als sie sich beruhigt hatte, antwortete sie: „Ein Audi sollte es sein, Mittelklasse, Automatik wäre schön und NAVI.“

„Na, damit können wir doch was anfangen. Kommen sie.“ Mit einer Handbewegung forderte er sie zum Gehen auf. Er holte einige Schlüssel aus seinem Büro und lief direkt auf einen silbernen A4 zu. Als Claudia das Preisschild sah stockte ihr der Atem. 41.900 Euro! Er öffnete die Fahrertür. „Wollen sie sich setzen?“ „Ich glaube nicht“, sagte sie verhalten. „Die Preiskategorie ist nicht die meine.“ Er sah sie enttäuscht an: „ Sie wissen schon, dass wir hier nur mit Vorführwagen und Jahreswagen handeln?“ Sie schüttelte den Kopf. Er schenkte ihr ein Lächeln: „Kein Problem, fahren sie zu unserem Gebrauchtwagenhändler. Ich kündige sie an. Dort werden sie sicher was in Ihrer Preisvorstellung finden.“ Damit zog er eine Visitenkarte aus seinem Jackett und hielt sie ihr entgegen. Sie bedankte sich und wollte gerade gehen, als er noch eine Visitenkarte aus seinem Jackett zog: „Bitte, das ist meine. Vielleicht können sie sich ja in einigen Jahren doch einen Jahreswagen leisten.“ „Danke und wenn sie dann nicht mehr hier sind?“ Er lachte wieder: „Glaub ich nicht. Uns gehört der Laden.“

Netter Typ, ging es ihr durch den Kopf als sie endlich in ihren Opel stieg. Sie programmierte die neue Adresse ins NAVI und startete zum dritten Versuch. Drei Kilometer geradeaus. Das ist ja ganz in der Nähe. Dann kann ich sogar noch einkaufen gehen, dachte sie. Der Autoplatz war nicht gerade riesig, machte aber schon von weitem einen sehr aufgeräumten Eindruck. Claudia war froh, als sie die Überdachungen sah, denn es hatte zu schneien begonnen. Sie parkte am Straßenrand und huschte schnell unter den überdachten Platz. Als sie durch die Reihen schlenderte, fiel ihr gleich auf, dass die hiesige Preiskategorie eher die ihre war. Erfreut sah sie sich einige der Exemplare erst einmal von außen an. Sie war erstaunt, dass hier kein Verkäufer auf sie zustürzte und genoss das Schlendern. Doch da kam ihr auch schon ein zierlicher Blondschopf entgegen.

„Herr Walter schickt sie, richtig?“, damit reichte er ihr freundlich seine Hand. Sie nickte: „Ja, ich benötige ab sofort einen Dienstwagen, A4 vielleicht, Automatik und NAVI brauche ich unbedingt. Ich bin im Vertrieb tätig.“ „Ich hole mal einige Schlüssel. Bin gleich wieder bei ihnen.“ Damit drehte er sich um und verschwand im Büro.

Sie ging weiter durch die Reihen und bemerkte am Ende des Bürogebäudes einige Männer, die ihre Nasen an die Scheiben eines Audi A6 drückten. Irgendwas wollten sie genauer sehen. Was nur?

Als der Verkäufer wieder auf sie zukam fragte Claudia: „Was ist denn an dem Wagen dort Besonderes, dass eine ganze Horde Männer sich dafür interessiert?“ Er winkte gleich ab mit der Bemerkung: „Leasingrückläufer und großer Schlitten. Dafür interessieren sich die türkischen Autohändler immer.“ Er stützte förmlich zu einem nahestehenden Modell A4 und öffnete den Wagen: „Automatik, NAVI, Tempomat, Radio und Sitzheizung vorn. Die monatliche Finanzierungsrate liegt bei 500 Euro auf 60 Monate. Anzahlung 2000 Euro.“ In ihrem Kopf ratterte es. Die Finanzierung war gedeckelt. Sie musste also noch Kraftstoff, Versicherung, Steuern und Reparaturen selber tragen. War das nicht zu viel? Sie ließ sich in den Fahrersitz fallen. Das Cockpit verwirrte sie. Sanft strich sie über das Sportlenkrad. „Schöner Wagen. Wie viel PS?“ Der Verkäufer überlegte, schaute auf das Schild und sagte: „190.“ Dann beugte er sich zu ihr in den Fahrerraum: „Eigentlich viel zu schnell für Sie.“

Aha, da ist er wieder, der Standardverkäufer, herablassend, arrogant und dermaßen von sich überzeugt, dass es einem schlecht werden konnte. Sie stand auf, schob ihn beiseite, ging auf den nächsten A4 zu und drehte sich zu ihm um: „Hier gefällt mir die Farbe besser. Ich stehe nicht so auf Silber. Außerdem ist der günstiger“ Sie sah in sein Gesicht und musste sich ein Grinsen verkneifen. Er schloss den Wagen und kam zu ihr. „Der ist ja auch schon fünf Jahre alt und dafür habe ich den Schlüssel jetzt nicht hier.“ Er verdrehte die Augen. Jetzt begann es ihr richtig Spaß zu machen. Mit ernstem Gesicht drehte sie sich um: „Dann holen sie ihn bitte.“

Ohne ein weiteres Wort verließ er sie mit zackigem Schritt. Kurz danach konnte Claudia durch die Fensterscheiben eine weitere Person im Büro wahrnehmen, mit der er sich jetzt wild gestikulierend unterhielt. Dann öffnete sich die Tür und der Verkäufer kam ihr mit dem Schlüssel entgegen. Ihr fiel sofort auf, dass er plötzlich so ein strahlendes Lächeln vor sich hertrug und als er ihr den Wagen aufschloss, bemerkte sie gleich, dass es ein Raucherwagen war. Auch wenn sie selber rauchte, im Auto war das für sie ein absolutes NO GO!

„Das ist ein Raucherauto. Das kommt für mich nicht in Frage!“ Damit stieg sie wieder aus und lächelte ihn an: „Aber sie haben ja noch ein paar Schlüssel.“

Er knallte die Tür zu und brabbelte sich irgendetwas in seinen Dreitagebart. Danach wies er ihr den Weg Richtung Bürogebäude und lief vorweg. An einem schwarzen A4 Kombi blieb er stehen und öffnete ihn. Claudia hatte kaum gesessen, als ihr das fehlende NAVI auffiel. Auch das ging gar nicht!

„Junger Mann, ich hatte ihnen gesagt, dass ich unbedingt ein NAVI brauche. Wo ist das hier?“ Sie zeigte auf das Cockpit und schaute ihn ernst an. Außer ein langgezogenes Ähh brachte er nichts heraus. „Ich schau noch mal im Computer, komm gleich wieder.“ Dann war er auch schon aus ihrem Sichtfeld verschwunden.

Die Schneeflocken fielen immer noch vom Himmel und hatten bereits eine federweiße Decke auf die Straße gezaubert. Alles sah so friedlich aus und Claudia ließ sich ihre gute Laune von diesem Stümper nicht vermiesen. Die türkischen Autohändler standen immer noch an dem Audi und diskutierten lautstark. Neugierig näherte sie sich. Die Männer stutzten und unterbrachen sofort ihr Gespräch. Claudia musste auch ihre Nase an die Scheiben drücken, um die Zahlen auf dem Schild zu erkennen und war überrascht, dass der A6 wesentlich günstiger sein sollte als alle A4, die sie sich bereits angesehen hatte.

„Da bin ich wieder.“ Der Verkäufer riss sie augenblicklich aus ihren Gedanken. Sie drehte sich zu ihm um: „Warum ist der A6 so viel günstiger als die A4, die ich mir bisher angesehen habe?“

„Junge Frau, der ist doch wohl eine Nummer zu groß für sie. Kommen sie. Wir haben noch einen A4 mit besonders schöner Ausstattung dahinten.“ Und damit war er auch schon am Weggehen. Sie musste ihm förmlich hinterher rufen: „Junger Mann. Das beantwortet nicht meine Frage.“ Sie spürte, wie die Wut in ihr hochkochte und beschloss das Theater an dieser Stelle zu beenden. Im Büro schien ja noch ein Verkäufer zu sein, also steuerte sie direkt darauf zu.

Ein älterer Herr empfing sie mit einem warmen Lächeln: „Na junge Frau, auch einen Kaffee?“ Damit hielt er ihr eine dampfende Tasse entgegen. Claudia nickte und nahm dankend an. Als sie einen Schluck getrunken hatte, schüttete sie ihm ihr Herz aus. Nicht nur der Umgangston des jungen Verkäufers auch die ganze Art und Weise, wie er sie behandelt hatte, waren völlig inakzeptabel.

„Ja, ja, mein Sohn kann manchmal ganz schön ruppig sein. Geduld ist nicht seine Stärke.“ In diesem Moment kam er auch schon reingestürmt: „Wo bleiben Sie denn?“ Er hatte einen hochroten Kopf, den er unentwegt schüttelte.

„Meine Kundin, Björn. Mach Feierabend für heute. Wir reden später.“ „Aber, äh.“, stotterte er. „Nix aber, geh jetzt bitte.“ Er sagte das mit einer Gelassenheit, die Claudia beeindruckte. Nachdem er gegangen war, wollte sie jetzt mehr über den ominösen A6 wissen, an dem sich die Türken die Nasen platt gedrückt hatten. Der Senior antwortete mit einem breiten Lächeln: „Das ist ganz einfach. Der Wagen wurde für 3 Jahre geleast, ist jetzt zweieinhalb Jahre alt, also fast abgezahlt. Daher der interessante Preis. Den haben wir heute erst vom Leasing übernommen. Wollen sie ihn sich mal ansehen?“ Claudia sprang auf: „Gern!“

Als sie sich dem Wagen näherten, kam einer der türkischen Autohändler auf sie zu: „Kann ich Auto sehen?“ „Nein, die junge Frau interessiert sich für den A6.“ Damit schob er ihn beiseite und schloss auf. „Kann nix sein. Sohn hat gesagt macht gute Preis.“

Der Senior drehte sich um: „Ich sagte nein und jetzt gehen sie.“ Zu ihr gewandt fragte er: „Probefahrt?“ Sie nickte zustimmend. Er schloss das Büro ab, öffnete ihr die Beifahrertür und setzte sich ans Steuer. Als sie vom Hof fuhren, starrten ihnen die türkischen Autohändler stinkesauer hinterher. „Die sind wir los. Ich hasse diese unendlichen Diskussionen.“ Nach einer kurzen Gedankenpause sagte er: „So, nun aber zu dem A6. Der Wagen hat eine sehr schöne Ausstattung: Bordcomputer, NAVI, Sitzheizung vorn und hinten, BOSE Soundsystem mit CD Wechsler, Tempomat, Lederausstattung, abnehmbare Anhängerkupplung und Einparksystem. Und sechzigtausend Kilometer sind für einen Diesel dieser Klasse quasi wie warmgelaufen. So, ich fahre dort auf den Parkplatz und dann dürfen sie mal.“

Als Claudia am Steuer saß überkam sie ein mulmiges Gefühl. Automatik war sie ewig nicht gefahren. „Einfach das linke Bein links abstellen und liegen lassen.“ Claudia lachte. Der kann Gedanken lesen, dachte sie und startete den Wagen.

Als sie zum Autoplatz zurückkamen wurde es bereits dunkel und sie hatte sich auf Anhieb verliebt, verliebt in dieses wunderbare Auto. Sie rief ihren Chef an, der anstandslos ihre Lohnabrechnung faxte, so dass der Finanzierung nichts mehr im Wege stand. Dann meldete sie sich kurz bei ihrem Mann und teilte ihre Entscheidung mit. „Der is es.“ Jochen lachte. Die Papiere waren schnell ausgestellt und sie vereinbarten, dass Claudia am anderen Tag den A6 angemeldet und frisch geputzt abholen konnte.

Nachdem die kleine Familie am Dienstagabend endlich in ihrem neuen Wagen saß, gönnten sie sich ein wunderbares Essen beim Italiener. Mary war übrigens so begeistert von Muttis neuer Errungenschaft, dass sie ununterbrochen die Ledersitze streichelte. Claudia hatte ihr versprechen müssen, sie am Mittwoch mit dem „Neuen“ zur Schule zu fahren.

Nachdem sie Mary am Morgen abgeliefert hatte, fuhr sie weiter in Richtung Autobahn. Gott sei Dank war der Schnee nicht liegengeblieben. Es war sehr warm für diese Jahreszeit. So nutzte sie die Gelegenheit ihr neues Schätzchen auf der Autobahn mal richtig zu treten. Wau, der ging ja ab. Ruck zuck war sie in der Firma. Sie parkte neben dem A6 von Schmitz und musste unwillkürlich grinsen.

Im sechsten angekommen kam er ihr schon entgegen: „Na, sie taten ja gestern so geheimnisvoll. Was ist es denn geworden?“ Dabei schaute er aus dem Fenster und versuchte herauszufinden, welcher der Wagen es wohl sein könnte. Sie sagte nur: „Ich lade sie heute zum Mittagessen ein, ok?“ Er nickte nur stumm. Als sie sich dem Parkplatz näherten, merkte Claudia wie Schmitz unruhig die Autoreihen abscannte. Sie drückte die Fernbedienung und die Rücklichter blinkten auf. Schmitz’ Gesichtszüge verdunkelten sich. Er starrte sie an: „Musste das sein, Damarus?“ Sie strahlte: „Ja!“

Hoffmann lehnte am Kopierer und genoss den Kaffee, den er sich gerade eingekippt hatte. Der Duft erfüllte den ganzen Raum. Claudia schob ihn sanft beiseite: „Darf ich?“ Stummes Nicken.

„Herrlich dieser Kaffee und vor allen Dingen nicht so stark, wie Schmitz ihn immer kochte.“

„Danke. Genießen sie ihn noch. Das ist die Ruhe vor dem Sturm. Nachher geht’s rund! Die Quartalszahlen stimmen hinten und vorne nicht.“ Sie schaute ihn fragend an. „Aber ich habe den fetten Auftrag doch noch reingeholt, ne Viertel Mille!“, stellte Claudia stolz fest und hob zur Unterstreichung lachend den Daumen. „Mensch Frau Kollegin“, er rollte mit den Augen, „Faktura ist das Zauberwort!“ Sie sah ihn verdutzt an.

„Der Umsatz läuft schon ins nächste Quartal. Aber Ihr Auftrag rettet uns trotzdem den Arsch, nächstes Quartal wird auch flau, viele im Urlaub. Da haben wir schon mal ein ordentliches Pfund im Sack.“

Schmitz stürmte herein: „Hoffmann nehmen sie ihren Kaffee und kommen sie mit.“ Hoffmann knallte die Hacken zusammen, wie ein altgedienter Unteroffizier und sagte hinter vorgehaltener Hand: „Sehen sie, es geht schon los.“ Damit trat er ab. Claudia ging zu ihrem Schreibtisch und startete den PC.

Die ersten Sonnenstrahlen erhellten den Raum und sie freute sich auf den Arbeitstag. Heute würde sie ihren ersten großen Softwarevertrag ins System eingeben. Frau Peters und Herr Ahlert hatten sich bereits angeboten zu helfen. Sie konnte heute nichts aus der Ruhe bringen, auch nicht die Quartalszahlen.

Und in diesem Augenblick betrat er den Raum, der König des Vertriebes, der Quotenreißer der Nation! Irgendetwas war jedoch nicht in Ordnung. Ihn umgab eine gewisse Unruhe. Sein Lächeln schien aufgesetzt und er fummelte an seinem Schlips herum. Was stimmte bloß nicht mit Struck? Dann kam er auf sie zu: „Na, fetter Auftrag, den sie da an Land gezogen haben. Glückwunsch!“ Er tätschelte noch immer seine Krawatte. Claudia bedankte sich und Struck zog eine Zigarettenschachtel aus seinem Jackett: „Wollen wir?“ Claudia nickte.

Im Fahrstuhl druckste er herum, bis es aus ihm rausplatzte: „Shit, mein größter Kunde hat heute alle Verträge gekündigt, alle! So eine Scheiße!“ Er donnerte die Faust gegen die Fahrstuhltür.

Rums. Das war’s. Der Fahrstuhl stand.

„Nee, ne? Das glaub ich jetzt nicht.“ Claudia drückte den Notknopf, nichts passierte…Nochmal. Wieder nichts. Inzwischen war Struck die rosige Farbe aus dem Gesicht gewichen und er ähnelte jetzt mehr einer Kalkwand. „Mensch Struck, setzen sie sich hin. Sie sind ja ganz blass.“ Er rutschte nach unten und saß. Sie versuchte ihn aufzuheitern: „Das kann ja lustig werden. Mayer im Urlaub, Lehmann krank, wir beide im Fahrstuhl. Dann kann Chef sich jetzt mit Petersen und Hoffman amüsieren.“ Er grinste. Plötzlich vernahmen sie eine Stimme: „Hallo ist da jemand im Fahrstuhl?“ Sie brüllten: „Ja, hier, zwei Personen!“

„Hilfe ist unterwegs. Keine Panik!“

Keine Panik, wie witzig. Strucks Gesichtsfarbe ging jetzt schon ins grün über. Das war gar nicht gut. Reden, dachte sie, reden hilft immer. „Wieso hat der Kunde eigentlich gekündigt? Ist da was vorgefallen?“ Struck saß wie ein Häufchen Unglück zu ihren Füßen und starrte sie an. Sie entschied sich auch fürs Sitzen und nahm seine Hand: „Gestatten, Claudia.“ Jetzt begriff er und lächelte ein wenig: „Karsten.“ „Also Karsten, der Kunde kündigt doch nicht grundlos.“ „Nö.“ Er druckste. „Ich kenn den Einkaufschef schon aus dem Sandkasten. Wenn mal ein umsatzschwacher Monat war, hat er mir immer mal das ein oder andere Gerät abgekauft. Das haben wir dann mit anderen Aufträgen verrechnet. Er hat das als Reserven deklariert, also Ausfallsicherheit und so. Hat bis jetzt immer gut funktioniert. Im Gegenzug stand er bei jeder Einladung immer ganz oben auf der Liste. Und Spitzenpreise hatte er natürlich sowieso.“ Claudia runzelte die Stirn: „Und jetzt seid ihr aufgeflogen.“

„Richtig. Die meisten Kisten standen im Lager. Bei den Umbaumaßnahmen fiel das natürlich auf. Der Geschäftsführer hat getobt. Mein Freund hat eine fette Abmahnung hinnehmen müssen und wurde aufgefordert alle Verträge zu kündigen.“

Mit einem kräftigen Ruck fuhr der Fahrstuhl wieder an. Sie stand auf und zog Karsten nach oben. In dem Moment öffnete sich auch schon die Fahrstuhltür.

Wieder im Freien atmeten sie erst einmal tief durch. Ihr Meeting hatte bereits vor 45 Minuten begonnen. Trotzdem gingen sie vor die Tür, um ihre geplante Zigarette zu rauchen. Karstens Gesicht nahm nach und nach wieder einen rosigen Farbton an und Claudia hatte den Eindruck, dass die Unterhaltung ihm gut tat. Schlussendlich mussten sie jedoch auch ins Meeting und entschieden sich gegen den Fahrstuhl. In der Sechsten angekommen, hatte Karsten ein knallrotes Gesicht und japste: „Raucherlunge!“ Mehr brachte er nicht heraus. Claudia musste lachen.

Als beide ins Büro kamen, fanden sie nur einen nervösen Hoffmann vor. Von Schmitz und Petersen keine Spur. „Was ist los?“, fragten beide.

„Na ihr seid ja lustig. Der Alte ist abgedreht, als ihr nicht erschienen seid. Jetzt ist er mit Petersen los, um euch zu suchen.“ Sie konnten sich das Lachen nicht verkneifen. Hoffmann schaute sie entsetzt an und brüllte: „Seid ihr völlig meschugge?!“ Er schlug sich mit der Hand vor die Stirn. Claudia bekam ihr Dauergrinsen nicht aus dem Gesicht und drehte ihren Zeigefinger durch ihre braunen Locken: „Nee, das sind nur klaustrophobische Nachwehen.“

„Klaustro… was?“ Er winkte ab und ging zu seinem Schreibtisch.

Sie hatten sich gerade einen Kaffee eingegossen als Petersen ins Büro kam. Er stemmte die Hände in die Hüften: „Also Frau Kollegin, ich schätze sie wirklich sehr. Aber was sie sich da geleistet haben, ist unverantwortlich. Herr Schmitz ist außer sich.“

Karsten hob den Finger: „Was wiiir uns geleistet haben.“

„Von ihnen sind wir solche Kapriolen ja gewöhnt.“ Kopfschüttelnd ging er an seinen Arbeitsplatz.

Jetzt warteten beide geduldig auf das Donnerwetter, das noch über sie hereinbrechen sollte. Und da war es auch schon. Schmitz stand in der Tür. Irgendwie kam er ihnen heute größer vor: „Beide in mein Büro! Sofort!“ Er stiefelte vorneweg. Sie hinterher. Er schloss die Tür und rang nach Luft. „Wenn ich ein Meeting ansetze und sie mit der Präsentation ihres ersten großen Softwareauftrages betraue, dann erwarte ich, dass ich mich einhundertprozentig auf sie verlassen kann, Frau Damarus! Einhundertprozentig!“

„Das können sie auch.“, sagte Claudia ganz ruhig. Sie versuchte nicht zu grinsen, was ihr aber nicht ganz gelang und der kleine Mann kochte jetzt über: „Was ist daran so lächerlich? Was?“

Sie schwieg und Karsten ging auf ihn zu: „Chef, beruhigen sie doch bitte.“ Schmitz sank in seinen fetten, schwarzen Ledersessel und holte tief Luft: „Wo waren sie Beide?“

„Im Fahrstuhl.“, sagten sie, wie aus einem Munde. Er runzelte die Stirn: „Wie, im Fahrstuhl? Ich verstehe nicht.“ „Wir steckten fest, quasi zwischen der ersten und zweiten Etage und das 45 Minuten.“

Schmitz räusperte sich: „Aha. Dann. Weitermachen.“ Damit komplimentierte er sie aus seinem Büro.

„Fällt das Meeting jetzt aus?“, fragte Petersen, der sich gerade am Kopierer zu schaffen machte.

„Nein, verlegt auf 14 Uhr, Herr Kollege. Sie können das Teil noch reparieren.“ Claudia grinste: „Und ich gehe noch zum Einkauf. Ahlert ist doch da oder?“ Petersen nickte und fummelte unentwegt am Einzug des Kopierers herum. Karsten rümpfte die Nase: „In die Dreckshöhle gehst du freiwillig rein?“

„Du kannst ja mitkommen.“

Auf einmal schien Petersen hell wach zu sein und der Kopierer war anscheinend nicht mehr interessant. Neidisch sah er zu ihnen hinüber: „Aha. Man ist also schon beim Du. Habt ihr wirklich im Fahrstuhl festgesteckt?“ Sie ließen ihn stehen und steuerten das Treppenhaus an.

Ahlert war von seiner üblichen Qualmwolke umgeben. Claudia wollte gerade auf ihn zugehen, als Karsten sie am Arm festhielt und auf den Boden deutete. Mehrere Ordnerstapel säumten den Rand des gesamten Schreibtisches. Erst jetzt schien Ahlert sie entdeckt zu haben: „Moin, na was gibt’s?“ Claudia kam gleich auf den Punkt: „Ich habe doch den Großauftrag gerade reingeholt, in dem neben Software auch 25 Kopierer, 5 Faxgeräte und 10 Drucker enthalten sind. Ich habe für meine Kalkulation die normalen EK’s genommen. Meine Marge ist entsprechend mager. Können Sie da preislich noch was machen?“ Ahlert schwieg und wurde sehr nachdenklich. Als er immer noch schwieg sagte Karsten: „Peter, nu mach hin. Das sind immerhin 100.000 Euro. Verhandle einen Blockpreis. Mach schon, Peter.“

Ahlert griff zum Telefon und wies beide mit einer Handbewegung aus seinem Büro.

„Was ist denn mit dem los?“, fragte Claudia verwundert, als sie wieder vor der Tür standen. „Der ist doch sonst immer so nett?“ Karsten stöhnte: „Wenn’s um Preisgestaltung geht ist der immer so. Macht dann immer auf oberwichtig. Lass uns draußen eine rauchen.“ Sie steuerten auf die Ausgangstür zu, als ihnen Schmitzt entgegenkam. “Warten sie mal, ähm, bitte.“ Erst boxte er Karsten auf den Oberarm und legte Claudia anschließend seine Hand auf die Schulter: „Wegen vorhin, ähm, ich dachte ihnen ist was zugestoßen. Sie sind doch meine besten Pferde im Stall. Naja, Schwamm drüber.“ Wieder boxte er Karsten auf den Arm. Beide starrten ihn an. Mit einem > Also dann. < trat er ab.

Kopfschüttelnd gingen sie hinterher und zündeten sich eine Zigarette an. Claudias Magen knurrte.

„Drüben ist ein toller Asiate. Wollen wir?“ Karsten wies auf die andere Straßenseite. Sie nickte. Dann holten sie ihre Mäntel und gingen hinüber.

Die Einrichtung war typisch für asiatische Restaurants, weinrote Teppiche, bunt bemalte Drachen und kleine Laternen. Es war einfach schön, einmal nicht nur das Büro zu sehen. Sie entschieden sich für einen Tisch am Fenster. Die freundliche Bedienung brachte zügig die Vorsuppe. Karsten hatte Claudia zu M12 überredet, Ente süßsauer, sein Lieblingsgericht. Sie wurde nicht enttäuscht. Das Essen war wirklich gut. Als Claudia und Karsten das Lokal verließen, war es bereits 13.30 Uhr.

Schmitz hatte den halben Hofstaat in die sechste beordert. Als sie ins Büro wollten, kamen sie kaum durch die Eingangstür. Einkauf, Auftragsabwicklung, Technik, Lager, Finanzen, alle standen wartend im Vorraum. „Ah, da sind sie ja, Frau Damarus. Dann können wir jetzt alle in den großen Meetingraum umziehen. Bitte sehr.“ Damit ging er voraus. Der Hofstaat folgte. Petersen zwinkerte ihr im Vorbeigehen zu.

Arschkriecher, dachte sie. Als sie den Raum betraten, fiel ihr Blick sofort auf die vielen Sektgläser, die bereits auf den Tischen verteilt waren. Schmitz forderte alle auf, die Gläser zu erheben. „Liebe Kollegen. Als ich vor einem Jahr die Kollegin Damarus zu uns in den Vertrieb holte, um neue Wege zu gehen, war das auch für mich mit einem großen Risiko verbunden. Aber was ist schon risikolos, ha, ha.“… Pause.

„Letztendlich hat der Erfolg uns Recht gegeben und so können wir heute mit Fug und Recht sagen dass wir alles richtig gemacht haben. Die Ausdauer hat sich gelohnt. 250.000 Euro. Davon 100.000 Euro Hardware und 150.000 Euro Software. Geil! Darauf lassen sie uns anstoßen.“

Sein „Geil“ hallte noch im Raum als Claudia sich ein Herz fasste und auf ihn zuging. „Danke für ihre einführenden Worte.“ Sie nahm ihm das Mikro aus der Hand: „Ich darf doch?“ Er nickte heftig. „Um den Softwarevertrieb weiter auszubauen, brauchen wir den Hardwarevertrieb. Wir haben alle gesehen, dass neun Monate ins Land gegangen sind ehe wir den Zuschlag bekommen haben. Ich konnte mich auf die neuen Aufgaben hier nur konzentrieren, weil ihr mir alle den Rücken freigehalten habt. Nur durch Teamumsatz ist das möglich gewesen. Danke. Jetzt habe ich noch eine Bitte: Ich brauche eure Hilfe bei der Abwicklung dieses Vertrages. Das wird nicht einfach und…“, sie machte eine Pause, „…ich habe davon keine Ahnung!“

Alle lachten. Schmitz rief: „Prost.“