Nachbarn - Diane Oliver - E-Book
SONDERANGEBOT

Nachbarn E-Book

Diane Oliver

0,0
16,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 16,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein Buch, auf das die Welt 60 Jahre warten musste - große Literatur, in der Aktivismus und Poesie in explosiver Weise aufeinandertreffen.

»Nachbarn« ist eines jener seltenen Werke in der Literatur, die ihre Zeit einfangen und ihr doch weit voraus sind. Diane Oliver erkundet darin die sich wandelnden sozialen Umstände: Beäugt von den Nachbarn, fragen sich Ellie und ihre Familie, ob es richtig ist, den kleinen Bruder morgen als einziges Kind auf die Schule der Weißen zu schicken. Ein Paar wird durch rassistische Übergriffe dazu getrieben, im Wald zu leben, und entwickelt eine mörderische Wut. Meg heiratet einen Schwarzen, doch die Liebe fordert über die Grenzen der Hautfarbe ihren Preis. Über allem könnte die Frage stehen: Gibt es einen Unterschied zwischen dem, was für die Gesellschaft am besten ist, und dem, was das Individuum braucht? Oliver geht es immer um beides, um das Politische und das Persönliche, und damit um allgemeingültige Fragen unserer Existenz und unseres Miteinanders.

»Diane Oliver ist die größte amerikanische Autorin des 20. Jahrhunderts. Mit ihr reise ich in die Zeit der Bürgerrechtsbewegung und in die Seele der Menschen. Wenn Nina Simone die High Priestess of Soul war, ist Diane Oliver die High Priestess of Literature.« Julia Franck.

»Diane Olivers überwältigende Geschichten tauchen in einer Zeit wieder auf, in der uns die Brutalität des Rassismus immer wieder vor Augen geführt werden muss. Oliver ist weder an Raum noch an Zeit gebunden und gibt uns ergreifende Einblicke in das Leben derjenigen, deren Menschlichkeit ständig verleugnet wird.« Emilia Roig.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 365

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cover for EPUB

Über das Buch

Misstrauisch beobachtet von den Nachbarn, fragen sich Ellie und ihre Familie, ob es richtig ist, den kleinen Bruder morgen als einziges Kind auf die Schule der Weißen zu schicken. Ein Paar wird durch rassistische Übergriffe dazu getrieben, im Wald zu leben, und entwickelt eine mörderische Wut. Meg heiratet einen Schwarzen, doch die Liebe fordert über die Grenzen der Hautfarbe ihren Preis. – Über allem, was Diane Oliver in ihren Storys mit unglaublicher Reife und scharfer Beobachtungsgabe vor uns entfaltet, könnte die Frage stehen: Gibt es einen Unterschied zwischen dem, was für die Gesellschaft am besten ist, und dem, was das Individuum braucht? Das jahrzehntelang unentdeckte Meisterwerk zeigt jetzt: Hier schreibt eine Autorin von Weltrang – eine bislang fehlende Figur im Kanon der Literatur des 20. Jahrhunderts. 

»Diese atemberaubende Story-Sammlung ist ein Wunderwerk.« Tayari Jones in ihrem Nachwort

Über Diane Oliver

Diane Oliver wurde 1943 in Charlotte, North Carolina, geboren und besuchte nach dem Highschool-Abschluss das Women's College, die spätere University of North Carolina. Sie war Chefredakteurin der Unizeitung und veröffentlichte zu ihren Lebzeiten vier Kurzgeschichten, darunter die Story »Nachbarn«, die mit dem O. Henry Award ausgezeichnet wurde. An der University of Iowa nahm sie am Writers' Workshop teil und erhielt den Master-Abschluss postum, wenige Tage nachdem sie 1966 im Alter von 22 Jahren bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen war. 

Tayari Jones, geboren 1970 in Atlanta, wurde mit ihrem Roman »In guten wie in schlechten Tagen« (2019) über Nacht zu einer der aktuell erfolgreichsten Autorinnen der USA. 

Brigitte Jakobeit, vielfach preisgekrönte Literaturübersetzerin, hat Klassiker wie Christopher Isherwood ins Deutsche übertragen, ebenso Bestseller-Autorinnen wie Celeste Ng. 

Volker Oldenburg übersetzte u. a. David Mitchell und Colum McCann. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Übersetzerpreis.

ABONNIEREN SIE DEN NEWSLETTERDER AUFBAU VERLAGE

Einmal im Monat informieren wir Sie über

die besten Neuerscheinungen aus unserem vielfältigen ProgrammLesungen und Veranstaltungen rund um unsere BücherNeuigkeiten über unsere AutorenVideos, Lese- und Hörprobenattraktive Gewinnspiele, Aktionen und vieles mehr

Folgen Sie uns auf Facebook, um stets aktuelle Informationen über uns und unsere Autoren zu erhalten:

https://www.facebook.com/aufbau.verlag

Registrieren Sie sich jetzt unter:

http://www.aufbau-verlage.de/newsletter

Unter allen Neu-Anmeldungen verlosen wir

jeden Monat ein Novitäten-Buchpaket!

Diane Oliver

Nachbarn

Storys

Aus dem Amerikanischen von Brigitte Jakobeit und Volker Oldenburg

Mit einem Nachwort von Tayari Jones

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

Nachbarn

Die Kammer im obersten Stock

Vor der Dämmerung

Gesundheitsdienst

Kein Service hier

Nach norden

Der Besuch

Banago kalt

Wenn die Äpfel reif sind

Stau

»Niemand bekommt braunen Zucker in seine Milch«

Gefrorene Stimmen

Unser Ausflug ins Naturkundemuseum

Spinnen weinen ohne Tränen

Nachwort

Anmerkung zur Übersetzung

Impressum

Wer von diesem Buch begeistert ist, liest auch ...

Nachbarn

Im Bus, der um die Ecke Patterson und Talford Avenue bog, war es um diese Zeit am Abend ziemlich still. Unter den vier hinten Stehenden entdeckte sie kein bekanntes Gesicht. Die meisten, die auf den Doppelsitzen einen Platz gefunden hatten, waren Frauen, Dienstmädchen und Köchinnen auf dem Heimweg oder Schreibkräfte aus der Baumwollspinnerei, die Überstunden gemacht hatten. Die Fabrik lag außerhalb der Stadt in der Nähe des Hauses, wo sie arbeitete. Ihr fiel auf, dass auch einige Männer mitfuhren, vermutlich größtenteils Arbeiter. Nur einer trug einen eleganten dunkelgrauen Anzug und hatte einen Automatikschirm bei sich.

Er wirkte auf sie, als führe er normalerweise mit dem Auto zur Arbeit. Sie stellte sich vor, dass es heute Morgen nicht angesprungen war und er deshalb den Bus hatte nehmen müssen. Sie stand ganz hinten, den Blick auf die Fahrgäste gerichtet. Ihre Arme reichten kaum bis zu den Haltestangen, und sie bemühte sich, nicht bei jedem Schlingern ins Wanken zu geraten. Doch bei jeder Kurve stieß ihr Kopf unweigerlich gegen ein Fenster. Außerdem löste sich langsam ihr Haar, schwarze Locken fielen ihr zwischen die Augen. Sie musterte die Menschen in ihrer Umgebung. Einige waren weiß, aber die Mehrheit hatte ihre Hautfarbe. Das Betrachten der Fahrgäste hielt sie wenigstens davon ab, an morgen zu denken. Aber eigentlich wollte sie, dass es endlich so weit wäre, damit alles ein Ende hatte.

Sie suchte Halt an dem grünen Ledersitz neben ihr und wünschte, sie hätte ihre Brille auf. Der Mann mit dem Schirm befand sich schräg gegenüber, sodass sie ihn trotz der zwei Leute vor ihr deutlich sah. Als er die Abendzeitung aufschlug, reckte sie den Hals und versuchte ungeduldig, die Überschriften auf der Titelseite zu lesen, bis sie merkte, dass er sie neugierig anblickte. Sie biss sich auf die Lippe, drehte den Kopf zum Fenster und schaute hinaus, bis der Innenstadtbereich in Sicht kam.

Sie musste warten, bis sie zu Hause war, um zu erfahren, ob wieder etwas über ihre Familie in der Zeitung stand. Manchmal wollte sie am liebsten losschreien, wenn jemand ein Foto von ihnen machte. Am Montag vergangener Woche warteten die Reporter schon in der Ambulanz der Schule, als sie mit Tommy wegen seiner letzten Polioimpfung dort ankam. Ihr war unbegreiflich, wie man so herzlos zu einem Kind sein konnte. Das Blitzlicht leuchtete in dem Moment auf, als die Nadel in seinen Arm stach, und auf dem Bild war nur Tommys geöffneter Mund zu sehen.

Als der Bus am Bordstein ruckartig zum Stehen kam, schreckte sie aus ihren Gedanken auf. Sie umklammerte die Papiertüte, die ihre Uniform enthielt, bahnte sich ihren Weg zur Tür und stieg als eine der Ersten aus. Die Abendluft fühlte sich unangenehm feucht an, ihr Kleid klebte auf der Haut. Sie sah hoch und erinnerte sich, dass der Wettermann Regen vorhergesagt hatte. Pech, wie immer – warum, fragte sie sich, musste es obendrein noch regnen?

Die Hauptstraße kam ihr ungewöhnlich ruhig vor, aber vermutlich bildete sie sich das nur ein. Schließlich waren die meisten Geschäfte seit fünf Uhr geschlossen.

Sie blieb stehen, um sich einen Wenderegenmantel anzusehen, aber obwohl sie jetzt eine Ganztagsstelle hatte und genug verdiente, um ihn sich zu leisten, konnte sie sich im Moment nicht auf Kleidung konzentrieren. Sie war im Begriff weiterzugehen, als jemand hupte. Leicht verängstigt und zugleich neugierig, drehte sie sich um und sah einen Mann in einem grauen Auto, der sie heranwinkte. Sie kannte ihn nicht, aber da eine gut gekleidete Frau neben ihm saß, trat sie näher.

»Du bist Jim Mitchells Tochter, oder?«, fragte er, über die Beifahrerin gebeugt. »Bist du Ellie oder die andere?«

Sie nickte und fragte sich, wer er war und wie viel er getrunken hatte.

»Hör mal, Mädchen, du kennst mich nicht, aber dein Vater kennt mich. Sag ihm, wenn seinem Jungen morgen was passiert, bringen wir die Sache in Ordnung.« Er sah sie unvermittelt an, und sie versprach, es auszurichten.

Der Mann wollte gerade weiterfahren, als die Frau sich herauslehnte und sie am Arm fasste. »Geh lieber schnell nach Hause, Liebes, hier draußen ist es schon ziemlich dunkel.«

Bevor sie sich nach den Namen der beiden erkundigen konnte, war der Chevrolet um die Ecke verschwunden. Ellie wünschte sich, jemand würde wie von Zauberhand erscheinen und ihr alles erklären, was seit August passiert war. Dann wüsste sie vielleicht, was real war und was sie sich in den letzten paar Tagen zurechtfantasiert hatte.

Sie ging die Haupteinkaufsstraße entlang bis zu Tanner’s, wo Saraline im Fenster stand und eine Orange schälte. Alles in dem Laden war orange und grün gestrichen, und Ellie kam der Gedanke, dass die arme Saraline wie ein Fremdkörper wirkte. Sie blieb stehen und winkte ihrer Freundin zu, die mit dem Messer auf ihre Armbanduhr zeigte und dann auf ihren Freund hinten im Laden. Ellie nickte, dass sie verstand. Sie sollte Saras Großvater sagen, dass sie wieder länger arbeiten musste. Keine der beiden wusste, warum er Charlie nicht mochte. Saraline hatte die Highschool drei Jahre früher abgeschlossen, und es wurde langsam Zeit, dass sie heiratete. Ellie sah, wie ihre Freundin die Orange beiseitelegte und ihre gedrückten Daumen in Ellies Richtung hielt. Wieder nickte sie, auch wenn sie befürchtete, dass alle gedrückten Daumen der Welt den Ärger morgen nicht aufhalten konnten.

An der Ampel blieb sie stehen und wandte sich der hutzligen Frau zu, die an der Seite eines Gebäudes kauerte. Ellie kratzte mit dem Turnschuh am Bordstein und wartete darauf, dass die Frau wie üblich den Mund aufmachte und grinste. Die Kinder brachten sie immer dazu, etwas zu sagen, und da sie nur noch einen einzigen Zahn im Mund hatte, nannten sie sie Lochstanze. Doch die Frau war so still wie alles in dieser Woche.

Dort, wo Ellie stand, auf der anderen Straßenseite des Parkplatzes von Sears and Roebuck, konnte sie nicht nur das Haus ihrer Familie sehen, sondern alle Häuser an der Straße, die von den Weißen Fürsorgegasse genannt wurde. Sie ärgerte sich über die Zeitungsleute. In sämtlichen Berichten wurde ausgeführt, wie ruppig die Bewohner hier waren. Aber die Reporter schrieben nie, dass ihre Familie nicht von der Fürsorge lebte, es hieß immer nur, die Familie lebe in dieser Straße. Sie hielt inne, um auf der anderen Seite eine Gruppe von Kindern zu beobachten, die mit einem Gummiball spielten. In ihrem Viertel tauchten auch regelmäßig weiße Kinder auf, und es galt als ungeschriebenes Gesetz, dass sie mitspielten, bis sie in die Schule kamen. Danach hörte es auf.

An der Ecke überquerte sie die Straße, ohne die Autos an der Ampel zu beachten, und je näher sie kam, desto klarer wurde ihr, dass die Zeitung recht hatte. Die Häuser waren hässlich, nicht mal Bäume gab es, nur ein paar armselige Sträucher und Grasbüschel. Beim Überqueren des klebrigen Asphalts nahm sie wie durch einen Nebel wahr, dass die Flutlichter des Parkplatzes alles in einen merkwürdigen Glanz tauchten. Einer Gewohnheit folgend, starrte sie auf das Haus am Ende des Blocks, das abgesehen von der abblätternden Farbe allen anderen glich. Das rissige helle Grau schimmerte in der Dämmerung, und als sie den unbefestigten Gehweg entlangging, fiel ihr auf, dass Mr. Pauls Pfeifenrauch die dunstige Atmosphäre verstärkte. Mr. Paul saß auf seinem Stammplatz und wartete vermutlich auf Saralines Rückkehr. Ellie ging langsamer, um mit dem alten Mann auf der Veranda zu sprechen.

»Guten Abend, Mr. Paul«, sagte sie. Auf der leeren Straße klang ihre klare Stimme irgendwie fehl am Platz.

»Was – wer ist denn da?« Mr. Paul lehnte sich über das Geländer. »Was sagst du, Mädchen?«

»Wie geht es Ihnen?«, rief sie lauter. »Sara sagt, sie kommt heute später, sie muss arbeiten.« Sie wartete, bis ihre Worte zu ihm durchdrangen.

Er ließ den Kopf sinken und schaute auf seinen Schoß. Seine Enttäuschung war offensichtlich. »Geht wohl nicht anders«, sagte er schließlich. »Wahrscheinlich brauchen sie sie schon wieder.« Dann, als fiele es ihm plötzlich wieder ein, wandte er sich an sie.

»Und, habt ihr euch entschieden? Lasst ihr ihn morgen trotz allem gehn?«

Sie betrachtete Mr. Paul durch die fehlenden Bretter des Geländers, seine hochgerollten Hosenbeine passten genau in die Lücken.

»Heute früh hieß es jedenfalls, dass wir ihn gehen lassen«, sagte sie.

Mr. Paul hatte sich wieder in den Stuhl zurückgelehnt. »Ich glaub nicht, dass sie ihm was tun«, murmelte er und kratzte sich an der Wange. »Hoffentlich macht’s ihm nichts aus, wenn sie ihn anspucken. Angespuckt werden ist anders als verletzt werden. Wenn sie ihn anspucken, weiß hinterher keiner, wer’s war«, sagte er und gluckste leise.

Ellie stand am Gehweg, bohrte ihre Fersen in den Boden und wartete darauf, dass der alte Mann fertig war. Wenigstens konnte einer dem Ganzen noch etwas Lustiges abgewinnen.

»Wiedersehn, Mr. Paul«, sagte sie und winkte. Sie empfand ihre Stimme als unangenehm laut, wusste allerdings, dass ihre Kopfschmerzen Geräusche verstärkten. Sie ging schneller. Hoffentlich hatten sie zu Hause Aspirin und konnten heute Abend früher ins Bett gehen.

Vor dem Haus stellte sie fest, dass die Männer noch da waren. Das Wohnzimmerlicht schimmerte durch die gelben Rollos, an den ausgebesserten Stellen leuchtete es heller. Ellie spielte mit dem Gedanken, den Geranientopf auf der Veranda zu verrücken, damit er den Regen auffing, überlegte es sich aber anders. Sie kickte eine Bierdose unter ein geparktes Auto und blieb stehen, um in der Autotür ihr Spiegelbild zu betrachten. Das Blümchenmuster auf ihrem Kleid ließ sie aussehen, als hätte sie eine seltsame Tropenkrankheit. Sie entdeckte eine zweite Dose und trat sie aus dem Weg. Irgendwann würde sonst ein Kind darüber stolpern und sich verletzen. Aber eigentlich, das wusste sie, wollte sie das Auto aus dem Weg treten. Sowohl der Kombi als auch der Ford standen schon die ganze Woche vor dem Haus und warteten. Jeder saß nur da und wartete.

Plötzlich musste sie laut lachen. Das Auto von Reverend Davis war groß und schwarz und glänzend, genau wie – aber nein, das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, ihre Mutter mochte es nicht, wenn sie über die Hautfarbe anderer Leute herzogen. Sie sah sich um, wer noch da war, und entdeckte Mr. Moores altes zerbeultes blaues Auto. Jemand hatte sein Schild zur Unterstützung der National Association for the Advancement of Colored People halb abgerissen. Manchmal tat ihr der Mann richtig leid. Ganz gleich, wie fest er seine Sticker aufklebte, irgendwer riss sie immer wieder ab.

Das dritte Auto kannte Ellie nicht. Es hatte ein Nummernschild aus Alabama. Sie wollte noch nicht ins Haus gehen, machte kehrt und schaute nach rechts und nach links. In ihrer Straße gab es keine Laternen, aber in der Ferne leuchteten die Lichter des Parkplatzes. Langsam drehte sie sich um und stieg die Treppe hoch.

Ellie fragte sich, wann ihre Mutter endlich daran dachte, eine Glühbirne für die Veranda zu besorgen. Obwohl hier kein Licht eingeschaltet war, wimmelte es auf der Veranda wie immer von Junikäfern und Moskitos. Bis sie im Haus war, hatte sie jedes Mal das Gefühl, als krabbelte ihr etwas im Haar herum. Sie zog an der Fliegengittertür und sah, dass ihre Mutter Hezekiah endlich dazu gebracht hatte, die Löcher zu flicken. Die vereinzelten weißen Klebebandstreifen auf dem Gitter erinnerten sie an unförmige Schmetterlinge.

Sie lauschte der Stimme ihres Vaters und hörte am Tonfall, dass die Männer etwas Wichtiges besprachen. Sie rüttelte ein weiteres Mal an der Tür, aber niemand öffnete.

»Lässt mich vielleicht mal jemand rein?« Ihre Stimme drang durch das Gitter zu der kleinen Gruppe von Männern, die in der Ecke saß.

»Die Tür ist offen«, rief ihr Vater. »Komm rein.«

»Die Tür ist nicht offen«, sagte sie monoton. »Du weißt genau, dass wir sie nicht mehr offen lassen.« Sie war müde, ihre Stimme klang eine Oktave tiefer.

»Stimmt, hab ich ganz vergessen«, murmelte er und stand auf.

Auf dem Weg zur Tür stolperte ihr Vater fast über einen Stuhl. Das Licht der Glühbirne über ihm betonte die Falten um seine Augen. An der Art, wie er das Fliegengitter öffnete, erkannte Ellie, dass auch er nicht viel geschlafen hatte. Sie hatte mitbekommen, wie er ihrer Mutter erzählte, dass ihm die Leute in der Werkstatt wegen dieser Sache ständig mehr Arbeit aufhalsten. Und seinem Chef gegenüber konnte er nichts sagen, weil sie ihn vermutlich gern feuern wollten.

»Wo ist Mama?«, flüsterte sie. Er nickte nach hinten.

»Guten Abend«, sagte sie und sah die drei Männer an, die nicht aufgeblickt hatten, als sie ins Zimmer trat. Einer erhob sich halbherzig, richtete seine Aufmerksamkeit aber gleich wieder auf die Bemerkung eines der anderen Männer. Sie saßen in Hemdsärmeln auf dem Sofa; auf der Fensterbank stand ein Krug mit Eiswasser.

»Deine Mutter braucht wahrscheinlich Hilfe«, sagte ihr Vater. Ellie schaute an ihm vorbei und versuchte zu erkennen, wer der weiße Mann war, der am Ende saß. Sein Gesicht kam ihr bekannt vor, und sie überlegte, wo sie ihn schon mal gesehen hatte. Sie reckte den Hals, um zu sehen, worauf ihre Blicke gerichtet waren, und entdeckte ein großes Blatt weißes Zeichenpapier mit Quadraten und Linien. Der Mann in der Mitte markierte einen Weg mit dem Radiergummiende des Bleistifts.

Die dezente Stille im Raum verstärkte ihre Kopfschmerzen. Sie schob sich durch den rot bestickten Vorhang, der in die Küche führte.

»Ich bin zurück, Mama.« Ellie stand an der Hintertür und blickte auf die große gelbe Sonne, die Hezekiah und Tommy auf die Wand über dem Eisenherd gemalt hatten. Sogleich verspürte sie eine durchdringende Wärme auf der Haut. »Wo sind die andern alle?«, fragte sie und setzte sich an den Tisch, wo ihre Mutter Kartoffeln schälte.

»Helen und Teenie sind bei Mrs. McAllister«, sagte ihre Mutter. »Dein Bruder übernachtet heute bei Harry.« Bei jedem Namen fiel ein Stück Schale auf die über den Tisch ausgebreitete Zeitung. »Tommy ist im Schlafzimmer und liest sein ›Onkel Wiggily‹-Buch.«

Ellie sah ihre Mutter an, aber deren Blick war geradeaus gerichtet. Sie wusste, Tommy las die Geschichten von Onkel Wiggily nur, wenn er unglücklich war. Sie stand auf und ging zum Küchenschrank.

»Sind alle Messer schmutzig?«, fragte sie.

»Nein«, erwiderte ihre Mutter, »schau in die andere Schublade.«

Ellie zog die Schublade auf und schnippte mit dem Fingernagel weiße Farbreste weg. Als sie nach dem Messer griff, stach ihr ein Stapel Briefumschläge ins Auge.

»Sind heute wieder welche gekommen?« Sie nahm das Messer und schob die Umschläge unter die Geschirrtücher.

»Ja, heute waren es sieben.« Ihre Mutter betonte jedes Wort sorgfältig. »Dein Vater hat sie bei sich im anderen Zimmer.«

»Gleicher Inhalt?«, fragte sie, griff sich eine Kartoffel und wünschte, ihr fiele etwas ein, um das Thema zu wechseln.

Die Weißen bedrohten sie nun schon seit drei Wochen. Einige Briefe wandten sich an die Familie, die meisten jedoch waren an Tommy selbst gerichtet. Ungefähr einmal pro Woche schrieb jemand mit der immer selben Handschrift, Tommy solle mittags lieber nicht in der Schule essen, sonst würde er vergiftet.

Sie bekamen diese Briefe, seit die Schulkommission Tommys Namen bekannt gegeben hatte. Ellie zerteilte die Kartoffel und warf die Stücke in den Topf mit kaltem Wasser. Von allen Schülern war er der einzige gewesen, den der Ausschuss für den Wechsel an die Grundschule angenommen hatte. Die anderen Kinder, hieß es, wohnten nicht im Einzugsbezirk. Während sie die Augen aus einer Kartoffel schnitt, dachte sie an den ersten Brief, den ihr Vater einfach im Aschenbecher verbrannt hatte. Doch dann meinte Mr. Bell, den Rest sollten sie besser aufbewahren. Falls etwas passierte, könnten die Briefe vor Gericht als Beweise dienen.

Ellie spähte zu ihrer Mutter. »Wer ist der weiße Mann, der bei Daddy ist?«

»Einer von Anwalt Belks Freunden«, antwortete sie. »Er ist Pastor in der Kirche, die Sonntag früh immer im Fernsehen kommt. Anscheinend glaubt Mr. Belk, seine Anwesenheit könnte nützlich sein.« Ellie merkte, dass die Stimme ihrer Mutter genauso unsicher wirkte wie ihre Hand, als sie nach der letzten Kartoffel griff. Beide hörten sie Tommy im Zimmer nebenan leise vor sich hin murmeln. Sie wagte kaum, ihre Mutter anzusehen.

Plötzlich bemerkte Ellie, dass die Hände ihrer Mutter heftig zitterten. »Er ist noch so klein«, flüsterte sie. Das Messer glitt ihr aus der Hand, und sie fing an zu schluchzen.

Ellie wusste nicht, was sie tun sollte. Schließlich räumte sie die Kartoffelschalen weg und legte die Messer in die Spüle. »Ruh dich ein bisschen aus«, schlug sie vor. »Ich erledige den Rest und bring Tommy ins Bett.« Ihre Mutter stand wortlos auf und verschwand im Schlafzimmer.

Ellie wischte den Tisch ab, legte den Lappen über die Spüle, trat einen Schritt zurück und betrachtete die rostenden, mit einem weißlichen Film überzogenen Rohre. Irgendwann demnächst mussten sie hier streichen. Auf Zehenspitzen ging sie im Schlafzimmer an ihrer Mutter vorbei, die offenbar vor Erschöpfung eingeschlafen war.

»Tommy«, rief sie leise, »komm schon, mach dich fertig fürs Bett.«

Tommy saß auf dem Boden und antwortete nicht. Er saß genauso da, wie sie es sich vorgestellt hatte – im Schneidersitz und an einem Ohrläppchen zupfend, während er die zerfledderten Seiten von Onkel Wiggily im Zoo umblätterte.

»Wo bist du gerade, Tommy?« Sie kauerte sich neben ihn auf den Boden. Er lächelte und zeigte auf die Bilder mit den Enten.

»Morgen fängt die Schule an«, sagte sie und blätterte mit ihm zusammen eine Seite um. »Glaubst du nicht, dass es langsam Zeit wird, schlafen zu gehen?«

»Ach, Ellie, muss ich wirklich gehn?« Sie sah auf die ernsten braunen Augen und das kurz geschorene Haar hinab. Einen Moment lang fragte sie sich, was er wissen wollte – ob er jetzt ins Bett oder morgen zur Schule gehen musste.

»Bist du mit dem Buch nicht sowieso fast fertig?«, fragte sie. Er schüttelte den Kopf. »Komm schon«, sagte sie, »dir fallen ja schon die Augen zu.« Er schüttelte unvermindert den Kopf.

»Wann kommen Helen und Teenie nach Hause?«

»Morgen, wenn du von der Schule zurück bist, sind sie hier.«

Ellie zog ihn vom Boden hoch und dachte, dass er doch eigentlich viel zu klein war, um morgen all den Leuten entgegenzutreten.

»Schau mal«, sagte er, löste sich von ihrer Hand und zeigte auf ein blaues Hemd und eine Drillichhose. »Die hat Mama mir besorgt, das soll ich morgen anziehen.«

Während sie Wasser in die Wanne einließ, hörte sie, wie er aufs Bett kroch. Er war still, und sie wusste, dass er seine Turnschuhe aufband.

»Stell deine Schuhe raus«, rief sie durch die Tür, »vielleicht putzt Daddy sie.«

»Ist Daddy noch mit den Männern im Wohnzimmer? Mama wollte, dass ich still bin, damit ich sie nicht störe.«

Mit bloßen Füßen tapste er ins Bad und stieg in die Wanne. Während sie ihn wusch, spielten sie Frag mich was, ihre eigene Version von Zwanzig Fragen. Sie hatte ihn gerade abgetrocknet und wollte ihn seinen Schlafanzug anziehen lassen, als er fragte: »Werden sie mich morgen holen?«

»Wer soll dich denn holen?« Ellie sah ihm in die Augen und begann aufs Neue, ihn heftig mit dem Handtuch abzurubbeln.

»Ich weiß nicht«, antwortete er. »Halt irgendwer.«

»Niemand wird dich holen«, sagte sie. »Wer will schon einen kleinen Jungen mit Kaugummi in den Haaren – außer uns?« Er grinste, und als sie ihn umarmte, dachte sie, wie sehr er doch ihrem Vater ähnelte. Sie gingen zum Bett, um zu beten, und während sie da knieten, hörte Ellie die ersten Regentropfen. Als sie ihn zugedeckt und die Tagesdecke vom Boden aufgehoben hatte, war der Regen in einen steten Wolkenbruch übergegangen.

Nachdem Tommy zu Bett gegangen war, stand ihre Mutter wieder auf und fing an, in der Küche Wäsche zu bügeln. Angeblich lenkte das ihre Gedanken ab. Während sie die Stücke faltete und sortierte, zog Ellie einen Stuhl unterm Küchentisch hervor. Eine Zeit lang saßen sie da und lauschten den Männern im Zimmer nebenan. Die leise Stimme ihrer Mutter durchbrach die Stille im Raum.

»Mir wäre lieber«, sagte sie und nahm schwungvoll das Bügeln wieder auf, »wenn du morgen nicht zur Arbeit gehst und Tommy zusammen mit deinem Vater begleitest. Ich glaube nicht, dass ich den Leuten gewachsen bin.«

Ellie nickte. »Mir macht das nichts aus«, sagte sie und zeichnete Kreise auf die Wachstuchdecke auf dem Tisch.

»Dein Vater geht«, fuhr ihre Mutter fort. »Belk und Reverend Davis gehen. Und ich glaube, der Weiße nebenan kommt auch mit.«

»Dann brauchen sie mich vielleicht gar nicht«, antwortete Ellie.

»Aber Tommy«, sagte ihre Mutter, faltete das letzte Geschirrtuch zusammen und legte es in den Schrank.

»Ich glaube, er hat Angst, Mama«, sagte Ellie und sah ihre Mutter an. »Er war so still, als ich ihn gebadet habe.«

»Ich weiß«, antwortete ihre Mutter und setzte sich schwerfällig hin. »So war er schon den ganzen Tag.« Ihr braunes welliges Haar glänzte im schwachen Küchenlicht. »Ich hab ihm erklärt, dass er nicht mehr zusammen mit Jakie und Bob in die Schule geht, er aber bestimmt ein paar andere Kinder trifft, die genauso nett sind.«

Ellie beobachtete, wie ihre Mutter unablässig den Ehering um ihren Finger drehte.

»Ich hab Mrs. Ingraham schon gesagt, dass ich morgen nicht kommen kann.« Ellie verstummte. »Sie hat nichts weiter entgegnet. Noch nicht mal die Bilder in der Zeitung hat sie erwähnt. Mr. Ingraham meinte nur, dass wir komplett verrückt sein müssen, mehr nicht.«

Sie löste den Blick von der Uhr neben der Spüle. »Es ist fast so weit, gleich kommen die Streifenwagen«, sagte sie. Auch der Blick ihrer Mutter glitt zur Uhr. Die Polizisten, die alle zwanzig Minuten durch ihre Straße patrouillierten, sollten ihnen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, doch die regelmäßig vorbeifahrenden Wagen und das durch das Rollo fallende Licht über ihrem Bett machten sie nur nervös.

Ellie fuhr mit dem Finger die Tischkanten entlang und strich eine Falte aus dem glänzenden roten Tuch. »Wie lange bleiben die Männer eigentlich noch?«, fragte sie ihre Mutter. Noch während sie sprach, hörte sie jemanden sagen, es sei an der Zeit für etwas Schlaf. »Ich wollte sie doch gar nicht vertreiben«, sagte sie grinsend. Ihre Mutter lächelte matt zurück. Sie lauschten dem Geräusch der Motoren und Reifen und warteten darauf, dass Ellies Vater die Haustür schloss.

Kurz darauf steckte er den Kopf durch den Vorhang. »Soll ich jetzt dein Bett ausklappen, Ellie?« Sie sah ihn besorgt an, die ganze Familie wirkte völlig erschöpft.

»Nicht nötig«, erwiderte sie. »Ich schlafe heute Nacht in Helens und Teenies Bett.«

»Wie geht es Tommy?«, fragte er mit Blick zum Schlafzimmer. Er kam in die Küche und setzte sich zu ihnen an den Tisch.

Eine Weile herrschte Schweigen, ehe er das Wort ergriff. »Ich bin mir nicht sicher, ob wir ihn wirklich dorthin schicken sollen.« Er zündete ein Streichholz an und beobachtete, wie die Flamme im Aschenbecher erlosch, dann sah er seiner Frau in die Augen. »Man kann nicht wissen, was die weißen Schwachköpfe vorhaben.«

Ihre Mutter beugte sich vor und tätschelte seine Hand. »Ich schätze, wir tun, was wir tun müssen«, sagte sie. »Allerdings wünschte ich, die anderen wären nicht so viel älter als er.«

»Aber es ist so unfair«, warf Ellie ein, »ihn ganz allein dorthin zu schicken. Ich werde ständig gefragt, warum die MacAdams ihre Kinder nicht dort angemeldet haben.«

»Eloise.« Die Stimme ihres Vaters klang schroff. »Wir kümmern uns nicht um die MacAdams, wir versuchen nur, das Richtige für deinen Bruder zu tun. Er ist noch nicht alt genug, um eigene Entscheidungen zu treffen. Du und die andern könnt für euch selbst sprechen, aber für ihn müssen deine Mutter und ich das tun.«

Ellie erwiderte nichts. Sie beobachtete, wie er eine Handvoll Briefumschläge aus seiner Tasche zog und in die Schrankschublade legte. Ihr war klar, dass ihre Eltern Tommy nie an die Jefferson Davis hätten gehen lassen, wenn ihnen im August jemand gesagt hätte, dass er der Einzige wäre. »Sind das die neuen?«, fragte sie. »Was steht drin?«

»Reden wir nicht über die Briefe«, sagte ihr Vater. »Gehen wir lieber schlafen.«

Der Regen draußen wurde noch heftiger. Seit dem frühen Abend hatte sich Ellie an das Rauschen gewöhnt. Jetzt vermischte es sich mit dem Rest der Geräusche, die sich seit Beginn der ganzen Sache ihrem Gedächtnis tief eingeprägt hatten.

Als ihre Mutter das Bügelbrett zusammenklappte, hörten sie die leisen Reifen des Streifenwagens. Die Uhr zeigte zehn nach zwölf, und Ellie fragte sich, warum sie so früh dran waren. Ihre Mutter zog die Bügeleisenschnur aus der Steckdose, und sie warteten schweigend darauf, dass der Streifenwagen umdrehte und wieder am Haus vorbeifuhr, als wäre das der endgültige Segen für die Nacht.

Plötzlich ertönte ein Knall, und es war, als hätten sich all ihre Befürchtungen auf einmal entladen mit einer Lautstärke, die das ganze Haus beben ließ. Im selben Moment gingen die Lichter aus, und ihr Vater riss sie instinktiv zu Boden. Vor dem Haus klirrte Glas, und Tommy fing an zu schreien.

»Tommy, flach auf den Boden«, schrie ihr Vater.

Sie hoffte, dass er nicht vergaß, unters Bett zu kriechen, so wie sie es geübt hatten. Während sie reglos dalag, hörte sie Gegenstände fallen und zerbrechen. Ihr Atem ging stoßweise, und dann folgte ein zweiter Knall, schwächer, aber immer noch laut genug, um Tommys Schreie zu übertönen.

»Rührt euch nicht«, befahl ihr Vater. »Ich seh nach Tommy. Vielleicht schmeißen sie noch etwas.«

Ellie sah zu, wie er, eine zerbrochene Blumenvase und eine gusseiserne Kanne aus dem Weg räumend, über den Boden robbte. Tommys Schreie, das splitternde Glas, alle Geräusche hallten in ihren Ohren wider. Sie hatte das Gefühl, als kauerten sie seit Stunden auf dem Boden, doch als sie die Tür des Streifenwagens zuschlagen hörte, standen die Leuchtzeiger der Uhr erst auf Viertel nach zwölf.

Weitere Wagen fuhren vor, und auf der Veranda trampelten schwere Stiefel. »Alles in Ordnung mit euch dadrinnen?«

Sie kannte die Stimme und wusste deshalb, wer jetzt die Tür aufstieß. Sergeant Kearns war in den vergangenen drei Wochen für den Schutz des Hauses verantwortlich gewesen. Obwohl er den Lichtschalter im Wohnzimmer mit einem Klickgeräusch umlegte, blieb es stockdunkel.

Ihr Vater setzte Tommy auf den Schoß seiner Frau und ging zu dem, was von der Tür übrig geblieben war. In den folgenden fünfzehn Minuten wimmelte es nur so von Polizisten. Während sie unter dem Schrank nach einer Kerze tastete, versuchte ihre Mutter, Tommy zu trösten. Auf seiner Wange war eine Schnittwunde, die er sich an den Bettfedern geholt hatte. Ihre Mutter bedeutete ihr, ein Tuch zu befeuchten und etwas Vaseline draufzugeben, um ihn zu beruhigen. Als sie ihn wieder ins Bett bringen wollte, weigerte er sich trotz ihres Versprechens, für den Rest der Nacht bei ihm zu bleiben. Und so saß sie in der Küche und schaukelte den Kleinen auf dem Schoß.

Ellie wanderte durch die Küche, doch die einzige Kerze warf ein unheimliches Licht an die Wände und machte sie nervös. Sie fing an, Töpfe aufzuheben, stieg über zerbrochenes Geschirr und Gläser. Sie wollte noch nicht ins Wohnzimmer gehen, aber durch den Vorhang drangen Gesprächsfetzen der Polizisten.

Einer sagte, die Bombe sei am Rand des Gartens gelandet, darum habe sie nur die vordere Veranda erreicht. Dem Gespräch entnahm sie außerdem, dass das Wohnzimmerfenster völlig zersplittert war. Plötzlich musste Ellie sich setzen. Das Sofa, auf dem sie schlief, stand genau unter diesem Fenster. Ein Gefühl überwältigte sie, das sie am ganzen Körper zittern ließ, als hätte sie die Kontrolle über ihre Muskeln verloren.

Sie sah ihre Mutter an, ob auch ihr diese Tatsache bewusst war, doch die war auf Tommy konzentriert und auf ihre Bemühungen, ihn zum Einschlafen zu bewegen. Ellie stand auf, schlich in Richtung Wohnzimmer und versuchte, sich innerlich für das zu wappnen, was sie vorfinden würde. Doch selbst ihre kurze Entschlossenheit vermochte das Entsetzen nicht zu mildern. In der gesamten Hausfassade befanden sich schartige Löcher, das Sofa war mit Glas- und Farbsplittern bedeckt. Sie schickte sich an, das vom Bücherregal gefallene Bild aufzuheben, dann stieg sie einfach über den zerbrochenen Rahmen.

Ihr Vater unterhielt sich draußen mit jemandem, und neugierig ging sie durch die Scherben in den Garten. Der Geranientopf war kaputt, die roten Blüten lagen abgeknickt da. Die anderen Häuser in der Straße waren dunkel. Gegenüber sah sie Gestalten in der Tür und Schatten, die unentschieden hin und her liefen. »Ich schätze, die MacAdams sind froh, dass sie sich rausgehalten haben.« Niemand hörte ihre Worte, und niemand kam, um zu sehen, ob er helfen könnte; sie wusste warum und konnte es ihnen nicht wirklich verdenken. Sie hatten Angst, ihr Haus würde das nächste sein.

Die meisten Polizisten waren inzwischen abgezogen, nur ein Streifenwagen stand noch da und ließ sein rotes Licht im Regen blinken. Ein großer, dürrer Mann versicherte ihrem Vater, dass sie für den Rest der Nacht vor dem Haus parken würden. Während sie mit einem flauen Gefühl im Magen beobachtete, wie die schemenhaften Streifenwagen in Richtung Wache verschwanden, fragte sie sich, warum sie sich überhaupt die Mühe machten.

Ellie ging ins Haus zurück und zog den Vorhang hinter sich zu. Im Augenblick konnte niemand etwas tun, auch nicht hier drinnen. Alles lag verstreut auf dem Boden, und der arme Tommy würde keinen Schlaf finden. Sie überlegte, was wohl passierte, wenn die Nachricht in ihrem Viertel die Runde machte. Im selben Moment fiel ihr der Mann im grauen Chevrolet ein. Sie hätten es verdient, wenn die Freunde ihres Vaters einen von denen erwischten.

Ellie richtete einen umgekippten Stuhl auf und ließ sich gegenüber ihrer Mutter und Tommy darauf nieder. Mr. Paul hatte recht, den Weißen war einfach nicht zu trauen. Ihre Familie hatte mit allem gerechnet und gelernt, in Deckung zu gehen, aber dass jemand versuchen würde, das Haus in die Luft zu sprengen, daran hatte keiner gedacht. Dabei gehörte das Haus einem von denen. Vielleicht war es gut, dass ihre Familie nur zur Miete wohnte.

Erschöpft legte Ellie den Kopf auf den Tisch. Sie wusste nicht, wie es weitergehen würde, tagsüber brauchten sie keinen Strom. Sie war zu müde, um noch an Tommy zu denken, doch genauso wenig konnte sie schlafen. Während sie, um Ruhe bemüht, am Tisch saß, zuckte sie alle paar Minuten zusammen. Sie versuchte, ihre Hände still zu halten, lauschte die ganze Zeit dem Summen ihrer Mutter und wartete darauf, dass ihr Vater ins Haus zurückkam.

Sie wusste nicht, wie lange sie am Küchentisch gekauert hatte. Als sie irgendwann aufblickte, trugen ihre Handgelenke den Abdruck ihrer Haare. Vorsichtig streckte sie die Arme aus und spürte, wie ihr das Blut in die Fingerspitzen floss. Ihr Vater saß gegenüber und starrte auf den leeren Raum zwischen ihnen. Ihre Mutter entfernte sich leise vom Tisch und brachte Tommy in sein Bett.

Ellie schaute zum Fenster hinaus. Die Dunkelheit färbte sich grau, und das Gefühl der Verletzlichkeit legte sich langsam. Es gelang ihr, die Küche nüchtern in Augenschein zu nehmen. Die Uhr zeigte zwar erst kurz nach halb sechs, aber jemand musste mit dem Aufräumen anfangen und Frühstück machen.

Sie erhob sich und ging auf Zehenspitzen zum Schlafzimmer. »Mama«, flüsterte sie. Beim Klang ihrer Stimme gab Tommy ein komisches kehliges Geräusch von sich. Ihre Mutter bedeutete ihr, wegzugehen und still zu sein. Ellie begriff, dass er gerade eingeschlafen war. Leise ging sie in die Küche zurück und fing an, Geschirr aufzulesen, das noch zu gebrauchen war, wobei sie darauf achtete, das Wohnzimmer zu meiden.

Sie ging um ihren Vater herum und ließ die Glassplitter unterm Küchentisch liegen. »Willst du einen Kaffee?«, fragte sie.

Er nickte stumm, ein, wie sie fand, seltsamer Gegensatz zum Wasserhahn, der laut gurgelnde Geräusche machte. Während sie darauf wartete, dass das Wasser heiß wurde, maß sie den löslichen Kaffee in einem Plastikbecher ab. Bei den Williams’ nebenan hantierte jemand in der Küche, doch auch dort war es ruhiger als sonst.

»Ob es sich inzwischen herumgesprochen hat?«, fragte sie, rührte den Kaffee um und stellte ihn auf den Unterteller vor ihren Vater.

»Wenn die Zeitung kommt, weiß jeder Bescheid«, sagte er. »Gestern Nacht war jemand vom Observer hier. Wahrscheinlich steht es auf der Titelseite.«

Sie lehnte sich an den Schrank und sah zu, wie er mit dem Löffel endlose Kreise in der braunen Flüssigkeit zog.

»Laut Sergeant Kearns ist morgen fast die ganze Truppe im Einsatz«, sagte er.

»Heute«, flüsterte sie.

Ihr Vater blickte zur Uhr und drehte sich um.

»Kommt deine Mutter gleich wieder in die Küche?«, fragte er, nahm endlich die Tasse und trank einen Schluck.

»Tommy ist gerade erst eingeschlafen«, antwortete sie. »Ich schätze, sie kommt, wenn er fest schläft.«

Sie schaute aus dem Fenster der Hintertür auf die hohe Heckenreihe, die ihr Viertel von den Weißen trennte, solange sie zurückdenken konnte. Während sie dastand, hörte sie ihre Mutter. Ihre Schritte kamen Ellie ungewohnt langsam vor. Vor dem Stuhl des Vaters blieb die Mutter stehen.

»Jim«, sagte sie und klang sehr ängstlich, »was sollen wir jetzt tun?« Doch als Ellie sich umdrehte, stellte sie fest, dass die Miene ihrer Mutter seltsam gelassen wirkte.

Ellie blieb an der Tür stehen und hörte den beiden zu. Niemand stellte die Frage, auf die sie alle eine Antwort wollten.

»Ich denke immer daran«, sagte ihr Vater schließlich, »dass die Polizisten den ganzen Tag bei ihm sind. Im Schulgebäude können sie ihm nichts tun, ohne ein paar ihrer eigenen Leute zu erwischen.«

»Aber er ist dort ganz allein«, sagte ihre Mutter leise. »Hundert Polizisten können doch nicht die einzigen Freunde eines kleinen Jungen sein.«

Ihr Vater legte seine noch immer mit Maschinenöl verschmierten schwieligen Hände um den Salzstreuer auf dem Tisch.

»Ich versuche mir einzureden«, sagte er zu ihrer Mutter, »dass jemand der Erste sein muss, aber dann fällt mir wieder ein, wie still er die ganze Woche war.«

Ellie lauschte den leisen Stimmen, die wie aus einem anderen Zimmer zu ihr drangen. Im Hinterkopf hörte sie Bruchstücke eines Kirchenliedes, das ihre Großmutter früher oft sang, etwas über Kummer und dass Kummer ihr Schicksal sei.

»Jim, ich kann meinen Kleinen nicht gehen lassen.« Die Worte ihrer Mutter waren leise, aber deutlich ausgesprochen.

»Vielleicht«, erwiderte ihr Vater, »liegt das nicht in unseren Händen. Vorgestern sprachen Reverend Davis und ich darüber, wie Gott die Israeliten auf die Probe stellte. Vielleicht testet er jetzt uns.«

»Gott erwartet von dir, dass du dich um deine eigenen Leute kümmerst«, widersprach ihm seine Frau. In ihrer Stimme schwang ein Hauch Bitterkeit mit.

»Tommy würde nicht verstehen, warum er nicht zur Schule gehen darf«, erwiderte ihr Vater. »Er wird sich fragen, warum, und wie sollen wir ihm klarmachen, dass wir Angst vor ihnen haben?« Ihr Vater umklammerte die Kaffeetasse. »Er wird sich für den Rest seines Lebens gegen sie wehren müssen. Irgendwann muss er damit anfangen.«

»Aber er ist ihnen nicht gewachsen. Tommy ist zu klein, um andere Leute zu hassen. Ein anderes, ein größeres Kind kann die Umstände besser einordnen.«

Ellie, die noch immer an der Tür lehnte, sah, dass die Sonne einen Teil des Himmels hinter den Hecken bedeckte, und das Licht, das durch das Küchenfenster fiel, brachte das Rot der Tischdecke zum Leuchten.

»Er ist unser Kind«, sagte ihre Mutter. »Was immer wir entscheiden, es ist unsere Verantwortung.« Ihr Vater hatte die Tasse von sich geschoben und die Hände vors Gesicht geschlagen. Draußen hörte Ellie eine Hupe.

»Wir haben uns, weiß Gott, bemüht, aber ich schätze, es ist sinnlos.« Die Stimme ihres Vaters holte sie gewaltsam zu den beiden Menschen zurück, die vor ihr saßen. »Vielleicht versuchen wir es noch einmal, wenn alles wieder normal ist.«

Er legte seine Hand auf die seiner Frau. Zu dritt schwiegen sie, jeder in seine Gedanken vertieft, aber in der Sache vereint, das wusste Ellie. Sie durchbrach als Erste die ausgedehnte Stille.

»Mama, soll ich langsam den Frühstückstisch decken?«

Ihre Mutter nickte.

Ellie drehte die Uhr so, dass sie sie von der Spüle aus sehen konnte, während sie das Geschirr abwusch, das auf dem Boden gelegen hatte.

»Weckst du Tommy, oder soll ich es machen?«

»Nein«, sagte ihre Mutter, die noch immer die Hand ihres Mannes hielt, »lass ihn schlafen. Wenn du dich gewaschen hast, geh zu Harry und sag Hezekiah, er soll nach Schulschluss zu seinen Geschwistern gehen. Ich will das Haus in Ordnung bringen, bevor sie zurückkommen.«

Sie verstummte, sah sich in der Küche um und wandte sich schließlich an ihren Mann. »Wahrscheinlich hat er inzwischen die Decke weggetreten«, sagte sie. Ellie beobachtete ihren Vater, der wortlos ins Schlafzimmer ging.

Ihre Mutter stand auf und schob automatisch die Füllung unter den gerissenen Plastikbezug des Stuhls zurück. Sie wirkte gefasst, so wie immer, wenn sie besonders bemüht war, Haltung zu zeigen.

»Er braucht etwas Warmes, wenn er aufwacht. Gib mir die Haferflocken«, sagte sie zu Ellie und griff nach den Streichhölzern auf dem Kühlschrank, um den Küchenherd anzuzünden.

Die Kammer im obersten Stock

Alle trugen weiße Regenmäntel, nur ihrer war hellblau, sodass sie herausstach. Aber sie war zu sehr damit beschäftigt, das Gepäck aus dem Wagen in den siebten Stock von Wingate Hall zu schaffen, um über Regenmäntel nachzudenken. Außerdem flößten ihr all die weißen Gesichter, die sich an die Fensterscheiben drückten, allmählich Angst ein.

»Das wird schon, Spatz …« Ihr Vater tätschelte ihr den Arm. »Wir würden dich nicht hierherschicken, wenn wir Zweifel hätten, dass du mithalten kannst. Überleg doch mal …« Er lächelte. »Du wirst die erste Green-Hill-Absolventin sein. Ist der Kofferraum leer?«

Sie sah ihren Vater an und wünschte sich, er würde aufhören, sie Spatz zu nennen. Er liebte sie, das stand außer Frage, aber sie war es leid, das Experiment zu sein. Sie versuchte sich daran zu erinnern, wie es vorher gewesen war. Und sie fragte sich, wie es wohl hinterher wäre: Wie sie sich fühlen würde, tagein, tagaus nur schwarze Gesichter zu sehen. Sie hatte vier Jahre Highschool überstanden, und in vier weiteren Jahren hätte sie es geschafft. Dann wäre sie frei, könnte tun und lassen, was sie wollte.

Ihr Vater hatte alles unternommen, damit sie dieses College besuchen konnte – Bittbriefe an das Kuratorium geschrieben, sogar mit einer Klage gedroht –, und sie hatte sich dafür geschämt, dass sie nicht gehen wollte. Gewiss, die Uni hatte einen guten Ruf, aber welches Mädchen, das klar bei Verstand war, wollte an einem Frauencollege in den Südstaaten studieren? Wenigstens war Green Hill eine Privathochschule, und es würden sie dort keine Fotografen belästigen. Die meisten Leute, hatte ihr Vater gesagt, wüssten nicht einmal, dass sie hier anfing. Das würde sich weiß Gott bald ändern. Mit einem Mal überkam sie eine innere Unruhe, und sie versuchte, sich an die Atemübungen zu erinnern, die der Arzt ihr verordnet hatte.

»Danke, Daddy«, sagte sie. »Es gibt hier sicher jemanden, der die Truhe hinaufträgt.« Sie beugte sich vor und küsste ihn.

»Pass gut auf dich auf, Winifred.« Das Gesicht einer Frau erschien am hinteren Wagenfenster. »Wenn du etwas brauchst, ruf an. Warte um Himmels willen nicht wieder so lange wie beim letzten Mal. Wir können uns die Telefonkosten leisten.« Ihre Mutter schwieg einen Augenblick. »Ich würde mir wirklich gerne dein Zimmer ansehen, Liebes, aber die vielen Treppen wären nicht gut für meine Kopfschmerzen.« Dann sank der Kopf so langsam, wie er sich erhoben hatte, zurück auf das Schaumstoffkissen und das pastellgelbe Leintuch, das auf dem Rücksitz ausgebreitet war.

Eine Welle der Übelkeit durchfuhr Winifred, als sie den Kopf auftauchen und wieder verschwinden sah. Ihre Mutter litt an einer Stauballergie, und das Reisen war beschwerlich für sie. Dennoch begleitete sie ihren Mann auf seinen Fahrten im Dienst der Bürgerrechtsbewegung durch den ganzen Südosten. Für die gute Sache opferte sie gerne ihre Gesundheit.

»So, das wär’s, Spatz.« Ihr Vater drückte ihr einen Scheck in die Hand und justierte den Rückspiegel. »Vergiss nicht, Tante Millicent zu schreiben – sie macht sich Sorgen um dich.«

Großer Gott, dachte sie, erst Spatz, jetzt Tante Millicent. Auf einmal wünschte sie sich, der Wagen würde endlich losfahren. »Ja, Daddy, ich denke dran.«

Er drehte den Schlüssel, und der Motor sprang an. »Sieh zu, dass du aus dem Regen herauskommst – sonst erkältest du dich noch.« Ihr Vater legte den Gang ein, und auf dem Rücksitz hob sich eine rundliche Hand, bevor der Wagen hinaus auf die Straße fuhr.

Winifred sah dem Wagen hinterher, bis er um die Ecke bog, griff nach dem letzten Gepäckstück, ihrer Trockenhaube, und eilte zum Eingang des Studentenwohnheims. Regen tropfte auf ihren Mantel, während sie schützend den Kopf über das Stofftier in ihren Armen beugte. Es war ein rosa Hund mit orangen Augen, und da die Plastiktüte sein Fell nicht ganz bedeckte, befürchtete sie, er würde klitschnass werden.

Am Tag nach ihrer Ankunft schrieb sich Winifred für ihre Kurse ein. Wie ihr Vater vorausgesagt hatte, taten alle so, als wäre sie gar nicht da. Ihre Zimmergenossin hieß Norma Parker. Bis Winifred zu Beginn des zweiten Quartals mit dem rosa Hund auftauchte, hatte sie das Zimmer für sich allein gehabt. Winifred wäre ein Einzelzimmer lieber gewesen, aber ihr Vater bestand darauf, dass sie genauso behandelt wurde wie alle anderen Studentinnen. Also musste sie es wohl oder übel darauf ankommen lassen. Norma war groß und schlank mit blonden Locken, und auch ihre besten Freundinnen sahen nicht so aus wie Winifred. Ellen und Bonnie wohnten auf demselben Flur, und die beiden und Norma waren seit der Highschool unzertrennlich. Alle drei studierten Chemie, und Winifred sah sie nur selten, da die Kurse, die sie besuchte, im Gebäude der Geisteswissenschaften stattfanden.