Nachtgedanken 2020 - Helmut Richter - E-Book

Nachtgedanken 2020 E-Book

Helmut Richter

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Beschreibung

Kurze Texte, Gedichte und Bemerkungen zu den zentralen Themen meines Alltags: Schule und Musik. Sie entstanden in den Dämmerstunden später Abende und reflektieren häufig das, was ich über den Tag hinweg erlebte. Sie sind meiner Familie, meinen Freunden, Kollegen und Bekannten gewidmet.

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Inhalt

Vorwort

Ein Schulleiter als Pensionär

Vorgeführt

Fachliebe

Was/Wie ein guter Lehrer ist

Heute schon gelobt?

Das Handy

Was kostet die (Schul-)Welt?

Der Blick zum großen Bruder

Fußball?

Nerds

Regeln für einen guten Lehrer

Zwei Haikus

Der Gitarrenlehrer

Kleine Fuge

Der Hausfreund

Mails

Shakespeare - Sonett Nr. 66

Der Star von Segringen

Warum denn weniger?

Bezugssysteme

Der Einbruch

Die Gitarre im Solo-Konzert

Meine Begegnung mit Bach – Teil 1

Meine Begegnung mit Bach – Teil 2

Meine Begegnung mit Bach – Teil 3

Wie klingt eine Hand?

Moods

Lamento

No Reply

Herbstromanze – 2008

Ruhrgebiet-Limericks I

Traumgedanken

Kleiner Musette-Walzer – 2010

Dies irae

Energon-Thema

Melodie der Appalachen

Ein Brief an Sigi – Teil 1

Ein Brief an Sigi – Teil 2

Ein Brief an Sigi – Teil 3

Zeugniskonferenz 2019

Einstufungstest zur 11. Klasse

Shakespeare - Sonett Nr. 66 #2

Ruhrgebiets-Limericks II

Elschu, die traditionsreiche Automobilfabrik

Interview

Bewahre uns Ermutigung

Schlussgedanken

Im Einklang mit dem Lauf der Dinge

Bücher

CDs seit 2010

Vorwort

Meine liebe Frau behauptet gerne, dass ich ein Gewohnheitsmensch sei. Stimmt! Ich habe viele feste Gewohnheiten – vom Herauslegen der Socken für den nächsten Tag vor dem Zu-Bett-Gehen über Essensgewohnheiten beim Frühstück bis hin zu bestimmten Fernsehsendungen, die ich nicht versäumen möchte.

Eine dieser Muss-ich-Sehen Sendungen war für mich in den 80er-Jahren die Sendung „Nachtgedanken“.

Der Fernsehmoderator Hans-Joachim Kulenkampff saß allabendlich an einem Tisch vor dunklem Hintergrund, allein mit einer Kamera und las kurze, meist philosophische, Texte zum Nachdenken, aber auch amüsante Geschichten vor, immer etwa fünf Minuten lang. Zum Ende des jeweiligen Textes nahm er seine Lesebrille ab, schaute freundlich in die Kamera und wünschte mir ganz persönlich eine gute Nacht.

Ich war süchtig nach diesem Sandmann für Erwachsene!

Im Lauf der vergangenen Jahre habe ich – ebenfalls zumeist in der Nacht – selbst einige Texte und Musikstücke geschrieben, meistens als kleiner, persönlicher Gruß für Freunde und Verwandte, manchmal aber absichtslos, eben nur, um meine Gedanken loszuwerden.

Naturgemäß beschäftigen sich die Texte hauptsächlich mit den Dingen, mit denen ich es täglich beruflich und privat zu tun habe: Schule, Gitarre und Musik ganz allgemein.

In diesem Buch habe ich einiges von dem, was über die Jahre hinweg am abendlichen oder nächtlichen Schreibtisch entstanden ist, zusammengefasst, vielleicht auch als Gute-Nacht-Lektüre für Leserinnen und Leser.

Letztlich sind es einfache Gute-Nacht-Gedanken von dem, den die lieben alten Freunde noch als „Schreibi“ kennen.

Wenn man in meinem Alter ist, beginnt man einzusehen, dass es unmöglich ist, ein anderer zu sein als der, der man immer schon gewesen ist.

Hab‘ keine Lektoren und keine Verlage, muss selbst durchs Korrigier‘n mich quälen. Es bleiben Fehler, ohne Frage! Die mag ein Erbsenzähler zählen.

Ein Schulleiter als Pensionär

Ein Schulleiter als Pensionär der leitet keine Schule mehr. Hat nicht mehr morgens recht und danach frei, hat nicht mehr seine BASS dabei, vergnügt sich nicht in Konferenzen, auch nicht mit Schülern, die gern‘ schwänzen, Braucht nicht mehr hin zur Schulaufsicht, Zum Ministerium recht erst nicht, kein Verwaltungsdeutsch und keine Formulare färben grau die schütt‘ren Haare. Kein Ärger mehr mit solchen Leuten, die wütend auf den Direx deuten, und fordern: Du löst jetzt bestens das Problem, denn das ist ja so schön bequem. Der Pensionär: Er ist noch jung und lang nicht Greis: Ein Glückskind auf dem Erdenkreis.

Vorbei die Tage mit viel Stress, und weg kann nun der Edeldress! Und keine Protokolle mehr! Mit vielen Wörtern – sinnenleer. Und auch kein OBAS, kein KAOA lesen, keine Kämpfe mehr um Spesen, keine Diskussionen um jeden kleinen Furz; es entfällt so vieles, kurz: Der Pensionär Er ist noch jung und lang nicht Greis: Ein Glückskind auf dem Erdenkreis. Doch hat das Glück ein‘ Januskopf für unsern Rentner – armer Tropf!

Es gibt nicht mehr das kollegiale Klagen, nicht mehr die schönen Stunden mit den Blagen, auch nicht mehr liebe Lehr-kollegen und das „etwas zum Guten hin bewegen“ und auch nicht mehr den kleinen Schwatz am Schreibtisch auf dem Chef‘ sein Platz. Die Wichtigkeit geht in der Schul‘ rapide runter bis auf null. Das alles und noch vieles mehr fällt weg und muss nun – das wird schwer! verlagert werden ins private Leben! Da kann man sich ganz leicht verheben, doch: Ich bin noch jung und lang nicht Greis: Ich werd‘ das schaffen, wie ich weiß! Ich Glückskind auf dem Erdenkreis. Wartet ab – ich bringe den Beweis!

Wohin du auch gehst, geh mit deinem ganzen Herzen.

Konfuzius

Vorgeführt

»Diese Frau bringt mich noch ins Grab!«

Dascha, die siebzehnjährige Schulfreundin meiner ebenso jungen Tochter sitzt an unserem Küchentisch und wischt sich die Tränen aus den Augen. ‚Diese Frau‘, das ist ihre Französischlehrerin am Gymnasium – ich kenne ihren Namen schon aus unzähligen Schilderungen meiner eigenen Kinder.

Dascha ist Spätaussiedlerin – sie kam im Alter von sieben Jahren mit ihren Eltern aus der Ukraine nach Deutschland, ohne auch nur ein Wort deutsch zu sprechen. Sie wurde hier eingeschult und lernte ganz normal mit den anderen Kindern ihrer Klasse – nur mit dem kleinen Unterschied, dass sie erst noch unsere Sprache verstehen und sprechen lernen musste. Immerhin schaffte sie es nach drei Jahren von der Grundschule als Klassenbeste auf’s Gymnasium.

Heute, zehn Jahre später, unterscheidet sie nichts mehr von ihren Mitschülern, oder doch: Sie ist in den meisten Fächern die beste in ihrer Jahrgangsstufe, außer eben im Fach Französisch.

»Sie ist so gemein zu mir!«

Wieder ringt Dascha mit den Tränen. Was war geschehen?

Die Französischlehrerin hatte der Klasse die korrigierte Klassenarbeit zurückgegeben.

Zuoberst lag – so, dass alle es sehen konnten – Daschas Arbeit, voll mit roten Korrekturen.

Sie hielt die Arbeit hoch (so dass auch wirklich jeder sehen konnte, wer Urheberin der Arbeit war), holte eine andere, in ihren Augen ebenfalls schwache Schülerin an die Tafel und verbrachte den Rest der Unterrichtsstunde damit, jeden einzelnen von Daschas Fehlern von ihren Mitschülern korrigieren zu lassen. Jeden dieser Fehler begleitete sie mit entweder einem Kommentar über Daschas Dummheit oder einfach mit einem Kopfschütteln. Die Schülerin an der Tafel hatte die Aufgabe, die richtigen, von der Klasse korrigierten Formulierungen an die Tafel zu schreiben. Was natürlich auch nicht durchgängig gelang. Aber die Lehrerin nutzte die offensichtlich willkommene Gelegenheit, in einem Arbeitsgang gleich zwei der ihr anvertrauten Jugendlichen vor versammelter Klasse in Grund und Boden zu demütigen.

Ich frage mich angesichts des Berichtes unwillkürlich: Weiß diese Frau eigentlich, was sie unter dem Deckmantel der Pädagogik anrichtet? Kann man hier überhaupt noch von Pädagogik reden? Hier wird das unwiederbringliche, einzigartige Selbst eines jungen Menschen schwer beschädigt, wenn nicht sogar zerstört!

Hätte die Lehrerin Dascha geohrfeigt – das wäre ein Grund für ein Disziplinarverfahren mit der Folge der Abmahnung gewesen. Die Demütigung der Schülerin jedoch – im Vergleich zu einer Ohrfeige kommt (um im Bild zu bleiben) eher einer Verprügelung mit dem Rohrstock gleich – bleibt jedoch ohne jegliche Ahndung.

Ein Ausnahmefall? Es ist zu bezweifeln!

»Gott sei Dank kann ich Französisch noch abwählen«, tröstet Dascha sich selbst und wischt sich weitere Tränen aus den Augen, »dann habe ich mit der Frau nichts mehr zu tun! «

Ich will sie noch trösten. »Aber eine Fünf ist doch kein Problem! Das bügelst Du, wie ich dich kenne, in der nächsten Arbeit doch locker aus!«, sage ich.

»Fünf? « fragt Dascha mit offensichtlicher Verwunderung und leichter Empörung in der Stimme. »Nein, es war eine Drei!«

Manchmal bleibt auch bei mir nur noch Ratlosigkeit.

(Dieser Text wurde übrigens von Dascha als wahre Begebenheit autorisiert)

Wenn die Sprache nicht stimmt, dann ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist.

Konfuzius

Fachliebe

Wieder einmal saß Dascha, die Schulfreundin unserer Tochter, in unserer Wohnküche am Küchentisch.

Dascha ist eine sehr gute Schülerin, was nicht zuletzt ihren Eltern geschuldet ist, die nach russischer Tradition sehr leistungsorientiert sind. Trotzdem ist sie ein aufgeweckter, offener Teenager und vertritt ihren Standpunkt gerne freundlich, aber bestimmt.

»Hast Du eigentlich ein Lieblingsfach?«, fragte ich sie beiläufig. Dascha überlegte einen kurzen Augenblick.

»Außer Französisch mache ich alles ganz gerne«, antwortete sie. »Französisch ist doof, die Lehrerin ist total daneben.« Sie schnappte sich einen weiteren Keks und schaute mich neugierig an.

»Ich meine das Fach, nicht die Lehrperson«, versuchte ich zu verdeutlichen.

»Ja, das sag‘ ich doch, Französisch mag ich überhaupt nicht mehr, das war früher bei dem anderen Französischlehrer noch ganz anders.«

Ich erinnerte noch einmal an meine Ausgangsfrage.

»Dascha, ich meine, welches Fach hast Du besonders gerne?« Beharrlich blieb ich am Ball.

»Ach so, na klar, Philo mach‘ ich total gerne. Der Lehrer ist echt in Ordnung!«

Sie fegte einige Krümel vom aktuellen Keks vom Tisch und ergänzte: »Englisch ist eigentlich auch ganz in Ordnung. Die Lehrerin ist zwar manchmal ein bisschen verpeilt, aber insgesamt geh' ich ganz gerne zu ihr.« Sie nahm einen weiteren Keks.

»Mathe geht so. Der Mathelehrer ist mal so, mal so, kann aber ganz nett sein«, setzte sie fort.

Ich gab auf!

Solche und ähnliche Gespräche führe ich häufig – immer mit dem gleichen Ergebnis:

Schüler unterscheiden nicht scharf zwischen Fach und Person. Die Akzeptanz für ein bestimmtes Fach entspringt nahezu immer aus der Akzeptanz der Person.

Das weiß jeder, der sich mit Schülern unterhält. Das weiß auch jeder aus seiner eigenen Schulbiografie heraus – es war früher nicht anders.

Jeder Lehrer vertritt in jeder Stunde auch das Fach, das er unterrichtet, und das nicht nur durch die Fachkompetenz, sondern auch durch die pädagogische Kompetenz, durch die die fachlichen Inhalte getragen und vermittelt werden.

Mit anderen Worten:

Jede noch so gute und unbestrittene fachliche Kompetenz wird durch mangelnde pädagogische Kompetenz, durch mangelnde Wertschätzung der Schülerinnen und Schüler und durch fehlende Empathie konterkariert.

Dann heißt es: Setzen, sechs!

Beides – fachliche und pädagogische Kompetenz zusammen vereinigt in einer Person – das sind die Lehrenden, die wir an unseren Schulen brauchen!

Wenn eine dieser Kompetenzen zur Not ein bisschen schwächer ausgebildet sein darf – na welche wohl?

Was/Wie ein guter Lehrer ist

Wenn man in der Wissenschaft etwas genauer wissen will, dann fertigt man eine Studie an. Im Bereich schulischer Bildung gibt es davon eine Unzahl – Begriffe wie PISA, TIMMS und VERA stehen hier für viele andere. Es wurden und werden jedoch immer wieder die Leistungen unserer Schülerinnen und Schüler überprüft.

Aber es gibt eine Studie, die jeder Lehrer jeden Tag in jeder Klasse durchführen kann.

Allerdings geht es hier nicht um die Qualität der Schüler, sondern um die der Lehrer.

Unerhört?

Ganz und gar nicht!

Gehört es nicht zum normalen Umgang miteinander, dass man sich gegenseitig eine Rückmeldung gibt? Wer sind denn – neben den Lehrenden selbst – die Experten für Unterricht? Die Schüler! Denn sie erleben (anders als die meisten von uns) unterschiedliche Lehrer in unterschiedlichen Situationen und das über Jahre hinweg in tausenden von Unterrichtsstunden.

Mit der Zeit entwickeln sie ein Expertentum, ein „Radar“ für gute und (leider auch) für schlechte Lehrer – und sie verhalten sich dementsprechend.

Sie trauen sich nicht, Ihre Schüler direkt zu Ihrem Unterricht zu befragen?

Nun gut, kommen wir auf unsere „wissenschaftliche“ Studie zurück!

Nimmt man den Begriff „wissenschaftliche Studie“ ernst (und das wollen wir hier tun), dann spielt die Wiederholbarkeit als Gütekriterium der Studie eine zentrale Rolle, denn es muss unter ähnlichen Rahmenbedingungen in jeder beliebigen Gruppe immer wieder das gleiche Ergebnis herauskommen.

Beginnen wir mit dieser einfachen Studie:

Gehen Sie in eine beliebige Klasse und fragen Sie:

»Wie ist ein guter Lehrer?« (Oder: »Was macht einen guten Lehrer aus?«)

Diese Fragestellung ist vollkommen losgelöst von Ihrer Person – Sie können diese Frage also absolut ohne Selbstwertgefährdung Ihrer eigenen Person stellen!

Sammeln Sie die Antworten ein: mündlich, per Kartenabfrage, auf Zetteln ... wie auch immer.

Man muss kein Hellseher sein, um die drei meistgenannten Antworten vorherzusagen:

»Er bringt uns etwas bei«, denn die Schüler wollen etwas lernen

»Er ist gerecht«, denn die Schüler wollen gerecht behandelt und benotet werden.

»Man muss auch mit ihm reden und lachen können«, denn Schüler suchen auch den sozialen Kontakt zum Lehrer

So einfach ist die Welt!

Die Frage wurde weltweit tausenden von Schülern gestellt. Die Ergebnisse sind sinngemäß überall gleich. Weltweit!

Fehlt auch nur einer dieser drei Aspekte, dann gilt man in den Augen der Schüler nicht mehr als guter Lehrer.

Alle persönlichen Eigenheiten, auch große Strenge und hohe Ansprüche, werden von Schülern leicht verziehen, wenn diese drei Eigenschaften zumindest in erkennbaren Ansätzen vorhanden sind.

Es ist so einfach!

Nachbemerkung

In meiner Tätigkeit als Schulleiter habe ich es sehr häufig mit der Schlichtung von Konflikten zwischen Lehrern und Schülern zu tun. In nahezu allen Fällen liegt das Problem auf einer dieser drei Ebenen.

Entweder fühlen sich Schüler (manchmal auch Lehrer) ungerecht behandelt, oder sie haben das Gefühl, im Unterricht nichts zu lernen. Oder – und das ist immer der schwierigste Fall – sie fühlen sich menschlich nicht angenommen oder ungerecht bzw. nicht wertschätzend behandelt.

Warum der schwierigste Fall? Nun, hier geht es um die Persönlichkeit der Lehrkraft – und wer lässt sich schon gerne an seiner Persönlichkeit kritisieren?

Hier helfen nur Ratschläge zur Änderung des Lehrerverhaltens, und schon das ist ein „schwieriges Terrain“.

Wenn die Oberen sich an die Regeln halten, dann wird auch das Volk einfach zu lenken sein.

Konfuzius

Heute schon gelobt?

„Haben Sie Ihre Schüler heute schon gelobt?“

Vielleicht sollte man diese Frage an die Tür eines jeden Lehrerzimmers nageln. An die Innenseite natürlich, damit jeder Lehrer sie beim Hinausgehen sieht.

Es gibt mittlerweile keinen Lernforscher mehr, der nicht darauf hinweist, wie wichtig ein echtes Lob für das Gelingen eines Lernprozesses ist.

Ein echtes Lob?

Ein echtes Lob ist ehrlich gemeint und trifft einen einzelnen Sachverhalt auf den Punkt.

Kein Lob für etwas, was nicht getan wurde, sondern für etwas, was tatsächlich getan wurde. Es besteht ein großer Unterschied zwischen

„Kevin, schön, dass Du heute mal nicht gestört hast!“

und

„Kevin, ich finde es klasse, wie gut Du heute aufgepasst hast!“

... obwohl beides Mal inhaltlich das Gleiche gesagt wird.

Einmal wird die Ausnahme bestätigt, das negative Grundverhalten aber bestärkt – das zweite ist ein echtes Lob, das ehrlich klingt und das positive Verhalten bestärkt.

Üben Sie das Loben!

Unsere Schüler haben schon oft genug gehört und erfahren, was sie alles nicht können, worin sie schlecht sind, wie dumm sie sind und was früher alles besser war. Sagen Sie Ihnen doch einfach auch einmal etwas Gutes! Alle Schüler sind fühlende, verletzliche Menschen, die nichts mehr brauchen als Lob und Anerkennung, auch wenn sie es nicht zeigen.

Ändern Sie das Klima in der Klasse durch Lob und Wertschätzung. Es ist wie beim Fitnesstraining – der Erfolg stellt sich zwar erst nach einigen Wochen, dafür aber mit Sicherheit, ein.

Ist es nicht auch so, dass Ihnen selbst manchmal ein Lob fehlt?

Loben Sie sich im Kollegium auch einmal gegenseitig – für ein gelungenes Arbeitsblatt, eine gute Konferenzleitung, für ein gut geführtes Klassenbuch oder für eine gut geführte Klasse. Es gibt so viel Positives zu sehen und zu bemerken. Natürlich ist nicht gemeint, dass man für jede Kleinigkeit in Jubel und wahre Lobeshymnen ausbricht, aber ein an der richtigen Stelle angebrachtes kollegiales Lob kann Wunder wirken. Niemandem bricht dafür ein Zacken aus der Krone, aber es bessert die Stimmung im Kollegium und tut allen einfach nur gut. Letztlich wirkt sich auch das wieder auf die Schüler aus.

Hier ist aber auch die Schulleitung gefragt!

...aber wer lobt die?

Das Leben an einem Ort ist erst dann schön, wenn die Menschen ein gutes Verhältnis zu einander haben.

Konfuzius

Das Handy

Letztlich fuhr ich mit meinem PKW zu einer Veranstaltung. Ich war etwas spät dran und fuhr etwas zügig durch die Stadt. Mist, ich hatte vergessen, zuhause das Dachfenster zu schließen und es sah nach Regen aus. Nicht schon wieder Wasserpfützen auf dem Parkettboden! Ich nestelte mein Handy aus der Tasche und wählte per Kurzwahl die Nummer meiner Frau, um sie zu bitten, das Fenster zu schließen.

Es kam, wie es kommen musste: Zack, schon kam die Kelle heraus und ein Polizist wies mich mit dieser an den Seitenstreifen.

Verd.....!

Was nun geschah lässt sich wie folgt beschreiben:

Der Polizist riss mit hochrotem Kopf die Fahrertür meines Wagens auf und schrie mich an.

»Sie Volltrottel haben gerade mit dem Handy telefoniert! Das ist verboten! «

Ehe ich etwas erwidern konnte setzte er seine Tirade fort:

»Haben Sie überhaupt nicht darüber nachgedacht, was hätte passieren können? Aussteigen, aber sofort! Sie Hornochse!«

Verdattert kam ich seinem Befehl nach. Ich wunderte mich schon fast, dass ich nicht die Hände aufs Dach legen musste, um nach Waffen abgetastet zu werden.

»Dieses Verhalten im Straßenverkehr ist absolut inakzeptabel Führerschein her! Aber dalli! «

Er ging mit mir und meinem Führerschein zu seinem Dienstwagen und telefonierte (nein: er brüllte ins Telefon!) 10 min mit der Zentrale, wohl, um festzustellen, ob ich ein gesuchter Terrorist bin. Ich stand in der Kälte und dem aufkommenden Regen daneben. Dann wandte er sich wieder mir zu.

»So, und jetzt schauen wir uns mal ihren Wagen an! Mal sehen, welche technischen Mängel wir so finden!« Meinen Termin konnte ich getrost vergessen, das würde dauern.

Wieder und wieder beschimpfte mich der Polizist, lautstark genug, dass es jeder hören konnte. Zufällig standen einige meiner Nachbarn, von denen ich bislang Wertschätzung erfahren hatte, auf dem Bürgersteig und bekamen die ganze Situation mit. Einige twittern es sofort weiter über ihr Handy, einige fotografierten mich in meiner misslichen Lage klammheimlich. Peinlich, peinlich!

Endlich zückte er nach einer knappen halben Stunde den Schreibblock, notierte sich alles noch einmal ausführlich, wies mich so laut wie möglich auf das zu erwartende Verfahren hin und entließ mich, sichtlich verärgert darüber, nichts weiter gefunden zu haben, endlich aus seinen Fängen.

»Nicht möglich!«, sagen Sie?

Stimmt – dieser Polizist würde ernste dienstliche Probleme bekommen, wenn er sich (zumal vor Zeugen) so verhalten würde. Jedoch verhält sich kein Polizist wie hier beschrieben, weil jeder von ihnen auf professionelles Verhalten geschult ist und sich im Normalfall auch daran hält.

Regel übertreten – nicht in Ordnung! – Buße folgt!

60 Euro Bußgeld und ein Punkt in Flensburg. So sind die Regeln und fertig!

Warum erzähle ich Ihnen das?

Ersetzen Sie einfach mich – den Fahrer – durch einen Schüler, der sich regelwidrig verhalten hat, den Polizisten durch seinen Lehrer und die Nachbarn durch Mitschüler. Das Handy kann von mir aus in der Geschichte bleiben.

Dämmert’s?

Menschen stolpern nicht über Berge, sondern über Maulwurfshügel.

Konfuzius

Was kostet die (Schul-)Welt?

Jeder Aspekt unseres Lebens wird – auch „Dank“ der Computertechnik – mittlerweile einer Kosten-Nutzen- Analyse unterzogen oder kann dieser bei Bedarf unterzogen werden. Einzig die Schulen entziehen sich noch einer wirtschaftlichen Überprüfung, und das ist eigentlich auch gut so.

Bildung lässt sich nicht einfach in Euro umrechnen, obwohl wir alle wissen (oder ahnen), dass eine höhere Bildung mit einiger Sicherheit mit einer Erhöhung des Volkseinkommens positiv korreliert – von erhöhter Lebenszufriedenheit der Bevölkerung einmal ganz abgesehen.

Trotzdem sollte man einmal – zumindest in Abschätzung – einen Blick auf die Kostenseite werfen.

Was kostet uns ein Schüler pro Unterrichtsstunde?

Es ist vieles zu berücksichtigen: Die Bezüge der Lehrkräfte, die Gebäudekosten, Heizkosten im Winter, die Schulverwaltung, Hausmeister, Reinigungskräfte, Ausstattung, Pensionszahlungen, Ausbildungskosten (Studium) Schulbusse, Fahrkarten, Bücher, Hefte und, und, und...

In einer groben, aber realistischen Abschätzung kommt heraus:

Eine Schulstunde kostet pro Schüler mehr als 8 Euro – je nach Schulgröße und -form.

In einer Klasse mit 25 Schülern werden also pro Unterrichtsstunde 200 Euro Kosten verursacht. Kosten, die wir mit unseren Steuergeldern alle tragen. Gerne tragen.

Nach zehn Schuljahren hat ein durchschnittlicher Schüler etwa 10000 Unterrichtsstunden „auf dem Ta-cho“, d.h. wir haben bis dahin über 80000 Euro in jeden unserer Schüler investiert, ganz abgesehen von weiteren Kosten – angefangen vom Unterricht an der Musikschule, vom Nachhilfeunterricht, vom Schulpsychologen usw.

Anders formuliert: Ein Lehrer, der in Klassen mit 25 Schülern ein Jahr lang (=1000 Unterrichtsstunden) unterrichtet, bewirtschaftet also

ganz abgesehen von den volkswirtschaftlichen Folgekosten.

Wohlgemerkt: Pro Jahr! In einem 30jährigen Lehrerleben kommen hier ganz schnell mehr als 6 Millionen Euro zusammen. Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht?

Was bekommen wir dafür?

Wie gehen wir mit dieser Zeit (oder mit diesem Geld) um? Lernzeit ist auch im wahrsten Sinne des Wortes wertvolle Zeit, mit der wir – als Gesellschaft, aber auch als jeder Einzelne – wieder im wahren Sinne wertschätzend und verantwortungsvoll umgehen müssen, und das auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht.

Denn es ist eine Investition in unsere eigene Zukunft.

Nachbemerkung Nr. 1

Bei einer betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung kommt ebenfalls heraus, dass bei steigender Schülerzahl pro Schule die Kosten pro Unterrichtsstunde sinken. Hoffentlich setzt sich hier die Kostenbetrachtung nicht zu Ungunsten der Pädagogik, der Nähe zum einzelnen Schüler, durch. Größere Systeme bewirken zwar, dass der Fixkostenanteil geringer wird, aber die Zuwendung zu einzelnen Schülern wird zwangsläufig geringer.

Letztlich zählt das Ergebnis unter dem Strich – und das lässt sich eben nicht nur in Zahlen fassen.

Nachbemerkung Nr. 2

Es kann durch Auswertung amtlicher Statistiken einfach gezeigt werden, dass der einzige Faktor, der mit dem Bildungserfolg eines Landes korreliert, der Kostenfaktor ist. Je mehr Geld ein Bundesland pro Schüler pro Jahr ausgibt, desto höher ist der Bildungserfolg z. B. in der Platzierung im bundesweiten Bildungs-Ranking.

Genauer: Bundesländer, die viel Geld in Bildung investieren, landen in den Vergleichsstudien regelmäßig auf den vorderen Plätzen – und umgekehrt.

Alle anderen Faktoren wie unterschiedliche Bildungspläne, Unterrichtsinhalte, Schulformen usw. spielen dagegen eine untergeordnete Rolle.

Wer das Morgen nicht bedenkt, wird Kummer haben, bevor das Heute zu Ende geht.

Konfuzius

Der Blick zum großen Bruder

Um es gleich zu sagen: Ich bin zwar oft in den USA, bin aber kein allzu großer Freund des „American Way of Life“.

Oft habe ich Klassenfahrten nach New York und Washington unternommen, einmal sogar mit einer Klasse per Wohnwagen die Westküste entlang. Es waren immer wieder unvergessliche Erlebnisse für die Jugendlichen und auch für die begleitenden Lehrer. Dies aber nur am Rande.

Mit auf dem Programm standen auch immer Kontakte zu amerikanischen Schulen, was mir Gelegenheit gab, einen etwas tieferen Einblick in das dortige Schulsystem zu bekommen.

Bemerkenswert fand ich das „Ranking“ der Schulen im Bundesstaat New York. Dort werden zum Ende der Jahrgangsstufen standardisierte Tests durchgeführt, anhand derer die Qualität des Unterrichts, der Schule, der Lehrerschaft festgemacht wird. Man mag solchen Tests und solchen Verfahren kritisch gegenüberstehen, aber die Macht der großen Zahlen entwickelt hier eine eigene Dynamik, denn es werden nicht ein paar Schulen stichprobenartig untersucht, sondern alle. Nach den Gesetzen der großen Zahlen fängt es hier an, signifikant zu werden. Was hat man herausgefunden? Nüchtern betrachtet nichts Neues!

Es gibt gute Schulen

Es gibt schlechte Schulen

Es gibt gute Lehrer

Es gibt schlechte Lehrer

Ahnten wir es nicht bereits vorher?

Nun korreliert die amerikanische Schulbehörde diese Parameter mit den Schülerergebnissen der standardisierten Tests – und eben dies Ergebnis verblüfft. Noch einmal: Wir reden hier nicht von irgendeiner Feldstudie eines Doktoranden mit bestenfalls 20 teilnehmenden Schulen, sondern von Statistiken mit gigantischen Ausmaßen.

Die Ergebnisse:

Gute Schulen mit guten Lehrern zeigen gute Ergebnisse.

Na klar!

Schlechte Schulen mit schlechten Lehrern zeigen schlechte Ergebnisse.

Auch klar!

Gute Schulen mit schlechte Lehrern an zeigen schlechte Ergebnisse!

Schlechte Schulen mit guten Lehrern zeigen...

… gute Ergebnisse!

Es geht nichts daran vorbei: Auf die Lehrer kommt es an! Oder warum belegt eine Schule in der Bronx (das ist New Yorks absoluter Problembezirk) mit Platz 998 den vorletzten Rang aller High-Schools (Bewertet: schlechte Lehrer) und die Nachbarschule(!) (Bewertet: Gute Lehrer) liegt unter den ersten 20 des Bundesstaates? Natürlich haben Einzugsgebiet, Nationalitäten usw. einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Einfluss, aber diese Faktoren sind in den Untersuchungen einigermaßen zuverlässig „herausgerechnet“.

In den USA können Schulleitungen umfangreiche Personalentscheidungen treffen, bis hin zur Einstellung von Leistungsträgern und zur Entlassung von offensichtlich ungeeigneten Lehrkräften – sie können also ihr Team formen, sich ihre Mannschaft zusammenstellen.