Neues von der Landärztin - Martina Bick - E-Book
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Neues von der Landärztin E-Book

Martina Bick

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Beschreibung

Auf dem Land ist die Welt noch in Ordnung? Von wegen! Erleben Sie „Neues von der Landärztin“ als eBook bei dotbooks. Das Leben in dem kleinen norddeutschen Bevenstedt könnte so schön sein: Dr. Barbara Pauli ist mit ihrem Freund in das malerische alte Pfarrhaus gezogen. Sie fühlt sich endlich als Teil der Gemeinschaft akzeptiert und genießt ihr neues Zuhause – doch dann geschieht das Unerwartete: Eines Nachts brennt die Tankstelle ab. Mit der friedlichen Idylle ist es vorbei. Die Menschen in Bevenstedt sind in heller Aufregung – wird der Brandstifter erneut zuschlagen? Barbara steht ihren neuen Nachbarn mit Rat und Tat zur Seite – selbst, als sie erfährt, dass mehr als eine Dorfschönheit ein Auge auf ihren Freund geworfen hat … Jetzt als eBook kaufen und genießen: ‚Neues von der Landärztin‘ von Martina Bick. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Das Leben in dem kleinen norddeutschen Bevenstedt könnte so schön sein: Dr. Barbara Pauli ist mit ihrem Freund in das malerische alte Pfarrhaus gezogen. Sie fühlt sich endlich als Teil der Gemeinschaft akzeptiert und genießt ihr neues Zuhause – doch dann geschieht das Unerwartete: Eines Nachts brennt die Tankstelle ab. Mit der friedlichen Idylle ist es vorbei. Die Menschen in Bevenstedt sind in heller Aufregung – wird der Brandstifter erneut zuschlagen? Barbara steht ihren neuen Nachbarn mit Rat und Tat zur Seite – selbst, als sie erfährt, dass mehr als eine Dorfschönheit ein Auge auf ihren Freund geworfen hat …

Über die Autorin:

Martina Bick wurde 1956 in Bremen geboren. Sie studierte Historische Musikwissenschaft, Neuere deutsche Literatur und Gender Studies in Münster und Hamburg. Nach mehreren Auslandsaufenthalten lebt sie heute in Hamburg, wo sie an der Hochschule für Musik und Theater arbeitet. Martina Bick veröffentlichte zahlreiche Kriminalromane, Romane und Kurzgeschichten und war auch als Herausgeberin tätig. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet. 2001 war sie die offizielle Krimistadtschreiberin von Flensburg.

Wenn Sie die Vorgeschichte erfahren wollen, lesen Sie die Die Landärztin von Martina Bick.

Bei dotbooks erscheint weiterhin die Krimi-Reihe um Hauptkommissarin Marie Maas, die folgende Bände umfasst:   Der Tote und das Mädchen. Der erste Fall für Marie MaasTod auf der Werft. Der zweite Fall für Marie MaasDie Tote am Kanal. Der dritte Fall für Marie MaasTödliche Prozession. Der vierte Fall für Marie MaasNordseegrab. Der fünfte Fall für Marie Maas

Tote Puppen lügen nicht. Der sechste Fall für Marie MaasTotenreise. Der siebte Fall für Marie Maas

Heute schön, morgen tot. Der achte Fall für Marie Maas

***

Neuausgabe Januar 2015

Copyright © der Originalausgabe 2001 Econ Ullstein List Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de

Titelbildabbildung: © Thinkstockphoto (istock; Pixland)

ISBN 978-3-95824-046-9

***

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Martina Bick

Neues von der Landärztin

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

Barbara beobachtete mit Erleichterung, wie die beiden Kellner endlich anfingen, das Geschirr abzuräumen. Sie trugen die riesigen Fleischplatten mit den Resten von Hirschbraten, Entenbrust und Hasenkeulen hinaus, ebenso wie die Kübel mit Rotkohl und Salzkartoffeln, die Wagenräder mit diversen kunstvoll drapierten Gemüsen. Es war unendlich viel übrig geblieben, obwohl die Festgemeinde ausführlich gegessen und getafelt hatte. Die Herren, vor allem die älteren wie Bürgermeister Petersen, der goldene Bräutigam Heinrich Bruhns, der Fabrikant Ludger Frien und nicht zuletzt der geborgte Pfarrer aus Grömitz, saßen mit hochroten Köpfen vor ihrem x-ten Verdauungsschnaps. Unter Calvados und Fernet Branca tat es keiner in dieser erlesenen Runde. Die Dorfsociety, dachte Barbara amüsiert. Ihr Lächeln wurde von Doktor Stähr aufgefangen, der ihr schräg gegenüber saß und schweigend seinen redseligen Tischnachbarinnen zuhörte, wie es immer und überall seine Rolle war. Er lächelte zurück. Ermutigend, tröstlich.

Seit knapp einem Jahr lebte Barbara jetzt als Landärztin hier in Bevenstedt, einer kleinen Dorfgemeinde in Ostholstein direkt an der Autobahn, die von Hamburg über Lübeck und Neustadt auf die Insel Fehmarn zur Fähre nach Dänemark führt, die so genannte Vogelfluglinie nach Skandinavien. Richtung Südosten konnte man mit dem Fahrrad in einer halben Stunde am Strand sein – wenn man ein bisschen im Training war. Auch zur anderen Seite hin, jenseits der Autobahn, kam man irgendwann an die See, denn Ostholstein ist eine Landzunge, eine fruchtbare, seit Urzeiten besiedelte Halbinsel und im Unterschied zu vielen anderen Küstenstrichen dicht bewaldet, dazwischen sehr grün und vor allem sehr gelb, wenn im Frühjahr der Raps blüht. Hügel und Seen wechseln sich ab, wenn auf der Fahrt durch das Land der Blick von den Buchten der Ostsee mit ihren Stränden und Seebädern wie Timmendorf, Scharbeutz, Grömitz oder Pelzerhaken zurück ins Land schweift. Der nächstgrößere Ort von Bevenstedt aus war Lensahn.

»Und dann wurde der Ausgang tatsächlich wieder zurückverlegt«, schloss Susi Lethfurt die Krankengeschichte ihrer Schwägerin effektvoll ab. »Ob das nun wirklich alles nötig war? «

Frau Claasen, Arzthelferin in der Gemeinschaftspraxis von Doktor Stähr und seiner jungen Kollegin Doktor Barbara Pauli, nickte zerstreut, während sie besorgt der blauen Flasche Mineralwasser hinterhersah, die Susi Lethfurt gedankenlos nach links weiterreichte, ohne Frau Claasens leerem Glas Beachtung zu schenken. Frau Claasen war immer in Sorge, zu übermäßigem Alkoholgenuss verführt zu werden, und achtete daher stets darauf, dass ihr Glas mit Wasser gefüllt war. »Wie schrecklich«, meinte sie. »Man muss einfach froh sein, wenn man gesund ist, sage ich immer.«

»Und dann dieser Beutel«, schüttelte sich Susi. »Also ich weiß nicht, ob ich damit leben könnte. Was sagen Sie denn, Frau Doktor, wie schaffen Sie es bloß, immer all das Elend mit anzusehen? «

Barbara rückte ein wenig zur Seite, damit der Kellner an die Sauciere und die Gemüseplatte herankam. Ehe sie antworten konnte, ergriff Susanne Stähr das Wort, die Ex-Frau des Doktors, selbst Tierärztin und seit neuestem damit befasst, in Bevenstedt für wirtschaftlichen Aufschwung zu sorgen. Zusammen mit ein paar dubiosen Investoren, die keiner außer Susanne genauer kannte, kaufte sie systematisch alle Seegrundstücke auf, um dort eine Ferienhaussiedlung zu errichten, die dem Dorf angeblich Dutzende von Arbeitsplätzen verschaffen sollte – wenn auch außer ihr keiner so recht an die gute Sache glaubte. Jedenfalls war sie seitdem auf jeder Feier in Bevenstedt anzutreffen, immer in der Hoffnung, einem besoffenen Bauern ein Grundstück abschnacken zu können.

»Das lernt ein Arzt im Studium als Erstes: sich bloß nicht beeindrucken lassen. Bloß keine Gefühle zeigen. Gesundheit ist ein Ausnahmezustand, hat unser Pathologe in der Tierklinik immer gesagt. Das verdrängen wir nur mehr oder weniger erfolgreich, bis es uns selbst mal erwischt.«

Susi Lethfurt sah irritiert auf den Tisch, auf dem nun große Schalen mit roter Grütze, gelbem Vanillepudding und Kännchen mit süßer Sahne verteilt wurden. Immer mehr Kellner und Kellnerinnen umschwirrten die beiden langen Tische, an denen die Gäste nach und nach in einer dichten Wolke aus Zigarren- und Zigarettendunst verschwanden.

»Ja, aber was sagen Sie denn zu Annegret Söhnlein aus Grömitz, die hat jetzt die siebte Krebsoperation hinter sich – da verliert man doch den Glauben, meinen Sie nicht? « Sie fing an, die verschiedenen Krebsarten der Grömitzerin an den Fingern aufzuzählen.

Die Tierärztin unterbrach sie unwirsch: »Man wird halt abgebrüht mit der Zeit.«

»Nein«, sagte Barbara, »das kann ich nicht bestätigen. Als Arzt konzentriert man sich darauf, zu helfen, Schmerzen zu lindern, Erleichterung zu verschaffen. Abgebrüht wird man aber nicht, glaube ich.«

»Okay, man hilft gern. Aber man hört auch gern die Kasse klingeln, oder? « Susanne grinste Barbara spöttisch an.

»Na, na«, entfuhr es Frau Claasen. »Das ist aber nicht schön gesagt. «

»Wenn ich sehe, wie leicht ihr Humanmediziner euer Geld verdient – wir Tierärzte haben es da schwerer. Wenn es eine Krankenkasse fürs Vieh gäbe, das wäre eine gute Sache. Nein, im Ernst. Helfen ist schön und gut, aber man muss ja auch ans Auskommen denken.«

Frau Claasen warf Barbara einen vielsagenden Blick zu. Susi Lethfurt erhob sich und machte sich auf den Weg zu den Toiletten. Sie schwankte ein wenig und musste sich an den Stuhllehnen festhalten.

Barbara sah unauffällig auf die Uhr. Halb zehn. Der Abend war noch lang. Wenn sie mit dem Wagen heimfahren wollte, musste sie das Weintrinken langsam einstellen. Wahrscheinlich war es jetzt schon ratsamer, den Wagen stehen zu lassen.

»Und wie geht es mit Ihrer Ferienhaussiedlung voran?«, fragte Frau Claasen Susanne und prostete Bürgermeister Petersen über den Tisch hinweg mit ihrem frisch gefüllten Wasserglas zu. Das Stichwort Ferienhaussiedlung war durch sämtliche Geräuschkulissen elektrisierend zu ihm durchgedrungen. Er zwinkerte fröhlich und führte sein Schnapsglas zum Mund, um es in einem Zug zu leeren. Sein Schädel glänzte gefährlich rot. »Wann kommen denn die ersten Gäste? «

»Im März ist Richtfest«, antwortete Susanne. »Die Genehmigungen liegen ja nun endlich alle vor. Nur über die Waldrandgrundstücke wird noch verhandelt. «

Graf Hollenstedt, ehemaliger Großgrundbesitzer in Ostholstein, hatte sich lange gegen die Neuerungen und das Eindringen des Tourismus von der Küste ins Land hinein gewehrt. Seit Generationen lebte seine Familie von der Landwirtschaft und dem Holzhandel aus seinen großen Waldgebieten. Er hatte es gar nicht nötig, in neue Strukturen zu investieren. Aber nach und nach hatte die Tierärztin ihn mit ihren Versprechungen auf ihre Seite ziehen können. Auf der letzten Gemeinderatssitzung war er sogar höchstpersönlich erschienen, um seine Zustimmung zu dem Projekt kundzutun.

»So«, sagte Frau Claasen bedächtig. »Dann kann es ja bald losgehen mit den neuen Arbeitsplätzen. Dabei habe ich gerade wieder gehört, dass unsere Tankstelle geschlossen werden soll.«

»Das ist falsch. Sie wird nur verlegt in die Ferienhaussiedlung, also auf die andere Seite der Autobahn. Das kann man den Bevenstedtern doch wohl zumuten, meinen Sie nicht? «

Frau Claasens Antwort wurde von plötzlichem Lärm aus dem angrenzenden Schankraum übertönt. Lautes Geschrei drang durch die geschlossene Flügeltür.

»Dass du dich hier blicken lässt, du Nichtsnutz! Dass du dich hierher traust! Pass bloß auf, dass dir nicht mal was passiert!«

Das war die Stimme von Walter Scholz.

Unter den Gästen der goldenen Hochzeitsgesellschaft wurde es schlagartig still. Susi Lethfurt taumelte von der Toilette zurück zu ihrem Platz. Sie hatte ihr goldgelbes Abendkleid mitten auf dem ausladenden Busen mit Bratensauce bekleckert und offenbar im Bad versucht, den Fleck wegzubekommen. Mit zweifelhaftem Erfolg.

»Was will der Scholz denn schon wieder?«, murmelte sie und ließ sich auf ihren Platz fallen. »Der hat wohl mal wieder zu viel getankt.« Ihr Mann, der ehemalige Schlachter und jetzige Versandleiter in Ludger Friens Holz- und Kartonagenfabrik, legte ihr besänftigend seine Pranke auf die Schulter.

Den Geräuschen nach zu urteilen wurden im Schankraum wild Möbel gerückt, dann knallte etwas gegen den Holzrahmen der Verbindungstür. Das gelbe Milchglas erzitterte, hielt jedoch stand. Mehrere Männer sprangen auf und liefen zur Tür, gefolgt von Barbara und Susanne. Der Doktor drängte sich vor.

»Wir sind alle nicht mehr ganz nüchtern, meine Herren. Mischen wir uns lieber nicht ein. «

»Lass mal, Jürgen«, sagte der Bürgermeister und öffnete die Tür. Er betrat als Erster den Schankraum, die anderen folgten ihm zögernd. Auch die übrigen Gäste stellten Pudding und Grützeschälchen auf den Tischen ab und erhoben sich langsam von ihren Plätzen.

Walter Scholz stand mit geballten Fäusten am Tresen. Sein Haar war zerzaust und seine Züge vor Wut entstellt. Hinter ihm stand Toni Jakobsen, der Tankstellenpächter, und hielt den wütenden Scholz mit festem Griff zurück. Auf der Erde vor der Flügeltür lag ein Barhocker, dem ein Bein abgebrochen war.

»Dunnerlittchen«, sagte der Bürgermeister. »Was ist denn hier los? «

»Alles im Griff«, meinte der Mohrenwirt hinter dem Tresen. »Nur ein kleines Missverständnis, Georg. Kein Grund zur Beunruhigung.«

Schräg gegenüber von Scholz lehnte pickelig und mager Theo Diem im Türrahmen, der jüngste Sohn des Schrotthändlers Diem, und spielte nervös mit einer leeren Colaflasche.

»Ich kann kommen und gehen, wie und wohin ich will«, sagte er trotzig. Seine Mundwinkel zuckten vor Nervosität.

»So, kannst du das? Meinen Jungen in den Knast bringen und selber ungeschoren davonkommen, das kannst du auch, wie? «

Der Bürgermeister trat einen Schritt auf den wütenden Mann zu. »Mach mal halblang, Walter. Der Theo kann doch nichts dafür, dass dein Freddi im Knast sitzt. Das hat er sich schon selbst zuzuschreiben. «

Walter Scholz versuchte, sich aus Tonis eiserner Umklammerung loszureißen. Der junge Mann stellte seine Colaflasche auf einem Tisch nahe der Tür ab und schob die Fäuste in die Jackentaschen.

»Ist wohl besser, du verschwindest hier«, rief ihm der Mohrenwirt zu. »Pfand kannst du dir morgen abholen.«

»So eine Unverschämtheit«, rief Susanne Stähr von hinten und drängelte sich durch die Festgemeinde zum Tresen vor. Sie baute sich vor Scholz auf. »Was fällt dir ein«, sagte sie leise. »Wir sprechen uns später. Jetzt gib gefälligst Ruhe, sonst sorge ich dafür, dass dir andere Leute Bescheid geben. Dann kann Jürgen dich hinterher aber wieder zusammenflicken.«

Susi Lethfurt fing an zu kichern. Frau Petersen fiel ein. Auch Frau Claasen gluckste. Nach und nach stimmten die anderen Gäste in das Lachen ein. Die ganze Festgemeinde wollte sich plötzlich ausschütten vor Heiterkeit. Theo Diem nutzte die Gelegenheit, um rasch aus dem Schankraum zu schlüpfen.

Walter Scholz griff nach seinem Bierglas und trank es in einem Zug leer. Dann durchquerte er die Wirtschaft und warf die Tür laut krachend hinter sich ins Schloss.

Kapitel 2

Sieben Uhr fünf. Barbara schloss die Augen. Viel zu früh zum Aufstehen für einen Sonntagmorgen. Sie hatte keinen Bereitschaftsdienst und wollte mal so richtig ausschlafen nach dem Stress der letzten Woche. Sie drehte sich um und blinzelte mit einem Auge zur anderen Betthälfte. Thomas war ganz und gar unter einem dunkelblauen Deckenberg verschwunden, der sich mit seinen regelmäßigen Atemzügen ruhig hob und senkte.

Da war es wieder. Ein lang gezogenes Heulen, gefolgt von kratzenden Geräuschen, dann aufsässiges, heiseres Bellen. Barbara spürte, wie der letzte kuschelige Rest von Schlaf sich verzog, wie sie endgültig auftauchte aus diesem warmen, wohligen Nirwana, das natürlich alles andere als ein Nichts war, nämlich ein neurologisch hochinteressanter, äußerst komplexer chemischer Vorgang im Gehirn, bei dem jede Menge passierte und der vom reinen Nichts genauso weit entfernt war wie vom geschäftigen Wachzustand. Sie schob ihre Bettdecke zurück. Brrr, die Luft war kalt und feucht, wie immer in diesem Haus.

»Du? Hörst du die Hunde nicht?«

Thomas gab einen undefinierbaren Laut von sich. Der Deckenberg bewegte sich mächtig, dann kroch eine Hand unter ihm hervor, tastete sich über den Spalt zwischen den altertümlichen Ehebetten und schob sich unter ihre Hüfte. Ein wohliges Brummen kam aus Thomas' Kehle. Vom Aufstehen, ja nur vom Aufwachen war ein Mensch, der solche Laute von sich gab, erfahrungsgemäß weit entfernt.

»Ich glaube, die Hunde müssen raus«, sagte Barbara und korrigierte sich sofort. »Deine Hunde.«

Brummen.

Barbara schlug endgültig die Decke zurück und stellte die Füße auf den kalten Dielenboden. Sie warf sich ihren dicken Bademantel über die Schultern, schlüpfte in die klammen Hausschuhe und tappte zur Tür. Unten ging das lang gezogene Jaulen in wildes Kläffen über. Leise zog sie die Schlafzimmertür hinter sich zu. Da sie nun schon mal aufgestanden war, machte es auch nichts mehr aus, dafür zu sorgen, dass Thomas ungestört weiterschlafen konnte. Das Leben war nun mal ungerecht

Auf der Schwelle zur Küche blieb sie wie vom Donner gerührt stehen. Konrad, der rabenschwarze Mischlingswelpe, brachte sich fast um vor Freude, sie zu sehen. Er tobte ihr um die Beine, leckte ihre nackten Zehen ab, biss ihr in die Schuhe und gab dazu kleine, kehlig heisere Glücksgeräusche von sich, während Else, die alte Jagdhündin, weise abwartend an der Kühlschranktür stand und nur hin und wieder zuckend den Kopf hochwarf, um zu zeigen, dass auch sie von heftigen Gefühlswallungen nicht verschont blieb.

Heilloses Chaos herrschte in diesem einzigen einigermaßen bewohnbaren Raum des Hauses, das sie erst vor ein paar Wochen endgültig bezogen hatten. Das alte Pfarrhaus am Rand des Dorfes, das jahrzehntelang leergestanden hatte, war von der Substanz her zwar noch gut, in der Ausstattung aber stark renovierungsbedürftig. Barbara hatte ein bisschen Geld geerbt, gerade genug für den Hauskauf. Thomas hatte mit viel Elan die notwendigen Arbeiten in Angriff genommen. Er war Kirchenmusiker ohne Hang zur Kirche, also ohne festes Einkommen. Vor einer Weile hatte er eine Rockband gegründet, die sich mittlerweile als ganz erfolgreich erwies. Wenn er nicht gerade mit seinen Leuten unterwegs war, hockte er stundenlang im Studio und war mit dem Einstudieren oder Schreiben von neuen Stücken beschäftigt. Tapezieren und Streichen konnte er auch ganz gut. Doch eine Wasserleitung zu verlegen oder gar ein ganzes Bad zu installieren, schien seine handwerklichen Fähigkeiten entschieden zu übersteigen. Barbara war bisher der Ansicht gewesen, dass sie ihrem Lebensgefährten das nicht wirklich verübeln konnte. Er hatte sich einfach übernommen. Doch nach Wochen ohne fließend Wasser, ohne Dusche und Waschmaschine, bei fortlaufender harter Arbeit in der Gemeinschaftspraxis spürte sie, wie ihre Geduld allmählich zu Ende ging.

An die dicke Eichenholzplatte, die von der Spüle über den Kühlschrank und einen tiefen Unterschrank bis zum Herd reichte, hatte Thomas eine große Schraubzwinge angebracht, in die er seine Werkstücke einspannte. Dort, wo in gewöhnlichen Küchen die Kochlöffel oder ein Gewürzregal an der Wand hingen, befand sich bei ihnen ein Werkzeugbrett mit verschiedenen Feilen, Hohleisen, Metallsägen, einem Hobel, Messwerkzeugen, Messern und einem Sortiment an Schraubenziehern. In die Zwinge waren ständig die unterschiedlichsten Kupferrohre eingespannt, T-Stücke, meterlange Eckenverbindungen, Kreuzungen, Abzweigungen – Herzstücke der neuen Wasserleitung, deren Lötstellen immer wieder aufplatzten. Auf dem Boden und rund um die Spüle herum lagen feine Kupferspäne zwischen Lötkolben, Lötzinn und allen möglichen Rohrzangen und Dichtungsringen verstreut. Das Chaos breitete sich aus bis hart an den Herd. Dazwischen standen Essensreste, die Butterdose, Tüten mit altem Brot, alles notdürftig abgedeckt oder eingewickelt.

Die Küche war außerdem der einzige Raum im Haus, der beheizbar war. Außer den Betten gab es keinen Ort, an dem man sich aufwärmen konnte, seitdem der Ölofen im Schlafzimmer mit Heizöl vollgelaufen war, das man nur mit Lappen und alten Zeitungen mühsam wieder heraussaugen konnte. Außerdem hatte der Schornsteinfeger festgestellt, dass die beiden Kamine des Hauses für Ölöfen nicht geeignet waren und eigentlich sowieso neu ausgemauert werden müssten.

Am liebsten wäre Barbara gleich wieder ins Bett gegangen. Das war nun wirklich kein würdiger Anfang für einen Sonntagmorgen, schon gar nicht nach einer so harten Arbeitswoche, wo doch der Sonntag wenigstens ein bisschen schön und faul beginnen sollte. Normalerweise. Aber die Normalität hatten Barbara und Thomas genau an dem Tag hinter sich gelassen, an dem sie beschlossen hatten, von der Stadt aufs Land zu ziehen. Barbara als Landärztin und Thomas als musizierender Hausmann. Normalität hieß von da an nur noch Chaos. Und Arbeit.

Auf dem Küchentisch türmte sich schmutziges Geschirr. Es sah aus, als sei alles Geschirr, das sie besaßen, dort aufgestapelt. Am Freitag waren die Nachbarn zu Besuch gewesen und Thomas hatte eins seiner berühmten Vier-Gänge-Menüs gekocht. Zum Abwaschen war er natürlich noch nicht gekommen. War ja auch nicht so einfach ohne fließendes Wasser. Jeden Tropfen musste man in Kanistern von besagten Nachbarn, dem Lehrer Peter Ochs und seiner Frau Colette, herüberschleppen.

Barbara schloss die Küchentür hinter sich, damit der Welpe nicht auf den Flur tobte. Drei unterschiedlich große Kothaufen lagen symmetrisch verteilt auf dem schwarz-weißen Terrazzoboden. Wenigstens hatte Konrad keinen Durchfall. Else wedelte buhlend mit dem Schwanz, als Barbara anfing, die Kothaufen mit Küchenpapier einzusammeln und in Zeitungspapier einzuwickeln. Die ältere Hündin fühlte sich immer irgendwie verantwortlich für Konrads Missetaten, obwohl sie nicht seine Mutter war. Hunde sahen das vielleicht nicht so eng. Barbara beruhigte Else mit sanften Worten und nahm sich Konrad vor, der durchaus schon so etwas wie ein Schuldbewusstsein entwickelt hatte in den vier Monaten seines eigentlich recht glücklichen Hundelebens. Sie packte das wuselige Fellknäuel am Genick. Seine zarten Knochen stachen durch die Haut und seine heiße Zunge versuchte verzweifelt, die Hand zu lecken, die ihn hielt. Aber Barbara ließ sich nicht erweichen. Sie war fest entschlossen zu einer wirkungsvollen Erziehungsmaßnahme und ließ Konrad direkt neben der großen Pfütze nieder, die er unter dem Küchentisch hinterlassen hatte. Er war weit nach Mitternacht, gleich nachdem sie von der goldenen Hochzeit im Gasthof Mohr nach Hause gekommen war, zum letzten Mal rausgelassen worden. Er bekam nach zwanzig Uhr kein Wasser mehr zu trinken. Woher um Himmels Willen nahm das kleine Tier die Flüssigkeit, um so große Seen zustande zu bringen? Und warum konnte seine Blase noch immer nicht die sechs bis sieben Stunden durchhalten, bis er wieder vor die Tür durfte?

»Was ist das hier? Was soll das? « Ihre Stimme klang streng und kalt, obwohl sie sich das Lachen verkneifen musste. Was sollte ein Welpe schon auf so eine Frage antworten? Aber sie konnte ihn schließlich nicht wortlos tadeln, wenn sie ihm mit ihrem Tonfall klar machen wollte, dass er sich mal wieder daneben benommen hatte.

Konrad zappelte und quiekte erbärmlich und fing vor Stress an zu hecheln. Else wedelte mit dem mächtigen Schweif. Barbara brachte es nicht über sich, die empfindliche Hundenase in den See zu stupsen, und ließ Konrad deshalb wieder frei, doch nicht ohne ihn nochmal kräftig im Genick zu schütteln. Der Welpe sprang wie ein Gummiball durch die Küche, laut kläffend, als wollte er Barbara auslachen oder sich springend von der schrecklichen Schuld befreien, die ihn schon stundenlang gequält haben mochte. Dann öffnete Barbara die Küchentür zum Garten und entließ die Tiere in die kühle, feuchte Morgenluft. Sie holte tief Luft und blickte überrascht auf, als ihr ein scharfer aufdringlicher Brandgeruch in die Nase stieg.

Kapitel 3

»Schnell«, rief Barbara, ohne die Herzmassage zu unterbrechen. »Meinen Koffer. Neben dem Auto, bitte schnell!«

Klaus Schöller, ein Riesenbaby von einem Mann, standen die Schweißperlen auf der Stirn, als er vom Auto zurückgerannt kam und den Arztkoffer vor Barbara fallen ließ. Barbara kniete neben der bewusstlosen Frau auf dem Boden vor der Garage, aus der dicke Rauchwolken quollen. Zwei Löschzüge der freiwilligen Feuerwehr aus Lensahn standen quer auf dem Gelände der Tankstelle und pumpten Wasser über die Gebäude. Um ein Haar hätte es eine Riesenkatastrophe gegeben.

»Ich hab ja gleich gesagt, es riecht nach Feuer«, sagte Schöller. »Schon als meine Mudder rausging, um die Hühner zu füttern. Und dann sah ich Adele da raustaumeln, erst dachte ich, die ist wieder besoffen ...«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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