Nicht von dieser Welt - Die wilden Jahre - Lydia Preischl - E-Book

Nicht von dieser Welt - Die wilden Jahre E-Book

Lydia Preischl

4,8

Beschreibung

Markus Troyer ist Amisch. Er lebt mit seiner den Old Order Amisch zugewandten Familie in Pennsylvania im Osten der USA. Die Enge der kleinen, konservativen Glaubensgemeinschaft bedrängt ihn zusehends. Während seiner Orientierungsjahre lernt er das Leben „draußen“ kennen. Er bricht aus und muss in der Welt der „Englischen“ lernen, sich zurechtzufinden. Die Sehnsucht nach der behüteten Welt seiner Heimat bringt ihn mehr als einmal nahe daran, all das, was er sich erarbeitet hat, aufzugeben. Doch dann scheint es, als würde ihm das Schicksal die Entscheidung abnehmen...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 250

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
15
3
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Lydia Preischl lebt mit ihrem Mann in einem kleinen Dorf im Oberpfälzer Wald. Sie hat zwei erwachsene Töchter. Seit sie denken – und schreiben – kann, widmet sie sich dem Erfinden von Geschichten. Diese sind so unterschiedlich, dass es nicht gelingt, sie auf ein Genre festzulegen. Ihr Ziel ist es, ihre Leserinnen und Leser in eine andere Welt zu entführen, zu unterhalten und zu entspannen.

Besuchen Sie die Website der Autorin:

www.allerlei-leserei.de

Hier erfahren Sie alles über bisherige und kommende Projekte.

Die Charaktere und Geschehnisse im Roman sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Prolog

Ich mache mir Sorgen. Ich habe acht Kinder. Alle haben mir Sorgen bereitet, aber auch Freude. Meistens Freude. Bei Markus ist dies anders. Er ist mein Lieblingskind. Niemand weiß das und es wäre mir auch lieber, ich müsste das vor mir selber nicht zugeben. Es zeugt davon, dass ich eine schlechte Mutter bin, wenn ich ein Lieblingskind habe. Ich hoffe, dass die anderen sieben es nie spüren mussten.

Doch – einer weiß, dass mein jüngster Sohn mir näher steht, als die anderen. Es ist Ruben, mein Mann. Ich musste es ihm nicht sagen, er sieht es jeden einzelnen Tag, den Gott werden lässt. Und er missbilligt es. Weil er alles missbilligt, was Markus tut. Leider bin ich daran nicht unschuldig. Als Markus klein war, hing er ständig an meinem Rockzipfel. Um ihn zu beschäftigen, durfte er tun, was ich tat: Gemüse zerkleinern, im Kuchenteig rühren, Brote belegen. Er liebte es zu kochen. Anfangs dachte ich mir nichts dabei, ihn helfen zu lassen, später aber, als Ruben mich immer öfter darauf hinwies, erkannte ich auch, dass das absolut nichts war, was amische Jungs in erster Linie lernen sollten.

„Ruth!“, pflegte mein Mann zu sagen, „Ich gedulde nicht, dass du den Jungen ins Weibsvolk hineinziehst. Er ist mehr mit seinen Schwestern unterwegs, als mit seinen Brüdern.“

Schweren Herzens schickte ich ihn zu seinem Vater aufs Feld und in den Stall. Weil der Junge sich so schwer von mir trennte, gab es harte Worte seines Vaters. Markus konnte das nicht ertragen. Er lief oft weinend zu mir, bis ihn sein Vater wieder zurückholte und ausschimpfte. Manchmal ließ er ihn auch die Rute spüren. Ich gebe mir die Schuld dafür. Ich hätte wissen müssen, dass es so kommen würde, wenn der Junge erst älter war.

Ruben versteht seinen Sohn nicht und er gibt mir die Schuld daran. Er gibt sie mir bis heute. Markus ist fast erwachsen. Wir Eltern hatten gehofft, er würde sich ein gutes amisches Mädchen suchen und eine Familie gründen.

Aber Markus entfernt sich mit jedem Tag mehr und mehr von uns. Dabei ist das noch nicht einmal das Schlimmste. Er entfernt sich von der Gemeinschaft. Er stellt Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Nicht in der amischen Gemeinschaft. Nicht in der Ordnung. Nicht hier in unserem Bezirk. Und auch nicht in den Bezirken um uns herum. Denke ich.

Ich mache mir Sorgen und meine Sorgen sind begründet. Über kurz oder lang wird uns Markus verlassen. Und mir wird es das Herz brechen.

Kapitel 1

Die altertümliche Bimmel an der Ladentür klingelte, so oft jemand das Geschäft betrat oder verließ. Eigentlich hatte die Glocke den Zweck, den Arbeitern im Hinterzimmer akustisch anzuzeigen, dass jemand im Laden stand. Da aber Johannes Bontrager und Markus Troyer häufig im Ausstellungsraum zu tun hatten, hörten sie das Geräusch meistens nicht mehr. Vielmehr erahnten sie die Kundschaft an der Art, wie das Licht der breiten Schaufenster gebrochen wurde, wenn jemand die Tür öffnete.

Draußen lag noch Schnee und obwohl die Temperaturen langsam aber sicher anstiegen, hatte sich das Frühjahr noch nicht durchgesetzt. Um diese Jahreszeit kamen hauptsächlich Stammkunden aus Philadelphia, Harrisburg oder sogar bis aus Washington. Sie wussten, dass der Schreiner nun Zeit für ihre Sonderwünsche hatte.

Johannes Bontrager war ein Meister seines Faches. Für seine amischen Nachbarn hielt er zweckmäßige Möbel bereit, die sich in den einfachen Wohnstuben seiner Glaubensgenossen gut einfügten. Die Kommoden, Tische und Stühle waren massiv, sorgfältig gearbeitet, aber ohne Verzierungen oder Schmuckelemente. Die antiken Möbel, die die englische Kundschaft vorbeibrachten, lebten von Intarsien, filigranen Ausschmückungen und verschiedenen Holzarten, die kunstvoll zusammengefügt worden waren. Weil Johannes die Fertigkeiten besaß, diese Werkstücke zu restaurieren, nahmen seine Kunden weite Fahrten auf sich.

Markus hatte Glück gehabt, in mehrfacher Hinsicht. Das größte Glück war, dass sein Vater ihm erlaubt hatte, dem Schreiner zur Hand zu gehen, ohne jedoch zu wissen, wofür Johannes seinen Sohn so dringend brauchte. Wäre ihm klar gewesen, dass Markus dieses eitle englische Zeug bearbeiten würde, hätte er seine Einwilligung vielleicht gar nicht gegeben.

Und natürlich hatte Markus das Glück, dass Johannes per Zufall bei einem Besuch bei den Troyers zu Hause entdeckt hatte, welches Talent in dem Jungen schlummerte, als dieser ihm bei einer Schreinerarbeit zur Hand ging. Seit Markus nach acht Schuljahren aus der Schule entlassen wurde, ging er mehrmals in der Woche zur Schreinerwerkstatt nach Paradise, jener kleinen Stadt, die in einer Reihe mit Bird-in-Hand und Intercourse lag. Paradise befand sich in dem Bezirk, in dem die Troyers lebten, und war auch die am nächsten gelegene Stadt. Dennoch musste Markus mehr als zwei Meilen zurücklegen, bis er bei Johannes Bontragers Werkstatt ankam. Der wiederum lebte mit seiner großen Familie etwa eine halbe Meile in die, vom Troyer-Anwesen aus gesehen, entgegengesetzte Richtung von der Stadt entfernt.

Inzwischen hatte Markus beinahe drei Jahre bei Johannes verbracht und dabei nicht nur wissbegierig alle Fertigkeiten des Schreiners in sich aufgesogen, er hatte auch erkannt, dass es nicht allein Fleiß war, der ihn diese Arbeit so gut erledigen ließ. Er hatte eindeutig Talent dafür. Aber Talent war eitel. Es ließ den Kopf hoch tragen und machte stolz, zu stolz für einen demütigen Amisch. Jedenfalls wenn man den Ausführungen seines Vaters Glauben schenkte. Seines Vaters Ansichten waren jedoch die des Bischofs und der Prediger in ihrem Bezirk und von daher Gesetz.

Seit Stunden hielten sie sich im hinteren Bereich des Geschäftes auf, wo sich die schweren Werkzeuge und Maschinen befanden. Grundsätzlich war es den Amisch in ihrem Bezirk verboten, Elektrizität zu benutzen, doch es gab begründete Ausnahmen. Die Schreinerwerkstatt hatte Stromanschluss, aber Johannes nutzte nur zum Schneiden der schweren Holzteile diesen Luxus. Sein Gewissen gebot ihm, nur im äußersten Notfall die Annehmlichkeiten der modernen Technik anzuwenden. Dazu gehörte auch das Telefon. Lediglich zum Kundengespräch wurde der Apparat benutzt, niemals zu einem privaten Plausch.

Gerade waren sie damit fertig geworden, dicke Bretter für eine schwere Kommode zurechtzuschneiden, als ein Schatten in den rückwärtigen Raum fiel.

„Da ist jemand im Laden.“ Johannes nickte Markus zu, der sich die Hände an einem Tuch abwischte und nach vorne ging.

Mit Erstaunen sah Markus durch die große Scheibe, dass auf dem beinahe leeren Parkplatz draußen ein Reisebus stand. Ein Rudel von Touristen ergoss sich auf den Platz, der von vielen Geschäften umringt war. Direkt neben der Schreinerei waren im Laden von Mrs. Weisz, einer mennonitischen Witwe, wunderschöne Quiltdecken ausgestellt, wiederum daneben bot Henner Schwartz leckeres Backwerk an und zur anderen Seite gab es Obst und Gemüse zuhauf, dazu eingemachte Spezialitäten aus dem Haushalt von Mettie Schwartz und ihren Schwestern und Schwägerinnen. Auf der anderen Seite des Parkplatzes gab es ein Blumengeschäft und eine Brezelbäckerei. Letztere gehörte John Schwartz, einem von Henners Brüdern.

Die Schwartz‘ waren alle miteinander verwandt, wenn auch nicht übermäßig eng. Schon ihre Vorfahren hatten viele Kinder, die auch wieder viele Kinder hatten. So gab es hier im Bezirk sehr viele Familien mit diesem Namen.

Den Blumenladen hatte eine Englische aus Coatesville eröffnet, die allerdings von einigen amischen und mennonitischen Frauen aus dem Bezirk beliefert wurde. Sie machte vor allem Blumengestecke und sonstigen Zierrat für die englische Kundschaft.

Im Bezirk lebten Amisch, Mennoniten und auch Englische, wie alle übrigen Nachbarn genannt wurden, zusammen. Das Land war weit, so dass die Häuser zumeist in gutem Abstand voneinander standen, was nicht bedeutete, dass man keine gute Nachbarschaft pflegte. Viele der amischen unverheirateten Mädchen, die mit vierzehn Jahren die Schule beendet hatten, arbeiteten als Hausmädchen in den nicht-amischen Haushalten. Ihre Sauberkeit und Pünktlichkeit war sprichwörtlich und ihre Dienste sehr begehrt. Andererseits nahmen viele der amischen Bewohner die Fahrdienste der Mennoniten, denen Autofahren erlaubt war, und der englischen Nachbarn in Anspruch, wenn sie eine Besorgung in den weiter entfernten Städten hatten, was zwar eher selten der Fall war, aber eben auch vorkam. Oft waren es Bank- oder Immobiliengeschäfte, die eine notarielle Beglaubigung notwendig machten, meistens jedoch Arztbesuche bei einem Spezialisten in Coatesville, Harrisburg oder gar Philadelphia.

Nun standen die ersten Kunden aus dem Bus im Laden und bewunderten die kleinen Schmuckkästchen, die mit ihren filigranen Sternintarsien eine Spezialität Johannes‘ waren. Er stellte sie ausschließlich für die Touristen her, da die Kästchen eine Größe hatten, die in ein Fluggepäck passte, und auch für weniger betuchte Besucher erschwinglich waren. Er hatte auch buntbemalte Nistkästen für Vögel, hölzernes Kinderspielzeug und dergleichen mehr im Angebot.

Die beiden Kunden, ein junges Pärchen, hielten sich innig umschlungen, während der Mann mit der rechten Hand eines der Kästchen öffnete und die Frau mit ihrer freien linken Hand den Einlegeboden herausnahm. Markus schmunzelte, wenn auch ein wenig wehmütig. Sich derart verliebt in der Öffentlichkeit zu zeigen, war für ein amisches Pärchen absolut unmöglich.

Markus überlegte, dass er ohnehin kaum Paare kannte, die derart verliebt waren. Der kleine Bezirk bot wenig Auswahlmöglichkeiten in Bezug auf einen potentiellen Lebenspartner, obwohl die einzelnen Familien sehr viele Kinder hatten. Aber man wuchs zusammen auf und kannte sich viel zu gut, um dem Zauber der Verliebtheit in dem Maße zu verfallen, wie er dies bei den Touristen oder seinen Ausflügen in die nahen Städte immer wieder beobachtete. Und natürlich gebot die anerzogene Zurückhaltung einen geziemten Umgang miteinander. Man heiratete früh, einer unverheirateten jungen Frau von 25 Jahren haftete bereits der unsichtbare Makel eines ältlichen Fräuleins an. Trotzdem kannte Markus viele Paare, junge und auch ältere, die einander sehr zugetan waren. Leider traf das nicht auf seine Eltern zu. Als er jünger war, stritten sie viel, wobei seine Mutter irgendwann still war und sein Vater zornig weiter lamentierte. Inzwischen waren sie ruhiger geworden. Die Auseinandersetzungen tobten seltener, aber sie sprachen auch seltener miteinander. Er hatte zuweilen den Eindruck, dass die Ehe funktionierte, weil sie darin übereingekommen waren, eine Zweckgemeinschaft zu sein. So, wie Menschen in einer Firma zusammenarbeiteten. Andererseits blieb ihnen auch nichts anderes übrig, weil Amische zusammenblieben bis zum Tod eines Partners.

Unwillig schüttelte Markus den Kopf, was die beiden Kunden auf sich aufmerksam machte.

„Wir möchten uns umsehen. Das ist doch erlaubt?“ Die junge Frau bemühte ein holpriges Englisch und Markus hörte am Akzent, dass sie aus dem deutschen Sprachraum kommen musste.

„Selbstverständlich!“ Er sprach sie in ihrer Muttersprache an und freute sich, ein wenig Hochdeutsch üben zu können. Sowohl in der Schule als auch zu Hause sprachen sie den eigenen amischen Dialekt, der der deutschen Sprache entstammte. Viele der Kinder lernten erst im Schulalter zum ersten Mal die englische Sprache kennen und für einige blieb Englisch ihr Leben lang eine Fremdsprache. Er seinerseits liebte Deutsch. Die Sprache wurde ihnen von einer jungen Frau beigebracht, die aus Deutschland stammte und mit einem Amerikaner verheiratet war. Sie hatte vom Bischof die Erlaubnis bekommen, den amischen Kindern Sprachunterricht zu erteilen, was angesichts der absoluten Talentfreiheit einiger Mitschüler in Bezug auf Sprachen ein durchaus mühsames Unterfangen war.

Die junge Frau im Laden hob die Augenbrauen und sah überrascht aus: „Sie sprechen deutsch?“, sagte sie, langsam und jedes Wort zuvorkommend betonend.

„Alle Amisch sprechen deutsch, zumindest das, was sie dafür halten. Aber nicht jeder spricht hochdeutsch.“ Markus musste sich bemühen, nicht allzu stolz zu klingen, und doch genoss er das Erstaunen der beiden jungen Leute. Doch er schaute sich verstohlen nach Johannes um, der seine Unterhaltung sicherlich als ungehörig beurteilen würde. Aber der Schreiner war noch im Nebenraum.

„Oh, Sie sprechen hervorragend“, beeilte sich die junge Frau noch einmal besonders hervorzuheben.

Markus kannte auch diese Reaktion. Manche Touristen hielten die Amisch für rückständig und vielleicht sogar für dumm, sicher aber für einfältig, weshalb sich viele seiner Nachbarn bemühten, dem Trubel hier in der kleinen Stadt aus dem Weg zu gehen. Andere wiederum kümmerten sich nicht weiter darum und nutzten die Gelegenheit, ihren Lebensunterhalt mit den Besuchern zu verdienen.

„Bitte, schauen Sie sich in aller Ruhe um. Und wenn Sie Hilfe benötigen, fragen Sie nur“, bot Markus noch einmal an und zog sich dann in eine Nische zurück, wo er Schreinermaterial in Behälter einsortierte. Es war die Arbeit, die sie taten, wenn Kunden im Laden waren, die sich, so wie dieses Pärchen, nur umsahen. Auf diese Weise waren sie präsent, aber nicht aufdringlich. Und die Materialecke hatte Ordnung dringend nötig, nachdem Ephraim Stolzfuß darin herumgewühlt, dies und das herausgerissen, wieder weggelegt und Neues hervorgesucht hatte. Er hatte damit zu Hause versucht, einen Küchenschrank zu reparieren, musste aber letztendlich doch den Schreiner holen. Jeder wusste, dass Ephraim zwei linke Hände hatte, was Holzarbeiten betraf, nur Ephraim selber hatte davon keine Ahnung.

Normalerweise erledigten die Amisch ihre Reparaturen selbst und sie holten lediglich das Material, zuweilen auch spezielle Werkzeuge bei Johannes, doch manchmal benötigten sie doch die Kunstfertigkeit eines Schreiners. Dann holten sie ihn oder auch Markus, der sich inzwischen ganz hervorragend auf das Handwerk verstand.

„Ach, bitte!“ Die junge Frau hob die Hand, um auf sich aufmerksam zu machen. Er lächelte ihr zu, eine Geste, die auch nicht selbstverständlich war unter den amischen Männern, die sich lieber sehr ernsthaft und distinguiert gaben. Im Falle von Markus kam dieses Lächeln sehr gut an, weil er ein außerordentlich hübscher Bursche war, was noch viel deutlicher zu Tage trat, seit er einen eitlen Haarschnitt trug, wie sich sein Vater abfällig ausdrückte.

Eitle Haarschnitte, das Entdecken der größeren Städte ringsherum, ja sogar Partys oder Kino, waren ihm durchaus erlaubt. Er war altersmäßig in seiner Rumschpringa-Zeit, was bedeutete, dass er die englische Welt ausprobieren durfte. Gerade amische Jungs schlugen dabei gerne über die Stränge, nicht, weil sie nur darauf warteten, endlich loslegen zu können, eher aus dem Grund, weil sie aufgrund ihrer Erziehung von gewissen Dingen außerhalb ihrer Gemeinschaft überrascht wurden. Seine Eltern sahen seine Gehversuche in der englischen Welt mit den allergrößten Bedenken. Sie beide hatten unabhängig voneinander den Eindruck, dass ihr Sohn sich viel zu sehr für alles Weltliche interessierte.

Für Mädchen galt dieser großzügige Brauch nur eingeschränkt. Nicht nur die Eltern achteten streng darauf, dass ihren beinahe heiratsfähigen Töchtern nichts passierte, auch die Mädchen selber hatten gehörigen Respekt vor den wilden Umtrieben ihrer englischen Altersgenossen.

Markus stand nun neben dem jungen Paar.

„Was kann ich für Sie tun?“

„Was kostet dieses Kästchen hier?“ Sie deutete auf ein kleines Exemplar aus Kirschbaumholz, das er, Markus, als eines seiner ersten, wirklich komplizierten Werkstücke angefertigt hatte. Es war ihm ausnehmend gut gelungen und es freute ihn, dass sie sich ausgerechnet dieses ausgesucht hatte.

Er überlegte. Normalerweise wäre der Preis bei 39 Dollar gewesen, doch aus irgendeinem Grund wollte er, dass diese beiden das Schmuckkästchen bekommen sollten.

„Sie heiraten bald?“, fragte er sehr direkt, nachdem er bemerkt hatte, dass keiner der beiden bereits einen Ring trug. Er hörte Johannes Bontrager mit seinen schweren Schritten hinter sich in den Laden stapfen und wusste, dass ihm die Unterhaltung gehörig missfiel.

Die junge Frau errötete leicht. Der Mann, der sich bisher zurückgehalten hatte, lächelte überrascht. „Ja, in einem Monat. Aber weil wir beide nach unserer Hochzeit keinen Urlaub mehr bekommen, haben wir die Hochzeitsreise vorgezogen, sozusagen.“

„Ich schenke Ihnen das Kästchen. Und wenn Sie es ansehen, dann denken Sie daran, dass es Ihnen ein amischer junger Mann geschenkt hat, der erwartet, dass Sie ein Leben lang zusammenbleiben“, sagte Markus augenzwinkernd. Er kannte die Eigenart der Leute in der Welt da draußen, sich bei den ersten Eheproblemen wieder zu trennen.

„Das können wir unmöglich annehmen!“, widersprach der junge Mann perplex.

„Doch. Es ist, wie ich sagte. Nehmen Sie es und stellen Sie es da auf, wo Sie es täglich sehen können. Dann ist es gut!“ Markus grinste. Ihrem ungläubigen Blick nach zu urteilen, hielten sie ihn für einen Schamanen oder so etwas Ähnliches.

Europäer wie auch die Amerikaner, die von weiter herkamen, wussten nicht allzu viel über die Amisch, außer dass die weltabgewandte Lebensweise ohne Strom und Technik sehr anziehend auf gestresste Besucher wirkte.

Die hiesigen Weltlichen, nahmen zuweilen an, dass das ganze Land, auf dem die Amisch lebten, eine besondere Heiligkeit besaß. Das alles schoss Markus durch den Kopf, als seine beiden Kunden noch überlegten, was sie zu seinem großzügigen Geschenk sagen sollten.

„Äh… danke! Vielen Dank!“ Die Augen der jungen Frau blickten ihn erstaunt an.

Markus packte das Stück in eine Lage Papier und steckte es in eine Papiertüte.

„Hier, bitte!“

„Wir werden es in Ehren halten und uns wahrscheinlich immer an diese Begegnung erinnern“, sagte die junge Frau mit immer noch äußerst überraschtem Blick.

„Das würde mich freuen.“ Markus nickte ihnen freundlich zu, als sie, eifrig miteinander palavernd, den Laden verließen.

Johannes wiegte bedächtig den Kopf und sein langer, grauer Bart, der sein Gesicht umrahmte und traditionell nicht durch einen Oberlippenbart vervollständigt wurde, scheuerte am Latz seiner Arbeitshose, die er über seiner amischen Tracht trug. „Warum hast du das getan, Markus Troyer?“ Er hieß diese Aktion ganz und gar nicht gut.

„Die beiden gefielen mir. Und sie werden glücklich, das weiß ich sicher. Warum also nicht ein wenig mit einem kleinen Symbol nachhelfen? Wenn sie sich streiten, dann werden sie sich mit einem Blick auf das Kästchen immer daran erinnern, dass sie eigentlich zusammenbleiben sollten“, erklärte Markus schulterzuckend mit heiterer Miene. „Du solltest nicht so hochnäsig sein und denken, dass du die Welt beeinflussen kannst!“ Streng blickte ihn Johannes an. Es war ihm sehr ernst mit dieser Rüge und Markus wusste dies. „Lass die Welt der Welt!“, setzte sein Chef noch hinzu, bevor er sich wieder in seine Werkstatt zurückzog und Markus stehen ließ.

Der zog seine Schürze über den Kopf, die er statt einer Arbeitshose trug, und rief zu Johannes nach hinten: „Johannes, ich werde jetzt gehen. Mein Vater braucht mich noch in der Scheune. Er repariert gerade den Boden der Tenne. Ich habe ihm versprochen, bis vier zu Hause zu sein.“

„Es ist gut, wir waren ja fertig. Bis Montag.“

Markus setzte seinen Hut auf, den er abgenommen hatte, als er mit dem Schreiner zusammen die Arbeit an dem großen Werkstück begonnen hatte. Nun war Freitagnachmittag und er würde heute und morgen mit seinem Vater in der Scheune beschäftigt sein. Und morgen Abend würde er, so wie die Wochen zuvor, nach Harrisburg fahren - in die Welt.

Kapitel 2

Markus Troyer war in seinen Orientierungsjahren, der Zeit, die den jungen Amisch zugestanden wurde, um sich eine eigene Meinung darüber zu bilden, was sie mit ihrem zukünftigen Leben anfangen wollten. Niemand wurde gezwungen, sich der amischen Gemeinschaft anzuschließen, aber wenn man erst einmal vor der ganzen Gemeinde niederkniete, um sich taufen zu lassen, dann unterstand man den Gesetzmäßigkeiten der Gruppe, die im Wesentlichen vom Bischof eines Bezirkes nach den Worten der Bibel festgelegt wurden.

Als Markus den Weg zum Gehöft seines Vaters einschlug und die kleine Stadt schon eine Weile hinter sich gelassen hatte, dachte er darüber nach. Warum durften die Menschen in ihrem Bezirk keine Fahrräder benutzen? Lediglich Roller waren ihnen erlaubt und Rollschuhe, auf denen es viele seiner Freunde zu großen Fertigkeiten gebracht hatten. Einige Meilen weiter gab es einen Bezirk, in dem die Menschen Fahrräder benutzten, was einer großen Zeitersparnis gleichkam. Natürlich kannte er die Begründung für diese Vorschrift: Ein Fahrrad würde die Gläubigen zu weit von ihrem Heimatbezirk entfernen können. Die Bindung an zu Hause konnte dadurch gelockert werden, was ganz und gar nicht erwünscht war. Elektrischer Strom oder Telefon waren ebenfalls verpönt. Wenn er an die lauten Städte mit ihren grellen Lichtern und dem überwältigenden Autoverkehr dachte, dann konnte er noch verstehen, dass derartige technische Errungenschaften auch zum Nachteil gereichen konnten.

Aber auch die Amisch benutzten Dinge, die es so in biblischen Zeiten noch nicht gab, warum also kein weiterer Fortschritt? Sollten elektrisches Licht und warmes Wasser aus der Leitung die Menschen wirklich vom rechten Glauben abbringen? Andererseits war er gerade dabei, sich abzunabeln von dieser Welt, die so viele Fragen für ihn bereithielt und die er immer weniger verstand. Wäre da nur jemand, dem er diese Fragen stellen hätte können! Doch sein Vater wiegelte nur ab oder drohte mit dem Bischof, wenn ihm Markus‘ Gedanken zu blasphemisch erschienen. Die Mutter wollte er nicht beunruhigen. Er wusste, dass sie Angst davor hatte, dass er sich womöglich nicht taufen ließ und seine Rumschpringa-Jahre verlängerte – vielleicht für ein ganzes Leben.

Er war einen Teil des Weges gelaufen. Eine Uhr besaß er zwar nicht, aber als er bei Johannes losging, war es bereits halb vier. Auch er, der gewohnt war zu Fuß zu gehen, schaffte keine zwei Meilen in einer halben Stunde, wenn er normales Tempo anschlug, und so beeilte er sich, um zumindest nicht allzu spät zu kommen. Falls sein Vater ihm nicht mehr erlaubte, für Johannes Bontrager zu arbeiten und ein wenig Geld zu verdienen, wäre es rasch vorbei mit seinen Ausflügen nach Harrisburg und das wollte er unter keinen Umständen riskieren.

Vor dem Haus stand ein Buggy mit angeschirrtem Pferd. Das bedeutete, dass der Besuch nur kurz sein würde, andernfalls hätte der Kutscher das Pferd ausgeschirrt und in das Gatter neben dem Stall gebracht. Im Näherkommen erkannte er, dass es sich um Hostettlers Gespann handelte, da er das Pferd an der Form seiner weißen Blesse, die bis über die Nase reichte, erkannte. Das Tier war das einzige weit und breit, dessen Nase weiß war.

Da er nicht sicher sein konnte, wer von den Hostettlers zu Besuch war, betrat er die Scheune durch die seitliche Tür, die selten benutzt wurde. Grundsätzlich mochte er die Familie von Jacob Hostettler. Aber in der letzten Zeit fiel im abendlichen Gespräch öfter einmal der Name von Malia, der 16jährigen Tochter Jacobs – für ihn eindeutig zu oft! Er selbst war beinahe 18, also ein gutes Alter, um sich nach einer potentiellen Lebenspartnerin umzusehen.

Markus hatte keinerlei Ambitionen in dieser Richtung und darin unterschied er sich durchaus von den meisten seiner Altersgenossen, einerlei ob amisch oder weltlich. Der Unterschied bestand lediglich darin, dass die weltlichen jungen Leute ihren jeweiligen Partner noch häufiger wechselten, bevor sie sich für länger banden, während die Amisch zumeist bei der ersten Wahl hängen blieben, was bedeutete, dass diese Wahl sehr überlegt getroffen wurde. Wobei allerdings die Jungs den Vorteil hatten, von sich aus auf das Mädchen zugehen zu können, die Mädchen jedoch subtiler die Aufmerksamkeit ihres Favoriten auf sich lenken mussten.

Markus konnte im Moment nicht viel Gutes an den Rahmenbedingungen seiner amischen Umgebung finden. Ihm war durchaus bewusst, dass er mehr kritisierte, als es eigentlich zu kritisieren gab, aber er konnte zurzeit nicht anders, als auf Abstand zu gehen. Dennoch hoffte er, dass sich diese Phase wieder legte. Zum einen lebte er gerne hier und er mochte die Leute, die so sehr zusammenhielten und vieles gemeinsam schafften. Andererseits jedoch missfielen ihm manche der althergebrachten Verhaltensweisen, das patriarchalische System und die Härte, die manche seiner Glaubensgenossen ihresgleichen entgegenbrachten.

Seine Mutter hatte einmal versucht, ihm zu erklären, dass es sich lediglich um notwendige Zurechtweisungen handelte, wenn Menschen wegen ihrer Verfehlungen verwarnt oder gar gebannt wurden, und dass jeder die Möglichkeit habe, seine Fehler einzusehen, zu bereuen und in die Gemeinschaft zurückzukehren. Niemand würde nach erfolgter Rehabilitation je wieder darüber sprechen. Das entsprach durchaus der Wahrheit, was nicht hieß, dass sich Markus von der grundsätzlichen Engstirnigkeit, wie er es seit kurzem nannte, abgestoßen fühlte. Gerne hätte er zu diesem Punkt mit jemandem gesprochen und auch seine eigene Meinung dargelegt, doch die war nicht gefragt. Es zählte die Meinung des Bischofs und der Dekane, die sich nach Kräften bemühten, sich an der Bibel zu orientieren.

Markus atmete tief durch, als er die Tür hinter sich schloss. Dann meldete er sich bei seinem Vater, der irgendwo auf der Tenne herumhämmerte.

„Ich bin da! Soll ich zu dir hinauf kommen oder gibt es anderes zu tun?“, rief er nach oben.

Das Hämmern hatte bei den ersten Worten aufgehört. „Endlich! Du kannst mir zuerst die Balken anreichen, bevor wir hier oben weitermachen.“ Das Gesicht seines Vaters erschien oben an der fest angebauten Leiter. Er sah nicht unfreundlich aus, wie Markus fand und hoffte, dass ein entspanntes Arbeiten möglich war. Das war durchaus nicht immer der Fall, zumal Ruben Troyer zuweilen recht mürrisch sein konnte.

Markus eilte sich, seine Arbeitshandschuhe, die an einem Haken in der Scheune hingen, anzuziehen und die schweren Balken an die Aussparung an der Decke zu lehnen, um sie dann in einer Art Räuberleiter hochzuhieven, damit sein Vater sie zu fassen bekam und hinaufziehen konnte. Das war Knochenarbeit und nachdem der Stapel abgearbeitet war, kam sein Vater die Leiter herunter, um sich erst einmal einen Schluck Wasser zu genehmigen.

„Wenn wir uns Mühe geben, werden wir morgen Abend fertig sein mit der Arbeit auf der Tenne. Dann kannst du Bischof Schwartz mit den Bänken für den Gottesdienst am Sonntag helfen.“ Bischof James Schwartz war erst vor kurzem zum Bischof gewählt worden und war noch keine dreißig Jahre alt. Doch seine jungen Jahre änderten nichts an seiner engen Auslegung der Bibel. Sein Vorgänger war weitaus liberaler eingestellt gewesen und hatte sich großzügig und freundlich seiner Gemeinde gegenüber gezeigt. Markus hatte schon mehrmals gehört, wie Bischof Schwartz in Gesprächen mit den Männern des Bezirks die fehlende Strenge in Bischof Isaac Yoders Amtszeit angemahnt hatte.

„Ja, mache ich gerne.“ Das war die Wahrheit. Markus hatte nichts gegen die langen Gottesdienste und auch nichts gegen die ausufernden stundenlangen Predigten des Bischofs. Wenn es ihn in seinem religiösen Suchen weiterbrachte, hörte er gerne zu und Bischof Schwartz oder auch die Prediger, die sich mit ihm abwechselten, hatten bei aller Strenge interessante Dinge zu erzählen. Nur würde sein Ausflug nach Harrisburg an diesem Gottesdienstwochenende eher kurz ausfallen. Dafür würde er am darauffolgenden gottesdienstfreien Wochenende über Nacht dort bleiben, was sein Vater zwar tolerierte, aber nicht wirklich guthieß.

„Du fährst morgen wieder nach Harrisburg?“ Ruben Troyer schien Markus Gedanken zu erraten.

„Ich habe es vor, ja“, antwortete Markus wahrheitsgemäß. Sie saßen auf der Bank vor der Scheune, gleich neben dem steinernen Trog, in den das klare Wasser einer Quelle sprudelte und über einen Überlauf wieder in der Erde verschwand. Nun drehte sein Vater den Hahn zu. Das Plätschern erstarb.

Ruben Troyer missbilligte die Ausflüge Markus‘ nach Harrisburg mehr, als dieser ahnte, doch er hielt sich zurück. Es war das Recht des jungen Mannes, sich auf eigene Füße zu stellen. Dennoch befürchtete er eine zunehmende Entfremdung seines Sohnes den althergebrachten Traditionen gegenüber. Markus hatte begonnen, Fragen zu stellen. Fragen, die er weder beantworten wollte, noch zuweilen konnte. Deshalb gestalteten sich ihre wenigen Gespräche eher einsilbig, da Markus nicht an Small-Talk gelegen war und sein Vater nicht auf seine Wissbegierde einging. So arbeiteten sie zumeist schweigend miteinander. So auch diesmal.

Die Arbeit auf der Tenne schritt voran. Sie waren am Samstag bereits am frühen Nachmittag fertig und Markus beeilte sich, mit dem Buggy seines Vaters den kurzen Weg zu Bischof Schwartz hinüber zu fahren, wo die Bänke für den Gottesdienst eingelagert waren.

Der Bischof war erst seit kurzem wieder verheiratet, nachdem er seine erste Frau bei der Geburt ihres vierten Kindes verloren hatte. Obwohl James Schwartz sich den Bart an Kinn und Wangen seit seiner ersten Hochzeit vor zehn Jahren wachsen ließ, sprossen die Haare zu seinem Leidwesen nur spärlich. Zu einem honorigen Bischof gehörte seiner Meinung nach auch ein respektabler Bart. Da derlei Gedanken aber für einen Bischof zu hochmütig waren, musste sich James Schwartz seinen Stolz selber verbieten.

Unverheiratete Männer rasierten sich. Oberlippenbärte waren verpönt, da sie zu sehr an die militärische Haartracht der früheren Zeiten erinnerten. Auch das war etwas, was Markus nicht verstand.

Das Aussehen der Bärte hatte die Jahrhunderte überdauert und Traditionen waren grundsätzlich nichts Schlechtes, aber war die innere Einstellung eines Menschen zum Militär, zu Krieg und Frieden, zu Versöhnung und Verzeihen, nicht wichtiger, als das äußerliche Zeichen der Haartracht? Er kam zu keinen weiteren Überlegungen, da ihn Bischof Schwartz bereits an der Ecke seiner Scheune erwartete.

„Du bist früh dran, Markus Troyer. Aber gut, dann sind wir früher wieder zurück“, begrüßte ihn der ehrwürdige Bischof freundlich. Seine Miene war nicht so mürrisch, wie die der anderen Amisch. Gott hat ihm offensichtlich ein freundliches Antlitz gegeben, selbst wenn er neutral guckt, dachte Markus, als er mit dem noch jungen Mann hinüber in die Scheune ging. Dort stand in einer eigens dafür geschaffenen Ecke der Wagen mit den Bänken, der vor jedem Gottesdienst zu dem Anwesen derjenigen Familie gefahren wurde, die an der Reihe war, die Versammlung auszurichten. James Schwartz schirrte die beiden kräftigen Rappen an und spannte sie mit Markus‘ Hilfe vor den schweren Wagen. Die beiden Männer setzten sich auf den Kutschbock und das Gespann setzte sich schwerfällig in Bewegung.

„Dein Vater ist in Sorge, weil du dich häufig in Harrisburg aufhältst“, begann der Bischof ohne Umschweife, als sie mit ihrem überbreiten Gefährt langsam den schmalen Weg entlang fuhren, der das Gehöft der Schwartz‘ mit der Hauptstraße verband. Markus legte die Stirn in Falten, ohne dass der Bischof dies bemerkte. Sein Vater hatte also die Hilfe seines Sohnes angeboten, damit der Bischof ihn ausfragen konnte. Nun, er tat nichts Unerlaubtes. Viele der jungen Amisch fuhren in die Städte, die sich in ihrer Nähe befanden, um ein wenig das Leben außerhalb der engen Bezirksgrenzen kennenzulernen.

„Ja, ich weiß, dass er sich sorgt. Aber ich habe ihm bereits mehrmals versucht zu sagen, dass seine Sorge unbegründet ist. Ich schaue mich um, so wie die anderen es auch tun.“

„Du stellst Fragen.“ Markus erwartete eine konkrete Frage oder Feststellung und schwieg. Als er nach einiger Zeit bemerkte, dass da nichts weiter kam, zuckte er mit den Schultern.