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Carly Alderson lebt in der prächtigen weißen Traumvilla mit dem wunderschönen Pool wie eine Prinzessin. Doch seit der Scheidung von ihrem untreuen Ehemann fühlt sie sich wie Aschenputtel: traurig und einsam. Erst als sie den attraktiven, einfühlsamen Zimmermann Bo Conway kennen lernt, flackert Hoffnung auf das große Glück in ihr auf. Seine Bewunderung tut ihr unendlich gut – ganz unmerklich schleicht sich die Liebe in ihr Herz. Aber obwohl Bo sie offensichtlich begehrt, scheint ihn irgendetwas zu bedrücken. Glaubt er, nur weil sie reich ist, darf er nicht um sie werben?
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Seitenzahl: 199
IMPRESSUM
Nie mehr traurig – nie mehr allein? erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2006 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „The Perfect Wife“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA, Band 1590 Übersetzung: Xinia Picado Maagh-Katzwinkel
Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A. / RichardNewton
Veröffentlicht im ePub Format in 4/2022
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751514064
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Als es an der Tür klingelte, saß Carly Alderson auf ihrem Sofa und schaute sich einen traurigen Liebesfilm an. Während sie mit einer Hand ihre Tränen wegwischte, steckte sie sich den letzten Bissen eines Donuts in den Mund.
Sie hatte nicht mit Besuch gerechnet und wäre lieber ungestört geblieben. Am liebsten würde sie die Unterbrechung ignorieren, den letzten Donut aus der Tüte holen, sich im Sofa zurücklehnen und mit den Filmhelden leiden, statt sich mit ihrem eigenen Kummer zu beschäftigen.
Andererseits hoffte sie, dass Greg wieder nach Hause kam, um ihr zu sagen, dass er einen riesigen Fehler gemacht habe und nicht ohne sie leben wolle.
Solche Nachrichten könnten ihre Welt wieder in Ordnung bringen, denn Greg hatte sie völlig aus der Fassung gebracht, als er ihr sagte, dass er sie nicht mehr liebte und nach siebenjähriger Ehe die Scheidung wollte.
In einem Anflug von gespielter Tapferkeit hatte Carly ihn aus dem Haus geworfen, alle Schlösser ändern lassen und ihren Mädchennamen wieder angenommen.
Natürlich wollte sie ihn mit ihrem Verhalten nur schockieren, damit er wieder zur Vernunft kam.
Bis jetzt hatte sie damit aber keinen Erfolg gehabt.
Wieder hörte sie ein Läuten, und Carlys Herzschlag beschleunigte sich.
Was wäre, wenn es wirklich Greg war?
Natürlich wollte sie unbedingt ihre Ehe retten. Carly stand auf, aber als ihr Blick auf die Tüte in ihrer Hand fiel, hielt sie die Luft an.
Greg durfte nicht sehen, dass sie sich vollstopfte. Schließlich hatte sie seit der Trennung mehr als acht Pfund zugenommen. Sie steckte die Tüte mit dem Donut hinter das Kissen auf dem Sessel, etwas, was sie seit Jahren nicht mehr getan hatte.
Dann lief sie ins Bad, um zu überprüfen, ob sie keine Zuckerspuren im Gesicht hatte. Als sie sich im Spiegel betrachtete, sah sie ein armseliges, bedauernswertes Wesen, das keine Ähnlichkeit mit der Frau hatte, die sich so gut beherrschen konnte.
Sicher würde Greg glauben, sie sei noch nicht über ihn hinweg. Bis gestern hatte das auch noch gestimmt. Aber diesmal waren ihre Tränen auf den traurigen Film zurückzuführen, und …
Ihre Gedanken wurden durch ein ungeduldiges Klingeln unterbrochen.
„Komme gleich!“, rief sie, während sie den Wasserhahn aufdrehte.
Fast hoffte sie, der ungebetene Besucher vor der Tür würde weggehen, aber sie hatte ihren Wagen nach dem morgendlichen Einkauf nicht in die Garage gestellt. Daher wussten die meisten Leute, dass sie im Haus war.
Stünde Greg vor der Tür, würde sie vor Scham sterben, denn er hatte sie noch nie so elend gesehen.
Früher gab es eine Zeit, in der sie immer so ausgesehen und sich schlecht gefühlt hatte. Aber seit sie von Zuhause ausgezogen war und das College besucht hatte, war viel Zeit vergangen. Sie hatte an sich gearbeitet und sich um Selbstbeherrschung bemüht.
Wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie in letzter Zeit teilweise in alte Gewohnheiten zurückgefallen war. Das musste aufhören, damit sie sich durch die zusätzlichen Kilos nicht wieder so hässlich und wertlos fühlte wie als Kind.
Obwohl sie die erniedrigenden Gedanken verdrängen konnte, hörte sie doch wieder die Worte ihres Vaters. Verdammt, Carly. Isst du schon wieder? Wenn du nicht aufpasst, wirst du so fett wie deine Mutter. Meine Güte, Mädchen. Kannst du dir nicht einen großen Spiegel anschaffen, damit du siehst, wie dick dein Hintern ist?
Umwillig schüttelte sie den Kopf. Dann griff sie nach einem bestickten Handtuch und wischte die verschmierte Wimperntusche weg.
Diesmal schlug jemand mit der Faust gegen die Tür. „Mach auf, Carly. Wir wissen, dass du da bist.“
Es war nicht Greg.
Beinahe wäre sie in das Fernsehzimmer zurückgekehrt, um ihren Besuch einfach zu ignorieren, aber sie hatte die Stimme von Molly erkannt, die einen Schlüssel zum Haus hatte.
Molly und sie konnte man nicht direkt als beste Freundinnen bezeichnen, denn Carly ließ niemanden nahe an sich herankommen. Aber als sie ihre neuen Haustürschlüssel bekommen hatte, wollte sie einer Nachbarin für Notfälle einen abgeben.
Da Molly direkt nebenan wohnte, war die Wahl auf sie gefallen.
„Ich habe einen Schlüssel“, erinnerte Molly sie. „Komm, Carly, mach schon auf. Wir machen uns Sorgen um dich.“
Dass sich die Nachbarn um sie sorgten, verbesserte ihre Laune sofort.
Carly holte tief Luft und öffnete dann die Haustür, vor der Molly und Rebecca Peters, eine weitere Nachbarin, standen. Als sie zur Seite trat, um die beiden ins Haus zu lassen, atmete sie den Duft von Sonnencreme ein.
Rebecca, eine attraktive Frau um die Dreißig, deren blaue Augen wirkungsvoll mit dem braunen Haar kontrastierten, war wie immer modisch gekleidet. Sie trug sogar ein passendes Oberteil zu ihrem Badeanzug. „Wir wollen mit dir ins Schwimmbad gehen.“
„Ist das euer Ernst?“ Carly, die normalerweise nicht einmal zum Frühstück ging, ohne perfekt gestylt zu sein, blickte auf ihr blaues T-Shirt. Es gehörte Greg und war damals im Trockner gewesen, als sie von Greg verlangt hatte, seine Sachen zu packen und zu verschwinden. „In diesem Zustand kann ich nirgendwohin gehen.“
„Für das, was wir vorhaben, siehst du gut genug aus“, erwiderte Rebecca.
„Richtig“, bestätigte Molly, die ein weißes Sommerkleid trug. „Du hast deine Wunden lange genug geleckt, und du kommst jetzt mit.“
Oh, nein. Carly würde nicht mit ihnen gehen. Warum sollte sie? Sie hatte schließlich einen eigenen Pool mit Wasserfall, Außenkamin, ein Warmwasserbecken, herrliche Grünpflanzen und einen farbenfrohen Garten. „Wenn ihr euch sonnen oder schwimmen wollt, dann kommt doch herein. Wir können den Nachmittag im Garten verbringen.“
„Heute nicht. Du hast dich schon zu lange in deinem Haus vergraben, und es ist höchste Zeit, dich noch einmal draußen sehen zu lassen.“ Molly, deren braunes lockiges Haar mit einer eleganten Spange hochgesteckt war, zeigte auf die Treppe. „Hol dir ein Handtuch und einen Badeanzug und komm mit.“
„Ich habe mich gar nicht hier vergraben“, log Carly.
Rebecca, deren blaue Augen ziemlich energisch funkelten, verschränkte die Arme vor der Brust. „Es gibt noch ein Leben nach der Scheidung, Carly. Je eher du das akzeptierst, desto besser.“
„Aber das tue ich doch.“ Es tat ihr jedoch weh, dass Greg seit einem Monat ein Verhältnis hatte. Er traf sich ausgerechnet mit Megan Schumacher, einer weiteren Nachbarin, die Carly für ihre Freundin gehalten hatte.
Dabei hatte sie sich so sehr bemüht, in jeder Hinsicht die vollkommene Frau für Greg zu sein.
Megan dagegen wog mindestens zwanzig Pfund zu viel und war nicht einmal besonders hübsch. Was sah Greg in ihr?
Vielleicht hatte Carlys fleißiger, erfolgreicher Exmann eine Midlife-Crisis, falls man so etwas schon mit dreißig bekommen konnte. Carly konnte sich überhaupt nicht erklären, warum Greg nicht mehr mit ihr verheiratet sein wollte, denn sie hatte so sehr darauf geachtet, in Form zu bleiben, damit er stolz auf sie war.
Selbst Gregs hochnäsige Mutter Vanessa, die man kaum zufriedenstellen konnte, hatte Carly allmählich akzeptiert. Nach der Trennung hatte sie Carly verteidigt und versucht, Greg davon zu überzeugen, wieder nach Hause zurückzukehren und seiner Ehe noch eine Chance zu geben.
Aber er hatte es nicht gewollt.
„Ohne dich gehen wir nicht los“, sagte Rebecca und legte die Hände auf Carlys Schultern. Dann drehte sie sie um und schob Carly auf die Treppe zu.
„Hol deine Badesachen. Wir warten.“
Viel lieber würde Carly ihren Donut essen, aber sie tat das, was die Nachbarinnen vorschlugen. Warum auch immer. Vielleicht hatten sie ja recht. Sie hatte sich versteckt und in den Schmollwinkel zurückgezogen, und es war Zeit, sich wieder in den Griff zu bekommen.
So schlecht ging es ihr doch gar nicht. Sie hatte ein schönes Haus und war bei der Scheidung großzügig bedacht worden. Wenn sie einige Wochen fasten und Sport treiben würde, hätte sie auch bald wieder ihre gute Figur zurück.
An den Donuts durfte sie sich nicht mehr vergreifen, denn dann wäre sie bald so dick wie ihre Mutter.
Sofort bekam Carly ein schlechtes Gewissen, denn sie wollte ihre Mutter nicht kritisieren. Sie liebte und vermisste sie, aber das Gewicht, das diese seit den letzten fünfundzwanzig Jahren mit sich herumschleppte, war ungesund und konnte zu Herzproblemen oder einem Schlaganfall führen. Außerdem verließ sie das Haus kaum noch.
Vor Jahren hatten Carly, ihre Mutter und die Schwester sich sehr nahe gestanden und in schwierigen Zeiten zusammengehalten. Alle litten jedoch unter Essstörungen, obwohl Carly ihre überwunden hatte.
Wirklich, fragte die innere Stimme. Und was ist mit dem Donut unter dem Kissen?
Okay. Vielleicht hatte sie ihr Essverhalten doch nicht ganz unter Kontrolle, aber seit Greg nicht mehr da war, hatte sie keine Lust mehr auf das tägliche Training und auf die kohlenhydratfreie und fettarme Kost.
Aber sie würde bald wieder auf die richtige Spur kommen.
Als Carly die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hochging, nahm sie sich vor, ihre Mutter am Abend anzurufen. Der letzte Anruf lag eine Woche zurück, und Carly wollte sich nach ihr erkundigen und hören, ob das neue Diätprogramm, an dem die Mutter auf Rat des Arztes teilnahm, erfolgreich war.
Während des letzten Arztbesuches hatte ihre Mutter erfahren, dass ihr Übergewicht sie langsam umbrachte. Ihre Knie schmerzten, und die Cholesterinwerte und Triglyceride waren stark erhöht.
Aber diese Probleme konnte ihre Mutter nur allein lösen.
Natürlich hatte Carly alles versucht, nicht in die Fußstapfen der Mutter zu treten, und sie wollte nicht zulassen, dass sie die Kontrolle über ihr Essverhalten verlor.
Auf jeden Fall würde sie etwas über ihrem Badeanzug tragen. Schließlich sollte man nicht den Bauch sehen, den sie sich im letzten Monat angefuttert hatte. In den vergangenen Jahren war sie immer schlank und trainiert gewesen, und wenn sie daran dachte, dass jemand ihre Problemzone sehen konnte, wurde ihr ganz übel.
Allerdings nicht so wie bei ihrer Schwester, die erst hemmungslos aß und sich dann übergab.
Die Scheidung hatte sie schwer getroffen und ihr den sprichwörtlichen Teppich unter den Füßen weggezogen. Ihr Leben hatte sich nur um ihre Ehe mit Greg gedreht, aber es war Zeit, ihr angeschlagenes Selbstwertgefühl wieder aufzubauen.
Wer würde sie außerdem im Schwimmbad sehen?
Bo Conway sah von seiner Arbeit im Schwimmbad auf, als drei Frauen durch das schmiedeeiserne Tor kamen und sich Liegen aussuchten, die ganz in der Nähe seines Arbeitsplatzes standen. Beinahe hätte er sich nicht weiter um die Frauen gekümmert. Doch dann hörte er einen sexy texanischen Akzent und erkannte die wunderschön aussehende Blondine mit den blauen Augen und dem strahlenden Lächeln.
Carly Banning – oder jetzt Alderson – war eine schöne Frau, die hart für ihr Aussehen arbeitete.
Zu hart, wenn man ihn fragte.
Im Keller ihres Hauses hatte sie einen vollständig eingerichteten Fitnessraum, der ihren Exmann Greg Banning einiges gekostet hatte. Aber anders als viele reiche Hausfrauen benutzte sie den Raum tatsächlich.
Bo hatte häufig am Haus der Bannings gearbeitet, sodass er das kürzlich geschiedene Paar besser kannte als die meisten Nachbarn.
Tatsächlich war Bo einer der wenigen Menschen, den die Nachricht von der Trennung nicht überrascht hatte. Zwar hatte er sie nie streiten gehört, aber er spürte die Spannung zwischen ihnen und die Einsamkeit in dem großen Haus, selbst wenn Greg und Carly sich im gleichen Zimmer aufhielten.
Da er beide mochte, tat es ihm leid, als er von der Scheidung erfuhr. Schließlich sollte eine Ehe von Dauer sein. Häufig beobachtete Bo Paare, um festzustellen, wie sie sich behandelten und wie sie ihre Zuneigung zeigten. Sein Onkel Roy hatte ihm während eines ihrer vielen Gespräche über das Leben und die Liebe diesen Rat gegeben.
„Ein Mann kann viel lernen, wenn er Augen und Ohren öffnet“, hatte Roy gesagt, und Bo konnte feststellen, dass sein Onkel recht hatte.
Als er vor einigen Monaten in dem viel zu großen und protzigen Haus gearbeitet hatte, hatte Bo eine weinende Carly – oder Mrs B., wie er sie damals nannte – mit einem Glas Milch und einer Tüte Cookies in einem Sessel gefunden.
„Meine Droge“, hatte sie erklärt.
Zu einer Frau, die in seinen Augen fast vollkommen war und wie verrückt trainierte, schien es nicht zu passen, unzählige Kalorien zu verschlingen.
Er hatte sich auch über ihre Verletzlichkeit gewundert, denn Bo hatte Carly ursprünglich für egozentrisch gehalten. Andererseits war sie immer freundlich und nie herablassend gewesen wie einige seiner Kunden. Aus diesem Grund hatte sie bald sein Herz gewonnen – wie auch heute.
Mehrere Male bemerkte er, dass sie in seine Richtung sah, aber nicht so, als wolle sie ihn reizen. Eher spürte er eine Verbindung zwischen ihnen.
Da ihr Mann sehr beschäftigt war, hatte sie die Bauarbeiten an ihrem Haus überwacht, wobei sie niemanden störte, sondern immer interessiert und freundlich war. Außerdem hatte sie sich überzeugen lassen, wenn er ihr klarmachen musste, dass einige ihrer Vorstellungen sich nicht umsetzen ließen.
Noch etwas anderes gefiel ihm gut und berührte ihn.
Wenn sie nervös war, kaute sie an ihrer Unterlippe, was zeigte, dass sich hinter der heilen Fassade eine Frau versteckte, die auch ihre Probleme hatte.
Jetzt kam er nicht umhin, den Frauen bei ihrem Gespräch zuzuhören, obwohl die Worte sicher nicht für seine Ohren bestimmt waren.
„Wir sollten essen gehen und eine Flasche Champagner öffnen“, schlug die attraktive Brünette Carly vor. „Lasst uns deine Freiheit feiern und auf dein neues Leben anstoßen.“
Bos frühere Kundin sah bei diesem Vorschlag nicht gerade glücklich aus.
„Du musst nur einen neuen Mann finden“, meinte die andere Frau. „Dann hast du ganz schnell wieder deine alte Lebensfreude.“
„Das ist leichter gesagt als getan.“ Carly, die ein großes blaues T-Shirt trug, das ihre gute Figur verhüllte, legte ein gestreiftes Handtuch auf eine Liege. „Ich war so lange verheiratet, dass ich gar nicht mehr weiß, wie ich mich bei einem Date verhalten soll.“
„Denke doch nur ans Fahrradfahren“, erwiderte die Brünette und trank einen Schluck Wasser. „Wenn du es einmal gelernt hast, verlernst du es nicht. Außerdem hat das Singledasein auch seine Vorteile.“
„Ich fühle mich aber noch verheiratet“, entgegnete Carly. „Meine Ehe war das Wichtigste für mich, und ich habe meine eigenen Bedürfnisse zurückgestellt. Heute weiß ich gar nicht mehr, wer ich eigentlich bin.“
Schade, dachte Bo, während er arbeitete und dem Gespräch zuhörte. Ein Mensch sollte schon wissen, wer er war, oder was er im Leben erreichen wollte. Er selbst hatte das schon vor langer Zeit herausgefunden.
Bo hatte sich gerade ein Grundstück gekauft, auf dem er sich ein Haus bauen wollte, das genug Platz für die große Familie bot, die er einmal haben wollte – alles Jungen, wenn es nach ihm ginge.
Natürlich müsste er erst eine Partnerin finden, aber er wollte nicht jede. Er hatte sehr klare Vorstellungen.
Seine Traumfrau war nicht nur seine Geliebte, sondern auch seine beste Freundin. Eine Frau, die, wie er, viel arbeitete und sich um das Gelingen der Ehe bemühte. Eine Gefährtin, die Einsatz zeigte, und für die eine Scheidung keine Lösung war.
Im Laufe der Jahre hatte Bo viele Frauen kennengelernt, die für eine dauerhafte Bindung bereit schienen. Sie verloren aber häufig das Interesse, wenn sie herausfanden, dass er sich nicht nach ihren Vorstellungen formen ließ.
Er hatte es jedoch nicht eilig und würde sicher eines Tages die Richtige finden.
Carly tat ihm leid, und am liebsten würde er ihr sagen, was in ihrer Ehe nicht funktioniert hatte. Vielleicht konnte er ihr einige Verbesserungsvorschläge machen.
Dafür müsste sie ihn aber schon fragen, und das war nicht gerade wahrscheinlich. Schließlich war sie äußerst attraktiv und würde sicher nicht lange allein bleiben.
Außerdem war Bo fast ein Fremder für sie, der nicht in ihren Kreisen verkehrte.
Zufrieden betrachtete er seine Arbeit. Für heute hatte er genug getan.
Als er die Werkzeuge einpackte, hörte er ein Auto kommen und sah zum Parkplatz. Erst beachtete er den Wagen nicht, aber dann entdeckte er Greg Banning, der mit zwei Frauen und mehreren Kindern ausstieg.
Verdammt. Hoffentlich passierte nichts, denn weder Carly noch Greg rechneten damit, sich im Schwimmbad zu begegnen.
Obwohl er Carly gern gewarnt hätte, konnte er sich nicht einfach einmischen.
Am besten packte er seine Sachen ein und ging zum Parkplatz, bevor die Lage ungemütlich wurde.
„Hey“, meinte Rebecca, während sie ihr Oberteil auszog und einen neuen schwarzen Badeanzug enthüllte, der ihre gute Figur betonte. „Habt ihr den Mann gesehen, der da hinten arbeitet? Wer kann das sein?“
Carly blickte zu dem Backsteingebäude und sah Bo Conway, einen der Zimmerleute, die vor einigen Monaten ihr Haus umgebaut hatten.
„Ich kenne ihn“, antwortete sie. „Er heißt Bo“, informierte sie die anderen, „und ist ein sehr guter Zimmermann.“
Außerdem war er sehr attraktiv, und wenn er lächelte, zeigte sich auf einer Wange ein Grübchen. Bo wirkte solide, verlässlich und bodenständig.
Als er in ihrem Haus gearbeitet hatte, hatte Carly ihn häufiger beobachtet, obwohl sie glaubte, dass er nicht ahnte, dass sie ihn … interessant und anziehend fand.
Häufiger hatte sie sich gefragt, ob er liiert war, oder ob er eine sympathische, unverheiratete Frau kennenlernen wollte. Sie hätte ihm gern bei der Suche geholfen, aber wenn sie sich eine Frau für Bo vorstellte, dann fand sie keine, die gut genug für ihn war.
Molly, die ihr Sommerkleid noch nicht ausgezogen hatte, griff in ihre Aktentasche und holte Papiere und ihre Lesebrille heraus.
„Du bringst tatsächlich Arbeit mit ins Schwimmbad?“, wollte Carly wissen.
„Nur einige Unterlagen, die ich überprüfen muss.“ Molly setzte sich neben Carly an den Rand des Pools und steckte die Füße ins warme Wasser. „Dein Bekannter sieht gut aus. Ist er noch Single?“
„Ich nehme an, denn er trägt keinen Ring.“
„Viele Handwerker tragen aus Sicherheitsgründen keinen Ring.“ Rebecca stieg in den Pool und verzog das Gesicht, als sie die Wärme spürte. „Er hat dich jedenfalls nicht aus den Augen gelassen, Carly.“
„Mich? Mach dich nicht lächerlich.“
Bo hatte sie immer respektvoll behandelt. Niemals hatten sie geflirtet. Nicht einmal, nachdem Greg aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen und Carly allein und verletzlich war.
Bei dem Gedanken daran, dass er sie angesehen hatte, schlug ihr Herz schneller.
Sie riskierte einen Blick zu ihm, sah in seine Augen und drehte schnell den Kopf weg.
Hatte er sie wirklich beobachtet? Nein, das konnte nicht sein.
Meine Güte. Sie zog am Saum ihres übergroßen T-Shirts, das die Folgen ihrer Donut-Exzesse verbarg. Bo fragte sich sicher schon, warum sie sich so in der Öffentlichkeit zeigte.
„Ich glaube, er ist wirklich an dir interessiert“, bemerkte Molly.
„Bo?“ Carly musste ihre Überraschung nicht spielen.
„Genau der.“
Rebecca schaute zu Bo. „Warum machst du nicht den ersten Schritt, bevor er geht?“
„Jetzt hör schon auf.“ Carly verdrehte die Augen. „Das würde ich nie tun.“
„Wieso nicht?“
„Weil ich mich immer noch verheiratet fühle.“
Bevor eine der Freundinnen antworten konnte, wurde das Tor geöffnet, und mehrere Kinder liefen fröhlich in das Schwimmbad. Ihnen folgten drei Erwachsene.
Carlys Herz schlug bis zum Hals, als sie Megans Schwester Angela und ihre Kinder erkannte.
Das allein hätte schon gereicht, um sie nervös zu machen, aber als Greg mit Megan am Arm durch das Tor kam, wollte Carly sich am liebsten im Pool verstecken, denn Megan war die Frau, mit der Greg jetzt zusammen war.
Ihr Bauch schien ihr plötzlich viel zu dick zu sein, und sie wollte nur noch schnell verschwinden.
Okay, wahrscheinlich fühlten Greg und Megan sich auch gerade nicht wohl, denn sie lächelten nicht mehr, nachdem sie sie erblickt hatten. Sie konnten sich aber gegenseitig trösten, und Carly war allein in dieser unangenehmen Situation.
„Oh, Carly, nie hätte ich gedacht, dass sie herkommen würden.“
Carly war nicht sicher, ob Molly oder Rebecca gesprochen hatte. Sie wusste nur, dass sie nicht mehr bleiben konnte.
„Meine Güte, ich kann gar nicht glauben, wie spät es schon ist. Ich muss gehen.“
„Ich bringe dich nach Hause“, bot Molly an.
„Mach dir keine Mühe. Genieß lieber das schöne Wetter.“ Carly zwang sich zu einem Lächeln. „Und mir kann es gar nicht schaden, wenn ich mich etwas bewege.“
Glücklicherweise hatten Greg und Megan einen Platz am flachen Ende des Schwimmbades gefunden, sodass Carly schnell zur Liege ging, ihre Sandalen anzog und alle Utensilien in ihre Sporttasche steckte. Dann marschierte sie durch das Tor und ging zum Parkplatz.
Der Weg nach Hause war noch lang, aber das war ihr egal, denn sie wollte keine Minute länger im Schwimmbad bleiben.
Außerdem könnte sie unterwegs ein Taxi anhalten.
Als sie über den Parkplatz ging, stieß sie mit einem muskulösen Mann zusammen. Sie schnappte nach Luft und nahm den Duft eines herben Männerparfums wahr.
Da öffnete sie die Augen und sah Bo vor sich stehen.
„Geht es Ihnen gut?“, fragte er.
Sie öffnete den Mund, aber ihr fehlten die Worte, und sie biss sich auf die Unterlippe. Als eine Träne ihre Wange hinunterrollte, wischte Bo sie sanft weg.
Dann legte er den Arm um sie und führte sie zu seinem Wagen. „Kommen Sie, ich bringe Sie nach Hause.“
Carly war nicht in der Lage zu widersprechen, selbst wenn sie gewollt hätte. Als sie mit Bo ging, fühlte sie sich plötzlich mutiger und weniger verheiratet.
Bo öffnete die Beifahrertür seines Pick-ups und sah zu, wie die attraktive Blondine ihre Tasche ins Auto legte und dann einstieg.
Ein übergroßes, blaues T-Shirt bedeckte ihren Badeanzug, konnte aber die langen, prachtvollen Beine nicht verbergen.
An den Füßen trug sie weiße Sandalen mit hohen Absätzen, und die Strasssteine auf den Riemchen lenkten die Aufmerksamkeit auf ihre kirschrot lackierten Zehennägel.
Alles in allem war Carly Alderson eine Frau, die die Blicke auf sich zog, aber Bo verkniff es sich, sie anzustarren. Sonst könnte sie noch denken, dass er gewisse Absichten hatte, was aber nicht stimmte. Selbst wenn er sie bedauerte, ließ er sich mit solchen reichen, an Luxus gewöhnten Frauen nicht ein.
„Ein kluger Mann kann sich das nicht leisten“, hatte Onkel Roy immer gesagt, bevor er hinzufügte, „und ich spreche nicht nur über Geld, mein Sohn.“
Bo stieg in den Wagen und ließ den Motor an.
Unter normalen Umständen hätte er sich nicht um Carly bemüht, aber wenn es um Tränen ging, konnte er nicht wegsehen. Besonders, wenn die Tränen echt waren.
Die Scheidung hatte ihr sehr zugesetzt, und ihren Exmann mit einer anderen Frau zu sehen hatte ihr sicher wehgetan.
Natürlich hatte Greg Banning auch nicht gerade glücklich ausgesehen, als er Carly im Schwimmbad bemerkt hatte, denn sein Lächeln war ganz schnell verschwunden.
Wahrscheinlich hat er Schuldgefühle, vermutete Bo.
Vielleicht bedauerte Greg inzwischen die Scheidung. Schließlich hatte er eine großzügige Abfindung gezahlt und Carly das Haus überlassen. Das zumindest hatte sie Bo an dem Tag erzählt, als er sie mit roten und verweinten Augen und einer Tüte Cookies zu Hause gefunden hatte.
Scheidungen konnten böse enden. Bo kannte Fälle, bei denen ehemals glückliche Paare sich in bösartige, egoistische Wesen verwandelten, selbst wenn Kinder beteiligt waren, die sich nach Liebe und Stabilität sehnten.
Er konnte sich nicht vorstellen, dass ein Mann so großzügig wie Greg war, wenn er nicht noch Gefühle für Carly hatte.
Obwohl Bo sich auf die Fahrt konzentrieren wollte, sah er kurz zur Seite und fing Carlys Blick auf.
Sie lächelte ihn an. „Das ist sehr freundlich von Ihnen.“
„Kein Problem. Ich helfe Ihnen gern.“