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Als Niels, der geheimnisvolle Schlangentöter aus dem Moor ins Dorf kommt, trifft er nicht nur die schöne Urte, sondern auch seinen jüngeren Bruder Heinrich, den er seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat. Es entsteht ein Liebesdreieck voller unerfüllter Wünsche und Hoffnungen, das tief sitzende und schmerzliche Erinnerungen des Schlangentöters auferweckt...-
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Seitenzahl: 35
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Ernst Wiechert
Saga
Niels der Schlangentöter
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1930, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726951998
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
www.sagaegmont.com
Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
Schon die Art und Weise seiner Ankunft war sonderbar und erregend. Er kam über das Moor gegangen, in den ersten warmen Frühlingstagen, und er ging über Stellen, über die kein Mensch bisher zu gehen gewagt hatte. Manchmal verschwand er hinter den Schilfrändern oder in den niedrigen Birken, zuweilen mit einem Sprung, als trage der Boden ihn nicht und er versuche, sich auf eine feste Stelle zu retten. »Jetzt hat es ihn,« sagten die Leute vor den Haustüren des Dorfes, das zwischen Moor und Wald sich demütig eingenistet hatte. Aber jedesmal, wenn sie es gesagt hatten, mit einem leisen Schauer und einer verstohlenen Hoffnung auf etwas Grausiges, tauchte er wieder auf, machte sich an den Seiten seines Körpers etwas zu schaffen, wo er eine Art von Satteltaschen trug, die auch Körbe sein mochten, oder hielt auch den rechten Arm weit von sich gestreckt, als deute er auf eine ferne Stelle im Moor oder blicke angestrengt auf etwas, das er zwischen den Fingern halte.
Als er näher gekommen war, sahen die Leute, die ihre Morgenarbeit gänzlich vergessen hatten, daß er irgend etwas suchte und auf irgendeinem Fang begriffen war. Denn nur so konnte der ständige Wechsel seiner Richtung, das Spähende und dann plötzlich Zuspringende seiner Bewegungen, das Hantieren an seinen Satteltaschen gedeutet werden.
Vielleicht suche er Kiebitzeier, meinte eine der Frauen, denn die klagenden Vögel schwankten wie eine Wolke um die Gestalt des Mannes, und mitunter stieß ein einzelner Vogel wie ein Blitz auf ihn hinunter.
Nein, wahrscheinlich seien es Wasserflöhe, meinte ein Spaßvogel. Vielleicht sei er Angestellter bei einem Flohzirkus.
Aber der Gemeindevorsteher, dessen weißes Haar in der Sonne leuchtete, verzog keine Miene zu diesen Torheiten, nahm eine Prise aus seiner Birkendose und sagte dann ruhig und abschließend, daß dieser Mann Kreuzottern suche und vielleicht von der Regierung ausgeschickt sei, um ihrer Not ein Ende zu machen.
Darauf war ein bedrücktes und gleichzeitig gespanntes Schweigen, weil diese Möglichkeit sie im tiefsten Ernst anging und schwere Bilder aus ihrer Erinnerung plötzlich überschattend aufstiegen.
Indessen war der Mann auf dem Moore so nahe gekommen, daß sie etwas mehr von ihm ausmachen konnten. Sie sahen, daß er sehr groß und hager war und seine Kleidung nicht gerade zu der feinsten gehörte und ziemlich lose um ihn herumhing. An den Füßen trug er eine Art von Mokassins, die von Sumpfwasser ganz geschwärzt waren, und auf dem Kopf hatte er eine hohe, dunkle Pelzmütze, die alt und abgeschabt war, aber ihm ein fremdländisches und geheimnisvolles Aussehen gab. Aber es war auch zu sehen, daß seine Bewegungen, so schnell und tiergewandt sie während seines Suchens gewesen waren, nun ungeschickt und fast verlegen wurden, als er nach einem letzten spähenden Blick in die Runde gleichsam Abschied vom Moore nahm und auf die Dorfstraße zugeschritten kam.
»Guten Tag,« sagte er und nahm die seltsame Mütze ab. »Es ist euch wohl ein bißchen langweilig geworden, aber es hat auch gelohnt.«
Er hatte gute, ein wenig unsichere Augen in einem schweren Gesicht, und er sah alle der Reihe nach an, ob sie ihm den Übergang vom Schweigen des Moores zu den Gefahren einer Unterhaltung auch nicht zu schwer machen würden.
Ob es richtig sei, daß er Kreuzottern gefangen habe? Ja, das sei richtig, und er öffnete mit schneller und erleichterter Bereitwilligkeit den einen der Weidenkörbe, die er wie hohe, schmale Köcher an einem Ledergurt auf den Hüften trug.
Die Leute drängten sich heran und fuhren mit Gebärden des Grauens und Ekels zurück, denn unter dem zurückgeschlagenen Deckel lag eine scheußliche Wirrnis toter Schlangenleiber mit dem bösen Zickzackstreifen auf den kalt und schleimig erscheinenden Rücken.