Noch drei Geschichten bis Weihnachten - Thorsten Dörp - E-Book

Noch drei Geschichten bis Weihnachten E-Book

Thorsten Dörp

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Beschreibung

Der Baum brennt. Hund Boris sieht schlecht, Nichte Rosalinde darf keinen Lebkuchen essen und Lachs mit Fenchel ist fatal für die Libido! Wer am 24. Dezember noch immer vor der Frage steht, ob Blockflöte oder lauwarmer Punsch – dem sei gesagt, Blockflöten bringen einen wenigstens nicht in den Knast … Drei absolut wahre Geschichten rund um den Tannenbaum!

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Thorsten Dörp

Noch drei Geschichten bis Weihnachten

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

O, du selige Weihnachtszeit

Gute Nacht Marie!

Punschbechersammler

Danke,

Bad Wannesbüren

Impressum neobooks

O, du selige Weihnachtszeit

»Ach, wie schön!«, begrüßt mich Mutter rührgeseelt, als ich halb erfroren vor dem Eingang meines Elternhauses stehe. Ich hoffe, sie meint die Freude darüber, mich zu sehen und nicht die blauen Lippen.

»Ja. Schön. Auch dir frohe Weihnachten, Mama«, antworte ich in dem Umfang lächelnd, wie es meine steife Gesichtsmuskulatur erlaubt. Ich beuge mich ein Stückchen herunter und setze ihr einen eisigen Kuss zwischen Mundwinkel und Wange. Dann drücke ich ihren gemachten Kopf tief in meine schneenasse Daunenjacke. Mutter quiekt.

Von drinnen antwortet es kläffend, und Sekunden darauf reibt sich eine grauhaarige Wolldecke hechelnd an meinem Schienbein, welche ich durch dezente Tritte abzuwehren versuche. Es handelt sich um Boris, wie der kurzgeratene Fusselknäuel im Rahmen meiner Familie genannt wird. Boris riecht schlecht, Boris sieht schlecht, doch Boris begrüßt mich so enthusiastisch, wie es einem vierzehn Jahre alten Mischlingsrüden noch möglich ist. Als mein letzter Tritt ihn von meinem Bein gelöst hat, bevor meine Hose endgültig versaut ist, knurrt er enttäuscht, bellt zwei Tannenzapfen des winterlichen Gesteckes an, das an einer roten Samtschleife an der Tür baumelt und verzieht sich unverrichteter Dinge zurück ins Haus. Ich bin gespannt, ob er nächstes Weihnachten noch mit von der Partie sein wird.

Mittlerweile steht auch meine kleine Nichte Rosalinde im Türrahmen und blickt mich mit murmelgroßen Rehäugelein an. Der Stress des Wartens steht ihr ins Gesicht geschrieben.

»Wo sind deine Geschenke?«, will Rosalinde wissen.

Mich packen Schuldgefühle. Jedes Jahr nehme ich mir aufs Neue vor, ihr einen neuen Namen zu schenken. Irgendwann werde ich es schaffen, ihr eine Urkunde mit einem Namen zu überreichen, der für ein achtjähriges Kind angemessen ist, aus diesem Jahrhundert stammt und den sie laut aussprechen mag.

»Diese Jahr verschenke ich Liebe!«, antworte ich philosophisch.

Rosalinde guckt irritiert.

Ich hatte mir geschworen, dass es dieses Jahr absolut Nichts geben würde, sollte die Industrie ihre ersten Lebkuchen bereits im August in die Regale stellen.

Ungläubig sucht sie mich von oben nach unten ab und hält nach Anhaltspunkten Ausschau, die das Gesagte widerlegen würden.

»Da ist ja echt nichts«, wirft sie mir ihre kindliche Enttäuschung direkt vor die Füße.

»Wann hast du dieses Jahr dein erstes Lebkuchenherz gegessen?«, will ich von ihr wissen.

»Ich habe Diabetes«, antwortet sie beleidigt und verschwindet mit vorgeschobener Unterlippe ins Wohnzimmer.

Mutter sagt noch nichts. Erst als es aus dem Wohnzimmer zu uns durchdringt, dass es kalt werde und man ja schließlich nicht für draußen heize, kommt auch sie auf den Gedanken, mich herein zu bitten. Mit einer geübten Bewegung zieht sie den schweren Vorhang zur Seite und tritt einen Schritt zurück. Dankend folge ich ihrer Geste und trete ins Warme. Wäre Rücksichtnahme eine meiner Tugenden, hätte ich kurz daran gedacht, meine Schuhe abzuklopfen. Stattdessen ziehe ich eine graue Matschspur über die Fliesen und werde erst durch ein schrilles: »Neeeein, nicht ins Wohnzimmer!« von Mutter gebremst. Früher, als wir noch klein waren, war das Betreten des Wohnzimmers tabu, bis ein feines Porzellanglöckchen bimmelnd die Ankunft des heiligen Weihnachtsmannes ankündigte – aber das war es nicht, was sie mir mitteilen wollte …

Sie verbirgt ihren Vorwurf hinter einer wegwerfenden Handbewegung und zieht, als hätte sie gerade darauf gewartet, einen Wischmop hinter dem Vorhang hervor. Auf den ersten Blick sieht er aus wie ein hochmodernes Sportgerät.

»Wow, ist der neu?«, frage ich, weil mir eine Entschuldigung einfach nicht über die Lippen kommen will.

Sie nickt begeistert. Und als sie schon längst dabei ist, das wuchtige Gerät zügig über den Boden zu ziehen, referiert sie mit geweiteten Pupillen über eine Dauerwerbesendung, in der Harry Wijnvoord das Wundergerät höchstpersönlich angepriesen hat. Endlich klärt sich die Frage, wer zum Teufel bei QVC einkauft.

Während die Bodenheizung die Fliesen im trockenen Glanz erstrahlen lässt, drückt Mutter mir ein Paar Stoffpantoffeln in die kribbelnden Finger. Ich bestaune das dem Norwegerpulli entlehnten Muster und folge ihr wortlos ins Wohnzimmer …