Notärztin Andrea Bergen 1518 - Caroline Thanneck - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1518 E-Book

Caroline Thanneck

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Meine Freundin Sonja ist verzweifelt! Nach langen einsamen Jahren hat sie endlich wieder einen Mann gefunden, der sie aufrichtig liebt: Daniel, ein junger Wittwer. Doch ihr Glück ist von dunklen Wolken überschattet! Die beiden haben sich bei einem Autounfall kennengelernt - um genau zu sein: sie hat ihm das Leben gerettet, als er über dem Steuer seines Wagens zusammengesunken und mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Baum geprallt ist! Daniel leidet immer wieder unter solchen Ohnmachtsattacken. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn seine beiden kleinen Kinder im Auto gesessen hätten!
So kann und darf es nicht weitergehen - doch egal, was meine Kollegen und ich auch versuchen: Wir finden die Ursache für seine Ohnmachtsanfälle nicht! Nur eines ist sicher: Daniels Zustand verschlechtert sich dramatisch! Wenn wir das Rätsel seiner Krankheit nicht bald lösen, wird er das Ende des Sommers vielleicht nicht mehr erleben ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 131

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Hilfe in letzter Sekunde

Vorschau

Impressum

Hilfe in letzter Sekunde

Meine Freundin Sonja ist verzweifelt! Nach langen einsamen Jahren hat sie endlich wieder einen Mann gefunden, der sie aufrichtig liebt: Daniel, ein junger Witwer. Doch ihr Glück ist von dunklen Wolken überschattet! Die beiden haben sich bei einem Autounfall kennengelernt – um genau zu sein: sie hat ihm das Leben gerettet, als er über dem Steuer seines Wagens zusammengesunken und mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Baum geprallt ist! Daniel leidet immer wieder unter solchen Ohnmachtsattacken. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn seine beiden kleinen Kinder im Auto gesessen hätten!

So kann und darf es nicht weitergehen – doch egal, was meine Kollegen und ich auch versuchen: Wir finden die Ursache für seine Ohnmachtsanfälle nicht! Nur eines ist sicher: Daniels Zustand verschlechtert sich dramatisch! Wenn wir das Rätsel seiner Krankheit nicht bald lösen, wird er das Ende des Sommers vielleicht nicht mehr erleben ...

Das sah nicht gut aus!

Sorgenvoll besah Daniel sich die Wolken, die vor einer Stunde noch weit weg am westlichen Horizont gewesen waren und sich nun direkt über ihm zusammenballten. Innerhalb kürzester Zeit hatte sich der Himmel zugezogen, und obwohl es noch nicht einmal fünfzehn Uhr war, wurde es bereits dunkel. Der Wind hatte spürbar aufgefrischt und zerrte an den Wipfeln der Pappeln, dass sie sich knarzend neigten. Nicht mehr lange, dann würde es regnen.

Wir sollten uns sputen, wenn wir noch trockenen Fußes nach Hause kommen wollen, dachte Daniel.

Unwillkürlich beschleunigte er seine Schritte. Hinter ihm rumpelte der Bollerwagen mit seinem kleinen Sohn durch ein Schlagloch auf dem Spazierweg. Linus stieß ein überraschtes Quietschen aus und klammerte sich an den Rand des Wagens.

»Entschuldige. Das ist hier die reinste Abenteuerpiste.« Daniel schaute sich nach seiner Tochter um.

Leonie stand am Rand einer bunten Sommerwiese und hielt ihre Kamera in den Händen, aber anstatt zu fotografieren, betrachtete sie ganz verträumt einen Zitronenfalter, der auf einer roten Mohnblüte saß und die Flügel auf- und zuklappte.

Die rosafarbene Kinderkamera hatte sie sich zu ihrem fünften Geburtstag gewünscht. Damit konnte man Bilder gleich vor Ort ausdrucken. Zwar nur in Schwarz-Weiß, aber das genügte Leonie voll und ganz. Daheim malte sie die Bilder dann gern aus.

»Komm, Spätzchen«, rief Daniel, während er den Wagen weiterzog. »Kannst du noch laufen, oder möchtest du dich zu Linus setzen?«

»Laufen«, entschied sie sich nach einem Moment des Zögerns und kratzte sich die nackte Wade mit dem rechten Fuß, ehe sie sich in Bewegung setzte und zu ihnen aufschloss.

Mit ihren hellblonden Haaren und den wachen grünen Augen im sommersprossigen Gesicht wurde sie ihrer Mutter immer ähnlicher. Ihre ruhige, manchmal verschlossene Art hatte sie jedoch von ihrem Großvater geerbt. Der war ganz ähnlich gewesen, hatte selten ein Wort zu viel verloren.

Linus dagegen war eine kleine Plaudertasche. Außerdem hatte er das große Herz für Tiere von seiner Mutter mitbekommen – und Daniels energisches Kinn, von dem manche sagten, es würde auf einen gewissen Eigensinn hinweisen. Sein kleiner Sohn war jedoch so lieb und aufgeschlossen, dass er alle Herzen im Sturm eroberte.

Es war für Daniel Himmel und Hölle zugleich, seine Kinder aufwachsen zu sehen. Er war unendlich stolz auf sie. Gleichzeitig zerriss es ihm das Herz zu wissen, was ihre Mutter alles im Leben der beiden verpasste ...

»Linus will zu den Ziegen«, verlangte sein kleiner Sohn nun energisch.

»Wir sind gleich da.« Daniel sah das Gehege schon vor sich. Etwas, das Linus nicht konnte. Er war blind zur Welt gekommen.

Eine Böe fuhr durch die nahen Pappeln und ließ die Blätter rascheln. Noch regnete es nicht, aber das konnte nicht mehr lange dauern. Daniel verwünschte sich selbst, die Wetterprognose vor dem Aufbruch nicht mehr geprüft zu haben. Sie wollten den Nachmittag im Zoo verbringen, aber so, wie der Himmel jetzt aussah, würde ihr Ausflug ein vorschnelles Ende nehmen.

Wenigstens war es nicht mehr so heiß. Der Wind strich angenehm kühl über seine erhitzte Haut. Daheim in seinem Büro war es den ganzen Vormittag warm wie in einer Sauna gewesen.

Sie passierten das Gehege mit den Lamas, von denen sich Daniel wohlweislich fernhielt, seitdem er beim vorigen Mal eine überaus feuchte Begrüßung von ihnen erlebt hatte. Linus rutschte aufgeregt im Wagen herum.

»Ziegen!«, rief er und strahlte. Das lebhafte Meckern der kleinen Bergziegen hatte ihm verraten, dass sie ihr Ziel erreicht hatten.

Wir bleiben kurz hier, überlegte Daniel. Dann können wir uns nachher hoffentlich noch das Eis genehmigen, das ich den Kindern versprochen habe, bevor wir heimfahren. Er beugte sich über seinen Sohn und wollte ihn gerade aus dem Wagen heben, als seine Tochter hinter ihm ein vernehmliches Quietschen ausstieß.

»Awwwww!«

Schlagartig waren alle seine Sinne hellwach und in Alarmbereitschaft. Er fuhr herum – und brauchte einen Augenblick, um zu erkennen, dass Leonie nicht vor Schmerz oder Schreck gequietscht hatte, sondern aus reinem Entzücken.

Ihr Blick war auf etwas gerichtet, das für ihn wie eine hellbraune Flauschkugel auf vier Beinen wirkte. Erst beim zweiten Hinschauen dämmerte ihm, dass es sich wohl um einen Hund handeln musste. Einen sehr kleinen, sehr flauschigen Hund mit leicht gelocktem Fell und glänzenden schwarzen Knopfaugen, die neugierig in die Welt sahen.

»Was ist?«, fragte Linus.

»Deine Schwester hat einen kleinen Hund entdeckt. Zumindest nehme ich an, dass es einer ist.«

»Ist er«, bestätigte da eine belustigte Stimme hinter ihm. »Er ist ein Maltipoo.«

»Ein ...« Daniel drehte sich um und vergaß, was er fragen wollte, angesichts der jungen Frau, die nun näher kam und ihren Hund anleinte.

Ihre Erscheinung war auf den ersten Blick unauffällig. Sie hatte schulterlange braune Haare, eine schlanke Figur und war kaum geschminkt. Und doch hatte sie etwas Fesselndes an sich, was ihn dazu brachte, kaum die Augen von ihr lassen zu können.

Ihre roten Lippen schienen immer bereit zu sein, sich zu einem Lächeln zu verziehen, und ihre grünen Augen blitzten voller Lebensfreude. Sie wirkte so lebendig und ... ja, sonnig, dass ihm in ihrer Nähe das Herz warm und weit wurde.

»Eine Kreuzung aus einem Malteser und einem Pudel«, beantwortete sie die Frage, die ihm abhandengekommen war. »Maltipoos vereinen beides in sich.«

»Und ist der echt oder zum Aufziehen?«

»Das würden Sie nicht fragen, wenn Sie wüssten, was er an einem Tag alles wegfuttert.« Ein Lachen blitzte ihm aus ihren Augen entgegen und ließ ihn sekundenlang alles um sich herum vergessen.

Linus reckte sich in seinem Wagen. »Darf ich ihn streicheln?«

»Natürlich. Wenn euer Vater nichts dagegen hat?«

»Papa?«, bettelte der Junge.

»Warum nicht?« Der kleine Hund wirkte nicht angriffslustiger als ein Wattebausch.

Linus kletterte aus dem Bollerwagen, wurde von seiner Schwester an der Hand genommen und zu dem kleinen Hund geführt. Sie legte seine Rechte behutsam auf das braune Fell, und Linus kraulte den Winzling, der sich das mit sichtlichem Behagen gefallen ließ und dabei so mit dem Schwanz wedelte, dass er beinahe umfiel.

Der jungen Frau war Leonies fürsorgliche Geste nicht entgangen, und der Schatten, der nun über ihr Gesicht flog, verriet, dass sie sie richtig deutete. Doch statt Mitleid wärmte nur ein Ausdruck von Verstehen ihr Gesicht.

»Wie heißt er?« Leonie strich mit einem Finger über den Kopf des kleinen Hundes.

»Sein Name ist Hamilton«, antwortete die Frau.

Daniel furchte die Stirn. »Ein großer Name für einen kleinen Hund.«

»Das ist er wirklich, nicht wahr?« Sie lachte leise. »Mein Großvater hat ihn getauft. Er ist Geschichtslehrer und hat ein Faible für alte Namen. Es hätte nicht viel gefehlt, und der Kleine wäre jetzt ein Napoleon.«

»Kommandiert er Sie auch herum?«, fragte Daniel.

»Das versucht er zumindest.«

Daniel spürte, wie ein Lächeln an seinen Mundwinkeln zupfte.

Während seine Kinder sacht den kleinen Hund streichelten, ruhte sein Blick auf der Unbekannten, und ein Gefühl meldete sich in seinem Inneren, das sich verdächtig nach Sehnsucht anfühlte ...

Die ersten Regentropfen fielen auf sein Gesicht. Daniel murmelte einen leisen Fluch. »Ich fürchte, wir müssen den Besuch bei den Ziegen verschieben, Kinder.«

»O nein«, entfuhr es Linus.

Und auch Leonie blickte ganz enttäuscht drein.

Als die ersten Tränen kullerten und sich auf den Gesichtern der Kinder mit dem Regen mischten, zog es schmerzhaft in Daniels Brust. »Ich habe keinen Schirm dabei. Wir müssen wirklich ...«

»Darf ich aushelfen?« Die Unbekannte zog einen Regenschirm aus ihrer Tasche, spannte ihn auf und hielt ihn schützend über Linus und Leonie. »Ich nehme an, ihr wollt die Ziegen streichen, was?«

Die Kinder nickten einvernehmlich.

Daraufhin sah sie Daniel fragend an. »Haben Sie etwas dagegen, auf Hamilton aufzupassen, während ich kurz mit den beiden zu den Ziegen gehe? Er darf nicht in das Streichelgehege hinein.«

»Sicher.« Daniel nahm die Leine mit dem kleinen Hund, während sich die Frau zu Linus beugte.

»Ich hebe dich in das Streichelgehege hinein, in Ordnung?«

»Au ja!« Linus nickte lebhaft, während seine Schwester bereits die kleine Leiter erklomm, die hineinführte.

Wenig später streichelten die Kinder selig eine kleine Bergziege. Die Fremde hielt ihren Regenschirm schützend über sie.

Linus kicherte, als ihn die Ziege in die Seite knuffte. Und Leonie hob ihre Kamera, um das Bild festzuhalten. Es wärmte Daniel das Herz, seine Kinder so fröhlich zu sehen. Die Frau beschrieb Linus die kleine Ziege – ihren fröhlich wippenden Bart, die klugen Augen und das schneeweiße Fell mit dem schwarzen Bauch, der aussah, als hätte sie ihn in einen Topf mit Farbe getaucht. Linus gluckste.

Seine Schwester hielt sich ein wenig zurück. Da reckte die Frau eine Hand ihrer Kamera entgegen. »Soll ich dich mit der Ziege fotografieren, Liebes?«

Leonie nickte scheu und überließ ihr die Kamera.

Lächelnd machte die Fremde ein Bild von ihr, wie sie die Ziege streichelte. »Sieh nur, wie zutraulich die Tiere bei euch beiden sind. Sie merken, dass ihr gut zu ihnen seid.«

Da huschte auch ein Lächeln über das Gesicht seiner Tochter – und etwas in Daniel schien zu schmelzen.

Eine Weile blieben sie bei den Ziegen, bis die junge Frau auf ihre Uhr sah und bedauernd sagte: »Ich würde gern noch bleiben, aber ich muss zur Arbeit.«

»Und wir sollten heimgehen«, erwiderte er. »Die Kinder gehören in die Badewanne.«

»Dann wünsche ich euch einen guten Heimweg. Es hat mich gefreut, euch zu treffen.« Sie umarmte zuerst Leonie und dann Linus. Er hielt sie fest und mochte sie gar nicht wieder loslassen. Lächelnd ließ sie es sich gefallen, dann löste sie sich behutsam von ihm. »Viel Spaß noch bei den Tieren, Kinder. Und gebt gut auf euren Papa acht, ja?«

Leonie nickte bedächtig, und Linus versprach: »Das machen wir.«

Die Unbekannte hob Linus über die Absperrung und setzte ihn in den Bollerwagen. Dann vergewisserte sie sich, dass Leonie ebenfalls kam, schenkte Daniel noch ein Lächeln und nahm ihm die Leine ab, bevor sie sich verabschiedete.

Wenig später war sie fort.

Daniel machte sich mit seinen Kindern auf den Heimweg.

Doch der Gedanke an zwei grüne Augen ließ ihn lange nicht mehr los.

***

Verflixt, war das knapp!

Atemlos spähte Sonja auf ihre Armbanduhr. Noch zwei Minuten bis zum Beginn ihrer Schicht. Später hätte sie wirklich nicht kommen dürfen. Wenn ihr Chef eines nicht mochte, dann war es Unpünktlichkeit. Sie hatte schon mehrere Küchenhelfer kommen und gehen sehen, die sich zu ihrer Arbeit verspätet und dann nicht mehr hatten wiederkommen müssen.

Sie brachte die letzten Meter zum Restaurant Rheinblick im Laufschritt hinter sich. Nicht nur, weil ihr die Zeit im Nacken saß, sondern auch, weil es wie aus Eimern regnete. Dicke Tropfen prasselten vom Himmel, und der Sturm fegte ihr beinahe den Regenschirm aus der Hand.

Nach dem Spaziergang im Tierpark hatte sie ihren Hund nach Hause gebracht und in der Obhut ihrer Nachbarin gelassen. Frau Haas kümmerte sich rührend um ihn, während Sonja arbeitete.

Das war ein Glück für sie beide. Sonja wusste den kleinen Hund gut versorgt, und die Seniorin freute sich, wenn er ihr beim Fernsehen Gesellschaft leistete und ihr nicht von der Seite wich.

Einen eigenen Hund traute sie sich nicht mehr zu, aber dem kleinen Hamilton schenkte sie viel Liebe. Und Sonja war froh, dass er nicht stundenlang alleine daheim ausharren musste, wenn sie bei der Arbeit war, denn ins Restaurant konnte sie ihn unmöglich mitnehmen.

Sie arbeitete seit beinahe vier Jahren als Köchin im Rheinblick und hatte dem Restaurant zu seinem ausgezeichneten Ruf verholfen. Die verschiedenen, den Jahreszeiten angepassten Themenwochen waren ihre Idee gewesen. Bald würde es wieder Zeit für die Weinwochen sein. Im Winter gab es regelmäßig Specials, und im Sommer hatten die südamerikanischen Genussabende dafür gesorgt, dass das Lokal jeden Abend bis auf den letzten Platz besetzt war.

An anderen Tagen war sie auf dem Weg zur Arbeit schon bei den kommenden Stunden, plante in Gedanken Arbeitsschritte und überlegte sich neue Verführungen für den Gaumen, die ihre Gäste in Entzücken versetzen könnten.

An diesem Abend jedoch wanderten ihre Gedanken zu der Begegnung mit dem Fremden. Seine Augen hatten es ihr angetan. Wie ernst sie gewesen waren! Und von einer inneren Ruhe beherrscht, die verriet, dass er seinen Platz im Leben gefunden hatte.

Ihr war nicht entgangen, wie liebevoll er mit seinen Kindern umgegangen war. Das hatte sie sogleich für ihn eingenommen. Die beiden waren aber auch bezaubernd gewesen. Das scheue Mädchen ebenso wie der herzige kleine Junge. Sonjas Herz wurde ganz warm, als sie an die beiden dachte.

Was für eine zauberhafte Familie ...

Mit diesem Gedanken wirbelte sie an den beiden Blumenschalen vorbei und durch die Hintertür des Restaurants. Mit etwas Glück hatte ihr Chef noch mit den Reservierungen zu tun und würde nicht bemerken, dass sie an diesem Abend auf den letzten Drücker kam und ...

»Sind wir spät dran heute?« Robert Neubauer kam ihr stirnrunzelnd entgegen.

»Hallo, Robert«, erwiderte sie und verbiss sich ein Seufzen. Er schien seine Augen wirklich überall zu haben.

»Glück gehabt. Du weißt, wie ich es verabscheue, wenn jemand aus meinem Team unzuverlässig ist.«

Sonja nickte und strebte an ihrem Chef vorbei zu dem Pausenraum, in dem auch die Spinde standen, an denen sie sich umziehen konnten. Sie hatte nicht erwartet, dass er ihr folgen würde, aber plötzlich stand er neben ihrem Spind und sah sie nachdenklich an.

»Du siehst heute ganz besonders reizend aus«, sagte er.

»Wir sollten noch mal die Vorschläge für unsere nächsten Genussabende durchgehen«, überging sie seine Bemerkung, die sie ebenso unpassend wie unangenehm fand.

Ihr Chef war Mitte fünfzig, seit gut dreißig Jahren verheiratet und hatte vier erwachsene Kinder. Seine sehnige Statur verriet, dass er sich gern und viel bewegte. Sonja hatte keine Ahnung, mit welchem Sport er sich so fit hielt. Und sie hatte auch nicht vor, ihr Verhältnis über das Berufliche hinausgehen zu lassen.

So überhörte sie seine privaten Anspielungen regelmäßig. »Ich dachte an skandinavische Grillabende. Was hältst du davon?«

»Oh, was das angeht, hast du bei mir völlig freie Hand. Ich weiß, du wirst etwas Großartiges auf die Beine stellen. Leg mir deine Pläne vor, wenn du sie ausgearbeitet hast, und ich werde sie absegnen.«

»Großartig. Dann mache ich mich gleich an die Arbeit.« Sonja hätte ihr Kleid gern mit ihrer weißen Kochkleidung vertauscht, aber das war unmöglich, solange ihr Chef neben ihr stand. »Ich sollte mich jetzt wirklich umziehen.« Die Worte waren kaum heraus, als sie sie bereits bereute, denn ein anzügliches Lächeln umspielte plötzlich seine Lippen.

»Das solltest du wohl«, erwiderte er, und seine Stimme war mit einem Mal rauer und tiefer als eben noch.

Er rückte zwei Schritte näher an sie heran, sodass sie seine Wärme spüren konnte und den Geruch eines herben Aftershaves wahrnahm, der sich mit seinem sauren Schweiß mischte und ihren Magen verkrampfte.

Sie trat zur Seite. »Würdest du mich allein lassen? Mein Chef sieht es nicht gern, wenn ich mich am Herd verspäte«, versuchte sie einen Scherz.