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Während ich das hier schreibe, tropft mir der Schweiß auf das Papier. Dieser Sommer hat es wirklich in sich. Das Thermometer in unserem Garten klettert jeden Tag höher, und die Hitze hat sich längst in jedem Winkel unseres Hauses breitgemacht. Die tropischen Nächte sind nicht wirklich erholsam. Dabei könnte ich ein paar Stunden Schlaf gerade dringend gebrauchen. Denn bei der Arbeit reißen die Notrufe nicht ab. Die Hitze sorgt für Kreislaufturbulenzen und beschert uns so manchen zusätzlichen Einsatz. Meine Tochter Franzi liegt draußen unter dem Sonnenschirm und liest. Ich sollte sie dringend daran erinnern, noch etwas zu trinken, damit es ihr nicht so geht wie meinen vielen Hitze-Patienten.
Moment mal ...! Draußen stimmt irgendetwas nicht. Ich höre einen Hund bellen. Gedämpft nur, aber er klingt ziemlich aufgeregt. Es hört sich beinahe so an, als würde der arme Kerl in einem Auto festsitzen. Bei dieser Hitze? Ich sehe wohl besser mal nach ...
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Seitenzahl: 131
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Zu heiß für die Liebe
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Impressum
Zu heiß für die Liebe
Während ich das hier schreibe, tropft mir der Schweiß auf das Papier. Dieser Sommer hat es wirklich in sich. Das Thermometer in unserem Garten klettert jeden Tag höher, und die Hitze hat sich längst in jedem Winkel unseres Hauses breitgemacht. Die tropischen Nächte sind nicht wirklich erholsam. Dabei könnte ich ein paar Stunden Schlaf gerade dringend gebrauchen. Denn bei der Arbeit reißen die Notrufe nicht ab. Die Hitze sorgt für Kreislaufturbulenzen und beschert uns so manchen zusätzlichen Einsatz. Meine Tochter Franzi liegt draußen unter dem Sonnenschirm und liest. Ich sollte sie dringend daran erinnern, noch etwas zu trinken, damit es ihr nicht so geht wie meinen vielen Hitze-Patienten.
Moment mal ...! Draußen stimmt irgendetwas nicht. Ich höre einen Hund bellen. Gedämpft nur, aber er klingt ziemlich aufgeregt. Es hört sich beinahe so an, als würde der arme Kerl in einem Auto festsitzen. Bei dieser Hitze? Ich sehe wohl besser mal nach ...
Der rote Kleinwagen parkte wenige Meter vom Grundstück der Bergens entfernt. Die Seitenscheibe auf der Fahrerseite war ein Stück heruntergelassen. Gerade genug, dass der Collie im Inneren seine Nase durchschieben konnte.
Wie verzweifelt er um etwas Abkühlung rang!
Ein Wunder war das freilich nicht, denn das Auto stand am Straßenrand in der prallen Sonne. Dr. Andrea Bergen schlug die Hände vor der Brust zusammen. Suchend schaute sie sich nach allen Seiten um.
Im Garten ihrer Nachbarn spielten die Kinder mit dem Wasserschlauch und spritzten sich kichernd voll. Zwei Jogger waren ein Stück entfernt unterwegs. Am Eisstand neben der Bäckerei reihte sich eine lange Schlange Wartender. Doch niemand schien sich um den Hund zu kümmern, der in dem überhitzten Fahrzeug um sein Leben hechelte.
Die Notärztin trat näher an den Wagen heran und probierte, die Tür zu öffnen.
Vergebens. Das Auto war verriegelt.
Ein Blick auf das Thermometer am Armaturenbrett ließ die Notärztin nach Luft schnappen. Das Quecksilber war bereits jenseits der messbaren Skala!
»Haben Sie Ihren Autoschlüssel verloren?« Ein Paar bog um die Ecke und der Mann sah Andrea Bergen fragend an.
»Nein, das ist nicht mein Wagen. Aber ein Hund ist darin eingesperrt.«
»Ach so. Da können wir leider nicht helfen. Wir sind nicht von hier.« Damit nahm er die Hand seiner Begleiterin und zog sie mit sich.
Andrea Bergen richtete den Blick wieder auf den Hund, dessen große Augen auf sie gerichtet waren, als würde er sie um Hilfe bitten. Die Sonne brannte auf ihrem Rücken. Sie mochte sich kaum vorstellen, wie heiß es da erst in dem Fahrzeug sein musste. Lange würde Hund das nicht aushalten. Also: Was sollte sie tun?
»Ich kann nicht einfach die Scheibe einschlagen«, murmelte sie. »Wobei: Etwas anderes bleibt mir nicht übrig, wenn ich dem armen Kerl helfen will. Wenn alle Stricke reißen, bezahle ich dem Besitzer die verflixte Scheibe später.«
Sie rannte zurück zu ihrem Haus, holte den Hammer aus dem Werkzeugkasten und stürmte wieder zu dem roten Kleinwagen.
Beherzt holte sie aus und schlug die Seitenscheibe ein.
Krachend barst das Glas. Scherben rieselten ihr vor die Füße. Sie zog den kleinen Stift nach oben, dann konnte sie die Tür öffnen und den Hund herausheben.
Andrea Bergen trug ihn in sichere Entfernung zu den Scherben und brachte ihn zum Garten ihrer Nachbarn. Behutsam setzte sie ihn im Gras ab. Er fiel augenblicklich um.
Oh! Das war nicht gut. Ganz und gar nicht gut.
»Linus? Finn? Kann ich mir euren Gartenschlauch einmal ausleihen?«
Die beiden Jungen nickten und schleppten den Schlauch zu ihr. Beide trugen nur Badehosen und waren tropfnass.
Andrea Bergen drückte den Hebel und ließ Wasser in ihre hohle Handfläche laufen. Das bot sie dem Collie zum Trinken an.
Er schlapperte es im Handumdrehen weg.
»Ruhig, nicht so hastig«, mahnte sie und strich ihm über die Seite. Dann träufelte sie kaltes Wasser auf das Fell, kühlte ihn behutsam herunter, bis er interessiert den Kopf hob und ihre Finger ableckte.
»So ist es besser, was? Wo ist denn nur deine Familie?«
Er wedelte freundlich.
In der offenen Terrassentür tauchte Lisa Seifert auf, die Mutter der Jungen. Andrea Bergen setzte sie kurz in Bild und bat sie, den Collie kurz bei ihr lassen zu dürfen, während sie nach seiner Familie suchte.
»Natürlich. Er kann gern bleiben.« Ihre Nachbarin holte einen Sonnenschirm und stellte ihn so auf, dass der Collie im Schatten lag.
Die Jungen fuhren damit fort, ihm Wasser anzubieten.
Beruhigt machte sich die Notärztin auf die Suche nach jemandem, zu dem der Collie gehörte. Vielleicht war der Besitzer zum Bäcker oder dem Eisladen gegangen, um etwas einzukaufen, und aufgehalten worden?
Andrea Bergen fragte die Wartenden nach dem Hund, erntete jedoch nur bedauerndes Kopfschütteln. Also eilte sie die fünf Stufen in das Geschäft hinauf und fragte drinnen nach dem Besitzer des Hundes.
Die Verkäuferin entsann sich, dass eine ältere Frau bei ihr Kuchen für den Nachmittagstee mit ihrer Enkeltochter gekauft hatte. »Frau Pohl war das. Sie hat einen Hund, und ich glaube, das ist ein Collie«, fügte sie hinzu.
»Wann ist sie von hier weggegangen?«
»Vor fünfzehn oder zwanzig Minuten etwa.«
»Haben Sie vielen Dank.«
Andrea Bergen verließ das Geschäft und sah sich draußen um. Von der Seniorin war nichts zu sehen. Wobei ... Ihr Blick fiel auf das offene Garagentor auf der anderen Straßenseite. Es bot verlockenden Schatten bei diesen tropischen Temperaturen. Vielleicht hatte sie sich dort kurz ausgeruht?
Etwas zog Andrea Bergen zu dem offenen Tor. Sie eilte über die Straße, tauchte in das Halbdunkel der leeren Garage ein ... Doch so leer war die gar nicht. Eine Frau lag auf dem harten Boden. Sie hatte kurz geschnittene, graue Haare und trug ein Kleid von der Farbe reifer Blaubeeren. Neben ihr lag ein zerdrücktes Kuchenpäckchen.
»Um Himmels willen!« Die Notärztin eilte zu ihr. »Frau Pohl?«
»J-ja?« Die Lider der Frau flatterten. Sie stöhnte leise.
Mit vielfach geübten Bewegungen prüfte Andrea Bergen die Lebenszeichen der älteren Frau. Ihre Haut war mit kaltem Schweiß überdeckt. Und ihr Herz schlug viel zu schnell. Ihre Lippen zeichneten sich bläulich in ihrem bleichen Gesicht ab. Ein deutliches Zeichen für einen Sauerstoffmangel!
»Ich bin Ärztin. Mein Name ist Andrea Bergen. Ich werde Ihnen helfen.«
Damit zog sie ihr Handy aus der Tasche und wählte den Notruf. Sie orderte einen Rettungswagen zu ihrem Standort. Dann schob sie das Telefon zurück, zog einen Schemel heran und bettete die Beine der Frau darauf, um ihren Kreislauf zu stabilisieren.
»M-mein Hund«, flüsterte die Seniorin. »Ich wollte nur rasch Kuchen kaufen, aber dann wurde mir ganz flau, und alles hat sich gedreht. Ist er ... er ...«
»Ich habe ihn aus dem Auto befreit. Er ist in Sicherheit.«
»Gott sei Dank.« Eine einzelne Träne rollte der älteren Frau über die Wange. Sie war noch immer alarmierend blass.
Andrea Bergen überlegte, wie sie ihrer Patientin helfen könnte. Das Beste war es wohl, bei ihr zu bleiben und dafür zu sorgen, dass sie bei Bewusstsein blieb, bis der Rettungswagen eintraf.
»Bleiben Sie ganz ruhig, Frau Pohl. Bei dieser Hitze versucht der Körper, überschüssige Wärme abzugeben. Er steigert die Durchblutung der Haut, damit Wärme entweichen kann. Dadurch steht nicht genug Blut in den inneren Organen und im Gehirn zur Verfügung. Wenn man dann noch zu wenig trinkt, macht der Kreislauf Turbulenzen. Deswegen ist Ihnen schwindelig geworden.«
»Sie sind ... die Notärztin, nicht wahr?« Frau Pohl strich sich zittrig über die Stirn. »Ich kenne Sie vom Sehen. Sie wohnen gar nicht weit von hier.«
»Das stimmt. Ich musste die Seitenscheibe an Ihrem Auto einschlagen, um Ihrem Hund zu helfen. Er saß da drin wie in einem Backofen fest.«
»O du lieber Himmel. Was für ein Glück, dass Sie da waren.«
»Ich kann mich um ihn kümmern, bis sie wieder auf den Beinen sind. Wir haben auch einen Hund. Dolly. Die beiden werden sich sicherlich gut verstehen.«
»Vielen Dank. Meine Enkeltochter kann ihn später abholen.«
»So machen wir es.« Andrea Bergen hörte in der Ferne das Martinshorn des Rettungswagens, das rasch lauter wurde.
Wenig später trafen ihre Kollegen ein.
Andrea Bergen informierte sie über ihre Patientin und übergab sie in ihre Obhut. Wenig später bekam Frau Pohl eine Infusion, welche die Farbe in ihr Gesicht zurückkehren ließ. Sie wurde behutsam auf eine Trage gehoben, und es dauerte nicht lange, dann war sie auf dem Weg ins Elisabeth-Krankenhaus.
Die Notärztin atmete auf. Das war knapp gewesen, aber wenn sich keine Komplikationen einstellten, würde ihre Patientin wieder ganz gesund werden.
Erleichtert holte sie den Collie von ihren Nachbarn ab und nahm ihn mit zu sich nach Hause. Sie hatte kaum das Gartentor passiert, als Dolly – die gutmütigste Hündin, die sich nur denken ließ – heranstürmte, um den Neuankömmling wedelnd zu begrüßen.
Die beiden Hunde beschnupperten sich und wälzten sich wenig später spielend im Gras.
»Nanu? Wen bringst du uns denn da mit?« Ihr Mann trat durch die Gartentür heraus ins Freie und sah den Hunden zu, während sein Lächeln sympathische Lachfältchen um seine Augen eingrub. »Und warum wusste ich nichts von dem Familienzuwachs?«
»Weil der ganz und gar nicht geplant war.« Andrea Bergen erzählte ihrem Mann, was sich zugetragen hatte.
»Die beiden hatten Glück, dass du nicht weggeschaut hast«, stellte er fest.
»Ganz wohl war mir nicht dabei, die Scheibe einzuschlagen, aber der Hund hat mir so leidgetan. Ich musste etwas tun.«
»Er wäre vermutlich in große Schwierigkeiten geraten, wenn er noch länger in dem Wagen gesessen hätte. Wie warm haben wir es? Vierunddreißig Grad? Nach einer halben Stunde herrschen dann in einem Auto Temperaturen von fünfzig Grad – und mehr. Das ist weder für Mensch noch für Tier lange auszuhalten.«
»Da sagst du etwas.« Andrea Bergen nickte ihrem Mann zu. »Du, ich muss zum Spätdienst. Die Enkelin von Frau Pohl holt ihren Hund später ab. Kannst du dich bis dahin um ihn kümmern?«
»Natürlich. Mach dir keine Sorgen. Wir kommen schon zurecht.«
»Danke dir.« Sie reckte sich und gab ihm einen Kuss, der ihn zu einem zufriedenen Brummen veranlasste.
Da bog Franzi um die Ecke. Die Zwölfjährige zog eine karierte Decke hinter sich her. Ihre Flipflops machten ihrem Namen alle Ehre und ließen ein fröhliches Flip-Flap verlauten, als sie näherkam. Sie trug geblümte Shorts und ein weißes T-Shirt. Ihre Haare waren zu einem Zopf geflochten.
Franzi hatte Ferien und den Vormittag lesend im Garten verbracht. Nun jedoch blies sie die Wangen auf und meinte:
»Es ist sogar zum Faulenzen zu heiß ... Oh! Wer ist denn das?« Sie hatte den Collie entdeckt, kauerte sich hin und streichelte ihn. Sie liebte Tiere – ganz egal, ob sie groß oder klein waren. »Gehört er jetzt zu uns?«
»Nein, Spätzchen. Er ist der Hund einer Patientin und wird nachher abgeholt.«
»Okay. Kann ich solange mit ihm spielen?«
»Aber sicher. Sucht euch nur einen Platz im Schatten. Hitze hatte er heute schon genügend.«
»Ich auch.« Franzi fuhr fort, den Collie zu kraulen. Als sich Dolly daneben rollte, bekam auch sie ihre Streicheleinheiten ab.
»Ich gehe dann mal wieder rein und bereite das Mittagessen vor«, beschloss Werner.
»Och, ich hab keinen Hunger.« Franzi zog die Nase kraus. »Ist viel zu heiß.«
»Darum habe ich uns eine kühle Melonensuppe vorbereitet. Schön fruchtig.«
»Mhmm!« Das ließ die Augen der Zwölfjährigen aufleuchten.
Andrea Bergen folgte ihrem Mann ins Haus. Während er den Tisch für das Mittagessen deckte, machte sie sich bereit für ihren Dienst. Sie füllte eine Thermoskanne mit Eistee und tauschte ihre Bluse und die luftigen Leinenhosen mit ihrer Arbeitskleidung. Nur die Jacke mit der Aufschrift NOTÄRZTIN ließ sie aus.
»Bei diesem Wetter wäre eher Badebekleidung angebracht«, meinte ihr Mann.
»Ich glaube nicht, dass das genehmigt wird.«
»Das sollte es aber. Ehrlich, diese Hitze ist nichts für mich. Wir sollten darüber nachdenken, umzuziehen. Irgendwohin, wo es kühler ist. In die Sahara vielleicht.«
Andrea Bergen lachte. »Schaffen wir uns dann ein Kamel anstelle eines Autos an?«
»Warum nicht? Weniger Abgase, größerer Kuschelfaktor.« Ihr Mann schmunzelte.
»Darüber reden wir noch. Jetzt muss ich leider los. Hör zu: Den Garten habe ich heute Morgen gewässert, aber das wird nicht lange vorhalten. Du solltest es gegen Abend wiederholen, sonst können wir demnächst fix Dörrobst ernten.«
»Ich kümmere mich darum.« Werner schlang die Arme um sie. Er roch nach Duschgel, sauberer Wäsche und einem Hauch Schweiß. »Pass auf dich auf, Liebes. Wir sehen uns heute Abend.«
»Es wird sicherlich spät. Wenn es so wird wie die letzten Tage, dann steht mir ein turbulenter Dienst bevor.«
***
»Ist das nicht herrlich?« Carl Höflinger gab ein wohliges Geräusch von sich.
Er war seit acht Jahren Fahrer im Rettungsdienst und steuerte das Notarzt-Einsatzfahrzeug, kurz NEF genannt, mit ruhiger Hand durch den Feierabendverkehr. Seine sonnengebräunte Haut verriet, dass er sich gern und viel im Freien aufhielt. Er liebte es, sich in jeder freien Minute auf sein Mountainbike zu setzen und ausgedehnte Radtouren zu unternehmen. Die Fältchen um seine Augen verrieten, dass er nicht mehr so jung war, wie er wirkte.
»Herrlich?« Andrea Bergen saß im NEF neben ihm. »Bitte sag mir, dass du nicht von der Hitze redest.«
»Wovon sonst?« Sein Lächeln wurde noch ein wenig breiter, als er an der Schwimmhalle rechts abbog und Richtung Rheinufer weiterfuhr. »Das ist mein Wetter. Da blühe ich auf. Hab den Morgen am Badestrand verbracht.«
»In der prallen Sonne?«
»Nur die Sonne bringt wahre Wonne«, dichtete er und grinste. »Meinetwegen kann das Wetter gern bis in den Dezember hinein so bleiben.«
Andrea Bergen verzog das Gesicht. »Dann wäre von mir nur noch ein Fleck auf dem Asphalt übrig. Wie hältst du das nur aus?«
»Hab früher in einer Dachgeschosswohnung gewohnt. Im Sommer bist du da fast weggeschmolzen. So was härtet ab. Sag mal, hat der Kerl seine Ohren daheim vergessen?« Die letzte Bemerkung galt dem Fahrer des Transporters vor ihnen, der gemächlich die Straße entlangzuckelte, obwohl sie sich hinter ihm mit eingeschaltetem Martinshorn näherten.
Sie waren auf dem Weg zum Schlosshotel. Dort hatte es einen Notfall gegeben, deshalb fuhren sie mit Sonderrechten durch die Stadt. Die räumte der Fahrer vor ihnen nur widerwillig ein, wie es schien.
Carl blieb ruhig und zog erst vorbei, als es sicher war. Andrea Bergen war schon mit etlichen Fahrern unterwegs gewesen, und sie alle meisterten den Balanceakt zwischen Eile und der gebotenen Sicherheit. Carl und sie waren mittlerweile ein eingespieltes Team und nach etlichen gefährlichen Einsätzen auch per Du.
Er steuerte das NEF eine gewundene Straße hinauf, bis sie freien Blick auf das Schlosshotel hatten. Das Gebäude war ebenso prächtig und imposant, wie der Name vermuten ließ. Mit zahlreichen Türmchen und Erkern, die ihm ein herrschaftliches Aussehen verliehen. Es thronte hoch über dem Rhein und bot einen traumhaft schönen Ausblick auf den funkelnden Fluss und die kleine Stadt zu seinen Füßen.
Von hier aus wurden die beiden Flusskreuzfahrtschiffe sichtbar, die am Hafen vor Anker gegangen waren.
»Die stecken hier fest«, wusste Carl zu berichten. »Der Fluss hat im Moment nicht genug Wasser, dass sie gefahrlos weiterfahren könnten.«
»Herrje, so hatten sich die Fahrgäste ihren Urlaub bestimmt nicht vorgestellt.«
»Wie heißt es so schön? ›Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen.‹« Carl griente. »Aber sie hätten es schlechter treffen können, als in unserer Stadt stecken zu bleiben. Wir haben allerhand zu bieten.«
»Auch wieder wahr.«
»Das Schlosshotel zum Beispiel. Hier soll es geheime Keller unter dem Keller geben, in dem vor dem Krieg Kunstschätze eingelagert wurden. Angeblich warten die bis heute darauf, wiedergefunden zu werden.«
»Woher weißt du denn das?«, wollte die Notärztin wissen.
»Mein Gartennachbar hat vor seinem Ruhestand im Stadtarchiv gearbeitet. Er kennt viele solcher Storys. Keine Ahnung, ob da etwas Wahres dran ist.«
Carl stoppte vor dem Haupteingang des Schlosshotels. Säulen säumten den Zugang und Blumenarrangements blühten in den Kübeln links und rechts des Eingangs.
Ein hagerer Mann im dunklen Anzug eilte aus dem Hotel und winkte Ihnen.
»Endlich sind Sie da«, stieß er atemlos hervor. »Ich bin Henry Waldner, Concierge im Schlosshotel. Ich habe den Notruf gewählt.«