Fürsten-Roman 2692 - Caroline Thanneck - E-Book

Fürsten-Roman 2692 E-Book

Caroline Thanneck

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Beschreibung

Seit ihr Mann vor zwei Jahren bei einem Autounfall mit einer seiner Geliebten starb, ist Leonora Fürstin von Battenberg allein für ihren Sohn Linus verantwortlich. Ihre Schwiegermutter Gloria gibt ihr noch immer die Schuld an der Untreue des verstorbenen Fürsten. Das Verhältnis ist seit jeher angespannt, und Leonora fühlt sich wie eine Fremde in dem riesigen Palast. Einzig ihr kleiner Sohn lässt sie so manche bittere Stunde vergessen. Mittlerweile fünf Jahre alt, ist er ein richtiger Wildfang, der frischen Wind in die altehrwürdigen Schlossmauern bringt.
Als Linus nur knapp einem Giftanschlag entgeht, ist Leonora klar: Jemand trachtet ihrem kleinen Sohn nach dem Leben. Ihr bleibt nur eine Möglichkeit - die Flucht an einen geheimen Ort ...


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Inhalt

Cover

Geheime Reise

Vorschau

Impressum

Geheime Reise

Wohin verschwand Fürstin Leonora?

Von Caroline von Thanneck

Seit ihr Mann vor zwei Jahren bei einem Autounfall mit einer seiner Geliebten starb, ist Leonora Fürstin von Battenberg allein für ihren Sohn Linus verantwortlich. Ihre Schwiegermutter Gloria gibt ihr noch immer die Schuld an der Untreue des verstorbenen Fürsten. Das Verhältnis ist seit jeher angespannt, und Leonora fühlt sich wie eine Fremde in dem riesigen Palast. Einzig ihr kleiner Sohn lässt sie so manche bittere Stunde vergessen. Mittlerweile fünf Jahre alt, ist er ein richtiger Wildfang, der frischen Wind in die altehrwürdigen Schlossmauern bringt.

Als Linus nur knapp einem Giftanschlag entgeht, ist Leonora klar: Jemand trachtet ihrem kleinen Sohn nach dem Leben. Ihr bleibt nur eine Möglichkeit – die Flucht an einen geheimen Ort ...

»Diese Hochzeit macht mich fix und fertig. All diese Entscheidungen, die zu treffen sind und von denen das Gelingen der ganzen Feier abhängen könnte.« Indra von Battenberg blies die Wangen auf und ließ die Luft hörbar entweichen.

»Es geht doch nur um die Auswahl der Schleier für die Brautjungfern, Liebes«, begütigte ihre Mutter.

»Nur?« Indra stöhnte. »Ihr habt ja keine Ahnung, wie schwierig das ist. Alle haben prophezeit, ich würde mich vor der Hochzeit in Bridezilla verwandeln und allen das Leben schwermachen, aber sie haben sich getäuscht.« Sie schwenkte zwei duftige grüne Schleier, als würde sie damit einen unhörbaren Walzer dirigieren. »Ich bin die unkomplizierteste Braut, die man je gesehen hat, hab ich recht?« Sie ließ ein helles Lachen hören, das wie das Zwitschern eines Vogels klang und die nachfolgende Stille umso lauter machte. »Was ist los?«, fügte sie nach einem Moment hinzu, und ihr Lächeln schrumpfte. »Ihr haltet mich doch nicht wirklich für eine furchtbare Braut, oder?«

Leonora machte einen Schritt auf sie zu, aber bevor sie etwas sagen konnte, fing sie einen schneidenden Blick ihrer Schwiegermutter auf.

Gloria von Battenberg sah sie unter der ausladenden Krempe ihres Hutes finster an. Kein falsches Wort, warnte sie stumm.

Leonora widerstand dem Impuls, die Augen zu verdrehen. Schließlich hatte sie keineswegs vor, ihre Schwägerin zu verletzen. Sie erinnerte sich noch sehr gut an die Nervosität vor ihrer eigenen Hochzeit. Damals war sie so angespannt gewesen, dass die kleinste falsche Berührung sie hätte zerspringen lassen wie Glas.

Indra mochte die Nerven aller strapazieren, weil sie seit Monaten genaue Pläne für ihren großen Tag schmiedete und die nach weniger als vierundzwanzig Stunden wieder umwarf. Doch als Schwester des Fürsten von Calavien würden die Augen der ganzen Welt auf sie und ihren Bräutigam gerichtet sein, daher verstand Leonora sie.

»Also?« Ihr Schwägerin drehte sich zu den vier jungen Frauen um, die sie zu ihren Brautjungfern auserkoren hatte, und hob die Schleier. »Welchen wollt ihr?«

In dem Brautmodengeschäft breitete sich erneut Schweigen aus. Lediglich gedämpfte Musik aus verborgenen Lautsprechern war zu vernehmen – eine romantische Filmmusik, von einem Pianisten interpretiert. Sie schien die hohen Räume wie sanftes Plätschern zu erfüllen und milderte die betretene Stille.

Beide Schleier waren ein absoluter Albtraum. Die grüne Farbe erinnerte an eine Giftpflanze, einen giftigen Efeu vielleicht. Sie unterschieden sich nur in der Länge voneinander.

Die Brautjungfern wechselten unsichere Blicke.

Leonora war heilfroh, dass sie der Hochzeit nur als Gast beiwohnen würde und frei war in der Wahl ihres Outfits. Ein neues Kleid hatte es allerdings sein müssen. Indra hatte ihr vorgehalten, dass ihre Kleider allesamt altmodisch wären und sie darin unmöglich auf ihrer Hochzeit erscheinen könnte. Der Ausdruck ›altmodisch‹ war übertrieben, aber Leonora musste zugeben, dass sie sich seit dem Tod ihres Mannes nichts Neues mehr gekauft hatte. Es war an der Zeit, das zu ändern.

Sie hatte sich für ein meerblaues Kleid entschieden, das die Farbe ihrer Augen gut zur Geltung bringen würde. Es war maßgeschneidert und passte somit wie angegossen. Inzwischen freute sie sich darauf, es bald anziehen zu können.

Sie bat darum, es einpacken und zum Schloss schicken zu lassen. Eilfertige Hände nahmen das Kleid nach der Anprobe von ihr entgegen, und Leonora sank erschöpft in einen der bequemen Sessel.

Ihre kleine Gruppe würde den Laden nicht ohne die Schleier für die Brautjungfern verlassen, und die Klärung dieser Frage schien noch einige Zeit in Anspruch zu nehmen. Also ließ sie den Blick durch das Geschäft schweifen. Hier ließ sich der Eindruck gewinnen, sich im Inneren einer Hochzeitstorte zu befinden. Man war umgeben von kostbaren weißen Spitzen aus Brüssel, von exklusiven Brautkleidern und von Teppichen, in denen man bei jedem Schritt beinahe versank.

Das Geschäft gehörte Madame Lisette, einer ebenso tüchtigen wie flinken Französin, die gerade eine schützende Hülle über das Kleid der Braut streifte. Es war die letzte Anprobe vor dem großen Tag. Indra würde in einem Traum aus weißer Seide heiraten, die mit winzigen Diamanten bestickt war und bei jeder Bewegung funkelte und gleißte. Sie sah darin beinahe überirdisch schön aus – ganz so, als könnte sie jeden Moment ihren Zauberstab hervorholen und ein Wunder bewirken.

Was auch dringend Not tat. Die Kleider für die Brautjungfern hätten durchaus ein Wunder gebrauchen können. Sie waren ebenfalls aus Seide gefertigt. Der Stoff war wunderbar leicht und schimmerte sanft. Die grüne Farbe jedoch ließ jede Frau so fahl aussehen, als hätte sie sich eine Woche lang übergeben.

»Marita?« Indra wandte sich um. »Was sagst du?«

Ihre Schwester saß in einem Sessel, während ihr rechtes Bein erhöht auf einem Hocker ruhte. Sie war vor zwei Jahren bei einem Autounfall verletzt worden. Es hatte mehrere Operationen gebraucht, bis sie wieder gehen konnte. Ein leichtes Humpeln war jedoch geblieben. Nun ließ sie das Buch sinken, in dem sie gerade las.

»Entscheide du. Es ist dein großer Tag. Ich werde anziehen, was du willst.«

Indra zog eine formschöne Augenbraue hoch. Während sich ihre Schwester gern leger kleidete und an diesem Tag einen bunt geringelten Strickrock zu einem senffarbenen Shirt und Sneaker trug, sah man Indra nie anders als elegant gekleidet. Ihre Pumps hatten exakt denselben blassroten Farbton wie ihr Etuikleid. Sie trat neben ihre Schwester, nahm ihr das Buch aus der Hand und studierte den Titel.

»Schnecken und ihre Bedeutung für die Natur? Im Ernst?«

»Das ist hochinteressant. Wusstet ihr beispielsweise, dass Schnecken bei Gefahr ...« Marita kam nicht dazu, ihre Erkenntnisse auszuführen.

»Ihr müsst einen Schleier auswählen«, forderte die Braut energisch.

Während der nachfolgenden Debatte, die verriet, dass es Marita herzlich egal war, welcher Schleier ihren braunen Pagenkopf zieren würde, schaute sich Leonora nach ihrem Sohn um.

Für Linus war die Anprobe ungefähr so spannend gewesen, wie dem Rasen im Schlosspark beim Wachsen zuzuschauen. Er war eingeschlafen – in einem der weichen Sessel versunken, den Kopf angelehnt und die Stupsnase leicht gekräuselt. Ein Krümel von den Keksen, mit denen Madame Lisette ihn gefüttert hatte, hing noch an seinem Kinn. Behutsam strich Leonora ihn weg. Die blonden Haare ihres Sohnes waren zerzaust, und sie verstrubbelte sie nun noch ein wenig mehr, als sie ihm über den Kopf strich. Ihr Herz wurde von Liebe überschwemmt. Ihr Sohn war ihr Ein und Alles. Jäh riss ein lautes Scheppern sie aus ihren Gedanken.

Ihre Schwiegermutter hatte ein Champagnerglas zu heftig auf dem Silbertablett abgestellt. Nun zog sie hörbar den Atem ein und flüsterte: »Also das ist doch unerhört!«

Missmutig blickte sie der blonden Frau entgegen, die soeben mit einem Kleinkind auf dem Arm über den cremefarbenen Teppich stöckelte. Ihr kurzes Kleid ließ viel von ihren langen Beinen sehen und war der winterlichen Jahreszeit kaum angemessen. Sie steuerte geradewegs auf die Frauengruppe zu – und ihrem vorgereckten Kinn nach zu urteilen, war sie offenbar zu allem entschlossen.

Leonora sah ihre Schwiegermutter an. »Wer ist sie?«

»Ich kenne sie nicht, aber ich kenne Frauen wie sie.« Gloria warf einen Blick zu ihrem Leibwächter. »Picket, halten Sie sich bereit.«

Der bärtige Hüne, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hatte, straffte sich.

Gloria von Battenberg trat der Unbekannten entgegen.

»Sie sollten nicht hier sein«, sagte sie anstelle einer Begrüßung.

»Ich muss mit Ihnen reden.«

»Nicht hier und nicht jetzt. Das ist ein privater Termin. Das Geschäft ist für diesen Nachmittag für alle anderen Kunden geschlossen. Wie sind Sie überhaupt hier hereingekommen?«

Diese Frage war berechtigt. Vor dem Laden hatten mehrere Security Position bezogen. Sie hatten strikte Anweisung, niemanden hereinzulassen, der nicht zur fürstlichen Familie gehörte. Die Hochzeit der jüngeren Schwester des verstorbenen Fürsten würde das Ereignis diesen Winters werden, und so lauerten Paparazzi buchstäblich an jeder Ecke und auf jedem Dach. Sie nutzten jede Gelegenheit für Fotos, die sich teuer an die Presse verkaufen ließen.

»Ich habe eine der Helferinnen bestochen«, erwiderte die Unbekannte, ohne einen Hauch von schlechtem Gewissen.

Im Hintergrund murmelte Madame Lisette etwas, das wie ein französischer Fluch klang.

Gloria von Battenberg trat näher an die Fremde heran. Man sah ihr nicht an, dass sie die fünfzig bereits überschritten hatte. Sie hielt sich an einen strengen Diätplan und machte täglich Sport. So hatte sie sich ihre mädchenhaft schlanke Figur erhalten. Außerdem hatte sie eine Vorliebe für ebenso farbenfrohe wie teure Kleider und trug stets das passende Hutmodell. An diesem Nachmittag krönte ein hibiskusfarbenes Ungetüm von einem Hut ihr Haupt. Trotz ihrer zierlichen Gestalt ging eine Energie von ihr aus, die einen ganzen Ballsaal füllen konnte. Und jetzt richtete sich ihr Unmut wie ein drohendes Gewitter auf die Unbekannte.

»Wenn Sie mit uns sprechen möchten, müssen Sie um eine Audienz im Palast ersuchen«, erklärte sie kühl.

»Das habe ich getan. Drei Mal. Ich wurde jedes Mal abgewiesen.«

Gloria zuckte ungerührt mit den Schultern. »Dann können wir leider nichts für Sie tun.«

»Bitte, hören sie mich wenigstens an. Meine Name ist Sarah und das hier ist mein Sohn Sebastian.« Die Frau drückte das Kind auf ihrem Arm an sich. »Er ist der Sohn des Fürsten.«

Leonoras Herz krampfte sich bei diesen Worten zusammen.

Nein, das kann nicht sein. Das darf nicht sein, dachte sie.

In diesem Augenblick drehte das Kind den Kopf und sah sie aus blauen Augen an, die sie nur allzu gut kannte. Tränen ließen ihre Sicht verschwimmen.

Es waren die Augen ihres verstorbenen Mannes.

»Nie und nimmer werden wir das Kind anerkennen«, zischte ihre Schwiegermutter.

»Dann werde ich zu einem Anwalt gehen.« Die Fremde blickte ihr unerschrocken – vielleicht auch verzweifelt – in die Augen. »Und zur Presse. Die wird sich mit Freuden auf eine neue Skandalgeschichte stürzen, meinen Sie nicht?«

Gloria von Battenberg gab mit keiner Regung zu verstehen, ob diese Aussicht ihr Sorgen bereitete.

Kühl erwiderte sie: »Tun Sie, was Sie für richtig halten.«

»Aber ...« Die Fassade der Fremden bröckelte. Ihr Bluff hatte nichts bewirkt. Damit hatte sie offenbar nicht gerechnet. »Bitte, mein Sohn soll nur versorgt sein. Ich hätte nie etwas von Ihnen verlangt, aber ich habe meine Arbeit verloren und kaum noch Geld. Bitte, er ist doch Raphaels Sohn.«

»Sie meinen, den Fürsten«, betonte Gloria. »Meinen verstorbenen Sohn. Wie können Sie es wagen, seinen Namen in den Dreck zu ziehen? Er war ein verheirateter Mann. Was auch immer Sie vorhaben, es wird nicht funktionieren. Wir lassen uns nicht erpressen.« Sie gab ihrem Leibwächter einen Wink.

Daraufhin trat Picket vor. Er war gut einen Kopf größer und doppelt so breit wie die Fremde und schirmte die Familie vor der Besucherin ab. Als er sie hinausdrängte, blieb ihr gar nichts anderes übrig, als seiner Aufforderung zu folgen.

Leonora starrte ihr nach. In ihr fühlte sich alles taub an. Noch jedenfalls.

Doch der Schmerz würde kommen.

Indra war ebenso erstarrt wie die anderen. Nun jedoch schüttelte sie die Beklommenheit ab, plauderte wieder über die Schleier und zog die Aufmerksamkeit ihrer Brautjungfern auf sich.

Gloria von Battenberg jedoch trat neben Leonora und zischte: »Sie ist nicht die erste Frau, die behauptet, ein Kind von Raphael zu haben, und womöglich wird sie nicht die letzte sein. Viele geben vor, eine Affäre mit ihm gehabt zu haben, aber letztlich wollen sie alle nur unser Geld.«

Leonora war sich nicht so sicher, dass die Besucherin wirklich unter einem Vorwand hergekommen war. Die bittere Wahrheit war, dass der kleine Junge durchaus sein Kind sein könnte. Ihr verstorbener Mann hätte das Wort Treue nicht einmal buchstabieren können, wenn es ihm auf die Hand tätowiert gewesen wäre.

»Sie könnte auf einem Vaterschaftstest bestehen.«

Gloria zuckte mit den Schultern. »Soll sie ruhig. Wir werden sie ausbezahlen. Für das Kind und für ihr Stillschweigen. Ich wünschte nur, du hättest meinen Sohn stärker an dich gebunden. Dann stünden wir jetzt nicht vor dieser Misere.«

Leonora schnappte nach Luft. »Du gibst mir die Schuld?«

»Wem denn sonst?«, erwiderte Gloria eisig.

»Nichts und niemand hätte Raphael davon abhalten können, nach anderen Frauen zu schauen«, erklärte Leonora rechtfertigend.

»Weil er keine Erfüllung in seiner Ehe gefunden hat«, lautete Glorias Urteil.

»Nein.« Ein bitterer Geschmack breitete sich in Leonoras Mund aus. »Weil er sie woanders gesucht hat.«

Ihre Schwiegermutter sah sie sekundenlang schweigend an, dann wandte sie sich ab. Ihre Vorwürfe jedoch hingen noch in der Luft wie ein unangenehmer Geruch.

Leonora presste die Lippen aufeinander. Vor sieben Jahren war sie dem Fürsten während einer Weihnachtsfeier an ihrer Universität begegnet. Sie hatte nur an einen Flirt geglaubt, als er sie zum Tanz aufgefordert hatte, doch als der Abend sich dem Ende zugeneigt hatte, hatte er sie um ein Wiedersehen gebeten ... und um weitere. Damals war sie überglücklich gewesen. Sie hatte nicht geahnt, wohin es sie führen würde ...

»Champagner?« Madame Lisette bot ihr ein Glas an.

Kurz blitzte in ihren Augen ein mitfühlender Ausdruck auf, aber er machte sogleich einer gleichmütig-freundlichen Miene Platz.

»Danke.« Leonora nahm das Glas und trat an das Schaufenster.

Ihr Blick suchte den Palast, der auf einem Felsen über dem Meer thronte. Er war im 13. Jahrhundert erbaut worden. Drei Türme hatten die Jahrhunderte überdauert und Wind, Wetter und Angriffen standgehalten. Im Lauf der Zeit war die Festung renoviert und um mehrere Flügel erweitert worden. Nun gab es auch einen ausgedehnten Park, in dem Leonora gern flanierte. Ihre grüne Insel inmitten einer allzu hektischen Welt. Dort fühlte sie sich geborgen. Im Palast selbst jedoch nicht.

Kurz nach ihrer Heirat war sie überzeugt gewesen, bald in dem Schloss heimisch zu werden. Doch dazu war es nie gekommen. Noch immer fühlte sie sich wie eine Fremde. Ein Sandkorn im Getriebe der fürstlichen Maschinerie.

Das Fürstentum Calavien war ein kleines Land, kaum ein Tautropfen auf der Weltkarte. Es lag zwischen Italien und Frankreich und zählte rund 45.000 Einwohner. Calavien führte ein Schattendasein in der Weltgeschichte. Weder hatte es berühmte Persönlichkeiten hervorgebracht noch fanden sich hier kostbare Bodenschätze oder andere Ressourcen. So war das Augenmerk der Welt noch nicht oft auf das Fürstentum gefallen. Etwas jedoch machte es besonders – und das waren seine Pferde. Die Züchtungen von Calavien gehörten zu den besten auf der ganzen Welt. Und so zeigte die Flagge des Landes auch ein blaues Pferd auf grünem Grund.

Leonora hatte die Liebe ihres Mannes zu den Tieren geteilt. Doch ihre Verbindung war getrübt worden, als sich der Fürst schon kurz nach der Heirat anderen Frauen zugewandt hatte. Leonora hatte versucht, mehr Zeit mit ihm zu verbringen und das alte Band wieder zu stärken, aber das war ihr nicht gelungen.

Das einzig Gute, das aus ihrer Verbindung entstanden war, war Linus. Ihr kleiner Sohn ließ Leonora so manche bittere Stunde vergessen. Mittlerweile fünf Jahre alt, war er ein Wildfang, der frischen Wind in die altehrwürdigen Schlossmauern brachte. Für ihn wollte und würde sie stark sein.