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Ein großer Sturm zieht auf der dänischen Ostseeinsel auf. Aber nicht nur dort. Auch in Maries Herzen stürmt es gewaltig. Denn das Zimmermädchen aus dem kleinen Küstenhotel ist verliebt - in Jens, den Besitzer der Fischräucherei. Ein leidenschaftlicher Kuss von ihm raubt ihr den Verstand und weckt in ihr eine tiefe Sehnsucht nach mehr. Aber zu mehr darf es nicht kommen! Denn Marie ist der festen Überzeugung, dass sie seiner Liebe nicht wert ist. Sie hat vor acht Jahren etwas Schreckliches getan, dass der verwitwete Familienvater ihr niemals verzeihen könnte. Sie will auf keinen Fall noch mehr dunkle Wolken in das Leben von Jens und seinen Töchtern bringen. Doch dabei vergisst Marie, dass sie selbst auch ein bisschen Sonne in ihrem Herzen verdient hat ...
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Seitenzahl: 133
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Gefühlsstürme im kleinen Küstenhotel
Vorschau
Impressum
Gefühlsstürme im kleinen Küstenhotel
Marie hat es verdient, geliebt zu werden
Von Caroline Thanneck
Ein großer Sturm zieht auf der dänischen Ostseeinsel auf. Aber nicht nur dort. Auch in Maries Herzen stürmt es gewaltig. Denn das Zimmermädchen aus dem kleinen Küstenhotel ist verliebt – in Jens, den Besitzer der Fischräucherei. Ein leidenschaftlicher Kuss von ihm raubt ihr den Verstand und weckt in ihr eine tiefe Sehnsucht nach mehr. Aber zu mehr darf es nicht kommen! Denn Marie ist der festen Überzeugung, dass sie seiner Liebe nicht wert ist. Sie hat vor acht Jahren etwas Schreckliches getan, dass der verwitwete Familienvater ihr niemals verzeihen könnte. Sie will auf keinen Fall noch mehr dunkle Wolken in das Leben von Jens und seinen Töchtern bringen. Doch dabei vergisst Marie, dass sie selbst auch ein bisschen Sonne in ihrem Herzen verdient hat ...
»Vorsicht!« Marie sah das Verhängnis kommen und rannte los.
Der Sturm, der sich seit dem Morgen über der Ostsee zusammenbraute, war mittlerweile stark genug, um die Blumenkübel vor den hübschen gelben Bungalows umzuwehen und an den Gartenstühlen zu zerren.
Die meisten Sonnenschirme waren bereits geschlossen und gesichert. Nur einer war noch geöffnet ... und der kippte nun um und wirbelte pfeilschnell über den Weg ... genau auf einen Mann und zwei Kinder zu, die gerade zu dem Hotel einbogen!
Die Kinder waren zwei Mädchen von acht Jahren, die einander wie aus dem Gesicht geschnitten waren. Beide hatten grüne Augen, einen rotblonden Zopf und eine sommersprossige Nase. Sie trugen T-Shirts, die mit bunten Katzen bedruckt waren, und dazu kniekurze Hosen und Sandalen.
Die Mädchen steckten die Köpfe zusammen und waren in eine lebhafte Unterhaltung vertieft, sahen und hörten nichts um sich herum.
Ihr Vater folgte ihnen in einigem Abstand. Er hatte einen Wanderrucksack auf dem Rücken und eine Hundeleine in der Hand, und er hielt den Blick nach hinten gerichtet, als wäre er auf der Suche nach irgendetwas – oder irgendjemandem.
Noch hatten die drei nichts von dem Unheil bemerkt, das geradewegs auf sie zuschoss.
Marie wetzte dem sonnengelben Ausreißer mit langen Schritten hinterher und bekam ihn gerade noch zu fassen, bevor er gegen die Kinder prallen konnte. Sie packte den Sonnenschirm und kämpfte darum, ihn zu schließen. Kein leichtes Unterfangen, denn der Sturm blähte ihn immer wieder auf und wollte ihn fortwirbeln.
Als es ihr schließlich gelang, war sie völlig außer Atem.
Sie blickte sich nach der kleinen Familie um und begegnete dem erschrockenen Blick des Vaters.
Er zog den Atem ein. »Das war knapp!«
»In der Tat.« Sie nickte ihm zu. »So etwas bringt das Herz auf Trab, was?«
»So hätte ich es zwar nicht formuliert, aber ja ...«
Ein Lächeln vertrieb den Schrecken aus seinem bärtigen Gesicht. Er mochte zehn Jahre älter als Marie sein, also vermutlich in der Mitte seiner Dreißiger. Seine dunkelblonden Haare waren leicht gewellt und zerzaust vom Sturm. Seine Augen waren von demselben Grün wie die der Mädchen, tief und warm, wie ein geheimnisvoller Wald, und von zahlreichen Lachfältchen umgeben. Ein gepflegter Bart umgab sein Kinn.
Sein Name war Lundberg ... Jens Lundberg. Marie kannte ihn vom Sehen. Er betrieb eine Fischerei und lieferte unter anderem den Fisch für die Küche des Strandhotels. Er lebte und arbeitete in Tejn, im Osten der Insel.
Was ihn an diesem Tag mit seinen Kindern hergeführt hatte, war angesichts seiner Ausrüstung nicht schwer zu erraten. Vermutlich war die kleine Familie auf ihrer Wanderung vom Sturm überrascht worden.
»Können wir das ärgste Unwetter hier im Hotel abwarten?«, fragte er Marie.
»Natürlich. Geht ruhig hinein. Drinnen seid ihr sicher.« Sie warf einen Blick zum Himmel, an dem sich Wolkentürme zusammenballten. In das Bleigrau mischte sich ein unheilvoller violetter Farbton, als würde Thor selbst jeden Moment mit seinem Hammer daraus hervorbrechen.
Das Strandhotel befand sich am kleinen Küstenweg, nördlich der Hafenstadt Rönne. Hübsche Bungalows scharten sich um das Hauptgebäude, in dem die Rezeption und das Hotelrestaurant untergebracht waren. Das Hotel war umgeben von Kiefernwald. Über einen schmalen Pfad gelangte man in zwei Minuten hinunter zum Ostseestrand. Das Meer war so nah, dass man das Rauschen der Wellen hören konnte, die vom Sturm gegen den Strand gepeitscht wurden.
Bornholm lag im Dreieck zwischen Dänemark, Polen und Deutschland mitten in der Ostsee. Die Insel wurde von Besuchern und Einheimischen auch liebevoll Sonneninsel genannt, weil es hier knapp eintausendsechshundert Sonnenstunden im Jahr gab. Davon war an diesem stürmischen Nachmittag allerdings nicht viel zu merken. Wolken ballten sich über dem Meer zusammen und ließen keinen Strahl Sonne durch.
Ausnahmen bestätigen eben doch immer wieder die Regel, ging es Marie durch den Kopf. Sie rollte den letzten Sonnenschirm zusammen und legte ihn im Schutz eines Bungalows ab.
Als sie sich aufrichtete, fegte ihr der Sturm ein paar abgerissene Blätter ins Gesicht. Unwillkürlich wischte sie sich mit der Hand über die Wange und schnappte nach Luft.
Dieses Wetter schien tatsächlich wie aus einer alten Sage entsprungen. In der Ferne grollte bereits der erste Donner, als wäre der Himmel selbst über irgendetwas erzürnt. Obwohl es erst früher Nachmittag war, war es schon beinahe dunkel. Dazu überzog ein tiefvioletter Hauch das Firmament ...
»Das sieht gruselig aus.« Eines der Mädchen krauste die Nase.
»In der Tat.« Marie legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich finde es auch unheimlich, aber es gibt keinen Grund, sich zu fürchten. Das Strandhotel trotzt schon seit vielen Jahren Wind und Wetter. Drinnen seid ihr sicher. Versprochen.«
»Geht schon mal rein, Kinder«, sagte Jens Lundberg. »Ich komme nach, sobald ich Lille gefunden habe.«
»Lille?«, hakte Marie nach.
»Unser Hund. Klein. Schwarz. Immer zu einem Schabernack aufgelegt. Er ist davongestürmt, als ich ihn anleinen wollte.«
»Wir suchen mit, Papa«, tat eines der Mädchen kund.
»Kommt nicht in Frage, Jonna. Das ist viel zu gefährlich.«
»Aber wir sind vorsichtig. Versprochen.«
»Nun ...« Ihr Vater schien sich auszurechnen, dass sie wertvolle Zeit mit Debattieren verschwendeten, denn er verstummte. »Also schön. Wir kommen ins Hotel, sobald wir Lille gefunden haben.«
Marie nickte. »Ich werde euch beim Suchen helfen. Lässt er sich von Fremden einfangen?«
»Und ob. Er ist neugierig und überaus kontaktfreudig.«
»In Ordnung. Wollt ihr hinter dem Hotel im Wald suchen? Dann schaue ich mich am Strand um. Wir treffen uns dann wieder hier. Ruft, wenn ihr Lille gefunden habt.«
»Einverstanden.« Er nahm seine Kinder bei der Hand und eilte davon.
Marie hielt sich ebenfalls nicht länger auf, sondern lief zügig zu dem Pfad, der zum Strand hinunter führte. Als sie die kleine Kuppe überwunden hatte, die von Heidekraut und Strandgras bewachsen war, bot sich ihr ein Anblick, der ihr den Atem verschlug: Das Meer war an diesem Nachmittag tiefgrün. In hohen Wellen bäumte es sich unter dem Sturm auf und schlug mit lautem Rauschen an den Strand.
Die meisten Schiffe schienen bereits einen sicheren Hafen angelaufen zu haben. Lediglich weit draußen war noch ein einzelner Kutter unterwegs. Er tanzte auf den Wogen auf und ab wie ein Spielball. Marie wurde schon vom Hinsehen flau.
»Lille?« Sie legte die Hände um den Mund und rief lauter, um das das Tosen des Meeres zu übertönen.
Weit und breit war kein Hund zu sehen. Der Strand war verlassen ... bis auf ein Mädchen, das im Sand saß und sehnsüchtig auf die Wellen schaute. War das nicht Sofia? Die Tochter der Rezeptionistin aus dem Strandhotel? Was machte die Kleine ganz allein am Strand? Noch dazu bei diesem Wetter?
Der Schreck fuhr Marie in alle Glieder. »Sofia!« Sie musste rufen, um über das Breschen der Brandung gehört zu werden. »Sofia, was machst du denn hier?«
Die Achtjährige wirbelte herum.
»Weiß deine Mutter, wo du bist?«
Ein zerknirschter Ausdruck im Gesicht des Kindes beantwortete Maries Frage. »Glaub nicht«, kam es leise zurück.
»Warum hast du dich denn davongestohlen?«
»Ich dachte ... vielleicht ... mein Papa würde wiederkommen.«
»Ach Sofia ...«
Die Hoffnung in den Augen des Mädchens schnitt Marie ins Herz. Soweit sie wusste, war Sofias Vater vor zwei Jahren auf See verschollen. Sein Fischkutter war gesunken und er selbst war nie gefunden worden. Doch Sofia hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er eines Tages zurückkehren würde.
Marie ging in die Hocke und schloss Sofia kurz in ihre Arme, bevor sie sich wieder aufrichtete. »Ein Hund wird vermisst. Magst du mir helfen, ihn zu suchen, Sofia?«
Die Achtjährige nickte und schob ihre Hand vertrauensvoll in die von Marie.
»Sobald wir Lille gefunden haben, kehren wir zum Hotel zurück ...« Marie hatte kaum ausgesprochen, als ein schwarzes Fellbündel so schnell auf sie zuschoss, dass der Sand unter seinen Pfoten aufgewirbelt wurde. »Lille? Da bist du ja!«
Aufatmend fing sie den kleinen Hund ein und hob ihn auf ihren Arm, damit er nicht wieder verschwand. Zum Dank schleckte er ihr mit der Zunge über das Gesicht.
»Ja, ich freue mich auch, dich zu sehen«, murmelte sie.
Sofia kicherte und reckte sich, um ihn zu streicheln.
»Kommt, ihr zwei. Hier draußen ist es reichlich ungemütlich«, rief Marie gegen den Sturm an. »Gehen wir zum Hotel zurück.«
Sie nahm Sofia bei der Hand. Als sie dem Meer den Rücken kehrten und den Sturm nicht mehr vor sich hatten, fiel das Atmen sofort leichter.
Marie war erleichtert, als sie wenige Minuten später wieder beim Hotel waren und nach Jens Lundberg und seinen Kindern riefen.
Es dauerte nicht lange, dann wurden ihre Rufe gehört, und der Fischer kam mit den Zwillingen zu ihnen. Marie übergab ihm seinen Hund, den er sogleich anleinte. Die Mädchen überschütteten den kleinen Ausreißer mit Streicheleinheiten und verfielen bald in eine lebhafte Unterhaltung mit Sofia. Die nahm ein schnelles Ende, als sie das Hauptgebäude des Hotels betraten und ihnen eine sichtlich aufgebrachte Mette Jacobsen entgegenstürmte. Die junge Rezeptionistin war aschfahl und strebte geradewegs auf sie zu.
»Wo warst du nur, Sofia? Ich habe überall nach dir gesucht!«
»Ich war am Strand, Mami.« Sofia senkte betreten den Kopf.
»Bei diesem Wetter? Du lieber Himmel. Du sollst nicht allein dorthin gehen. Das weißt du doch.«
»Tut mir leid.«
»Geht es dir gut?« Mette betrachtete ihr Kind prüfend, dann warf sie Marie einen dankbaren Blick zu.
Bevor sie jedoch noch etwas sagen konnte, krachte draußen ein kräftiger Donnerschlag. Die Kinder fuhren erschrocken zusammen, Lille bellte und selbst Jens Lundberg wurde eine Spur blasser.
»Na na«, tat da Line Haugsted kund. Sie war die Köchin im Strandhotel – eine kleine, rundliche Frau, die vor Energie strotzte und heimelig nach Vanille und Äpfeln roch. Sie schien ständig in Bewegung zu sein. Ihr Alter war schwer zu schätzen, lag aber vermutlich irgendwo jenseits der fünfzig. »Nur keine Sorge, meine Lieben«, meinte sie aufmunternd. »Hier drinnen sind wir sicher. Warum geht ihr nicht alle rüber ins Restaurant? Ich habe Zimtschnecken und heiße Schokolade für alle bereit gestellt. Die beruhigen die Nerven.«
»Lines Zimtschnecken solltet ihr euch nicht entgehen lassen«, nahm Marie den Faden auf. »Sie sind berühmt. Schon viele Gäste haben versucht, Line das Rezept abzuschwatzen, sogar mit Bestechung, aber sie rückt es nicht heraus.«
»Weil es ein Familienrezept ist«, merkte die Köchin mit einem leisen Lächeln an. »Nie und nimmer verrate ich das. Aber ihr könnt so viele Zimtschnecken haben, wie ihr wollt.« Sie zwinkerte den Kindern zu.
Daraufhin hellten sich die Mienen der drei Mädchen auf. Das Unwetter schien vergessen über der Aussicht auf die süße Leckerei.
»Dann sollten wir die freundliche Einladung nicht ausschlagen.« Jens Lundberg nickte. »Vielen Dank, Line. Und dir auch, Marie. Für die Hilfe mit Lille.«
»Ich habe gern geholfen.« Marie überließ den Fischer und die Mädchen ihrer Stärkung, als ihre Kollegin sie um Hilfe bat.
»Der Strom ist gerade ausgefallen«, erklärte Mette seufzend. »Es kann dauern, bis wir wieder welchen haben. Kannst du den Gästen Bescheid sagen und Kerzen in den Bungalows verteilen, damit nachher niemand im Dunkeln sitzt?«
»Natürlich. Wird sofort erledigt.«
»Danke dir. Sag auch gern allen Bescheid, dass hier im Haupthaus eine Stärkung für alle bereitsteht. Ich habe schon Kerzen für das Restaurant vorbereiten lassen. Und ich stelle gerade einige Preise für Gesellschaftsspiele zusammen. Wir wollen, dass die Gäste trotz des schauerlichen Wetters einen behaglichen Abend verbringen. Weder der Sturm noch der Stromausfall soll ihren Aufenthalt trüben.«
»Ein Spieleabend hört sich toll an. Ich werde den Gästen gleich davon erzählen.«
Marie wirbelte herum, um sich einen Rollwagen zu holen und diesen mit genügend Kerzen und Lichtern auszustatten, dass es für alle Bungalows genügen würde.
Wenig später machte sie sich daran, an jeder Tür zu klopfen, Kerzen zu verteilen und die Gäste auf die Angebote im Restaurant hinzuweisen.
Die meisten Urlauber reagierten erfreut. Nur einige wenige schimpften über die Widrigkeiten, die der Ausfall des Stroms mit sich brachte.
»Wie soll ich denn jetzt mein Handy aufladen, bitte schön?« Anklagend wedelte ihr ein Mann aus Bungalow Nummer elf mit seinem Smartphone vor der Nase herum. Herr Berger war vor zwei Tagen aus Deutschland angereist. »Ich müsste einige wichtige Telefonate führen, aber ich habe kaum noch Akku.«
»Da kann ich helfen.« Marie hatte vorsorglich mehrere Powerbanks auf ihren Wagen gepackt. Eine davon reichte sie dem Mittvierziger nun.
Das schien seinen Groll zu besänftigen. »Sie sind wohl auf alles vorbereitet, was?«
»Wir bemühen uns. Ein Stromausfall ist bei Unwettern nicht selten. « Sie schenkte ihm ein Lächeln, das seine Miene noch weiter aufhellte.
»Wollen Sie mir ein wenig Gesellschaft leisten?«, fragte er. »Ich habe eine schöne Flasche Wein in meiner Minibar und ...«
»... und ich habe noch zu arbeiten. Einen schönen Abend, Herr Berger.«
Marie ließ ihn nicht ausreden. Verabredungen mit Gästen waren im Hotel nicht gern gesehen. Die Angestellten waren dazu angehalten, eine freundliche Distanz zu wahren. Doch selbst ohne diese Regelung wäre Marie nicht auf seine Einladung eingegangen. Sie war nicht an einer Beziehung interessiert. Nie wieder.
Und so brachte sie nun ihre Runde zu Ende und kehrte ins Haupthaus zurück. Ihr Feierabend war mit dem Unwetter und dem Ausfall des Stroms in weite Ferne gerückt. Unter diesen Umständen wurden im Strandhotel alle Hände gebraucht.
Tatsächlich trafen nach und nach weitere Ausflügler ein, die das Wetter unterschätzt hatten und nun im Hotel Zuflucht suchten. Sie waren müde, hungrig und durchnässt, denn mittlerweile hatte ein kräftiger Regen eingesetzt, und es schüttete, was nur vom Himmel fallen konnte.
In der Lobby lief Jens Lundberg rastlos auf und ab. Der Fischer hatte keinen Blick für die anderen Gäste. Stattdessen presste er ein Telefon an sein Ohr und zog eine so grimmige Miene, dass Marie unwillkürlich erschrak.
Was mochte ihm denn nur solche Sorgen bereiten?
♥♥♥
Hvad helvede? Was zum Teufel? Erschrocken fuhr Jens zusammen, als ein Blitz den Himmel zerriss wie eine silbrige Klinge – und nur einen Atemzug später ein Donnerschlag die Erde erzittern ließ. Das Gewitter tobte sich direkt über der Insel aus!
Sein Herz brauchte eine Weile, um sich von dem Schrecken zu erholen.
Seine beiden Kinder nahmen indes kaum Notiz von dem Unwetter. Sie saßen mit Sofia an einem Tisch im Hotelrestaurant und spielten Memory. Während Jonna schon einen ganzen Stapel Kärtchen vor sich aufgetürmt hatte, waren es bei Alis und Sofia nur wenige.
Das tat der Freude der Kinder jedoch keinen Abbruch. Zwischendurch bissen sie von ihren Zimtschnecken ab und tranken einen Schluck Kakao. Lille hatte sich unter dem Tisch zusammengerollt, genauer gesagt auf Jonnas Füßen, den Kopf auf die Pfoten gebettet und schlief.
Auch auf Jens wartete eine Zimtschnecke, aber seine Kehle war wie zugeschnürt.
Er machte sich Sorgen.
Seitdem sie im Strandhotel untergeschlüpft waren, versuchte er, seine Schwiegermutter zu erreichen. Sie wohnte bei ihnen, war die gute Seele in seinem Haus und passte auf die Zwillinge auf, wenn er bei der Arbeit war. Er wollte ihr Bescheid geben, dass die Kinder und er in Sicherheit waren und sich mit der Heimkehr wegen des Unwetters verspäten würden.
Doch er konnte Dagny nicht erreichen.
Warum nur ging sie nicht ans Telefon?
Er hatte es über das Festnetz ebenso wie über ihr Handy probiert. Vergeblich! Dagny ging einfach nicht ran – und sie rief ihn auch nicht zurück.
Das sah ihr nicht ähnlich. Um diese Zeit war sie eigentlich immer daheim und saß an ihrer Nähmaschine. Sie fertigte hübsche, farbenfrohe Garderobe für Kinder und verkaufte sie über einen kleinen Laden in Tejn. Das ermöglichte es ihr, ihre Zeit frei einzuteilen und sich etwas Geld dazuzuverdienen.