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Nur einen Muschelwurf von Rike entfernt, steigt ein Mann aus dem Wasser. Sein sportlich gestählter Körper würde selbst den Meeresgott Neptun neidisch machen. Rike starrt auf seine breite Brust, seinen flachen Bauch und seine sonnengebräunte Haut. Es ist der Musiker Torben, der die goldene Abendstunde am Strand des kleinen Küstenhotels genießen möchte. Als sich ihre Blicke begegnen, beginnen Rikes Wangen zu brennen. Doch der Sekt, den sie sich aus Verzweiflung über die Verlobung ihres Ex-Freunds hinuntergekippt hat, zeigt Wirkung und nimmt ihr jede Hemmung. Sie macht dem Fremden schöne Augen und bietet ihm sturzbetrunken an, die Nacht gemeinsam zu verbringen. Und das tun die beiden auch - aber die Nacht verläuft anders als Rike erwartet hat ...
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Seitenzahl: 134
Cover
Liebesmelodien im Küstenwind
Vorschau
Impressum
Liebesmelodien im Küstenwind
Ein Musiker erobert Rikes Herz mit einem ganz besonderen Song
Von Caroline Thanneck
Nur einen Muschelwurf von Rike entfernt, steigt ein Mann aus dem Wasser. Sein sportlich gestählter Körper würde selbst den Meeresgott Neptun neidisch machen. Rike starrt auf seine breite Brust, seinen flachen Bauch und seine sonnengebräunte Haut. Es ist der Musiker Torben, der die goldene Abendstunde am Strand des kleinen Küstenhotels genießen möchte. Als sich ihre Blicke begegnen, beginnen Rikes Wangen zu brennen. Doch der Sekt, den sie sich aus Verzweiflung über die Verlobung ihres Ex-Freunds hinuntergekippt hat, zeigt Wirkung und nimmt ihr jede Hemmung. Sie macht dem Fremden schöne Augen und bietet ihm sturzbetrunken an, die Nacht gemeinsam zu verbringen. Und das tun die beiden auch – aber die Nacht verläuft anders als Rike erwartet hat ...
»Eis, das nach Würstchen schmeckt? Na, sieh mal einer an. Das klingt nach einer Herausforderung.«
Jacob Lyster griff nach seiner Gabel, während er sich über seine Inselzeitung beugte und den Rest des Artikels über die Eisdiele am Hafen von Gudhjem studierte, in der es über dreihundert verschiedene Eissorten geben soll.
Währenddessen wollte er sich seinem Mittagessen widmen, doch er stach ins Leere. Seine Gabel verursachte ein Quietschen auf dem Teller, das unter seiner Kopfhaut kribbelte und ihn zu einem unwilligen Brummen veranlasste.
Verwundert ließ er seine Lektüre sinken und stutzte, denn seine Mahlzeit war schlichtweg ... verschwunden! Lediglich die Scheibe Bauernbrot war noch übrig. Doch die beiden geräucherten Heringe auf seinem Teller, auf die er sich schon gefreut hatte, waren nicht mehr da.
Verdutzt blickte Jacob sich um. Er hatte sich zum Essen auf die Sonnenterrasse des Hotels gesetzt. An einen der runden Tische, die im Schatten eines großen Sonnensegels standen.
Ein beliebter Platz im Strandhotel. Im Augenblick jedoch beinahe verlassen. Die meisten Urlauber würden erst abends von ihren Touren oder vom Strand zurückkehren. Und die wenigen, die über Mittag im Hotel blieben, waren längst fertig mit dem Essen. Keiner der anderen Tische war besetzt.
Was also war mit seinen Heringen passiert?
Üppig blühende Blumenkübel säumten die Terrasse. Hummeln summten über dem Lavendel, der den Eingang zum Strandhotel flankierte. Auf der nahen Liegewiese hatten es sich einige Gäste auf den Sonnenliegen gemütlich gemacht und dösten.
Niemand schien sich für sein Essen zu interessieren.
Hatte er die Heringe womöglich versehentlich mit seiner Zeitung vom Teller gefegt?
Jacob bückte sich – eine Bewegung, gegen die sein Rücken mit einem schmerzhaften Stich protestierte – und spähte unter den Tisch. Doch dort fanden sich nichts als Gras, Käfer und Erdkrümel. Weder eine Gräte noch eine Flosse. Keine Spur von seinem Mittagessen!
Jacob richtete sich schnaufend wieder auf. Hatte er seine Mahlzeit womöglich verspeist, ohne es überhaupt zu bemerken?
Bei dem Gedanken an das Essen gab sein Magen ein vernehmliches Knurren von sich.
Nun, das beantwortete seine Frage dann wohl.
Jacob schabte sich das bärtige Kinn. Sein Blick fiel auf die kleine Sofia, die vor einem der gelben Bungalows im Gras saß. Sie war die Tochter von Mette, die an der Rezeption arbeitete, hatte gerade Schulferien und verbrachte jede freie Minute im Hotel. Die Achtjährige hielt einen Zeichenblock auf ihrem Schoß und malte mit einem Wachsmalstift.
»Sofia, Liebes, hast du vielleicht meine Heringe gesehen?«
Die Frage war kaum heraus, als Jacob aufging, wie merkwürdig sie für das Kind klingen musste.
Sofia hob den Kopf zu ihm, sodass ihre beiden Zöpfe fröhlich baumelten. Dann schüttelte sie den Kopf.
»Was malst du denn da Schönes?« Er stemmte sich vom Tisch hoch und ging zu ihr hinüber.
Bereitwillig drehte sie ihren Block so, dass er einen Blick auf ihre Zeichnung werfen konnte. Mit braunem Stift hatte sie ein gewaltiges Wesen gezeichnet, das aus wuchtigen Brocken geformt zu sein schien. Einen Troll!
Jacob nickte bedächtig. Natürlich. Die urtümlichen Sagengestalten hatten es Sofia angetan. Seit zwei Jahren wünschte sie sich nichts sehnlicher, als einmal einen echten Troll zu sehen. Genauer gesagt, seitdem ihr Vater auf See verschollen war. Er war Fischer und eines Tages nicht mit seinem Kutter heimgekehrt. Jacob war früher selbst zur See gefahren und ahnte, dass das nichts Gutes verhieß.
Sofia hatte die Hoffnung jedoch noch nicht aufgegeben, ihren Vater eines Tages wiederzusehen. Sie glaubte fest daran, dass ein Troll – stark und unerschütterlich, wie er den Sagen nach sein sollte – ihrem Vater helfen könnte, den Weg nach Hause wiederzufinden.
Ach, wenn es im Leben doch nur solche Wunder geben würde, dachte Jacob bei sich. Für Sofia und ihre Mutter ist die Ungewissheit schmerzhaft. Ich würde ihnen wünschen, sie wüssten endlich, was ihm zugestoßen ist. Auf einen guten Ausgang zu hoffen, wäre wohl zu viel erwartet ...
»Sofia!« Der helle Ruf kam von Mette, die im Eingang des Strandhotels stand und etwas von Kakao und Kuchen rief.
Oh, wie der Blitz war der kleine Wirbelwind da auf den Beinen und sauste los, klemmte sich gerade noch das Malzeug unter den Arm und war verschwunden.
Jacob warf einen trübseligen Blick auf seinen Teller.
Nun, offenbar war er hier fertig. Dann sollte er sich jetzt wohl um die Tür von Bungalow Nummer neun kümmern.
Ein Gast hatte es in der vergangenen Nacht fertiggebracht, seinen Schlüssel in das Schloss zu rammen – obwohl er nicht dort, sondern in Nummer sechs wohnte. Er hatte zu viele Cocktails erwischt, aber noch genügend Kraft aufgebracht, um den Schlüssel zu verkeilen. Hier half nur noch, das ganze Schloss auszutauschen.
Ursprünglich stammte Jacob aus Hamburg. Dort war er aufgewachsen, hatte geheiratet und eine Arbeit auf einem Fischkutter gehabt. Ein gutes Leben war das gewesen, bis er seine Frau an den Krebs verloren hatte.
Danach hatte er es in seiner Heimatstadt nicht mehr ausgehalten. Die Erinnerungen an jeder Ecke ... sie waren zu schmerzhaft gewesen. Also hatte er zugegriffen, als sich die Gelegenheit bot, das Strandhotel am kleinen Küstenweg zu übernehmen.
Es befand sich im Westen von Bornholm, nicht weit von der Hafenstadt Rönne entfernt. Umgeben von dichtem Wald scharten sich hübsche gelbe Bungalows um das Hauptgebäude mit dem Hotelrestaurant und der Rezeption. Hinter dem Hotel gab es einen Weiher, in dem nicht nur eine Entenfamilie, sondern auch ein Reiher zu Hause waren.
Bornholm wurde auch Sonneninsel genannt, und in diesem Sommer machte sie ihrem Namen wieder einmal alle Ehre. Das schöne Wetter lockte zahlreiche Kurzentschlossene auf die Insel. Jacob hatte in der letzten Woche vielen Interessenten absagen müssen, die gern ein Zimmer gebucht hätten.
Sein Hotel war schlichtweg ausgebucht.
»Tove, das alte Schlitzohr, hat es mal wieder in die Zeitung geschafft.« Line Haugsted trat vor das Hotel und wedelte mit ihrer Ausgabe der Inselzeitung. »365 Sorten Eis! Soll man das glauben?«
»Es wäre ein Abenteuer, alle Sorten durchzuprobieren, oder?«
»Auch Sorten wie Gorgonzola-Birne?« Line krauste die Nase. »Ich weiß ja nicht.«
»Und ich dachte, als Köchin wärst du geschmacklichen Experimenten nicht abgeneigt«, neckte Jacob sie.
»Bei allzu wilden Kompositionen bin ich raus, aber wer´s mag, kann es ruhig wagen. Essen und essen lassen«, philosophierte sie.
Ihr rundes Gesicht glänzte. In der Hotelküche war es bei diesen sommerlichen Temperaturen heiß wie in einer Sauna. Line war die gute Seele seiner Küche – und damit des ganzen Hotels. Schließlich war ein gelungener Aufenthalt seiner Gäste untrennbar mit dem Essen verbunden.
»Sag mal, hast du dir meine Heringe geholt?«, fragte er.
»Warum hätte ich das tun sollen?«
»Ich weiß es nicht, aber sie sind verschwunden.«
»Verschwunden? Du hast dein Mittagessen wohl beim Lesen nebenbei inhaliert, was?«, fragte sie lachend.
»Eben nicht. Keinen Bissen habe ich angerührt. Nur einen kurzen Blick in die Zeitung habe ich geworfen. Und als ich wieder hingeschaut habe ... waren sie fort!«
»Seltsam.« Line dehnte das Wort nachdenklich in die Länge. »Ich habe schon von mehreren Gästen gehört, dass ihnen Essen abhandengekommen ist. Zum Beispiel Snacks, die sie neben den Sonnenliegen abgelegt hatten, waren einfach weg.«
Jacob horchte auf. »Meinst du, wir haben einen Dieb im Hotel?«
»Das wollen wir nicht hoffen.« Line stemmte eine Hand auf die Hüften. »Womöglich waren es die Unterirdischen.«
»Sag bloß, du glaubst an die alten Sagen.«
»Aber sicher tue ich das.«
»Line ...«
»Wenn man auf Bornholm aufwächst, hört man von klein auf die Geschichten über die Unterirdischen, die in den Hügeln leben. Sie sind die Schutzgeister unserer Insel. Hilfsbereit, aber auch bereit für allerlei Schabernack.«
»Und sie stehlen einem das Mittagessen?« Jacob schnaufte. »Willst du das damit sagen?«
»Wer weiß. Sie sind nicht boshaft oder so, aber sie necken einen schon gerne.« Line zwinkerte ihm zu, sodass er sich plötzlich nicht sicher war, ob sie ihn nur auf den Arm nahm. »Keine Sorge, wir werden dich nicht verhungern lassen. Ich habe Zimtschnecken gebacken. Sie sind sogar noch warm. Wie wäre es, wenn ich dir ein frisches Mittagessen bringe, dazu eine Kostprobe der Zimtschnecken und eine Tasse Kaffee?«
»Liebend gern. Heute wird wieder ein langer Tag. Ohne etwas im Magen überstehe ich das nicht.« Jacob zupfte die Kapitänsmütze zurecht, ohne die er nicht aus dem Haus ging. Sie war sein Markenzeichen, eine Erinnerung an sein früheres Leben. »Diese Hochzeit bringt mich noch in ein frühes Grab.«
»Die Familie ist ein wenig anspruchsvoll, nicht wahr?« Line war im Bilde.
»Ein wenig?« Jacob blies die Wangen auf und ließ die Luft entweichen. »Man möchte meinen, ein Thronfolger würde vor den Altar treten bei so viel Glanz und Gloria. Alle fünf Minuten wird etwas geändert: die Sitzordnung, die Anordnung der Blumen im Pavillon, die Zeitspanne zwischen den Gängen beim Essen ...«
»Es soll eben alles perfekt sein. Das ist doch auch verständlich, oder nicht?«
»Aber nicht bei einhundertsechzig Gästen«, grummelte Jacob. »Jede Änderung zieht einen Rattenschwanz an Arbeit nach sich. Warum habe ich mich bloß darauf eingelassen?«
»Weil die Skovgaards ein Vermögen dafür bezahlen und du das Geld gut gebrauchen kannst, wenn du E-Bikes zum Ausleihen für die Gäste anschaffen willst.«
»Richtig.« Er nickte bedächtig.
Er wollte mit der Zeit gehen und seine Angebote für einen gelungenen Urlaub erweitern. Dazu gehörte auch, die alten Leihräder nach und nach um E-Bikes zu ergänzen. Das war sein nächstes größere Projekt.
In wenigen Tagen sollte im Hotel eine Hochzeit ausgerichtet werden. Ella Skovgaard und Malte Bentsen wollten sich das Jawort geben.
Der Vater der Braut leitete ein millionenschweres Unternehmen. Irgendetwas mit Pharmazie, wenn Jacob recht informiert war.
Mit den Hochzeitsgästen war sein Hotel ausgebucht. Und es versprach, ein großes Ereignis zu werden. Schon jetzt suchten Paparazzi nach Wegen, um in das Hotel zu gelangen und Schnappschüsse von dem Brautpaar und ihren Gästen erhaschen.
Jacob hatte einen von der Presse erwischt, wie er in die Fenster eines Bungalows gespäht hatte. Diesem Rüpel hatte er aber etwas erzählt!
Mit dem Versprechen, ihm eine Stärkung zu bringen, verschwand Line im Hotel.
Jacob ließ sich wieder an seinem Tisch nieder und wollte gerade erneut nach der Inselzeitung greifen, als das Handy in seiner Tasche summte.
Er zog es hervor und las Rike auf dem Display. Prompt hoben sich seine Mundwinkel. Ein Anruf seiner Nichte war immer ein Grund zur Freude ... Das dachte er zumindest, bis er das Telefon an sein Ohr hob und nichts als gedämpftes Schluchzen hörte.
»Rike? Liebes?« Alarmiert drückte er das Handy fester an sein Ohr. »Ist alles in Ordnung?«
»N-nichts ist in Ordnung«, kam es stockend zurück. Seine sonst so fröhliche Nichte klang gar nicht wie sie selbst. Ihre Stimme war rau und so kratzig, als hätte sie stundenlang geweint. »Es ist aus mit Alex und mir ...«
Jacob wartete, dass sie fortfahren und ihm erzählen würde, was passiert war, aber sie schwieg und brachte die Worte offenbar nicht über die Lippen.
»Ist schon gut«, erwiderte er sacht, auch wenn er keine Ahnung hatte, was geschehen war.
Noch vor wenigen Tagen hatten sie telefoniert. Da schien noch alles gut zu sein. Rike hatte davon geträumt, ihren Freund im kommenden Jahr zu heiraten. Das schien nun hinfällig zu sein.
Was mochte nur zwischen ihnen vorgefallen sein?
»Ach, Onkel Jakob.« Ihr leises Schluchzen schnitt ihm ins Herz. »Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll.«
»Komm nach Bornholm«, schlug er ihr vor. »Wenn das Herz irgendwo heilen kann, dann hier. Mir hat die Insel damals geholfen, und dir wird sie auch helfen.«
»Aber was ist mit der Hochzeit? Das Hotel ist doch ausgebucht.«
»Für dich finden wir schon ein Plätzchen. Mach dir darum keine Sorgen. Du kannst bleiben, solange du willst.« Jacob biss die Zähne zusammen, als er Rike leise schniefen hörte. Was hatte dieser Halunke seiner Nichte nur angetan? »Komm zu uns ins Strandhotel, Rike. Hier wird alles wieder gut.«
»Ich glaube nicht, dass das möglich ist. Es fühlt sich so an, als könnte nichts je wieder gut werden ...«
♥♥♥
Manchmal kam wirklich alles zusammen.
Niedergeschlagen starrte Rike auf den menschenleeren Schiffsanleger. Auf dem Asphalt waren mehrere Fahrspuren gekennzeichnet, die Platz für mehrere Hundert Wagen boten, doch ihr Auto war das einzige, das noch hier stand.
Sie hatte die Fähre verpasst.
Die Hammershus fuhr einmal täglich von Sassnitz nach Bornholm. Die nächste Abfahrt würde erst morgen sein. Bis dahin saß sie hier fest.
Ohne Quartier. Ohne Geld.
Ihr Konto hatte Alex geplündert und nicht mal einen Notgroschen übrig gelassen.
Was mache ich denn jetzt bloß? Rike umklammerte das Lenkrad fester. Auf dem Weg zur Fähre war sie nicht nur in einen Stau geraten, nein, eine Reifenpanne hatte sie auch noch mehrere Stunden aufgehalten. Ein Reserverad besaß sie nicht, und der Pannenservice hatten in der Ferienzeit alle Hände voll zu tun. Rike hatte stundenlang in der prallen Sonne ausharren müssen, bis ein Helfer vor Ort gewesen war, um sie zu einer Werkstatt zu schaffen, wo sie einen neuen Reifen bekommen hatte.
Für die Fähre war es längst zu spät gewesen, trotzdem war sie zum Anleger gefahren mit der winzig kleinen Hoffnung, dass das Schiff vielleicht auch verspätet war. Doch es war wohl schon auf halber Strecke nach Bornholm ...
Unter anderen Umständen hätte sie sich jetzt ein Hotelzimmer gesucht und den Tag irgendwie herumgebracht, aber ihr letztes Geld hatte sie in das Ticket für die Fähre gesteckt – und sie konnte von Glück sagen, dass sie es noch umbuchen konnte. Nun hatte sie nur noch ein paar Euro in der Tasche.
Als wäre es nicht schlimm genug, dass Alex ... Nein, daran wollte sie jetzt nicht denken. Besser, sie warnte Onkel Jacob erst einmal vor, dass sie erst morgen ankommen würde. Er würde sich sonst gewiss Sorgen um sie machen.
Weil ihre Kehle wie zugeschnürt war, schrieb sie ihm eine Nachricht auf sein Handy, dass sie das Schiff verpasst hatte morgen die nächste Fähre nehmen würde.
Seine Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
Dein Zimmer ist bereit. Wir warten auf dich, Liebes.
Eine namenlose Sehnsucht ließ ihre Augen brennen. Die Menschen im Strandhotel waren wie eine Familie für sie. Wie gern wäre sie jetzt bei ihnen ...
Ihr Handy piepte erneut.
Line hat deinen Lieblingskuchen gebacken. Den heben wir für dich auf. Ruf an, wenn du etwas brauchst. Wir sind hier.
Rike umklammerte das Telefon fester. Hier war im Augenblick unerreichbar fern für sie. Sie fühlte sich so verloren, als würde sie auf einer Planke im Meer treiben ...
»Nein«, ermahnte sie sich. »Alles wird gut. Morgen bin ich um diese Uhrzeit schon auf dem Weg nach Bornholm!«
Entschlossen startete sie den Motor und fuhr los. Ein Ziel hatte sie nicht, sie wollte nur etwas Zeit herumbringen, aber ein Blick auf ihren stetig schrumpfenden Vorrat an Benzin ermahnte sie, es nicht zu übertreiben. Mit ihren paar Münzen würde sie an der Tankstelle nicht mehr weit kommen ...
So steuerte sie einen der zahlreichen Wald-Parkplätze an, auf denen man seinen Wagen parken und zum Strand gelangen konnte. Hier in der Nähe des Fährhafens war man ein Stück entfernt von den beliebten Urlaubsorten, in denen sich die Feriengäste drängten, und so stand nur ein einzelnes anderes Fahrzeug im Schatten der ausladenden Kiefern.
Ein Zelt war auf dem weichen Waldboden aufgestellt, zwischen dichtem Blaubeergrün und Farnen. Der Reißverschluss am Zelteingang war zugezogen, und so war unmöglich zu sagen, ob sich jemand darin aufhielt. Zwischen zwei Bäumen war eine Wäscheleine aufgespannt. Daran flatterten zwei T-Shirts und ein paar Socken im Wind.
Eines der Shirts war mit Carpe diem bedruckt. Nutze den Tag. Rike seufzte leise. Wie denn, wenn man im Nirgendwo gestrandet war?