Notärztin Andrea Bergen 1504 E-Book

Caroline Thanneck

• Herausgeber: Bastei Lübbe
• Kategorie: Gesellschafts- und Liebesromane
• Serie: Notärztin Andrea Bergen
• Sprache: Deutsch
• Veröffentlichungsjahr: 2024

Seitenzahl: 121

Beschreibung

Matthias weiß nicht mehr, wer er ist oder wo er herkommt. Der Mann, der ihm im Spiegel entgegenblickt, scheint ein Fremder zu sein. Dank der schnellen Hilfe der Notärztin wurde das Aneurysma in seinem Gehirn entdeckt, und er konnte dem Tod gerade noch einmal von der Schippe springen. Doch seit der Not-OP leidet er an einer Amnesie. Wenn die Ärzte und Schwestern des Elisabeth-Krankenhauses nicht so herzlich wären, würde er durchdrehen. Besonders Schwester Sina ist ihm in seiner Verzweiflung eine große Stütze und versucht, ihm bei der Recherche nach seiner Identität zu helfen. Außerdem kümmert sie sich hingebungsvoll um seinen Hund. Dabei kämpft sie selbst mit heftigen Beziehungsproblemen. Als ein Hacker-Angriff die Klinik lahmlegt, gerät Sina auch noch unter Verdacht, damit etwas zu tun zu haben ...

Leseprobe

Inhalt

Cover

Wer ist eigentlich Matthias?

Vorschau

Impressum

Wer ist eigentlich Matthias?

Das Unvorstellbare ist geschehen: Ein Hacker ist in das Computer-System des Elisabeth-Krankenhauses eingedrungen und hat es komplett lahmgelegt! Der Großteil der Versorgung steht still, lebenswichtige Operationen müssen ausfallen – für die betroffenen Patienten eine Katastrophe! Nach unseren Noteinsätzen müssen wir mit Schwerverletzten weite Anfahrtswege zu anderen Kliniken in Kauf nehmen, die schon ein Patient mit dem Leben bezahlt hat! Nun scheint die Polizei den Schuldigen gefunden zu haben: Ausgerechnet unser Sorgenpatient Matthias, der nach einem Unfall am See das Gedächtnis verloren hat und noch immer ohne Identität ist, soll abends vom Schwesternzimmer aus den Angriff ausgeführt haben! Er soll verhaftet werden, sobald er entlassen werden kann. Doch ich bin überzeugt, dass er unschuldig ist! Ich habe Matthias in den vergangenen Wochen kennengelernt, und seine Verzweiflung über den schlimmen Verdacht ist echt! Ich werde alles tun, um ihm zu helfen und den wahren Schuldigen zu finden ...

»Schon wieder leer.« Notärztin Dr. Andrea Bergen stellte den Kaffeebecher zurück in die Halterung der Beifahrertür und verkniff sich ein Seufzen.

»Ihr wievielter Kaffee war das heute?« Ihr Fahrer drehte kurz den Kopf zu ihr, bevor er den Blick wieder auf die regennasse Fahrbahn richtete.

»Ach, wer zählt schon mit?«

»Sie. Zumindest sollten Sie das, bevor Ihnen der viele Kaffee Magengeschwüre beschert. Das wollen Sie nicht. Glauben Sie mir. Ich hab es hinter mir und kann es nicht empfehlen.« Carl, der heute den Notarztwagen fuhr, umklammerte das Lenkrad fester, als eine Sturmböe an dem Notarzteinsatzfahrzeug rüttelte. Dabei entfuhr ihm ein gedämpfter Fluch. »Ich frage mich, was das für ein Frühling sein soll. Es stürmt und regnet durcheinander und ... Sagen Sie mal, sind das wirklich noch mal Schneeflocken?«

»Es sieht ganz danach aus.« Andrea Bergen nickte bedächtig, als der Niederschlag auf die Windschutzscheibe prasselte und sich tatsächlich vereinzelte Schneeflocken in die Regentropfen mischten. »Dabei steht der Sommer vor der Tür.«

»Davon merkt man nur leider nichts. Schlimm genug, dass es so früh bereits dunkel wird, aber Schneeflocken? Nein, davon hatten wir in den vergangenen Monaten mehr als genug. Ich sehne mich nach Wärme und Sonnenschein.«

»Halten Sie durch. Nächste Woche soll es besser werden.«

»Das glaube ich erst, wenn ich mit der Badehose am Rheinufer sitze und Eistee schlürfe.« Ein Lächeln schwang in der Stimme des Fahrers mit und verriet, dass er nicht so grimmig war, wie er sich gern gab.

Kurz darauf erreichten sie ihren Einsatzort: ein mehrstöckiges Wohnhaus in der Innenstadt. Hier hatte es einen Unfall in der Küche gegeben. Dabei war ein vierjähriges Mädchen verletzt worden. Ihre Mutter hatte den Notruf gewählt.

Ein älterer Mann mit grau melierten Haaren und braunem Pullunder stand am Straßenrand und winkte aufgeregt. »Hier! Hier!«

Carl stoppte, und die Notärztin griff nach ihrer Einsatztasche und stieg aus. Ein Rettungswagen war zusätzlich angefordert worden, um die kleine Patientin nach der Erstversorgung in die Klinik zu bringen, aber noch nirgendwo zu sehen.

»Ich bin der Nachbar«, sprudelte der Mittsechziger hervor, kaum dass die Notärztin vor ihm stand, und deutete zur Haustür. »Es ist die Familie in der zweiten Etage. Bitte, beeilen Sie sich. Die Kleine ... Mein Gott. Es ist wirklich schlimm.«

Andrea Bergen nickte und hielt sich nicht länger auf. Carl folgte ihr die Treppe hinauf. Im zweiten Stock gab es vier Wohnungstüren. Vor einer stand ein Paar gelber Gummistiefel in Kindergröße. Diese Tür war nur angelehnt. Am Klingelschild war zu lesen: Bianca Meyer. Durch den Türspalt drang herzzerreißendes Schluchzen.

Die Notärztin drückte die Tür auf. »Hallo? Jemand hat den Notruf gewählt. Ich bin Notärztin Andrea Bergen. Darf ich reinkommen?«

»Ja, bitte«, kam es erstickt zurück. »Wir sind hier drüben.«

Sie folgte dem Weinen in das Zimmer auf der rechten Seite. Es war eine Küche mit hellen Einbaumöbeln, einer Kochinsel und zahlreichen Kräutertöpfen auf dem Fensterbrett. Auf dem Boden krümmte sich ein kleines Mädchen. Dicke Tränen kullerten über ihre Wangen, und sie schrie vor Schmerzen. Ihre hellblonden Haare waren zu zwei Zöpfchen geflochten. Die Haut des Kindes war feuerrot und von großen Blasen übersät. Gesicht, Hals, Arm ... Alles verbrüht!

Ein Kochtopf lag auf dem Boden, darum verstreut lagen Bockwürstchen.

Das Herz der Notärztin krampfte sich zusammen.

»Leonie hat den Topf vom Herd gezogen«, stieß die Mutter des Mädchens hervor. Sie kniete neben ihr und knetete ein Handtuch zwischen den Fingern. »Ich wollte ihre Haut kühlen, aber sie hat mich immer wieder weggestoßen.«

Das arme Kind musste furchtbare Schmerzen haben. Die Haut war großflächig verbrüht. Hose und Ringelshirt waren klatschnass. Sie hätte in die Wanne oder eine Schüssel gehört, um ihre Haut zu kühlen, aber das war versäumt worden.

Andrea Bergen kniete sich hin und prüfte Leonies Vitalfunktionen. »Ist schon gut, Spätzchen. Wir sind hier und helfen dir«, raunte sie, während sie Atmung und Herzschlag kontrollierte.

Leonies Atemwege waren frei. Trotzdem atmete sie flach und abgehackt. Ihr Puls jagte wie ein junges Fohlen, und ihr Blutdruck war deutlich zu niedrig. Das war nicht gut.

Der Vierjährigen drohte ein Schock!

Mit raschen Griffen holte die Notärztin eine Schere aus ihrer Tasche und schnitt die Kleidung des Kindes auf. Anders als bei Verbrennungen sollte die Kleidung bei einer Verbrühung schnellstmöglich entfernt werden, um einen Hitzestau zu vermeiden. Behutsam schälte sie den Stoff vom Körper des Kindes und erschrak angesichts der großflächigen Rötung und der Blasen auf Leonies Haut.

Sie blickte zu Leonies Mutter. »Wie viel wiegt Ihr Kind, Frau Meyer?«

»W-wie viel ... Oh, so ... s-sechzehn Kilogramm.«

»Ich werde Leonie etwas gegen die Schmerzen geben. Das Mittel wird sie etwas müde machen, aber das ist so gewollt. Außerdem bekommt sie eine Infusion, um ihren Kreislauf zu stabilisieren.« Andrea Bergen wechselte einen Blick mit ihrem Fahrer. Carl und sie arbeiteten schon lange immer einmal wieder zusammen. Er wusste genau, was zu tun war, kniete sich neben die kleine Leonie und hielt ihren Arm, sodass Andrea Bergen einen Zugang legen konnte.

Während sie die Nadel einführte, berechnete sie im Kopf die Menge an Flüssigkeit, die Leonie brauchen würde. Das war ein Balanceakt! Sie musste genug Flüssigkeit zuführen, um einen lebensgefährlichen Schock abzuwenden, aber nicht so viel, um ein Ödem zu verursachen.

Während der erste Beutel mit Kochsalzlösung durchlief, injizierte sie ein Schmerzmittel, das an das Gewicht des Kindes und die Ausdehnung ihrer Verletzungen angepasst war.

Bald lag Leonie ruhig da und weinte nicht mehr. Ihre Lider flatterten und schlossen sich schließlich, als die Erschöpfung und die Medikamente ihre Wirkung taten.

»Ich kann nichts dafür«, beteuerte ihre Mutter. »Leonie weiß, dass sie nicht an den Töpfen ziehen darf. Sie weiß das.«

Hinter ihr regte sich etwas. Zwei Sanitäter tauchten in der offenen Küchentür auf. Das Team des Rettungswagens war da.

Andrea Bergen stand auf. »Wir bringen Ihre Tochter jetzt ins Krankenhaus«, wandte sie sich an Leonies Mutter. »Möchten Sie mitfahren?«

Frau Meyer schien sie nicht zu hören. »Warum musste das passieren?«, murmelte sie. »Womit habe ich das nur verdient?«

»Frau Meyer?« Stand sie womöglich auch unter Schock? »Frau Meyer, ein großer Teil von Leonies Haut ist verbrüht. Sie muss so schnell wie möglich im Krankenhaus weiterbehandelt werden. Wir bringen sie jetzt dorthin.«

Plötzlich fuhr die blonde Frau auf und schüttelte den Kopf. »Nein. Auf keinen Fall! Wenn Sie Leonie ins Krankenhaus bringen, dann erfährt mein Ex-Mann, was passiert ist. Er will das alleinige Sorgerecht und benutzt alles gegen mich, was er nur finden kann. Das hier, das wäre Wasser auf seine Mühlen. Kein Krankenhaus, bitte! Ich kümmere mich selbst um Leonie. Hier daheim.«

Andrea Bergen fing bestürzte Blicke der Sanitäter auf. Sie wussten alle, dass sie Leonie nicht gegen den Willen ihrer Mutter mitnehmen konnten, aber sie hierzulassen würde ihr Schicksal besiegeln.

»Leonie braucht eine intensive Behandlung in der Klinik.«

»Nein. Keine Klinik. Mein Ex soll nichts davon erfahren.«

»Frau Meyer, Ihr früherer Mann wird auf jeden Fall erfahren, was passiert ist. Dafür muss er nur einen Blick auf sein Kind werfen!« Andrea Bergen bemerkte, wie alle im Raum erstarrten, und ihr dämmerte, dass sie laut geworden war. Zu laut. »Bitte«, fuhr sie sanfter fort. »Lassen Sie uns unsere Arbeit machen und Leonie helfen. Sie haben gehört, wie sie geweint hat. Die Schmerzen sind für ein paar Stunden unterdrückt, aber sie werden wiederkommen.«

»Dann gebe ich ihr mehr von den Medikamenten.«

»Das geht nur unter ärztlicher Aufsicht. Es sind starke Medikamente. Bitte, Sie haben sich sicherlich selbst schon einmal verbrüht. Erinnern Sie sich an diese Schmerzen?« Andrea Bergen sah die andere Frau an. »Lassen Sie uns Leonie helfen, bitte.«

Frau Meyer stieß den Atem aus, zögerte – und nickte dann. »Also gut.«

»Danke.« Andrea Bergen gab den beiden Sanitätern ein Zeichen. Sie hatten eine Trage mitgebracht und hoben das Kind nun behutsam darauf. Leonie wurde mit einer sterilen Decke zugedeckt, die verhindern würde, dass sie auskühlte. Dann brachten die Helfer sie nach draußen zum Rettungswagen.

Andrea Bergen stieg mit ein, um die Lebenszeichen ihrer Patientin unterwegs zu überwachen. Ihr Fahrer würde allein mit dem Notarztwagen zurückfahren.

Schweigend kletterte Leonies Mutter zu ihnen in den Wagen.

Kurz darauf waren sie auf dem Weg zum Elisabeth-Krankenhaus.

Während der Fahrt hielt die Sorge um das verletzte Kind die Notärztin in Atem. Sie kam nicht dazu, über das Geschehene nachzudenken.

Erst, als sie am Krankenhaus angekommen waren und das Team der Notaufnahme die Sorge um Leonie übernommen hatte, holten die Ereignisse die Notärztin wieder ein. Sie verließ das Krankenhaus, lief eine Weile ziellos durch den Park und sank schließlich auf eine Bank, ohne sich um den strömenden Regen und den Sturm zu kümmern, der an den Bäumen zerrte.

Ihre Augen brannten, und sie fühlte sich hundeelend ...

»Andrea?« Der erschrockene Ruf ließ sie aufblicken. Sina Moosbach kam mit einem Regenschirm in der Hand auf sie zu. Die junge Krankenschwester gehörte zum Team der Neurologischen Station. Seit einer gemeinsam überstandenen Gefahr waren Andrea Bergen und sie befreundet. Pfützenwasser spritzte unter ihren Schuhen, als sie herankam. Sie schien sich ihren Mantel in aller Eile über den Kittel gezogen zu haben, denn zwei Knöpfe waren falsch geschlossen.

»Ich habe dich vom Fenster aus gesehen und konnte nicht fassen, dass du wirklich im Regen sitzt. Was machst du denn bloß bei diesem Wetter hier draußen? Geht es dir gut?«

»Nicht wirklich.« Ein leises Stöhnen entschlüpfte Andrea. »Es war ein langer, langer Tag, und ich ... Ich habe vorhin eine Mutter angebrüllt.«

»Du hast ... was?« Sina blickte kurz auf die nasse Sitzfläche der Bank, dann zuckte sie mit den Schultern und setzte sich. »Erzähl mir davon«, bat sie leise.

»Wir waren bei einem kleinen Mädchen, das sich schwer verletzt hatte. Die Mutter schien nur an sich selbst zu denken, und da wurde mir plötzlich alles zu viel. Ich bin laut geworden. Es war unverzeihlich.«

»Eher menschlich, würde ich sagen.«

»Nein, mein Verhalten war absolut unprofessionell.«

»Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass du laut wirst. Du bist immer so ruhig und konzentriert, ganz egal, welcher Sturm gerade um dich herumtobt.«

»Die letzten Wochen waren anstrengend. Ich habe selten mehr als drei, vier Stunden am Stück geschlafen. Ich schätze, ich bin zurzeit dünnhäutiger als sonst.«

»Verständlich.« Sina rieb sich nachdenklich die Nasenspitze. »Ich denke, du brauchst dringend eine kleine Auszeit vom Alltag. Wie wäre es mit einem Kurzurlaub über ein verlängertes Wochenende?«

»Das ist lieb gemeint, aber für so etwas habe ich wirklich keine Zeit.«

»Gerade darum ist es wichtig, dass du sie dir nimmst. Begleite mich doch mal zum Yoga. Bei schönem Wetter findet der Kurs nicht im Studio, sondern am Badesee statt. Mitten im Grünen. Eine Stunde lang nur Ruhe und Natur. Keine Pflichten. Kein Stress. Nur dein Körper und du. Es ist perfekt, um frische Kraft zu tanken. Ehrlich.«

»Das klingt wirklich verlockend.«

»Sag ich doch.«

»Könnte ich meinen Hund mitbringen?«

»Aber sicher. Dolly kann uns den Schlafenden Hund vormachen.«

»Den Schlafenden Hund? Heißt die Yogaübung nicht Herabschauender Hund?«

»Sonst schon, aber ich kenne doch eure Dolly.« Sina zwinkerte. »Sie liebt es, in der Sonne zu dösen. Keine Pfote wird sie rühren, während wir beide schwitzen.«

»Das ist auch wieder wahr.« Andrea Bergen schmunzelte, und der Kloß im Hals schien sich zu lösen. Die Aussicht auf ein paar unbeschwerte Stunden am See war zu verlockend. Und die Erholung tat dringend not.

Doch es sollte alles ganz anders kommen ...

***

Eine Woche später schien der Frühling alles nachholen zu wollen, was er bisher versäumt hatte. Die Sonne schien wunderbar warm, kaum ein Wölkchen trieb über den Himmel, und überall lugten Blüten und frisches Grün aus der Erde.

So kam es, dass der Yoga-Kurs am Ufer des Bärensees abgehalten wurde. Das Gewässer befand sich rund zwanzig Minuten von der Stadt entfernt und war von dichtem Wald umgeben, dessen Rauschen und Flüstern den Lärm der Welt vergessen ließen. An dem flachen Strand waren ein Dutzend Yoga-Matten ausgerollt. Auch Wanderer und Ausflügler suchten hier Erholung. Einen Parkplatz fand man hier nicht, der See war nur zu Fuß zu erreichen.

Die Yoga-Lehrerin war eine zierliche Mittfünfzigerin, deren graue Haare schulterlang geschnitten waren und ein Gesicht frei ließen, das im Einklang mit sich und der Welt zu stehen schien. Sie war so biegsam, dass Andrea Bergen ein ums andere Mal seufzend »Ihre Knochen müssen aus Gummi sein, anders ist es nicht denkbar«, murmelte, während sie versuchte, die Dehnung nachzuahmen.

Sina hatte ihre Matte neben ihr ausgerollt, aber statt zu der Lehrerin blickte sie über die Schulter der Notärztin. Dabei wurden ihre Augen immer größer – und ein empörtes Keuchen entfuhr ihr.

»Nun sieh dir das einmal an!« Sie stieß Andrea Bergen an und deutete auf einen Punkt hinter ihr.

Die Notärztin drehte sich um. Auf einer Decke am Seeufer, nur einen Steinwurf von ihnen entfernt, hatte sich ein Mann niedergelassen. Er konnte nicht älter als Ende zwanzig sein, hatte kurze braune Haare und ein glatt rasiertes Kinn. Seine Garderobe war sportlich – Jeans, Sweatshirt und Sneaker.

Er hatte einen Hund bei sich, einen kleinen Hund mit lockigem schneeweißem Fell, an dessen Entstehen ein Terrier, ein Spitz und in entfernter Verwandtschaft ein zotteliges Schaf beteiligt sein mochten. Er lag auf der Decke, und sein Herrschen schob ihm gerade etwas zwischen die Zähne.

Andrea Bergen stutzte. »Täusche ich mich, oder gibt er ihm wirklich gerade Pommes frites?«

»Leider täuschst du dich nicht. Dieser Mann ist wirklich unmöglich. Gerade eben hat er sich eine Packung Käsehäppchen mit ihm geteilt.«

»Gesund ist das aber nicht.«

»Eben.«

Der Fremde hatte eine Papiertüte einer bekannten Fast-Food-Kette bei sich und fütterte seinen kleinen Begleiter mit ein paar Brocken eines Hamburgers.

Andrea Bergen blickte unwillkürlich zu ihrer eigenen Hündin hinüber. Dolly hatte sich im Schatten einer ausladenden Weide zusammengerollt, den Kopf auf die Vorderpfoten gebettet und döste.