Notärztin Andrea Bergen 1520 - Caroline Thanneck - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1520 E-Book

Caroline Thanneck

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dieses Bild wird die Notärztin nie vergessen: ihr ehemaliger Kollege Rudolf Birkner versucht, dem Rettungsteam bei einer Massenkarambolage zu helfen und ein Kind aus einem brennenden Auto zu retten. Aber der Wagen explodiert und reißt den mutigen Helden mit in den Tod!
Daran, und an die kuriose Beerdigung, auf der sich seine beiden hinterbliebenen Neffen prügelten, muss Andrea Bergen denken, als sie Monate später auf das ehemalige Weingut von Rudolf Birkner gerufen wird. Sein Neffe Jakob Birkner, der das Weingut nun führt, ist schwer krank! Nur eine Leberteilspende kann ihn noch retten! Andreas erster Gedanke gilt Jakobs Zwillingsbruder Erik - er wäre der perfekte Spender! Und er ist auch bereit dazu. Aber Jakob würde lieber sterben, als die Hilfe seines verhassten Bruders anzunehmen. Mit dieser Einstellung stürzt er auch die hübsche Sophie, die ihn innig liebt, in große Verzweiflung ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 123

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Die bittere Diagnose

Vorschau

Impressum

Die bittere Diagnose

Seit Monaten verfolgt mich das Bild des grauenvollen Tods eines Kollegen. Rudolf Birkner hatte versucht, ein Kind aus einem brennenden Auto zu retten. Aber der Wagen explodierte und riss ihn mit in den Tod! Bis heute habe ich Albträume von diesem Rettungseinsatz.

Die Erinneungen wurden jetzt wieder lebendig, als ich zu seinem ehemaligen Weingut gerufen wurde. Jakob, einer seiner beiden Neffen führt das Weingut inzwischen, ist aber schwer krank. Nur eine Leberteilspende kann ihn noch retten! Sein Zwillingsbruder Erik wäre der perfekte Spender! Aber Jakob würde lieber sterben, als die Hilfe seines verhassten Bruders anzunehmen. Mir muss gelingen, ihr Zerwürfnis aus der Welt zu schaffen, wenn Jakob eine Zukunft haben soll. Ich habe das Gefühl, das bin ich seinem Onkel schuldig ...

»... bin in einer halben Stunde zu Hause.«

Dr. Andrea Bergen winkte dem Pförtner am Empfang des Elisabeth-Krankenhauses zum Abschied zu, während sie ihr Handy fester ans Ohr presste. Die Notärztin hatte ihren Mann angerufen, um ihm Bescheid zu sagen, dass sie an diesem Abend pünktlich heimkommen würde.

»Ich freue mich auf dich, Liebes«, erwiderte Werner. »Eine Flasche habe ich uns schon bereitgestellt. Franzi ist mit ihrer Freundin oben. Die beiden probieren etwas, das nennt sich ›Diamond Painting‹. Also, entweder haben sie einen Werttransporter überfallen, oder das ist dieses Puzzle mit winzigen Glitzersteinen, das sie sich zum Geburtstag gewünscht hat. Das, bei dem sich am Ende ein glitzernder Delfin ergibt.«

»Ich hoffe auf Letzteres«, erwiderte Andrea schmunzelnd. »Ich würde ungern einen Kuchen mit einer Feile darin backen müssen, um unsere zwölfjährige Tochter aus dem Gefängnis zu befreien.«

»Das wäre in der Tat problematisch.« Ihr Mann lachte leise. »Ich habe mir gedacht, wir essen alle zusammen. Franzis Freundin hab ich eingeladen. Und wenn die beiden Mädchen wieder in ihrem Zimmer verschwinden, könnten wir uns ein Glas Wein genehmigen und etwas Musik hören. Auf dem Flohmarkt neulich habe ich eine Schallplatte von Leonard Cohen entdeckt. Die könnten wir auflegen. Meine Mutter ist in ihrem Krimi-Club, hat uns aber eine Lasagne vorbereitet.«

»Wie lieb von ihr! Du weißt aber schon, dass wir Cohens Musik auch einfach runterladen könnten. Dann müssten wir nicht schon nach einer halben Stunde die Platte umdrehen.«

Ihr Mann gab ein leises Schnauben von sich. »Das macht nicht halb so viel Spaß, wie Vinyl auszusuchen, sorgsam abzustauben und aufzulegen.«

»Dann machen wir es so.« Ihr Mann liebte seine Plattensammlung und stöberte gern auf Flohmärkten herum, um sie zu erweitern. »Ich bereite schon mal alles vor. Gut, dass du angerufen hast. Dann kann ich die Lasagne jetzt in den Herd schieben.«

»Danke dir. Bis gleich, Liebling.«

»Fahr vorsichtig, ja? Der Nebel ist nicht zu unterschätzen.«

»Versprochen.« Andrea Bergen schob ihr Handy in ihre Umhängetasche und strebte dem Ärzte-Parkplatz hinter dem Krankenhaus zu.

Hinter ihr lag ein langer Dienst. Als Notärztin hatte sie Tage, an denen es eher ruhig zuging und sie die Zeit zwischen ihren Einsätzen dafür nutzte, sich weiterzubilden, aber dies war keiner davon gewesen. Ein Notruf hatte den nächsten gejagt, und so kuschelte sie sich nun tiefer in ihren warmen Mantel und freute sich auf ihren Feierabend mit ihrer Familie.

Es war ein kühler Septemberabend. Vom Rheinufer aus war Nebel aufgekommen, der spürbar dichter wurde und selbst das Licht der Laternen schluckte, die den Parkplatz flankierten.

Gerade als die Notärztin neben ihrem Auto stehen blieb, hörte sie jemanden ihren Namen rufen.

»Andrea! Andrea!« Fritz Homberg stürmte über den Parkplatz und winkte ihr. Der Leiter der Notaufnahme war ein untersetzter Mann mit grauen Stoppelhaaren, Hornbrille und aufbrausendem Temperament, dessentwegen er vor allem bei neuen Kollegen gefürchtet war. Wer ihn besser kannte, wusste, dass er für sein Team durchs Feuer gehen würde – und für die Patienten sowieso. Er bewegte sich meist ruhig und behäbig. Wenn er rannte, so wie jetzt, hatte das gewiss nichts Gutes zu bedeuten. »Wie gut, dass ich dich noch erwische.«

Andrea seufzte. »Sag nicht, der Feierabend ist gestrichen?!«

»Leider doch. Wir brauchen jeden verfügbaren Mann.«

»Na, dann bin ich ja aus dem Schneider«, erwiderte sie.

Fritz Homberg ging nicht auf ihren Scherz ein. Auch kein gutes Zeichen.

Sie sah ihn fragend an. »Was ist passiert?«

»Es gab eine Massenkarambolage auf der Landstraße. Der elende Nebel. Es heißt, zehn Fahrzeuge seien ineinander gefahren. Womöglich mehr.«

»O nein.« Sie gesellte sich zu ihm und kehrte mit ihm zur Notaufnahme zurück.

»Wir brauchen sämtliche verfügbaren Rettungskräfte«, unterrichtete ihr Chef sie. »Leider ist dein Fahrer schon nach Hause gegangen. Wir versuchen gerade, ihn zurückzurufen. Du wirst vorerst mit einer jungen Kollegin ausrücken, die noch in der Ausbildung ist. Ihr Name ist Pia Holler.«

Andrea Bergen war im Bilde. Die junge Fahrerin war ihr bereits aufgefallen. Sie hatte mehrere Tattoos auf den Armen, und ihre kinnlangen Haare waren blau gefärbt. Kein verunglücktes Ich-hätte-eigentlich-blond-werden-sollen, sondern eher ein Ich-bin-jung-und-frei-und-abenteuerlustig-Blau. Pia stand in dem Ruf, das Notarzteinsatzfahrzeug selbst bei schlechten Verhältnissen wie auf Schienen zu steuern.

Sie saß bereits hinter dem Steuer, als Dr. Homberg Andrea Bergen dort ablieferte. »Hab eine Einsatzjacke für Sie!«, rief sie und schob ihren Kaugummi von einer Wange in die andere.

»Prima.« Andrea Bergen stieg ein und hatte sich kaum angeschnallt, als sich das Fahrzeug bereits in Bewegung setzte und sie in den Sitz gedrückt wurde.

Mit Blaulicht und Sirene brausten sie durch den abendlichen Berufsverkehr. Der fiel an diesem Abend noch dichter aus als sonst. Im Nebel kamen die Wagen langsamer voran, und so stockte es an jeder Ampel und jeder Kreuzung.

Hinter ihnen reihten sich mehrere weitere Rettungsfahrzeuge mit Blaulicht und Martinshorn ein. Andrea Bergen zog die Einsatzjacke an, die nicht nur die Aufschrift NOTÄRZTIN auf dem Rücken trug, sondern auch mit Leuchtstreifen versehen war, was sie selbst bei ungünstigen Lichtverhältnissen besser sichtbar machte und ihrem Schutz diente.

Sie rückte den Gurt zurecht, dann rief sie ihren Mann noch einmal an und sagte ihm, dass sie sich doch verspäten würde. »Wir müssen noch mal los.«

»Die Karambolage vor der Stadt?« Er war bereits im Bilde. »Hab es gerade im Radio gehört. Sei vorsichtig, ja?«

»Das verspreche ich dir.« Sie schob das Telefon zurück in ihre Tasche und sah ihre Fahrerin an. »Wie lange brauchen wir noch?«

»Drei Minuten«, kam es wie aus der Pistole geschossen zurück.

»Alles klar.«

»War das gerade Ihr Mann?«, fragte Pia.

»Ja, Werner wartet eigentlich mit dem Abendessen auf mich. Wollen Sie auch jemanden anrufen und durchgeben, dass Sie später kommen?«

»Ich hab drei Katzen. Die kommen schon klar.« Pia überholte einen Linienbus und ließ die Stadtgrenze hinter sich. Dann erzählte sie: »Mein Freund mochte die Tiere nicht. Im Sommer hat er verlangt, dass ich mich zwischen ihm und ihnen entscheide.«

»Wie schlimm. Und wie ist es weitergegangen?«

Pia grinste schief. »Wie gesagt, ich hab drei Katzen.«

»Also war Schluss? Das tut mir wirklich leid.«

»Mir nicht. Nicht mehr jedenfalls. War gut, dass alles so gekommen ist. Hinterher hab ich erfahren, dass er mich schon eine ganze Weile betrogen hat.«

Pia stieß zischend den Atem aus, als sich vor ihnen plötzlich ein Fahrradfahrer aus dem Nebel schälte. Ohne Licht mühte er sich auf der steil ansteigenden Fahrbahn ab und war wirklich erst im letzten Augenblick zu sehen. Pia blieb ruhig und gab wieder Gas.

Andrea Bergen spähte nach vorn. Sie kniff die Augen zusammen, aber im dichten Nebel half das wenig. Anhand der Pfosten am Fahrbahnrand, die immer fünfzig Meter auseinanderstanden, konnte sie abschätzen, dass die Sicht unter zwanzig Meter betrug. Und der Nebel nahm sogar noch zu! Er kroch von den Wiesen und dem nahen Rheinufer heran – lautlos wie ein Raubtier, das auf Beute aus ist.

Vor ihnen flackerten mit einem Mal orangefarbene Lichter. Verschwommen nur, aber eindeutig ein Zeichen, dass sie ihr Ziel erreicht hatten.

Mehrere Fahrzeuge von Feuerwehr und THW, dazu Rettungswagen und NEF, Noteinsatzfahrzeuge, parkten rings um die Unglücksstelle.

Kaum hatte Pia den Wagen zum Stillstand gebracht, sprang Andrea Bergen heraus, schnappte sich ihren Einsatzkoffer und strebte auf die Unglücksstelle zu.

Tatsächlich waren gut ein Dutzend Fahrzeuge ineinander verkeilt. Ein Lkw lag umgestürzt auf der Seite. Und ein Kleinwagen lag auf der Wiese – auf die Seite gekippt. Die Warnblinkleuchten sandten einen stummen Hilferuf ins Dunkel.

Mehrere Verletzte hatten ihre Fahrzeuge aus eigener Kraft verlassen können. Das Zischen von beschädigten Motoren mischte sich mit dem Stöhnen und Wimmern der Verletzten. Einige Menschen saßen noch in ihren Autos fest, riefen um Hilfe oder hämmerten mit den Fäusten gegen die Scheiben, in dem vergeblichen Versuch, sich zu befreien. »Helft mir! Helft mir!« Rauch und Benzingeruch schwängerten die Luft.

Selbst im Nebel war es ein Bild des Schreckens!

Etliche Helfer waren bereits vor Ort. Ein hoch gewachsener Mann mit grau meliertem Bart und der Uniform der Feuerwehr rief den herumeilenden Rettern Anweisungen zu. In aller Eile wurden Scheinwerfer aufgebaut, um den Unglücksort zu beleuchten und den Helfern eine bessere Sicht zu ermöglichen. Der Nebel schluckte einen Großteil des Lichts, aber es war immerhin besser als nichts.

Hinter Andrea Bergen trafen mehrere Polizeiwagen ein, entließen Beamte, die sich in Windeseile daranmachten, die Unfallstelle zu sichern und den Verkehr umzuleiten.

Zwei Teams von Sanitätern waren bereits vor Ort. Eines bemühte sich um einen Mann, der auf einer Trage lag. Gesicht, Hals und Hände waren blutig zerschnitten. Glassplitter ragten aus den Wunden. Blut schoss schwallartig aus einem Schnitt an seinem Hals. Einer der herumfliegenden Splitter musste seine Halsschlagader verletzt haben.

Das zweite Team kümmerte sich um eine silberhaarige Frau, die reglos hinter ihrem Steuer zusammengesunken war.

In der Nähe lag eine Gestalt unter einer Rettungsdecke.

Ein Mensch hatte es nicht geschafft ...

»Es wurden schon Helfer von anderen Krankenhäusern angefordert«, unterrichtete Pia die Notärztin. »Sie sollten jeden Moment hier sein.«

»Und keine Sekunde zu früh.« Andrea Bergen verschaffte sich einen kurzen Überblick. Dabei fiel ihr Augenmerk auf einen hageren jungen Mann, der gekrümmt auf sie zu humpelte und dabei so mühsam atmete, dass kaum ein Zweifel bleiben konnte: Seine Rippen waren gebrochen und hatten seine Lunge verletzt.

»Meine Frau ... kommen Sie ... bitte«, stieß er gurgelnd hervor.

»Zuerst müssen wir uns um Sie kümmern«, erwiderte Andrea.

»Nein. Meine Frau. Baby ...« Er deutete zu einem weißen Kleinwagen, der zwischen zwei Limousinen eingeklemmt war. Hinter dem Lenkrad saß eine dunkelhaarige Frau. Ihr Kopf war zur Seite gesunken. Sie ließ nicht erkennen, ob sie bei Bewusstsein war. Unter ihrem Kleid wölbte sich deutlich sichtbar ein Babybauch.

O nein!, durchfuhr es sie. Nein. Nein. Andrea Bergen winkte einem Sanitäter und bat ihn, sich um den Mann der Schwangeren zu kümmern. Dann eilte sie zu der Frau. Die Fahrertür war verkeilt und ließ sich nicht öffnen. Aber die Beifahrertür stand offen.

Die Notärztin kletterte in das Fahrzeug und tastete nach den Vitalzeichen der Patientin. Der Puls flatterte schwach und viel zu schnell gegen ihre tastenden Fingerkuppen. Die Haut war kalt und feucht vom Schweiß. Und die Schwangere war auffallend blass. Alles Anzeichen für innere Blutungen.

Hier blieb nicht mehr viel Zeit, um zu helfen!

»Halten Sie durch«, mahnte Andrea Bergen, während sie nach einer Kanüle suchte, um eine Infusion zu legen. Die Schwangere brauchte dringend Flüssigkeit, sonst würde ihr Kreislauf versagen. »Ich werde Ihnen helfen. Sie müssen nur ...« Weiter kam sie nicht, weil ein Ruf ihr das Blut in den Adern stocken ließ.

»Feuer! Vorsicht!«

Sie wirbelte herum. Ein Fahrzeug weiter hinten hatte Feuer gefangen! Eine dicke graue Rauchsäule stieg über dem Fahrzeug auf. Hinter den Scheiben waren Bewegungen auszumachen. Im Inneren war noch jemand gefangen!

Im nächsten Augenblick stürmte ein grauhaariger Mann auf das brennende Fahrzeug zu. Im Nebel und Rauch war er nur verschwommen zu sehen, aber die Notärztin erkannte ihn dennoch: Rudolf Birkner, ein ehemaliger Kollege. Genauer gesagt, war er Chirurg am Elisabeth-Krankenhaus gewesen, aber vor fünf oder sechs Jahren in den Ruhestand gegangen.

Er war hagerer als damals, sein Bart war grauer, aber er war es unverkennbar. Und er rannte zu dem brennenden Fahrzeug!

Warnrufe gellten. Ein Feuerwehrmann wollte ihn zurückhalten, aber er riss sich los und rannte zu dem Wagen, aus dessen Motorraum nun Flammen schossen und an der Karosserie entlangzüngelten. Er zerrte an der Fahrertür, aber die ließ sich nicht öffnen. Da schwang er einen Hammer über seinen Kopf und schlug die Scheibe ein.

Von drinnen wurde ihm ein Kind entgegengereckt, kaum älter als zwei Jahre. Es weinte bitterlich. Er packte es, zerrte es durch die Fensteröffnung ins Freie und rannte zu einer verletzten Frau, der Blut über Stirn und Nase lief. Ihr drückte er das Kind ohne lange Umstände in den Arm und lief zu dem brennenden Fahrzeug.

»Nicht!«, brüllte jemand.

Im selben Augenblick krachte es ohrenbetäubend.

Eine Explosion! Das brennende Auto barst in zählige Teile. Wrackteile wurden in alle Richtungen geschleudert, trafen andere Fahrzeuge, Menschen, schlugen krachend auf dem Asphalt auf ...

Einem Impuls folgenden, warf sich Andrea Bergen über ihre schwangere Patientin und schützte sie mit ihrem Körper.

Keine Sekunde zu früh!

Die Wucht der Explosion traf sie wie ein heftiger Schlag in den Rücken. Ein wilder Schmerz raste durch ihren Körper bis in ihre Fingerspitzen hinein.

Und sekundenlang wurde alles schwarz um sie herum ...

***

Das Fiepen in ihren Ohren brachte Andrea Bergen wieder zu sich. Keuchend fuhr sie hoch und wandte den Kopf.

Ihr früherer Kollege war in den dichten Rauchschwaden nicht zu entdecken. Der Unfallwagen brannte lichterloh!

Von allen Seiten stürmten nun Helfer herbei. Die Feuerwehr mühte sich, den Brand zu löschen. Wenn das Feuer auf die übrigen Autos übersprang ... nicht auszudenken!

Andrea Bergen musste sich zwingen, den Blick abzuwenden und sich auf ihre Patientin zu konzentrieren. Sie musste die Schreie der Verletzten und das Prasseln der Flammen ausblenden, um helfen zu können.

Die Schwangere hatte das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt.

Andrea Bergen legte ihr eine Infusion und vergewisserte sich, dass der Herzschlag von Mutter und Kind stabil war.

»Wie kann ich helfen?« Pia tauchte neben ihr auf, eine Trage neben sich.

»Wir müssen sie aus dem Wagen bergen und auf die Trage legen, damit sie auf dem schnellsten Weg ins Krankenhaus gebracht werden kann.«

»Verstanden.«

Hitze schlug ihnen von dem brennenden Fahrzeug entgegen, aber weder die Notärztin noch ihre Fahrerin hatten Zeit, sich darum zu kümmern. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt der verletzten Frau, der sie nun eine Halskrause anlegten, um ihre Wirbelsäule zu stabilisieren, und die sie mithilfe eines Spineboards aus dem verunglückten Kleinwagen bargen.

Der Rücken der Notärztin protestierte mit ziehenden Schmerzen gegen die Wucht der Explosion, die sie getroffen hatte. Sie biss die Zähne zusammen und bewegte ihre Patientin mit der Hilfe ihrer Fahrerin so behutsam wie möglich aus dem Fahrzeug und auf die Trage.

Inzwischen waren mehrere Rettungswagen eingetroffen.

Ein Team übernahm ihre schwangere Patientin. Andrea Bergen gab ihnen die wichtigsten Informationen über Blutdruck und die anliegende Infusion mit auf den Weg. Kurz darauf brauste das Fahrzeug bereits mit Blaulicht davon.

Die Notärztin wandte sich dem Mann der Schwangeren zu, der vor ihren Augen zusammenbrach. Seine Atmung stolperte, er spuckte Blut, und seine bläulich verfärbten Lippen verrieten, dass seine Lunge kollabierte.