Notwehr oder Schicksal - eine Frage der Sichtweise - Wolfgang Pein - E-Book

Notwehr oder Schicksal - eine Frage der Sichtweise E-Book

Wolfgang Pein

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Beschreibung

Die Geschichten handeln von 5 Todesfällen, die etwas mehr als nur "ungewöhnlich" sind. Und der Leserin / dem Leser stellt sich die Frage, wie viel davon Schicksal, Zufall oder Absicht ist. Die Frage "Gibt es das Schicksal, dem man nicht entgehen kann?", haben sich vielleicht schon viele einmal gestellt. Und "was" vom Geschehen ist denn wirklich Schicksal - oder wie viel davon ist vom Menschen Hand-gemacht - oder wie viel hängt auch vom Zufall ab? War es z.B. Notwehr oder etwa Vergeltung? Geschieht hier etwas, weil das Schicksal nicht mehr länger zusehen kann und schwerwiegende Dinge entscheidend selbst in die Hand nimmt, denen man nicht mehr Herr werden kann? Die Frage "nach der Schuld" - bei wem auch immer - können und müssen sich die Leser/innen hier selbst stellen und auch selbst beantworten. Dabei wird man vielleicht feststellen, dass eine Schuld oder eine Schuldzuweisung manchmal gar nicht so einfach ist und wahrscheinlich von "gerecht" bis "geht ja gar nicht" tendiert.

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Wenn „nichts mehr geht“

und alles völlig sinnlos erscheint,

wenn alles nach „Hilfe“ schreit,

wenn Wut und Hilflosigkeit alles ist –

gibt es dann doch noch eine Fügung,

gibt es „das“ Schicksal,

welches am Ende alles regelt?

Aber wer sitzt am Ende,

wer nimmt es in die Hand,

wenn die eigene Kraft nicht mehr reicht?

Und was dann – was nun?

Ist „jetzt“ etwa wieder alles gut?

Deinem Schicksal

wirst Du nicht entrinnen,

so sagt man wohl.

Manchmal

kann selbst das Schicksal

dem Treiben der Menschen

wohl nicht mehr zusehen.

Wie

„Es“ eingreifen könnte,

das zeigen

die folgenden Geschichten

mit kriminalistischem Einschlag

Inhaltsverzeichnis

Geschichte 1: Vom Ende einer tragischen Ausfahrt

An einem Freitag im Februar

13. Februar - 17.57 Uhr

Einige Jahre davor

Zurück zum 13. Februar - 18.01 Uhr

Fehlendes Augenmaß

Katharina

Ein folgenschwerer Irrtum

Tragische Sekunden

Ermittlungen

Verarbeitungs-Versuch

offene Fragen

Rückblicke

Ermittlungs-Abschluss

Geschichte 2: Können Tiere auch Vergeltung üben?

Ein paar Stunden vorher

Spurensicherung

Eine tierische Konferenz

Klärende Vernehmungen

Eine zeitgleiche Obduktion

Zur etwa selben Zeit auf der Weide

Nachtrag:

Geschichte 3: Späte Rache

Hoch über den Dächern einer Stadt

Geschichte 4: Man muss kein Gasmann sein – nur weil man Gaston heißt

Koch – Show

Geschichte 5: Des einen Freud - des anderen Leid

Ein Roboter im Garten bringt Freizeit.

Geschichte 1

Vom Ende einer tragischen Ausfahrt

- eine „fast“ wahre Geschichte -

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Untertitel:

tödliches Nikotin

An einem Freitag im Februar

( ein kleiner Ort in Schleswig-Holstein )

Die Zeit schreitet voran – langsam, aber ständig. Der Mensch kann sie nicht aufhalten, auch wenn er ständig zwischen „Winterzeit“ und „Sommerzeit“ hin und her pendelt.

Er hat es in der Hand - könnte zumindest regeln, dass es bei einer Wahl der Zeit bleibt, doch dazu gibt es zu viele, die mitreden wollen - zu viele, denen das eine besser erscheint als das andere.

Der Mensch hat es in der Hand – viele nicht, vor allem nicht die Tiere, die Gott-sei-Dank nicht ihre Uhren stellen müssen.

Aber deren innere Uhr wird dennoch beeinflusst, denn die Menschen haben eben in diesen beiden verschiedenen Zeiten einen anderen Rhythmus, dem sich die Tierwelt fügen muss, zumindest, soweit sie vom Menschen abhängig ist.

Dem 13. Februar war es egal, was der Mensch sich so einfallen lässt. Er beendete die Nacht und begann den Tag so, wie es ihm gefiel. Und er ließ sich auch nicht beeinflussen, ob die Sonne scheinen soll oder Wolken den Schein verdecken.

Es war heute gar nicht richtig hell geworden. Den ganzen Tag über war es trüb geblieben.

Und jetzt kündigte sich schon früh der Abend an. Sehr bald wird es noch dämmriger werden, bis sich der Tag vollends verabschiedet und die Nacht sich über alles senken wird.

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13. Februar - 17.57 Uhr

Karel ist die Sommer- oder Winterzeit egal. Sein Chef sagt ihm, wann er zu arbeiten hat, sagt ihm, wann er in seinen Lastwagen steigen soll - sagt ihm, wohin seine Fahrt gehen wird.

So war es auch wieder heute am sehr frühen Morgen am 13. Februar gewesen. Karel hatte jetzt – um 17.57 Uhr - schon eine lange Reise hinter sich, hatte weitere 700 Kilometer auf dem Tacho seines riesigen Lastwagens angesammelt. Karel war froh, wenn er in Kürze am Ziel seiner langen Reise ankommen wird. Heute war die Fahrt besonders strapaziös gewesen.

Viel Verkehr war unterwegs, und auch der eine oder andere Halt, zu dem er wegen einiger Unfälle auf der Bahn gezwungen war, hatte ihn in der Zeit etwas zurück geworden – eigentlich hatte er um diese Zeit schon an seinem Zielort sein wollen.

Trotz alledem musste er schmunzeln. Zum einen war es wohl die nahe Ankunft – das Ende seiner Fahrt, andererseits war es auch heute wieder der Abschied auf dem heimatlichen Firmengelände, im Osten der EU. Wieder einmal hatten ihn die Kollegen mit den Worten „Karel, fahr auch heute wieder wie ein Gott!“ verabschiedet und ihn auf die lange Reise geschickt.

Das war inzwischen ein Ritual geworden und hatte offensichtlich geholfen, denn Karel war der einzige Unfall-freie Fahrer der Firma.

Karel lachte dann jedes Mal und seine Antwort war immer gleich: „Danke für diese Nettigkeit. Vielleicht fahre ich ja wirklich deutlich besser, als der, den ihr wohl meint – aber erstens singe ich nicht so gut und Gott bin und heiße ich nicht.“

Gerade noch grinsend wurde Karel urplötzlich gezwungen, seinen Lastzug, der heute auch noch einen Anhänger mit sich führte, mit einem vollen Tritt auf die Bremse zu stoppen.

Gerade noch – es war Zentimeter-Arbeit – kam er hinter einem Pkw zu stehen, der abrupt an den Straßenrand gefahren war und ohne weitere Warnung seine Bremslichter aufleuchten ließ.

Karel wollte schon einen seiner berüchtigten Flüche los werden, dachte sogar ans Aussteigen, um seine Meinung kund zu tun, überlegte es sich dann aber doch noch anders, als er sah, wie sich die Fahrertür öffnete und der Fahrer einen Rollstuhl aus dem hinteren Fahrzeugbereich für seinen Beifahrer hervor holte.

„Armer Kerl“, dachte Karel laut, „bist schon genug gestraft, da werde ich dich von meiner Laune mal verschonen, obwohl du wissen müsstest, dass du dich „so“ nicht im Straßenverkehr benehmen und mit deinem Leben spielen solltest!“

Fahrer und Rollstuhlfahrer hatten wohl die Gefährlichkeit ihres Handelns nicht erkannt. Die winkten Karel sogar noch freundlich zu und verschwanden im nächsten Haus.

Karel stieg jetzt trotzdem aus. Er hatte bei dem abrupten Bremsmanöver ein Geräusch hinter sich gehört, löste die hintere Plane des Zugfahrzeugs und versicherte sich, dass die Ladung sich noch dort befand, wo sie auch hin gehört.

Karel sah jetzt, dass er etwas ungünstig zum Stehen gekommen war und direkt eine Straße versperrte, die auf die Hauptstraße führt - auf die Straße, auf der sein Lastzug stand. Allerdings hatte er jetzt auch keine Eile, denn ein Fahrzeug sah er nicht, dem er im Wege stehen könnte.

Was er sah, war nur ein Behindertenfahrzeug, einen Akku-elektrischen Rollstuhl, der aber keine Anstalten machte, den Gehweg zu verlassen, um dann auf die Straße zu fahren, die Karels Lastwagen im Augenblick noch versperrte.

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einige Jahre davor

„Wann hatte dies alles eigentlich begonnen?“

Das hatte „sie“ sich schon so oft gefragt, so oft in den letzten Jahren – oder waren es etwa schon an die 10 Jahre – oder sogar noch mehr?

Von einem „normalen“ Leben war in ihren Augen eigentlich nichts mehr übrig geblieben.

„Warum passiert das mir – warum habe ich das verdient?“, sagten ihr genau diese Augen.

Katharina stand vor dem Spiegel im Bad und sah ein Gesicht, das einmal ein sehr fröhliches Gesicht gewesen ist. Und ihre traurigen Augen sprachen auch genau das aus, was sie soeben noch gedacht hatte.

Wieder einmal flossen ihr die Tränen nur so aus den Augen, liefen rechts und links der Nase hinunter – berührten ihre Lippen, und Katharina spürte, wie salzig Tränen sein können.

„Wie lange werde ich das noch aushalten können – wie lange ertrage ich das eigentlich noch?“, waren die Fragen, die sie sich schon seit Jahren stellte – ohne jemals eine befriedigende Antwort bekommen zu haben. Wer konnte auch darauf eine Antwort geben – eine hoffnungsvolle Antworteine Antwort, die ihr wieder Mut geben würde?

Ihre Tränen trockneten, ihre Augen nahmen ihre normale Tätigkeit wieder auf – ebenso wie das Leben – ihr Leben, das wieder seinen normalen Gang aufnahm – normal?

Aber was war eigentlich noch normal an ihrem Leben? Bitterkeit und Verzweiflung waren die Dinge, die Tag und Nacht über sie herein gebrochen waren – eigentlich jeden Tag und jede Nacht – seit Jahren.

Ein einziges Mal hatte sie sich befreien können, war aus ihrem Trott ausgeschieden, hatte sich vom Horror verabschiedet, war an einen anderen Ort geflüchtet. Aber es hatte nicht angehalten – diese andere Zeit, der Abstand.

Wieder zurück „im häuslichen Leben“ war es nur eine kurze Zeit in der sie dachte „Es wird jetzt alles anders – wird besser, muss besser werden!“

Nichts wurde besser, aber auch gar nichts – im Gegenteil. Ihr Alfred schien es regelrecht zu genießen, dass sie zurück gekommen war, hatte wohl die Ansicht, dass „sie“ es ja offensichtlich nicht schafft, allein zu Recht zu kommen. Und das ließ er sie bitter spüren.

Er besaß jetzt noch mehr Macht über sie, viel mehr noch nach ihrer Rückkehr – dachte er.

Und was dachte Katharina? Voller Bitterkeit dachte sie, dass Alfred als Name für ihren „einstigen Göttergatten“ wirklich sehr gut passt, denn fast jeder hat einmal mit bekommen, was ein bestimmter Alfred für ein schlimmes Ekel sein kann. „Sorry“, dachte sie bei sich, „eigentlich muss ich mich für diesen Gedanken entschuldigen - bei Alfred!“

Katharina war klar, dass sie sich wirklich nur bei „dem Alfred“ entschuldigen müsste, der im Fernsehen „ein Ekel“ spielt.

Sie lachte auf – kein fröhliches Lachen, mehr der Bitterkeit geschuldet, denn sie hatte das „wahre Ekel“ ja selbst zu Hause.

Der „TV-Alfred“ könnte bei ihrem Alfred noch sehr viel lernen, könnte dann noch weitere unendlich viele Folgen drehen, könnte dann allen zeigen, was unmenschlich alles möglich ist.

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zurück zum 13. Februar - 18.01 Uhr

Karels Lastzug stand immer noch an Ort und Stelle, an der er nach der Notbremsung zum Stillstand gekommen war.

Die Ladung war also in Ordnung, nichts war verrutscht, und ein Unfall wegen dem plötzlich vor ihm haltenden Pkw hatte Karel durch seine Erfahrung und blitzschnelle Reaktion verhindert.

Karel stieg wieder ins Führerhaus seines Zugfahrzeugs und drehte den Zündschlüssel.

Wummernd sprang der Diesel an, aber: „Läuft die Maschine nicht etwas stotternd?“, dachte Karel. Und tatsächlich war das Geräusch des Motors jetzt etwas unnormal – als nur ein „Dieseln“.

Karel sah auf seine Uhr, verglich die Zeit seiner Armbanduhr mit der Zeit im Fahrzeug. Es waren nur noch Minuten bis zum Ziel. Und Karel hatte immer pünktlich geliefert. Er drehte noch einmal den Zündschlüssel, der Diesel sprang an – zwar immer noch etwas unnormal, aber er lief.

Der Lastzug fuhr an – jedoch nur etwa zwei Meter weit. Dann verstummte der Motor, der Lastzug blieb schwankend und plötzlich stoppend stehen.

Das Zugfahrzeug blockierte jetzt immer noch die Nebenstraße, dann kam die ziemlich lange Deichsel, dahinter dann der Hänger.

Karel stieg aus, ging um den Lastzug herum, prüfte, ob irgendetwas vielleicht qualmte – fand aber keine Unregelmäßigkeiten.

Er überlegte noch kurz, ob er sein Fahrzeug noch besonders absichern soll, aber schließlich war er bereits innerhalb der geschlossenen Ortschaft, wo auch andere Fahrzeuge am Straßenrand parkten. Und die Nebenstraße brauchte er auch nicht besonders zu berücksichtigen – sein riesiger Lastwagen war keinesfalls zu übersehen.

Karel stieg wieder ein, holte sein Handy aus der Jackentasche, um seinen Chef und die Firma, die eine Lieferung erwartete, anzurufen.

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fehlendes Augenmaß

Alfred – der schlimme Ekel-Doppelgänger - war verärgert. Da hatte es seine Frau doch gewagt, ihn allein zu lassen! Nein, sie war nicht „schon wieder“ auf und davon – eigentlich war sie entschuldigt. Das sah Alfred aber gar nicht so.

Katharina konnte nichts für seinen Unmut. Mit einem vollen Wäschekorb im Arm war sie die Kellertreppe hinunter gestürzt. Ihr rechtes Handgelenk war gebrochen. Was mit ihrem linken Knie zu passieren hat, da waren sich die Ärzte noch nicht ganz einig. – Katharina befand sich im Krankenhaus – seit drei Tagen.

Alfred hatte die Vorräte zu Hause beinahe aufgebraucht. Die jetzt ausgehenden Lebensmittel störten ihn nicht so sehr, wie der mittlerweile jetzt fehlende Tabak.

Schon zwei Stunden hatte er nicht mehr geraucht, für ihn eine Ewigkeit in seinem Zimmer, dessen Wände – kein Wunder – eine gelbliche Farbe angenommen hatten.

Alfred überlegte mit schief gehaltenem Kopf, wann er eigentlich zuletzt die Wohnung verlassen hatte – das müsste schon ziemlich lange her sein.

Sollte er jetzt tatsächlich „raus“ müssen? Sollte er jemanden anrufen, der Tabak besorgt? Ärgerlich stand er auf und zog seine Jacke an. Während er sich die Außentreppe nach draußen hangelte wurde ihm bewusst, wie lange schon er die Wohnung nicht mehr verlassen hatte. Das mussten jetzt schon zwei Jahre her sein.

Aber dass in der Garage noch immer der Akkubetriebene Rollstuhl stand, der ihm von seiner Krankenkasse spendiert worden war, das wusste er noch genau.

Auch wusste er, dass noch vor ungefähr drei Wochen der Akku aufgeladen wurde, als Test des Krankenkassen-Vertreters, der inspizierte, ob das Gerät noch in Ordnung war, auch das wusste er.

Deshalb hoffte er, dass das Gerät fahrbereit war, fahrbereit, um zumindest bis zum nächsten Zigaretten-Automaten zu fahren.

Mit dem Gerät hatte er lediglich bei der damaligen schon lange zurück liegenden „Anlieferung“ eine Probefahrt unternommen, bzw. lediglich eine Einweisung in die Handhabung bekommen.

Gefahren war er danach bis jetzt und heute keinen Meter mehr, und jetzt war sich Alfred höchst unsicher, ob er mit dem Gerät umgehen kann.

Sein größtes Handicap aber war, dass seine Augen immer weiter nachgelassen hatten. Die schlechten Untersuchungsergebnisse seines Augenarztes hatte er verschwiegen, hatte einfach behauptet, dass alles noch nicht so schlimm ist und dass er dann im nächsten folgenden Jahr wieder zur Untersuchung kommen soll.

Alfred benötigte eine ganze Weile, bis er sich einigermaßen sicher fühlte, um sein Vorhaben – die Fahrt zum Zigaretten-Automaten – in Angriff zu nehmen. Bestimmt waren mindestens zwanzig Minuten vergangen oder sogar eine halbe Stunde, bis er endlich „im Sattel“ saß und immer noch unsicher den Schalter umlegte, um Saft ins Gerät fließen zu lassen.

Tatsächlich ertönte ein leises Summen und das Gerät fuhr langsam aus der Garage.

Alfred schaffte die ersten Meter unfallfrei. Aber am liebsten hätte er die Fahrt sofort wieder abgebrochen, wenn da nicht der Drang nach dem Nikotin gewesen wäre. Alfred bog um die Hausecke und fuhr auf die Zubringerstraße zur Dorf-Durchgangs-Straße. Er sah kaum etwas klar. Dass der Tag trüb gewesen war und jetzt bei beginnender Dämmerung die Sicht noch mehr eingeschränkt war, das wurde ihm schlagartig bewusst – aber er fuhr weiter.

Bei jedem Meter, den er weiter vorwärts fuhr, klang es ihm in den Ohren „Mensch, lass es sein! Was du da machst, das ist viel zu gefährlich. Siehst du überhaupt – wo du hin fährst?“

Seine Sucht war stärker. Alfred näherte sich nun langsam der Hauptstraße. Allerdings stoppte er dann einige Meter davor. Etwas war ihm doch nicht geheuer. Er dachte, einen riesigen Schatten vor sich zu sehen – zumindest sah er einen Umriss, einen hohen und breiten Umriss.

Alfred betätigte vorsichtig den Schalter auf „Fahrt vorwärts“ und fuhr weitere zwei Meter vorwärts. Dann hielt das Gerät erneut an, was nicht nur an ihm lag, denn es ruckte und zuckte. War der Akku etwa am Ende?

Was Alfred nicht ahnte: Was er als großen Schatten vor sich glaubte, das war das Zugfahrzeug des Lastzuges.

Und dieser Schatten versperrte ihm offensichtlich den Weg.

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Katharina

Im Krankenhaus hatte man festgestellt, dass außer am Handgelenk keine ernst zu nehmenden Unfallschäden durch den Treppensturz entstanden waren.

Katharina wurde entlassen und ließ sich von einem Taxi nach Hause fahren.

Zuhause traf sie niemanden an. Wo war Alfred?

Nachdem Katharina an die zwei Stunden gewartet hatte, ob ihr Alfred wieder auftaucht – sie konnte sich überhaupt keinen Reim darauf machen, wo er sein könnte – ging sie äußerst vorsichtig in den Keller. Dann ging sie durch den Garten nach draußen und schaute in der Garage nach.

Das Auto stand dort offensichtlich so, wie sie es zuletzt geparkt hatte, bevor ihr der Unfall passierte.

Was fehlte – das war der Akku - Rollstuhl von Alfred, was ihr mehr als merkwürdig vorkam. Überhaupt - die ganze Geschichte wurde sehr sehr merkwürdig.

Wo war Alfred? Sie konnte sich kaum erinnern, wann der zuletzt das Haus – geschweige denn die Wohnung verlassen hatte.

Katharina zog ihren Mantel an und machte sich auf die Suche – weit konnte Alfred nicht sein.