Nur ein galantes Abenteuer? - Anne Herries - E-Book

Nur ein galantes Abenteuer? E-Book

Anne Herries

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Beschreibung

Niemals! Eine langweilige Ehe ist das Letze, was die temperamentvolle Miss Caroline Holbrook ersehnt! Dennoch soll sie auf den Wunsch ihrer Tante noch in dieser Saison einen Gatten finden. Und prompt lenken Carolines rote Lockenpracht und ihre funkelnden grünen Augen Sir Fredrick Rathbones Blicke auf sich: der begehrteste Junggeselle der Stadt - der alles andere als langweilig ist, wie Caroline nach einem betörenden Kuss atemlos feststellt. Aber will Sir Frederick wirklich den Hafen der Ehe ansteuern? Oder sucht der charmante Herzensbrecher nur ein galantes Abenteuer?

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Seitenzahl: 287

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IMPRESSUM

Nur ein galantes Abenteuer? erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2008 by Anne Herries Originaltitel: „The Rake’s Rebellious Lady“ erschienen bei: Mills & Boon, London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe MYLADYBand 529 - 2010 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Mira Bongard

Umschlagsmotive: The Killion Group / Hot Damn Designs

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733775339

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

London, Mai 1814

„Was für Prachtexemplare!“, rief George Bellingham, als er die reinrassigen Füchse sah, die Sir Frederick Rathbone an diesem Morgen durch den Hyde Park lenkte. „Du hast wirklich ein ausgezeichnetes Gespür für Pferde, Freddie. Beim nächsten Mal, wenn ich meinen Stall aufbessern will, werde ich deinen Rat einholen.“

George war zu Fuß unterwegs. Sir Frederick hielt sofort an und lud ihn ein, in den Phaeton einzusteigen.

„Willst du die Zügel übernehmen?“, fragte er. „Solche Pferde findest du in ganz London nicht. Ich hatte großes Glück, sie zu bekommen. Sie stammen aus Farringdons Stall. Er hat sie mir verkauft, nachdem er beim Spielen eine Pechsträhne hatte.“

„Es können nicht alle so viel Glück haben wie du!“, erwiderte Bellingham. „Dennoch wundert es mich, dass Farringdon sie verkauft hat. Ich dachte, sie wären sein ganzer Stolz.“

„Not kennt kein Gebot.“ Freddie lachte, wobei ein spöttisches Schimmern in seinen dunklen Augen aufblitzte. Er war ein gut aussehender Teufel, arrogant, eigensinnig und der Fluch jeder Mutter, die für ihre Tochter nach einem geeigneten Ehemann Ausschau hielt. Bis jetzt hatte der Achtundzwanzigjährige alle Fallen umgangen, die man für ihn aufgestellt hatte. „Glück im Spiel, Pech in der Liebe, sagt man das nicht so?“

„Nicht in deinem Fall!“, erwiderte Bellingham. „Deine jüngste Eroberung ist eine Schönheit, Freddie. Alle Männer Londons beneiden dich um die bezaubernde Yolanda.“

„Ein kostspieliges Hobby“, bemerkte Freddie missmutig. Seine Geliebte war zwar eine außergewöhnliche Schönheit, doch sie besaß eine übertriebene Vorliebe für teuren Tand. „Ehrlich gesagt, bin ich ihrer überdrüssig. Sie ist zu durchschaubar.“

„Du meine Güte! Was erwartest du? Sie ist eine Kurtisane allerersten Rangs. Man sagt, sie habe mit gekrönten Häuptern Umgang gehabt – sogar von Bonaparte ist die Rede!“

„Was du nicht sagst!“ Freddie zog ein langes Gesicht. Er hatte von den Gerüchten gehört und wusste, dass sie nicht stimmten. „Warum habe ich das bloß nicht vorher gewusst?“ Er schüttelte den Kopf. „Sie ist einfach nicht nach meinem Geschmack.“

„Willst du lieber einen einfältigen Backfisch? Vielleicht die liebliche Miss Avondale, wenn du schon auf Brautschau bist?“

„Gott bewahre! Diese fade Anständigkeit – und dieses Lispeln! Ich würde mich innerhalb weniger Stunden zu Tode langweilen!“ Freddie lachte spöttisch. „Nein, ich denke nicht wirklich an Heirat, George. Trotzdem sehne ich mich manchmal nach einer Frau, mit der ich so reden kann wie mit dir, einer Partnerin in einem mehr als nur körperlichen Sinne.“

„Wenn so eine Dame existiert, gehört sie mir“, entgegnete Bellingham. „Eine solche Frau wäre außergewöhnlich. Da würde sogar ich in Versuchung geraten.“

„Mal halblang, alter Junge“, frotzelte Freddie. Sein Freund war vierunddreißig und nach eigenen Angaben ein eingefleischter Junggeselle. „Da muss sie tatsächlich etwas Besonderes sein, um dich vor den Traualtar zu locken.“

George nickte gedankenverloren. „Wie du sagst, obwohl ich mich erst kürzlich gefragt habe …“ Er schüttelte den Kopf. Die Pferde wurden unruhig, weil sie nicht länger still stehen wollten. „Da keiner von uns einer solchen Dame begegnen wird, ist alles reine Spekulation.“ Er lockerte die Zügel und erlaubte den temperamtvollen Pferden loszutraben. „Wirst du heute Abend bei Almack’s vorbeischauen?“

„Du meine Güte, nein!“, rief Freddie. „Wenn du mich jemals dort antreffen wirst, kannst du sicher sein, dass ich die Herzensdame gefunden habe, von der wir sprachen.“ Er lachte. „Ich glaube allerdings, darauf kannst du warten, bis du schwarz wirst.“

„Oh, am Ende wirst du nachgeben müssen“, erwiderte George, um seinen Begleiter ein wenig aufzuziehen. Er grinste Freddie an. „Du bist sicher nicht geneigt, diese prachtvollen Tiere zu verkaufen, oder?“

„Nein – aber ich würde sie gegen deine Grauen wetten.“

„Um was willst du wetten?“, erkundigte sich George erstaunt. Seine Grauen waren gute Pferde, doch man konnte sie nicht mit den Füchsen vergleichen.

„Dass es keine Frau gibt, die mich zur Heirat verführen kann.“

George grinste. Sie hatten die Angewohnheit, um alle möglichen Dinge Wetten abzuschließen, und meistens ging Freddie als Sieger daraus hervor. Doch George nahm es seinem Freund nie übel. Er konnte sich die Spielerei leisten, und oft war der Einsatz unbedeutend. „Gut, ich setze meine Grauen gegen deine Füchse – aber wir müssen einen Zeitrahmen festlegen.“

„Bis Weihnachten“, sagte Freddie, und seine Augen funkelten schelmisch. Er war die Wette aus reinem Spaß eingegangen, um der Leere etwas entgegenzusetzen, die ihn in der letzten Zeit heimsuchte.

„Top, die Wette gilt!“, rief George sofort. „Aber du musst alle wichtigen Veranstaltungen wahrnehmen. Sich auf dem Land verstecken ist unzulässig, bis du nicht alle neuen Hoffnungsträgerinnen kennengelernt hast.“

„Na schön“, stimmte Freddie zu. „Allerdings ziehe ich die Grenze bei Almack’s. Wenn du mich da siehst, hast du die Wette gewonnen.“

„In Ordnung“, erwiderte Bellingham, der seinen Freund gut kannte. „Ich würde auch nicht hingehen. Aber meine Schwester bringt ihre Tochter in die Stadt, und ich habe versprochen, die beiden zu begleiten. Julia Fairchild ist siebzehn und ein schüchternes Mädchen. Ich werde mich so gut es geht um sie kümmern. Wer weiß, was bis Weihnachten alles passiert.“

„Herzlich wenig, wenn ich von den bisherigen Erfahrungen ausgehen kann“, entgegnete Freddie. Erst jetzt wurde ihm klar, dass ihn die Wette zur Teilnahme an vielen ermüdenden Gesellschaften zwang, die er normalerweise wie die Pest mied.

Er gähnte hinter vorgehaltener Hand und fragte sich, was er an diesem Abend machen sollte. Es ließ sich nicht abstreiten, dass Yolanda ihn langweilte. Er verspürte keinerlei Lust, Zeit mit ihr zu verbringen. Es war besser, Schluss zu machen. Seine Vorlieben hatten sich in der letzten Zeit gewandelt. Er würde der reizenden Yolanda die Diamantkette schenken, auf die sie schon seit vielen Wochen aus war, und der Affäre ein Ende bereiten.

„Müssen wir wirklich bei Tante Louisa wohnen, Mama?“, fragte Caroline Holbrook ihre Mutter an diesem Morgen. Vor mehr als zwei Jahren war Carolines Vater, Mr. Anthony Holbrook, gestorben, und erst jetzt begann seine trauernde Witwe, sich mit ihrem Schicksal abzufinden. „Können wir für die Saison nicht ein eigenes Haus mieten?“

„Du weißt doch, dass es unmöglich ist.“ Marianne Holbrook, eine dünne, blasse Dame mit einer gebrechlichen Ausstrahlung, seufzte tief. Sie hatte ihrem Mann zwei Söhne und eine Tochter geschenkt und danach einige Fehlgeburten erlitten, die ihrer Gesundheit schwer zugesetzt hatten. Der Verlust ihres Mannes war ebenfalls nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Und da sie nie eine willensstarke Frau gewesen war, stand sie nun ganz unter dem Einfluss ihrer älteren Schwester Louisa. „Dein Vater hat erhebliche Schulden hinterlassen, weshalb dein Bruder Schwierigkeiten hat, das Anwesen zu halten. Ich kann ihn unmöglich um eine so große Summe bitten.“

„Du hast recht, der arme Tom hat vermutlich nichts übrig“, sagte Caroline niedergeschlagen. Sie mochte ihren ältesten Bruder und wollte ihm das Leben keinesfalls erschweren. Ihre Tante Louisa hatte Lord Taunton geheiratet und war damit eine vorteilhafte Ehe eingegangen. Und auch wenn sie seit ein paar Jahren verwitwet war, verfügte sie über ausreichende Mittel, um nach eigenem Belieben zu leben. Das Angebot ihrer Tante, für ihre Ausgaben aufzukommen, war nett, doch hatte die Schwester der Mutter eine so erdrückende Art an sich, dass es Caroline vor ihrer Gegenwart grauste. „Vielleicht können wir uns einen kurzen Aufenthalt leisten, wenn ich wenig Geld für Kleider ausgebe?“

„Bitte stelle dich nicht an, Caroline“, ermahnte ihre Mutter sie. „Ich bekomme Kopfschmerzen. Du weißt, dass ich gesundheitlich angeschlagen bin. Ich könnte dich ohnehin nicht zu all den Bällen begleiten, die du besuchen möchtest.“

„Verzeih mir, Mama“, bat Caroline, die ihrer Mutter keinen Kummer bereiten wollte. „Ich hoffe bloß, dass Tante Louisa nicht versucht, mir Vorschriften zu machen, insbesondere in Bezug auf meinen künftigen Ehemann.“

„Natürlich nicht, mein Liebes. Allerdings musst du schon jemand Passenden aussuchen – falls du Angebote erhältst, versteht sich.“

Marianne Holbrook betrachtete ihre Tochter mit Sorge. Sie fiel gewiss auf, wenn auch nicht im Sinne des gängigen Ideals, wonach eher schwächliche Mädchen mit zurückhaltenden Umgangsformen bevorzugt wurden. Caroline war eine verführerische Rothaarige mit einer verlockenden Stimme und leuchtenden grünen Augen. Sie war groß und voller Energie. Manchmal wunderte sich die Mutter, dass sie einem so temperamentvollen Wesen das Leben geschenkt hatte. Caroline schlug nach dem alten Marquis, ihrem Großvater, der jetzt zurückgezogen lebte, aber einst als Lebemann und Spieler von sich Reden gemacht hatte. Mit meiner eigenen Familie besitzt Caroline keinerlei Ähnlichkeit, dachte Marianne.

„Du hast doch aus Liebe geheiratet, nicht wahr, Mama?“

„Ja, und das habe ich seitdem bedauert“, bemerkte Marianne. „Louisa hat der gesellschaftlichen Stellung und des Wohlstands wegen geheiratet. Ich habe einen jüngeren Sohn ausgewählt, der nur über wenig Eigentum verfügte, und habe unter den Konsequenzen gelitten.“

„Arme Mama“, sagte Caroline. „Ich dachte, du wärest glücklich gewesen, als Papa noch lebte.“

„Ja, vielleicht …“ Erneut seufzte die Mutter. „Dennoch ertrage ich es kaum, mit anzusehen, mit welchen Sorgen Tom belastet ist. Und Nicolas ist zur Armee gegangen. Ich finde nachts keine Ruhe, weil ich weiß, dass er sich in Gefahr befindet.“

„Der Krieg ist doch zu Ende, Mama, jetzt, wo Bonaparte Elba nicht verlassen darf“, beruhigte Caroline sie. „Außerdem wäre Nicolas zu Hause nicht glücklich. Du weißt ja, wie sehr er schon als Kind das Abenteuer geliebt hat.“

Sie und Nicolas waren nur elf Monate auseinander. Obwohl sie sich nicht besonders ähnelten, denn er schlug nach der Mutter, waren sie doch seelenverwandt. Er hatte ihr gezeigt, wie man auf Bäume klettert, durch den Fluss schwimmt und reitet. All diese wenig damenhaften Fähigkeiten hatten ihr gehörige Schwierigkeiten eingebracht. Mit der Zeit war Caroline vorsichtiger geworden, beneidete ihren Bruder aber insgeheim um dessen Freiheiten.

„Du hast ihn immer zu seinem waghalsigen Verhalten ermutigt“, hielt Marianne ihr ungerechterweise vor. „Aber du hast recht. Eine Mutter kann ihren Sohn nicht ewig an der Leine halten. Allerdings ist es meine Pflicht, dich mit einem guten Ehemann zu versehen. Aus diesem Grund sollten wir Louisas Einladung, bei ihr in der Stadt zu wohnen, annehmen. In der nächsten Woche reisen wir ab.“

Caroline gab den Versuch auf, ihre Mutter umzustimmen. Sie bezog nur selten Position, doch diesmal wirkte sie entschlossen. Ebenso entschlossen war Caroline, sich nicht von ihrer Tante vorschreiben zu lassen, welchen Gentleman sie heiraten würde – vorausgesetzt, dass überhaupt jemand um ihre Hand anhielt.

„Das passt sehr gut“, stellte Lady Taunton fest, während sie das Kleid ihrer Nichte für den Abend begutachtete. „Ja, ich hatte recht, bei deinen Kleidern hauptsächlich auf Weiß zu bestehen, Caroline. Die smaragdgrüne Farbe, die du bevorzugst, sieht in Kombination mit deinen Haaren zu verwegen aus. Schade, dass du nicht nach deiner Mama kommst, aber es ist nicht zu ändern.“

Caroline knirschte mit den Zähnen, behielt jedoch ihre Gedanken für sich. Sie war erst seit drei Tagen in der Stadt und fand die bestimmende Art ihrer Tante bereits unerträglich. Das weiße Abendkleid stand ihr bei Weitem nicht so gut wie das smaragdgrüne, das sie hatte haben wollen. Aber ihre Tante bezahlte den Großteil der Kleidung, sodass ihr nicht viel anderes übrig blieb, als deren Wahl zu akzeptieren. Ihre Mutter versuchte die ganze Zeit, Konflikte zu vermeiden, und Caroline sah sich gezwungen, ihre Zunge zu hüten.

„Nun komm, Caroline“, sagte Lady Taunton und ging ihrer Nichte zur wartenden Kutsche voraus. „Es ist schade, dass deine Mutter sich nicht gut genug fühlt, mit auf den Ball zu kommen. Aber vermutlich ist es besser, wenn sie zu Hause bleibt und sich von ihrer Zofe umsorgen lässt.“

Caroline seufzte. Ihre Mutter hatte sich bereits nach einem Musikabend und zwei kleineren Abendessen als erschöpft bezeichnet. Es war klar, dass sie die Aufgabe, für ihre Tochter einen Ehemann zu finden, an ihre Schwester abgegeben hatte, und sich erst wieder rühren würde, wenn es unbedingt notwendig erschien.

Auf der Fahrt zum Haus von Lady Melbourne, die zu einem der beliebtesten Bälle der Saison einlud, musste Caroline einen weiteren Vortrag ihrer Tante über sich ergehen lassen.

„Du solltest dir kein zu freies Benehmen erlauben, Caroline“, predigte Louisa Taunton. „Diesen Fehler habe ich bei dir beobachtet, als du jünger warst. Doch ich nehme an, du hast inzwischen gelernt, wie man sich benimmt.“

Caroline schwieg missmutig.

„Hast du mich verstanden, Caroline?“

„Ja, natürlich, Tante.“

„Wirklich?“, vergewisserte sich Louisa Taunton und musterte sie misstrauisch. „Ich hoffe, du bist nicht beleidigt. Ich kann eingeschnappte Mädchen nicht ausstehen.“

„Nein, Tante.“ Mit Mühe hielt Caroline ihr Temperament zurück. Wenn ich derlei noch lange ertragen muss, reise ich lieber nach Hause und heirate niemals! Vor Wut kochend fiel es ihr schwer, der Gastgeberin wenig später bei ihrer Ankunft ein höfliches Lächeln zu schenken. Doch ihre Stimmung besserte sich, während sie ihrer Tante durch die Empfangsräume folgte.

Aus dem hintersten Raum erklang Musik, und als Caroline den Ballsaal betrat, konnte sie sich der aufregenden Atmosphäre nicht entziehen. Sie schaute sich um und bewunderte die traumhaften Abendkleider und das Funkeln kostbarer Juwelen. Von den gewaltigen Kronleuchtern fiel funkelndes Licht auf die Tanzgesellschaft.

„Caroline, sei bitte etwas aufmerksamer“, ermahnte Lady Taunton ihre Nichte. „Dieser Gentleman ist Sir Henry Forsythe, und er hat dich gerade um die Ehre gebeten, ihm den nächsten Tanz zu schenken.“

„Oh … danke“, sagte Caroline, die erleichtert war, dass der Gentleman mittleren Alters und halbwegs attraktiv war. Sie machte einen Knicks. „Wie nett von Ihnen.“

„Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, Miss Holbrook“, entgegnete Sir Henry lächelnd.

Caroline reichte ihm die Hand und spürte, wie ihre Aufregung wuchs, während er sie durch den Ballsaal führte. Als sie in das Gewimmel der Tänzer hineinschwebte, fühlte sie sich mit einem Male wundervoll.

Das Hochgefühl hielt an, denn nachdem Sir Henry sie zurückgeführt hatte, wurde sie von Gentlemen umlagert, die um einen Tanz baten, und ihre Karte füllte sich binnen weniger Minuten. Die meisten ihrer Tanzpartner waren jung und attraktiv.

Die Stunden vergingen wie im Fluge. Den ganzen Abend über stand Caroline im Mittelpunkt. Als man den letzten Tanz vor dem Souper ankündigte, forderte sie ein Gentleman auf, mit dem sie gern bereits vorher getanzt hätte.

„George Bellingham“, sagte er und verneigte sich. „Sie waren so freundlich, mir diesen Tanz zu versprechen.“

„Ja, ich erinnere mich“, entgegnete Caroline strahlend. „Ich habe mich bereits sehr darauf gefreut, Sir.“

„Wirklich?“ Bellingham blickte sie ungläubig an. „Aber Sie haben doch mit all den jungen Hüpfern getanzt, Miss Holbrook. Ich glaube nicht, dass ich mit solchen wie Brackley oder Asbury konkurrieren kann.“

„Ehrlich gesagt, kann ich Ihnen nicht zustimmen, Sir“, erklärte Caroline frei heraus und vergaß die Anweisungen ihrer Tante, sich zurückzuhalten. „Ich glaube nicht, dass Sie einen von ihnen fürchten müssen – es handelt sich um junge Aufschneider, oder nicht? Zweifellos charmant, aber nur an Pferden und Sport interessiert.“

„Aber der eine ist der Erbe eines Earls und der andere der des Marquis of Northbrooke“, bemerkte Bellingham.

„Ach, das!“ Caroline verzog das Gesicht. „Als ob es mir auf solche Dinge ankäme. Ich denke, ein Mann Ihres Formats hat sicher auch Interesse an Poesie und Büchern, ebenso wie an Sport, selbstverständlich. Denken Sie bloß nicht, ich hätte etwas gegen sportliche Ambitionen. Mein Bruder Nicolas ist ein Tausendsassa, und ich habe es sehr genossen, mit ihm Forellen zu angeln.“ Ihre Augen funkelten, als sie ihm von ihren Kindheitsabenteuern erzählte.

„Waren Sie tatsächlich fischen?“ George wurde neugierig. Sie war nicht wie die anderen. Er dachte an seine Wette mit Freddie Rathbone und lächelte vergnügt. „Sie müssen mir mehr erzählen …“ Enttäuscht nahm er zur Kenntnis, dass die Musik verstummte. „Oh … es ist mir wie ein paar Sekunden vorgekommen …“

„Die Zeit verrinnt doch immer wie im Fluge, wenn man sich amüsiert, und schleppt sich dahin, wenn man etwas Lästiges zu tun hat.“

George verbarg sein Lachen hinter einem Husten. Es lag ihm auf der Zunge, sie zu fragen, ob sie mit ihm soupieren wollte, doch sobald sie die Tanzfläche verlassen hatten, war sie von vier attraktiven Jünglingen umringt, die alle dieselbe Frage stellten.

„Miss Holbrook, darf ich Sie zum Essen begleiten?“

„Ignorieren Sie Brent, Miss Holbrook. Ich bin mir sicher, dass Sie mich dafür auserwählt haben.“

„Oh, Asbury, davon hat sie gar nichts gesagt – sie versprach es mir“, behauptete ein anderer Gentleman dreist.

„Nein, nein, meine Herren“, stellte Caroline lachend klar. „Ich habe es niemandem versprochen. Aber ich gebe dem Gentleman den Vorzug, der auswendig Richard Lovelace rezitieren kann.“ Erwartungsvoll blickte sie in die Runde. Erstaunte Blicke wurden gewechselt.

Ein verblüfftes Schweigen befiel die Umstehenden, die lange Gesichter zogen bei dem vergeblichen Versuch, sich an eine Zeile des Dichters aus dem 17. Jahrhundert zu erinnern.

„Nicht Steinwände machen ein Gefängnis aus,

Noch bilden Eisenstäbe einen Käfig;

Unschuldige und stille Geister empfinden

Es als Klause;

Ich werde in meiner Liebe Frieden finden,

Daher ist meine Seele frei;

Nur Engel, die sich gen Himmel schwingen,

Genießen eine solche Freiheit.“

„Großartig, Sir!“ Caroline klatschte in die Hände. „Das war wunderbar …“ Während sie zu dem Neuankömmling mit der tiefen Stimme aufschaute, wurde ihr klar, dass es sich um den mit Abstand attraktivsten Mann handelte, dem sie je begegnet war. Sein Haar leuchtete im Schein der Kronleuchter blau-schwarz wie die Flügel eines Raben, seine tiefdunklen Augen funkelten spöttisch, und sein verlockendes Lächeln ließ ihr Herz rasen.

„Guten Abend, Miss Holbrook“, sagte Freddie Rathbone und bot ihr einen Arm, den sie annahm, während die anderen Gentlemen leise protestierten. „Ich glaube, ich habe die Ehre. Viel Glück beim nächsten Mal – George, meine Herren.“ In einer Mischung aus Spott und Arroganz nickte er ihnen kurz zu, als habe er ein selbstverständliches Anrecht auf den Preis.

Caroline legte ihre Hand auf seinen Arm. „Ich glaube, wir sind einander gar nicht vorgestellt worden, Sir?“

„Sir Frederick Rathbone, zu Ihren Diensten“, sagte er lächelnd. „Ich kam spät, und man versicherte mir, dass ihre Karte voll wäre – der junge Asbury wusste darüber genau Bescheid. Ihnen sollte klar sein, dass Sie bei diesem Gentleman enormen Eindruck gemacht haben, ebenso wie bei einigen anderen.“

„Sie waren alle schrecklich nett zu mir“, entgegnete Caroline und errötete leicht. Sie wurde nicht oft rot, doch der Blick dieses Mannes bereitete ihr ein wenig Unbehagen. Es schien, als könnte er ihre Gedanken lesen, und seine spöttische Art verunsicherte sie.

„Keine falsche Bescheidenheit“, sagte Freddie und sah ihr tief in die Augen. „Sie müssen doch wissen, dass Sie eine Sensation darstellen. Sie sind die Schönheit des Abends, vielleicht sogar der ganzen Saison, auch wenn sie gerade erst begonnen hat.“

„Dies ist mein erster Ball“, erzählte Caroline. „Ich hatte das Glück, noch bei keinem Tanz unaufgefordert herumzusitzen, aber ich glaube nicht, dass ich an diesem Abend die einzige viel gefragte Dame bin.“

„Das mag sein, doch bei den Leuten sind Sie das Gesprächsthema Nummer eins. Jeder möchte erfahren, woher Sie kommen – vielleicht sind Sie ja aus einem fernen Paradies hergeschwebt? Sie sind eine Sirene, die aus den Tiefen des Meeres hochgestiegen ist, um ihren Zauber über uns arme Sterbliche auszubreiten …“

„Sie machen sich über mich lustig, Sir“, tadelte Caroline ihn. Sie fühlte sich ein wenig unbehaglich. Das Funkeln in seinen Augen warnte sie davor, dass es gefährlich sein konnte, sich näher auf ihn einzulassen. Und dennoch fühlte sie sich von ihm angezogen wie eine Motte vom Licht. Sie hob den Kopf und blickte Sir Frederick herausfordernd an. „Wenn wir schon vom Aussehen sprechen, nehme ich an, dass das Ihre für einen ausreichenden Anteil an Damenbewunderung gesorgt haben dürfte. Und wenn Sie auch noch wohlhabend sind, bin ich mir sicher, dass Sie heiß begehrt sind – vorausgesetzt, Sie sind noch nicht verheiratet, versteht sich.“

„Oh, ich bin reich wie Krösus“, bemerkte Freddie grinsend. Ihre kecke Art wirkte auf einen Mann seines Schlags anziehend und machte ihn neugierig. Er überlegte, wie sie auf seine Sticheleien reagieren würde. „Und unverheiratet bin ich obendrein. Eine Tatsache, die viele unverantwortlich finden, denn das erste und oberste Ziel eines Gentleman muss schließlich das Heiraten sein, oder nicht?“

„Ist das so?“ Caroline legte die Stirn in Falten. Er machte sich eindeutig über sie lustig. Sie warf ihm einen trotzigen Blick zu. „Ich sehe das anders. Es ist viel besser, man bleibt unverheiratet, außer es dient dem Glück beider Partner – denken Sie nicht? Es ist falsch, nur um des Heiratens willen eine Ehe einzugehen.“

„Da haben Sie absolut recht“, stimmte Freddie belustigt zu. Eine solch erfrischende Offenherzigkeit hatte er noch bei keiner jungen Dame ihres Standes erlebt. „Unglücklicherweise sind die Mütter der meisten jungen Damen nicht Ihrer Meinung. Übrigens sollten wir jetzt etwas von diesem hervorragenden Buffet auswählen, Miss Holbrook. Bitte sagen Sie nicht, dass Sie nicht hungrig sind. Sie müssen zumindest von diesem herrlichen Schinken probieren – oder möchten Sie lieber Huhn?“

„Ich bevorzuge eine von diesen appetitlichen Pasteten und etwas von der Eiercreme“, erklärte Caroline. „Aber Sie müssen sich unbedingt etwas von der Rinderbrust sichern, Sir. Von meinem Bruder Nicolas und meinem verstorbenen Papa weiß ich, dass die meisten Männer sie am liebsten genau so zubereitet mögen. Auch wenn mein anderer Bruder Tom Roastbeef bevorzugt.“

„Ihr Vater ist tot, Miss Holbrook?“

„Seit zwei Jahren“, berichtete Caroline seufzend. „Ich vermisse ihn sehr, Sir, doch ehrlich gesagt vermisse ich meinen Bruder Nicolas noch mehr. Tom hat das Anwesen übernommen, aber Nicolas ist zur Armee gegangen. Am liebsten wäre ich ihm dorthin gefolgt. Es muss großartig sein, eine schöne Uniform zu tragen und zum Rhythmus der Trommeln zu marschieren.“

„Das hätten Sie gern getan?“ Freddie musste sein Lachen über ihre Naivität verbergen. „Ich habe es hinter mir, Miss Holbrook. Und ich kann Ihnen versichern, dass Getrommel und farbige Uniformen nur ein Teil der Geschichte sind.“

„Waren Sie bei Wellington, als Napoleon geschlagen wurde?“

„Nein, zu diesem Zeitpunkt hatte ich meinen Dienst bereits quittiert, aber ich habe ihn in Salamanca begleitet.“

„Wirklich? Und haben Sie die Armee verlassen, weil Sie verwundet wurden?“

„Ich wurde mehrfach verwundet, den Dienst habe ich jedoch quittiert, weil mein Vater starb und ich zu Hause Verpflichtungen hatte.“

„Ah, Sie sind der älteste Sohn, nehme ich an. Ich denke mir, der arme Tom wäre manchmal gern an Nicolas’ Stelle. Er hat all den Ärger mit dem Anwesen, während Nicolas machen kann, was ihm gefällt.“

„Dafür muss er sich aber sein Vermögen selbst erwerben. Oder hat er viel Besitz?“

„Oh, nein“, erklärte Caroline freimütig, die nicht bemerkte, dass sie ausgefragt wurde. „Das hat keiner von uns. Der arme Papa war nicht gut im Wirtschaften.“

„Verstehe …“ Freddie besaß nun alle Informationen, die Asbury ihm zuvor nicht hatte geben können, und war zufrieden. Miss Holbrook musste einen wohlhabenden Mann heiraten, was in ihrem Falle allerdings auch ohne Vermögen kein großes Problem darstellen würde. Sie war bildhübsch und mit ihrer ungezwungenen Art hatte sie die Herzen der Gentlemen im Sturm erobert. Auch er fand ihre Gesellschaft amüsant, war sich jedoch nicht sicher, ob sich Kalkül hinter ihrer Offenherzigkeit verbarg. Es reizte ihn, mehr über sie herauszufinden. „Jetzt sollten wir essen, Miss Holbrook. Bitte nehmen Sie Platz. Ich kümmere mich um den Rest.“

Caroline setzte sich an einen freien Tisch am Fenster. Bevor Sir Frederick zurückkehrte, gesellte sich Mr. Bellingham zu ihr und sicherte sich einen dritten Stuhl.

„Kümmert sich Freddie anständig um Sie?“, erkundigte er sich. „Er ist ein ehrlicher Kerl, aber er hat mir die Schau gestohlen. Ich war gerade dabei, mich an einige Verse von Lovelace zu erinnern, als er mir zuvorkam. Ich vermute, er verübelt mir nicht, wenn ich Ihnen Gesellschaft leiste. Wir sind gut befreundet, müssen Sie wissen.“

„Ich habe die Aufgabe in der Annahme gestellt, dass Sie sie lösen können“, verriet ihm Caroline. „Ich liebe besonders seinen Brief an Lucasta – kennen Sie ihn?“

„Sage mir nicht, meine Süße, dass ich grausam bin …“, deklamierte George. „Das meinen Sie doch, oder?“

„Oh, ja, er schrieb es an Lucasta, als er in den Krieg zog. Diese Epoche ist so romantisch, finden Sie nicht? Zu Hause habe ich ein Buch über eine Frau, die ihr Haus in der Abwesenheit ihres Gatten verteidigte. Das war ein mutiges Zeitalter.“

„Ja, in der Tat“, stimmte ihr George Bellingham lächelnd zu.

„George“, ertönte eine Stimme hinter ihm. „Na, du bist mir ja ein schöner Freund, meine kurze Abwesenheit so auszunutzen.“ Freddie gab dem Diener einen Wink und sofort wurden Teller mit köstlichen Speisen auf dem Tisch abgestellt. „Bleib ruhig bei uns und … nimm dir, was du möchtest, nur nicht von der Eiercreme.“

„Ich bin so frei“, erwiderte George, der den Sarkasmus seines Freundes geflissentlich überhörte. „Miss Holbrook und ich haben gerade über Lovelace geredet – und den Bürgerkrieg. Ein großartiges Zeitalter.“

„Ach wirklich?“, fragte Freddie. „Das ganze Land war unter Waffen, und die Aristokratie war auf Jahre ruiniert.“

„Oh, Sie haben keinen Sinn für Poesie!“ Caroline blickte ihn kampfeslustig an. „Die Männer waren so ritterlich, und die Damen ganz anders als die von heute. Das müssen Sie zugeben.“

„In welcher Hinsicht anders?“, erkundigte sich Freddie. Ganz offenkundig scheute diese junge Frau nicht davor zurück, ihre Meinung zu sagen.

„Wir sind mit Konventionen überladen“, erklärte Caroline. „Damals war es sicher leichter als heute, sich offen zu äußern.“

„Wirklich? Was möchten Sie denn gern aussprechen, Miss Holbrook? Bitte halten Sie sich bloß nicht zurück, Sie sind unter Freunden. Weder George noch ich werden Sie in irgendeiner Weise zensieren.“

„Oh …“ Sie bemerkte seinen Spott. „Habe ich zu freimütig gesprochen? Meine Tante hat es mir verboten. Aber ich bin es durch den Umgang mit meinen Brüdern gewohnt, zu sprechen wie mir zumute ist. Verzeihen Sie mir.“ Sie errötete leicht.

„Nein, ganz und gar nicht. Ihre Offenheit ist erfrischend“, versicherte George eilig. „Lassen Sie sich bloß von niemandem einreden, sich anders zu verhalten, Miss Holbrook.“

„Gehen Sie in dieser Woche zu Almack’s, Sir? Man hat mir Eintrittskarten gegeben.“

„Dann werde ich natürlich dort sein“, erwiderte George und sah triumphierend zu seinem Freund hinüber. „Aber ich fürchte, Freddie hat anderes zu tun, nicht wahr?“

„Ja, das stimmt“, gab der zu und warf George einen Blick zu, der Bände sprach. „Allerdings werde ich an der Soiree von Lady Broughton teilnehmen – haben Sie vor, dorthin zu gehen, Miss Holbrook?“

„Ich denke schon“, antwortete Caroline. „Ehrlich gesagt haben wir so viele Einladungen erhalten, dass ich kaum weiß, wie wir auch nur die Hälfte der Veranstaltungen besuchen sollen.“

„Sie werden bei einigen nur ganz kurz auftauchen und dann weiterziehen, so wie es viele tun“, sagte Freddie. „Beim nächsten Mal möchte ich wenigstens zweimal mit Ihnen tanzen. Bitte merken Sie mich auf Ihrer Karte vor.“

„Danke, Sir …“ Erwartungsvoll blickte sie Mr. Bellingham an. „Und Sie, Sir?“

„Zwei Tänze wären angemessen“, erwiderte er. „Außerdem würde ich Sie gern für morgen auf eine Spazierfahrt in den Park einladen. Falls Sie nichts Besseres vorhaben.“

„Soweit ich weiß, sind wir für den Abend verabredet, aber der Nachmittag ist noch frei. Ich würde mich sehr freuen, mit Ihnen eine Spazierfahrt zu unternehmen.“

„Wunderbar“, entgegnete George und linste zu Freddie herüber. Ihre Rivalitäten waren nie bösartig, und selbst wenn sie leidenschaftlich ausgefochten wurden, ging ihre Freundschaft stets gestärkt daraus hervor.

Freddie aß und verkniff sich jeden weiteren Kommentar. Scheinbar überließ er seinem Freund das Feld. Doch George wusste, dass mit ihm jederzeit zu rechnen war.

Caroline sah, dass ihre Tante auf sie zusteuerte. „Gentlemen, meine Tante verlangt nach mir.“

George und Freddie erhoben sich, als Lady Taunton den Tisch erreichte, doch sie lächelte und deutete ihnen an, sich wieder zu setzen. „Bitte lassen Sie sich nicht von mir beim Essen stören, Gentlemen. Ich kam nur, um meine Nichte zu fragen, ob sie mich ins Damenzimmer begleiten möchte.“

„Danke, Tante.“ Caroline erhob sich sofort, denn sie erkannte, wenn man ihr einen Befehl erteilte, egal wie charmant er verpackt war. „Entschuldigen Sie mich, Mr. Bellingham – Sir Frederick. Ich hoffe, ich werde Sie bald wiedersehen.“

In Erwartung einer Schimpftirade folgte sie Lady Taunton in die oberen Gemächer, die man für die Damen hergerichtet hatte. Doch sobald sie allein waren, lächelte ihre Tante sie freudig an.

„Das hast du gut gemacht, Caroline. Mr. Bellingham ist ein wohlhabender Gentleman, auch wenn einige ihn für einen überzeugten Junggesellen halten. Aber natürlich ist Sir Frederick der beste Heiratskandidat der Saison. Das ist er, genau genommen, schon seit einigen Jahren. Er hat allerdings bislang keine Ambitionen gezeigt, sich festzulegen. Wenn du von einem der beiden Gentlemen einen Antrag erhältst, wäre das sehr zufriedenstellend, auch wenn Sir Frederick fraglos der bessere Fang wäre. Er wird seinen Onkel beerben und eines Tages der Marquis of Southmoor sein.“

„Ich glaube, dass sie nur höflich zu mir waren“, entgegnete Caroline. „Sie wollten sich lediglich gut unterhalten.“

„Da bin ich mir nicht so sicher“, widersprach ihre Tante. „Rathbones Patentante ist eine Freundin von mir. Lady Stroud kennst du noch nicht, oder?“ Caroline schüttelte den Kopf. „Auf jeden Fall hat sie mir erzählt, dass er in der letzten Zeit häufiger an Gesellschaften teilnimmt, was zuvor eher die Ausnahme darstellte. Ich kann mir vorstellen, dass dahinter die Absicht steckt, sich eine Braut zu suchen. Du bist ihm offenkundig angenehm aufgefallen. Es könnte zu deinem Vorteil sein, sich um ihn zu bemühen.“

„Wir interessieren uns beide für Poesie“, berichtete Caroline. „Doch das scheint mir auch schon die einzige Gemeinsamkeit zu sein. Außerdem gab es noch viele andere, die mich zum Tanzen aufgefordert haben und mit mir essen wollten.“ Die vorzeitige Einmischung ihrer Tante irritierte sie, zumal sie den fraglichen Gentlemen gerade erstmals begegnet war.

„Ja, natürlich. Du solltest zu allen höflich und aufmerksam sein, die sich für dich interessieren, meine Liebe – aber behalte einfach im Hinterkopf, dass Rathbone eine ausgezeichnete Partie wäre.“

Caroline schwieg. Die Worte ihrer Tante bewirkten bei ihr genau das Gegenteil von dem, was damit beabsichtigt war. Wenn es etwas gab, das ihren Widerstand weckte, dann war es der Versuch, sie zu einem bestimmten Mann zu drängen. Freddie schaute seufzend über den Spieltisch. Seit Minuten hielt er die Gewinnerkarten in Händen, scheute jedoch davor zurück, sie zu zeigen. Er hätte lieber nicht gegen Farringdon gespielt, hatte aber dessen Forderung nach Revanche nicht ablehnen können, nachdem er einige Abende zuvor gegen ihn gewonnen hatte. Ihm war klar, dass sein unvernünftiger Herausforderer sich immer weiter in die Verschuldung trieb und wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte von dem zahlen konnte, was er so leichtsinnig auf den Tisch geworfen hatte. Freddie spielte mit dem Gedanken, seine Karten abzuwerfen. Doch das verstieß gegen die Regeln. Farringdon musste lernen, es beim Spielen nicht zu übertreiben.

Er zog eine Karte vom Stapel. Es war genau die Karte, die sein Blatt völlig unschlagbar machte. Er warf ab und legte dann seine Karten auf den Tisch. Die zwei anderen Mitspieler stöhnten auf und beschwerten sich über sein unverschämtes Glück. Allerdings lächelten sie dabei, denn beide waren ohne Probleme in der Lage, ihre Spielschulden zu begleichen. Freddie blickte in Farringdons bleiches Gesicht.

Die beiden Mitspieler erhoben sich und verließen den Spieltisch, um sich Wein oder Essen zu besorgen. Nur Farringdon blieb wie angewurzelt sitzen.

„Es wird etwas dauern, bis ich die Summe zusammenhabe“, erklärte er mit matter Stimme, wobei die Ernsthaftigkeit seiner Lage sich in einem nervösen Zucken an seiner rechten Schläfe zeigte.

„Ja, natürlich“, sagte Freddie und sammelte die Goldmünzen und Scheine ein, die auf den Tisch geworfen worden waren. „Möchten Sie lieber weitere Schuldscheine zeichnen?“

„Nein, ich denke nicht“, erwiderte Farringdon und bemühte sich, locker zu wirken. „Es ist nur ein vorübergehendes Problem, Rathbone. In ein paar Wochen kann ich alles begleichen.“

„Es eilt nicht. Lassen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen, Sir. Haben Sie Lust, unterwegs einen Schlummertrunk mit mir einzunehmen? Ich will nach Hause laufen.“

„Nein, danke“, entgegnete Farringdon und erhob sich. Er ging durch den Spielclub ohne nach rechts oder links zu schauen. Sein Gesicht wirkte wie versteinert.

„Hast du schon wieder gewonnen?“ George Bellingham näherte sich seinem Freund, der noch eine Weile nachdenklich am Kartentisch sitzen geblieben war. „Farringdon sieht verzweifelt aus. Gerüchten zurfolge muss er sein Anwesen verkaufen, um seine Schulden zu begleichen.“

„Der verdammte Trottel hätte seine Verluste längst in Grenzen halten müssen“, stellte Freddie mit Unbehagen fest. „Ich möchte niemanden ruinieren, George. Wenn er zu mir kommt und mir die Wahrheit erzählt, gebe ich ihm seine Schuldscheine zurück. Aber er sollte sich künftig vom Spieltisch fernhalten und sich eine Weile aufs Land zurückziehen, bis sich seine Finanzen erholen. Wenn man nicht zahlen kann, sollte man nicht spielen.“

„Spielschulden sind Ehrenschulden“, pflichtete ihm George bei. „Warum rettest du den armen Kerl nicht aus seiner Misere und schickst ihm die Schuldscheine zurück?“

„Er muss seine Lektion lernen“, sagte Freddie. „Wenn er gegen Markham oder Lazenby verloren hätte, müsste er innerhalb eines Monats zahlen. Wenn ich ihm seine Schulden erlasse, spielt er vermutlich sofort mit jemandem weiter, der weniger nachsichtig ist.“

„Ja, das ist anzunehmen“, bestätigte George. „Er wird dich ohnehin für deine Großzügigkeit hassen. Es verletzt seinen Stolz.“

„Dann soll er mich eben hassen“, erklärte Freddie. „Der Mann ist ja noch nicht völlig ruiniert – solange ich keinen Druck ausübe. Falls Farringdon zu mir kommt, können wir das gern wie Ehrenmänner aus der Welt räumen.“

„Nun, vermutlich hast du recht, auch wenn du dir Feinde machst.“, erwiderte George. Dann grinste er seinen Freund an. „Sag mal, was hältst du eigentlich von ihr?“

„Ich bin mir nicht sicher, wen du meinst.“ Freddie hob erstaunt eine Augenbraue, obwohl er genau wusste, auf wen George anspielte. Caroline Holbrook hatte zweifellos Eindruck bei ihm hinterlassen, auch wenn er es nicht zugeben wollte. Sie besaß trotz ihrer Jugend etwas ausgesprochen Anziehendes.

„Miss Holbrook, natürlich“, sagte George. „Denkst du nicht, sie ist genau die Person, von der wir gesprochen haben, Freddie? Sie besitzt Schönheit und einen bewundernswert lebhaften Geist. Wenn sie lächelt, scheint es, als ob der Saal in Licht getaucht würde. Bezaubernd wäre wohl die richtige Bezeichnung für sie.“

„Ah, ich sehe, du bist verliebt. Wann kann ich dir gratulieren, mein Freund?“, erkundigte sich Freddie.