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"Old Cursing-Dry" auch genannt "Gott läßt sich nicht spotten" oder "Der Flucher" ist ein Abenteuer von Karl May.
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Karl May Abenteuer, Gott läßt sich nicht spotten, Winnetou, Old Shatterhand, Reiseerinnerung
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Seitenzahl: 76
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Indem ich mich anschicke, die folgende Begebenheit zu erzählen, muß ich an ein Ereignis aus meiner Kindheit denken, welches mir noch heute so klar und deutlich im Gedächtnisse lebt, als ob ich es erst gestern erlebt hätte.
Wir standen, fünf oder sechs kleine Knaben, auf dem Marktplatze meiner Vaterstadt und sahen einem Fuhrmanne zu, dessen Pferde den schweren Wagen nicht fortzubringen vermochten. Er hieb lange Zeit vergeblich auf sie ein und ließ sich endlich von seinem Zorne zu einem Fluche hinreißen, den er mit so kräftigen Hieben begleitete, daß die Pferde die Last nun wirklich über das Hindernis hinwegzerrten. »Ja, wenn nichts mehr helfen will, dann hilft ein ›heiliges Donnerwetter‹,« lachte er und fuhr weiter. Die Umstehenden lachten mit, und wir Knaben fühlten uns von dem Fluche so imponiert, daß wir ihn sofort auf das eifrigste bei unserem Spiele anwandten. Es wurde einige Zeit mit wahrer Wonne ›gedonnerwettert‹, bis mein Vater es hörte und mir zum Fenster heraus jenen bekannten Wink gab, welcher die Eigentümlichkeit hatte, mich stets und augenblicklich in eine höchst wehmütige Stimmung zu versetzen. So auch dieses Mal, und zwar nicht ohne Grund, denn ich hatte die Anwendung des Kraftwortes dadurch zu büßen, daß ich kein Mittagessen bekam und mit sehr niedergedrückten Gefühlen zusehen mußte, wie gut der dicke Milchreis meinen Geschwistern schmeckte. Dieser sehr unfreiwillige Verzicht that mir so weh, daß ich den festen Entschluß faßte, nie wieder ›Donnerwetter‹ zu sagen. Dieses löbliche Vorhaben wurde dadurch noch mehr befestigt, daß mich nach Tische meine ehrwürdige, damals achtzig Jahre alte Großmama beiseite nahm und mir mit einem derben Waschlappen den Mund so kräftig abwusch, daß mir das helle Wasser aus den Augen lief.
»Pfui, pfui!« sagte sie dabei.«Wer flucht, der beschmutzt seinen Mund, und das muß tüchtig abgerumpelt werden. Merke dir das, und thue es ja nicht wieder, wenn ich dich lieb behalten soll!«
Wenn ich offen sein will, so muß ich gestehen, daß dieses ›Abrumpeln‹ einen noch tiefern Eindruck auf mich machte, als die Kostentziehung, denn was Großmama sagte, das war mir heiliger als jedes andere Wort. ich zog mich also in einen stillen Winkel zurück, um die Reinigung der Lippen auf eigene Hand weiter fortzusetzen, und dabei fiel mir ein, daß ich doch nicht der einzige gewesen war, der geflucht hatte. Infolgedessen setzte ich mich in den heimlichen Besitz des besagten Waschlappens und schlich mich fort, um die Mitschuldigen alle zusammenzuholen. Als mir dies gelungen war, erklärte ich ihnen, welchem Schicksale sie sich unter den obwaltenden Umständen zu unterwerfen hätten, und führte sie zu dem großen Wassertroge, der an der obern Seite des Marktes stand. Dort gaben wir uns dann dem ›Abrumpeln‹ mit einem solchen Feuereifer hin, daß uns das Wasser an den Beinen niederlief und wir uns in die Sonne legen mußten, um wieder trocken zu werden.
So großen Spaß diese Wäsche uns allen machte, so ernst war es mir doch mit der Angelegenheit an sich, und ich muß sagen, daß von jenem Tage sich der Abscheu datiert, den ich noch heute gegen jeden Fluch und jeden Schwur empfinde. Sei mir ein Mensch auch noch so sympathisch, sobald ich ein solches Wort von ihm höre, fühle ich mich abgestoßen, und stellt es sich gar heraus, daß er ein Gewohnheitsflucher ist, so hört er auf, für mich zu existieren.
Wie weit es ein Mensch in dieser sündhaften Angewohnheit zu bringen vermag, habe ich an dem Manne gesehen, von dem ich heute erzählen will, weil sein Beispiel zugleich einen deutlichen Beweis dafür bildet, daß mit der Langmut und Barmherzigkeit Gottes nicht zu scherzen ist.
Zur Zeit, als diese Episode sich ereignete, befand ich mich mit Winnetou, dem Häuptling der Apatschen, bei den Navajos, welche ihn auch als ihren obersten Anführer anerkannten, weil sie im weiteren Sinne auch zu dem Volke der Apatschen gehörten. Sie lagerten damals zwischen den Höhen der Agua grande genannten Gegend und wollten von da aus nach dem Colorado hinab, doch nicht eher, als bis eine Anzahl weißer Jäger, die ich zu ihnen bestellt hatte, eingetroffen sein würde.
Während wir auf die Ankunft dieser Leute warteten, brachten unsere roten Wachen zwei fremde Indianer, welche sie unter sehr verdächtigen Umständen aufgegriffen hatten, in das Lager. Sie sollten natürlich sofort ausgefragt werden, weigerten sich aber, irgend eine Antwort zu geben, Es war ihnen kein Wort zu entlocken; ihre Gesichter waren nicht gefärbt, und da sie auch kein Zeichen ihrer Abstammung an sich trugen, so war es beinahe unmöglich, zu bestimmen, welchem Volke sie angehörten. Wir wußten, daß die Utahs sich in letzter Zeit den Navajos feindlich gezeigt hatten, und so bemerkte ich zu Winnetou:
»Ich möchte sie für Utahs halten, denn dieser Stamm hat sich immer mehr nach Süden gezogen und scheint einen Angriff gegen die Navajos zu planen. Vielleicht sind diese beiden Kerls von ihnen ausgeschickt, um den Aufenthalt der Navajos zu erkunden.«
ich glaubte, mit diesen Worten das Richtige getroffen zu haben, aber Winnetou kannte die hier oben hausenden Indianer besser als ich, er antwortete:
»Es sind Pa-Utes, doch hat mein weißer Bruder recht, indem er sie für Kundschafter hält.«
»Sollten sich die Pa-Utes mit den Utahs verbunden haben?«
»Winnetou zweifelt nicht daran, denn wenn es anders wäre, würden diese beiden Krieger sich nicht weigern, uns Auskunft zu erteilen.«
»Da gilt es, vorsichtig zu sein! In einer Gegend, wie die hiesige ist, muß man annehmen, daß Kundschafter sich höchstens drei Tagereisen von ihren Leuten entfernen. Daraus können wir schließen, wie nahe uns die Feinde ungefähr sind.«
»Uff! Wir werden nach ihnen suchen.«
»Wer?«
»Du und ich.«
»Weiter niemand?«
»Vier gute Augen sehen mehr als hundert schlechte, und je mehr Krieger wir mitnehmen, desto eher können wir entdeckt werden.«
»Das ist richtig; aber vielleicht kommen wir in die Lage, einen Boten heimsenden zu müssen.«
»So nehmen wir einen Navajo mit, weiter aber niemand. Howgh!«
Dieses letztere Wort diente bei ihm stets zur Bekräftigung; es hieß soviel wie: abgemacht, Sela, Amen. Darum verzichtete ich darauf, ihm weitere Vorschläge zu machen.
Die Navajo-Abteilung, bei welcher wir uns befanden, zählte außer den alten Männern, Frauen und Kindern gegen dreihundert Krieger, die unter Nitsas-Kar, einem sehr tüchtigen Häuptlinge, standen. Das waren Leute genug zur Abwehr eines Feindes, von dem wir annahmen, daß er nicht gerade in hellen Haufen erscheinen werde; dennoch waren wir so vorsichtig, einen Boten nach der nächsten Abteilung zu senden, um sie von der nahenden Gefahr zu benachrichtigen. Eine kurze Beratung mit Nitsas-Kar hatte das von Winnetou gewünschte Ergebnis. Der Apatsche, ich und ein junger, aber sehr erprobter Krieger ritten fort, um den Aufenthalt der Gegner zu entdecken, und die Navajos blieben unter Aufstellung doppelter Posten und scharfer Bewachung der beiden Gefangenen an Ort und Stelle lagern, um auf unsere Rückkehr oder unsern Boten zu warten.
Es war noch sehr früh am Morgen, und wir hatten also den ganzen Tag vor uns. Im allgemeinen wußten wir, daß die Utahs im Süden des gleichnamigen Territoriums lagerten, während die Pa-Utes ungefähr da zu suchen waren, wo die Ecken von Utah, Colorado, Arizona und Neu-Mexiko zusammenstoßen. Das war freilich sehr unbestimmt, zumal wir uns sagen mußten, daß die Roten, falls sie einen Überfall beabsichtigten, die Gegenden wahrscheinlich schon verlassen hätten. Wohin also uns wenden? So hätte nur einer, der nicht Westmann war, gefragt; wir aber kannten einen Wegweiser, auf den wir uns verlassen konnten, nämlich die Fährte der beiden Kundschafter, welche wir fanden, sobald wir das Lager verlassen hatten.
Wir waren in einer der fruchtbarsten Gegenden von Arizona, was aber nicht viel heißen will. Das Land hat sehr geringe Wasserniederschläge; die wenigen Flüsse haben ihre Betten in tiefen, tiefen Schluchten; der Hauptstrom, nämlich der Colorado, fließt zwischen Felswänden, welche oft über zweitausend Meter fast senkrecht emporsteigen, und oben breitet sich das Hochplateau nach allen Seiten kahl und pflanzenarm aus, der Glut der Sonne und den darüber hinsausenden Stürmen preisgegeben. Nur selten giebt es einen Wasserlauf, dem man folgen kann, ohne in eine schier endlose Tiefe hinabsteigen zu müssen, und dann giebt es allerdings ein Grün von Gras, von Sträuchern und Bäumen, welches das Auge umsomehr erfreut, als der Blick bisher unausgesetzt auf nacktem Fels hat ruhen müssen. Da, wo kleine Flüsse sich einander nahen, giebt es sogar Wälder, zwischen denen sich saftige Prairien erstrecken. Dies war der Fall auch hier, wo wir uns befanden, und so gehörte kein übermäßiger Scharfsinn dazu, die Fährte der beiden gefangenen Kundschafter zu entdecken.
Da man diese Leute sofort bei ihrer Ankunft ergriffen hatte, waren ihre Spuren noch so frisch, daß sich das von den Hufen ihrer Pferde niedergetretene Gras noch nicht wieder aufgerichtet hatte, und wir Galopp reiten konnten, ohne die Eindrücke nur einmal aus den Augen zu verlieren. Die Kundschafter schienen die ganze Nacht unterwegs gewesen zu sein, denn wir fanden keine Stelle, an welcher sie gelagert hatten. Später kam felsiges Terrain, wo wir langsamer reiten mußten, da wir gezwungen waren, nun schärfer achtzugeben; doch hatten sie in der Dunkelheit nicht vorsichtig genug sein können, und wenn in dem harten Gestein auch nicht mehr von Hufstapfen die Rede sein konnte, so gab es für uns doch deutliche Merkmale genug, die uns den richtigen Weg zeigten.
Erst am Abend erreichten wir ein Wässerchen, wo sie gestern Rast gemacht hatten. Da fanden wir ihre Medizinen und Farbentöpfe versteckt, aus denen wir ersahen, daß sie Pa-Utes waren und sich auf dem Kriegspfade befanden. Wir ruhten während der ganzen Nacht hier aus und ritten dann am Morgen weiter.
Leider waren die Spuren von jetzt an nicht mehr zu erkennen, was uns aber gar keine Verlegenheit bereitete, denn wir brauchten nur die Richtung nach dem Rio San Juan einzuhalten, um sie dort ganz gewiß zu treffen. Wir ritten also Ostnordost, erst über eine Savanne, deren Gras immer spärlicher wurde, und dann über eine Felsenebene, welche so glatt und nackt war, als ob sie aus Cement gegossen worden sei.