Onkel Toms Hütte - Harriett Beecher Stowe - E-Book

Onkel Toms Hütte E-Book

Harriett Beecher Stowe

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Beschreibung

"Die Empfindungen lebendiger Ware, wenn sie den Herrn wechselt" - Die Überschrift des vierten Kapitels fasst das Leid in diesem Buch prägend zusammen. In diesem Meilenstein der Literatur- und Friedensgeschichte wird über das Schicksal mehrerer schwarzer Sklaven in den Vereinigten Staaten des 19. Jahrhunderts berichtet. Der Titelheld "Onkel Tom" befindet sich auf einer Odyssee in seine Freiheit und bis dahin muss er Demütigungen, Beleidigungen, Schmerzen erdulden: Er wird verkauft, soll freigelassen werden, nur um danach noch schlimmer von neuen Peinigern unterdrückt zu werden. Nur sein unbeirrbarer christlicher Glauben und seine Nächstenliebe, die er trotz aller Widrigkeiten nicht verliert, lassen ihn nicht verzweifeln. Harriet Beecher Stowe benutzte als Quelle für ihren Roman die Memoiren von Pfarrer Josiah Henson, eines früheren US-amerikanischen Sklaven. Dieser flüchtete 1830 nach Kanada und lebte dort seit 1841. Die frühesten deutschen Ausgaben erschienen 1852 gleichzeitig in mehreren Verlagen. Null Papier Verlag

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Harriett Beecher Stowe

Onkel Toms Hütte

Harriett Beecher Stowe

Onkel Toms Hütte

(Uncle Tom’s Cabin)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]Übersetzung: Wilhelm Eduard Drugulin EV: Chr. E. Kollmann, Leipzig, 1852 2. Auflage, ISBN 978-3-954183-01-2

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Inhaltsverzeichnis

Das Buch

1. Ka­pi­tel -- Ein Men­schen­freund

2. Ka­pi­tel -- Der Gat­te und Va­ter

3. Ka­pi­tel -- Ein Abend in On­kel Toms Hüt­te

4. Ka­pi­tel -- Die Emp­fin­dun­gen le­ben­di­ger Ware, wenn sie den Herrn wech­selt

5. Ka­pi­tel -- Die Ent­de­ckung

6. Ka­pi­tel -- Der Kampf der Mut­ter

7. Ka­pi­tel -- Ein wür­di­ges Trio

8. Ka­pi­tel -- Ein Se­na­tor ist auch nur ein Mensch

9. Ka­pi­tel -- Die Ware wird fort­ge­schafft

10. Ka­pi­tel -- Un­ge­hö­ri­ge Auf­re­gung

11. Ka­pi­tel -- Das Quä­ker­dorf

12. Ka­pi­tel -- Evan­ge­li­ne

13. Ka­pi­tel -- Toms neu­er Herr

14. Ka­pi­tel -- Toms Her­rin und ihre An­sich­ten

15. Ka­pi­tel -- Des frei­en Man­nes Ver­tei­di­gung

16. Ka­pi­tel -- Miß Ophe­li­as Er­fah­run­gen und Mei­nun­gen

17. Ka­pi­tel -- To­psy

18. Ka­pi­tel -- Hen­ri­que

19. Ka­pi­tel -- Vor­bo­ten

20. Ka­pi­tel -- Der klei­ne Evan­ge­list

21. Ka­pi­tel -- Der Tod

22. Ka­pi­tel -- Das Letz­te auf Er­den

23. Ka­pi­tel -- Wie­der ver­eint

24. Ka­pi­tel -- Die Schutz­lo­sen

25. Ka­pi­tel -- Der Skla­ven­spei­cher

26. Ka­pi­tel -- Die Über­fahrt

27. Ka­pi­tel -- Düs­te­re Bil­der

28. Ka­pi­tel -- Cas­sy

29. Ka­pi­tel -- Tom will ster­ben

30. Ka­pi­tel -- Nimm dich in acht, Si­mon Le­gree!

31. Ka­pi­tel -- Em­me­li­ne und Cas­sy

32. Ka­pi­tel -- Frei­heit!

33. Ka­pi­tel -- Der Sieg

34. Ka­pi­tel -- Der Flucht­plan

35. Ka­pi­tel -- Der Mär­ty­rer

36. Ka­pi­tel -- Der jun­ge Herr

37. Ka­pi­tel -- Eine wah­re Ge­s­pens­ter­ge­schich­te

38. Ka­pi­tel -- Re­sul­ta­te

Nach­schrift

39. Ka­pi­tel -- Der Be­frei­er

Die Ver­fas­se­rin steht Rede und Ant­wort

Dan­ke

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Ihr Jür­gen Schul­ze

99 Welt-Klas­si­ker

Der Tee der drei al­ten Da­men

Arme Leu­te und Der Dop­pel­gän­ger

Der Vam­pir

Der selt­sa­me Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Der Idi­ot

Jane Eyre

Effi Briest

Ma­da­me Bo­va­ry

Ili­as & Odys­see

Ge­schich­te des Gil Blas von San­til­la­na

und wei­te­re …

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Das Buch

»Die Emp­fin­dun­gen le­ben­di­ger Ware, wenn sie den Herrn wech­selt« -- Die Über­schrift des vier­ten Ka­pi­tels fasst das Leid in die­sem Buch prä­gend zu­sam­men.

In die­sem Mei­len­stein der Li­te­ra­tur- und Frie­dens­ge­schich­te wird über das Schick­sal meh­re­rer schwar­zer Skla­ven in den Ve­rei­nig­ten Staa­ten des 19. Jahr­hun­derts be­rich­tet.

Der Ti­tel­held »On­kel Tom« be­fin­det sich auf ei­ner Odys­see in sei­ne Frei­heit und bis da­hin muss er De­mü­ti­gun­gen, Be­lei­di­gun­gen, Schmer­zen er­dul­den: Er wird ver­kauft, soll frei­ge­las­sen wer­den, nur um da­nach noch schlim­mer von neu­en Pei­ni­gern un­ter­drückt zu wer­den. Nur sein un­be­irr­ba­rer christ­li­cher Glau­ben und sei­ne Nächs­ten­lie­be, die er trotz al­ler Wi­d­rig­kei­ten nicht ver­liert, las­sen ihn nicht ver­zwei­feln.

Har­riet Bee­cher Sto­we be­nutz­te als Quel­le für ih­ren Ro­man die Me­moi­ren von Pfar­rer Jo­siah Hen­son, ei­nes frü­he­ren US-ame­ri­ka­ni­schen Skla­ven. Die­ser flüch­te­te 1830 nach Ka­na­da und leb­te dort seit 1841. Die frü­he­s­ten deut­schen Aus­ga­ben er­schie­nen 1852 gleich­zei­tig in meh­re­ren Ver­la­gen.

1. Kapitel -- Ein Menschenfreund

Spät nach­mit­tags an ei­nem kal­ten Fe­bruar­ta­ge sa­ßen zwei Gent­le­men in ei­nem gut aus­mö­blier­ten Spei­se­saal in der Stadt P. in Ken­tucky bei ih­rem Wei­ne. Be­dien­te wa­ren nicht an­we­send, und die bei­den Her­ren schie­nen mit dicht an­ein­an­der ge­rück­ten Stüh­len et­was mit großem In­ter­es­se zu be­spre­chen.

Wir ha­ben bis­her, um nicht um­ständ­lich zu sein, ge­sagt, zwei Gent­le­men. Eine der bei­den Per­so­nen schi­en je­doch bei ge­naue­rer Prü­fung streng­ge­nom­men nicht un­ter die­se Ka­te­go­rie zu ge­hö­ren. Es war ein klei­ner, un­ter­setz­ter Mann mit gro­ben, nichts­sa­gen­den Zü­gen und dem prah­le­ri­schen und an­spruchs­vol­len We­sen, das ei­nem Nied­rig­ste­hen­den ei­gen ist, der sich in der Welt em­por­zu­ar­bei­ten ver­sucht. Er war sehr her­aus­ge­putzt und trug eine grell bun­te Wes­te, ein blau­es Hals­tuch mit großen gel­ben Tup­fen und zu ei­ner re­nom­mis­ti­schen Schlei­fe ge­schlun­gen, die zu dem gan­zen Aus­se­hen des Man­nes vor­treff­lich paß­te. Die großen und ge­mei­nen Hän­de wa­ren reich­lich mit Rin­gen be­steckt, und mit ei­ner schwe­ren, gol­de­nen Uhr­ket­te mit ei­nem gan­zen Bün­del großer Pet­schaf­te von al­len mög­li­chen Far­ben pfleg­te er im Ei­fer der Un­ter­hal­tung mit of­fen­ba­rem Be­ha­gen zu spie­len und zu klap­pern. In sei­ner Rede bot er un­ge­niert und mut­voll der Gram­ma­tik Trotz und ver­bräm­te sie in ge­eig­ne­ten Zwi­schen­räu­men mit pas­sen­den Flü­chen, wel­che nie­der­zu­schrei­ben uns selbst nicht der Wunsch, gra­phisch zu sein, ver­mö­gen wird.

Der an­de­re, Mr. Shel­by, hat­te das Äu­ße­re ei­nes Gent­le­mans, und die An­ord­nun­gen des Hau­ses und sei­ne wirt­schaft­li­che Ein­rich­tung mach­ten den Ein­druck von Wohl­ha­ben­heit und so­gar Reich­tum. Wie wir schon vor­hin sag­ten, bei­de wa­ren in ein erns­tes Ge­spräch ver­tieft.

»So wür­de ich die Sa­che ab­ma­chen«, sag­te Mr. Shel­by.

»Auf die­se Wei­se kann ich das Ge­schäft nicht ab­schlie­ßen -- es ist rein un­mög­lich, Mr. Shel­by«, sag­te der an­de­re und hielt ein Glas Wein ge­gen das Licht.

»Ich sage Ih­nen, Ha­ley, Tom ist ein ganz un­ge­wöhn­li­cher Kerl; er ist ge­wiß die­se Sum­me über­all wert -- er ist or­dent­lich, ehr­lich, ge­schickt und ver­wal­tet mei­ne Farm wie eine Uhr.«

»Sie mei­nen so ehr­lich, wie Nig­ger sind«, sag­te Ha­ley und schenk­te sich ein Glas Brannt­wein ein.

»Nein, ich mei­ne wirk­lich, Tom ist ein gu­ter, or­dent­li­cher, ver­stän­di­ger, from­mer Bur­sche. Er lern­te sei­ne Re­li­gi­on vor vier Jah­ren bei ei­nem Camp-Mee­ting; und ich glau­be, er hat sie wirk­lich ge­lernt. Ich habe ihm seit­dem al­les, was ich habe, an­ver­traut -- Geld, Haus, Pfer­de, und habe ihn frei im Lan­de her­um­ge­hen las­sen und habe ihn stets treu und or­dent­lich ge­fun­den.«

»Man­che Leu­te glau­ben nicht, daß es from­me Nig­ger gibt, Shel­by«, sag­te Ha­ley, »aber ich glau­be es. Ich hat­te einen Bur­schen in der letz­ten Par­tie, die ich nach Or­leans brach­te, den be­ten zu hö­ren, war wahr­haf­tig so gut, als ob man in ei­nem Mee­ting wäre; und er war ganz ru­hig und sanft. Er brach­te mir auch ein gut Stück Geld ein; denn ich kauf­te ihn bil­lig von ei­nem Man­ne, der los­schla­gen muß­te, und ich krieg­te 600 für ihn. Ja, ich be­trach­te Re­li­gi­on für eine wert­vol­le Sa­che bei ei­nem Nig­ger, wenn sie wirk­lich echt ist.«

»Nun, bei Tom ist sie echt, wenn sie je­mals echt war«, war die Ant­wort. »Letz­ten Herbst ließ ich ihn al­lein nach Cin­cin­na­ti ge­hen, um für mich Ge­schäf­te ab­zu­ma­chen und 500 Dol­lar zu­rück­zu­brin­gen. ›Tom‹, sag­te ich zu ihm, ›ich traue dir, weil ich glau­be, du bist ein Christ -- ich weiß, du wirst mich nicht hin­ter­ge­hen.‹ Und Tom kommt auch wirk­lich zu­rück -- ich wuß­te, daß er das tun wür­de. Ei­ni­ge schlech­te Ker­le, hör­te ich, sag­ten zu ihm: ›Tom, warum machst du dich nicht nach Ka­na­da auf die Bei­ne?‹ -- ›Ach, Mas­ter hat mir Ver­trau­en ge­schenkt, und ich könn­te es nicht!‹ Man hat mir al­les er­zählt. Es tut mir leid, Tom zu ver­kau­fen, das ge­ste­he ich. Sie soll­ten mit ihm den gan­zen Rest der Schuld ge­tilgt sein las­sen; und Sie wür­den es, Ha­ley, wenn Sie nur einen Fun­ken Ge­wis­sen hät­ten.«

»Nun, ich habe ge­nau­so­viel Ge­wis­sen, als ein Ge­schäfts­mann ver­tra­gen kann -- ein klein we­nig, um dar­auf zu schwö­ren, wis­sen Sie«, sag­te der Han­dels­mann scher­zend, »und dann bin ich be­reit, al­les, was man ver­stän­di­ger­wei­se er­lan­gen kann, zu tun, um Freun­den ge­fäl­lig zu sein; aber das hier ist ein biß­chen zu viel ver­langt -- ein biß­chen zu viel.«

Der Han­dels­mann seufz­te nach­denk­lich und schenk­te sich noch ein Glas Brannt­wein ein.

»Nun, Ha­ley, was ma­chen Sie denn für einen Vor­schlag?« sag­te Mr. Shel­by nach ei­ner ge­le­ge­nen Pau­se im Ge­spräch.

»Kön­nen Sie denn nicht noch einen Jun­gen oder ein Mäd­chen zu Tom zu­ge­ben?«

»Hm! -- Ich könn­te kei­nen gut ent­beh­ren, um Ih­nen die Wahr­heit zu sa­gen, nur die äu­ßers­te Not bringt mich dazu, über­haupt zu ver­kau­fen. Ich gebe un­gern einen mei­ner Leu­te hin, das ist die Sa­che.«

Hier ging die Tür auf, und ein klei­ner Qua­droon­kna­be, zwi­schen 4 und 5 Jah­re alt, trat ins Zim­mer. Es lag in sei­ner Er­schei­nung et­was merk­wür­dig Schö­nes und Ge­win­nen­des. Das schwar­ze, sei­den­wei­che Haar wall­te in glän­zen­den Lo­cken um das run­de Ge­sicht mit Grüb­chen in Kinn und Wan­gen, wäh­rend ein paar große dunkle Au­gen voll Feu­er und Sanft­heit un­ter den vol­len, lan­gen Wim­pern her­vor­sa­hen, wie er neu­gie­rig in das Zim­mer lug­te. Eine bun­te, rot und gelb ka­rier­te Kut­te, sorg­fäl­tig ge­ar­bei­tet und hübsch ge­macht, hob den dunklen und rei­chen Stil sei­ner Schön­heit noch mehr her­vor, und eine ge­wis­se ko­mi­sche Mie­ne von Si­cher­heit mit Ver­schämt­heit ver­bun­den zeig­te, daß es ihm nicht un­ge­wohnt war, von sei­nem Herrn ge­hät­schelt und be­ach­tet zu wer­den.

»Heda! Jim Crow!« sag­te Mr. Shel­by, in­dem er dem Kna­ben pfiff und ihm eine Wein­trau­be zu­warf. »Hier nimm das!«

Mit al­ler Kraft sei­ner klei­nen Bei­ne lief das Kind nach der Trau­be, wäh­rend sein Herr lach­te.

»Komm zu mir, Jim Crow«, sag­te er.

Das Kind kam zu ihm, und der Herr strei­chel­te den Lo­cken­kopf und griff ihm un­ter das Kinn.

»Nun, Jim, zei­ge die­sem Herrn, wie du tan­zen und sin­gen kannst.«

Der Kna­be fing an, ei­nes der un­ter Ne­gern üb­li­chen wil­den und gro­tes­ken Lie­der mit ei­ner vol­len kla­ren Stim­me zu sin­gen und be­glei­te­te den Ge­sang mit vie­len ko­mi­schen Be­we­gun­gen der Hän­de, der Füße und des gan­zen Kör­pers, wo­bei er mit der Mu­sik auf das strengs­te Takt hielt.

»Bra­vo!« sag­te Ha­ley und warf ihm das Vier­tel ei­ner Oran­ge zu.

»Nun, Jim, zei­ge uns ein­mal, wie der alte On­kel Cu­d­joe geht, wenn er die Gicht hat«, sag­te sein Herr.

Auf der Stel­le nah­men die bieg­sa­men Glie­der des Kin­des den An­schein von Ge­brech­lich­keit und Ver­krüp­pe­lung an, wie es mit ge­krümm­tem Rücken und den Stock des Herrn mit der Hand im Zim­mer her­um­hum­pel­te, das kin­di­sche Ge­sicht in kläg­li­chem Jam­mer ver­zo­gen, und bald rechts, bald links spu­ckend, ganz wie ein al­ter Mann.

Bei­de Her­ren lach­ten hell auf.

»Nun, Jim«, sag­te sein Herr, »zei­ge uns, wie der alte Äl­tes­te Rob­bins den Psalm vor­singt.«

Der Kna­be zog sein run­des Ge­sicht­chen zu ei­ner schreck­li­chen Län­ge und fing an, eine Psal­men­me­lo­die mit un­zer­stör­ba­rem Ernst durch die Nase zu sin­gen.

»Hur­ra! Bra­vo! Was für ein Blitz­kerl­chen!« sag­te Ha­ley. »Das Bür­sch­chen ist ja präch­tig. Ich will Ih­nen was sa­gen«, sag­te er und schlug Mr. Shel­by auf die Schul­ter, »ge­ben Sie das Kerl­chen zu, und das Ge­schäft soll ab­ge­macht sein. Das ist doch ge­wiß an­stän­dig, nicht wahr?«

In die­sem Au­gen­blick wur­de die Tür lei­se ge­öff­net, und ein jun­ges Qua­droon­weib, dem An­schein nach un­ge­fähr 25 Jah­re alt, trat ins Zim­mer.

Man brauch­te bloß das Kind und sie an­zu­se­hen, um in ihr so­gleich die Mut­ter zu er­ken­nen. Das­sel­be große, vol­le, schwar­ze Auge mit den lan­gen Wim­pern, das­sel­be sei­den­wei­che, schwar­ze, lo­cki­ge Haar. Ihre brau­nen Wan­gen rö­te­ten sich merk­lich, und die Glut wur­de noch tiefer, als sie den Blick des Frem­den in ke­cker und un­ver­hoh­le­ner Be­wun­de­rung auf sich ru­hen sah. Ihr Kleid saß wie an­ge­gos­sen und hob die schö­nen Ver­hält­nis­se ih­rer Ge­stalt vor­treff­lich her­vor. Eine klei­ne, schön ge­form­te Hand und ein zier­li­cher Fuß wa­ren Ein­zel­hei­ten, wel­che dem ra­schen Auge des Han­dels­man­nes, der ge­wöhnt war, mit ei­nem Blick die Schön­hei­ten ei­ner vor­treff­li­chen weib­li­chen Ware ab­zu­schät­zen, nicht ent­gin­gen.

»Nun, Eli­sa?« sag­te ihr Herr, als sie ste­hen blieb und ihn zö­gernd an­blick­te.

»Ich such­te Har­ry, Sir, wenn Sie er­lau­ben«, und der Kna­be sprang auf sie zu und zeig­te ihr die ge­schenk­ten Früch­te, die er im Schoß sei­ner Kut­te trug.

»Nun, so nimm ihn mit«, sag­te Mr. Shel­by, und sie ent­fern­te sich rasch, das Kind auf dem Arm tra­gend.

»Beim Ju­pi­ter!« sag­te der Han­dels­mann und wen­de­te sich voll Be­wun­de­rung ge­gen ihn. »Das ist ein Stück Ware! Mit dem Mäd­chen kön­nen Sie je­den Tag in Or­leans zum rei­chen Mann wer­den. Ich habe zu mei­ner Zeit mehr als tau­send Dol­lar für Mäd­chen zah­len se­hen, die nicht ein biß­chen hüb­scher wa­ren.«

»Ich mag an ihr nicht zum rei­chen Mann wer­den«, sag­te Mr. Shel­by tro­cken und ent­kork­te eine fri­sche Fla­sche Wein, in­dem er den an­dern frug, wie das Ge­tränk ihm schme­cke, um dem Ge­spräch eine an­de­re Rich­tung zu ge­ben.

»Vor­treff­lich, Sir -- pri­ma Ware!« sag­te der Han­dels­mann; dann schlug er wie­der Shel­by ver­trau­lich auf die Schul­ter und setz­te hin­zu: »Wol­len wir ein Ge­schäft mit dem Mäd­chen ma­chen? Was soll ich da­für bie­ten? Was wol­len Sie ha­ben?«

»Mr. Ha­ley, sie ist nicht zu ver­kau­fen«, sag­te Shel­by, »mei­ne Frau wür­de sie nicht für ihr Ge­wicht in Gold hin­ge­ben.«

»Ja, ja, das sa­gen die Wei­ber im­mer, weil sie nichts vom Rech­nen ver­ste­hen. Man zei­ge ih­nen nur, wie­viel Uhren, Fe­dern und Schmuck­sa­chen man für je­man­des Ge­wicht in Gold kau­fen kann, und das wür­de die Sa­che gleich an­ders ma­chen, rech­ne ich.«

»Ich sage Ih­nen, Ha­ley, es kann nicht da­von die Rede sein. Ich sage nein, und ich mei­ne nein«, sag­te Shel­by mit Ent­schie­den­heit.

»Nun, dann be­kom­me ich aber den Kna­ben, nicht wahr?« sag­te der Han­dels­mann. »Sie müs­sen ge­ste­hen, daß ich ziem­lich an­stän­dig für ihn ge­bo­ten habe.«

»Aber was wol­len Sie denn mit dem Kin­de ma­chen?« sag­te Shel­by.

»Nun, ich habe einen Freund, der sein Ge­schäft be­gin­nen will und hüb­sche Kna­ben kau­fen möch­te, um sie für den Markt auf­zu­zie­hen. Ganz und gar ein Mo­de­ar­ti­kel -- man ver­kauft sie als Be­dien­te usw. an rei­che Ker­le, die hüb­sche Ker­le be­zah­len kön­nen. Es putzt ein großes vor­neh­mes Haus, wenn so ein wirk­lich schö­ner Bur­sche die Tür öff­net und auf­war­tet. Sie wer­den gut be­zahlt; und der klei­ne Teu­fel ist ein so ko­mi­sches, mu­si­ka­li­sches Kerl­chen, daß er vor­treff­lich pas­sen wür­de.«

»Ich möch­te ihn lie­ber nicht ver­kau­fen«, sag­te Mr. Shel­by ge­dan­ken­voll. »Die Sa­che ist, Sir, ich bin ein mensch­li­cher Mann und kann es nicht über mich brin­gen, den Kna­ben sei­ner Mut­ter zu neh­men.«

»O wirk­lich -- hm! Ja -- das ist so eine Sa­che. Ich ver­ste­he voll­kom­men. Es ist manch­mal ver­wünscht ek­lig, mit Wei­bern durch­zu­kom­men. Wenn sie erst zu schrei­en und zu heu­len an­fan­gen, kann ich es nicht aus­ste­hen. Das ist ver­wünscht ek­lig; aber wie ich die Sa­che ein­rich­te, ver­mei­de ich das ge­wöhn­lich, Sir. Wenn Sie nun das Mäd­chen auf einen Tag oder eine Wo­che fort­schick­ten? Da läßt sich die Sa­che ganz ru­hig ab­ma­chen -- und al­les ist vor­bei, wenn sie wie­der­kommt. Ihre Frau schenkt ihr dann noch ein Paar Ohr­rin­ge oder ein neu­es Kleid oder so was zur Ent­schä­di­gung.«

»Ich fürch­te, das geht nicht.«

»Ich sage Ih­nen, es geht! Die­se Leu­te sind nicht wie die Wei­ßen, müs­sen Sie wis­sen; sie hal­ten es aus, wenn man es nur recht an­fängt. Se­hen Sie«, sag­te Ha­ley und nahm eine auf­rich­ti­ge und ver­trau­li­che Mie­ne an, »die Leu­te sa­gen, die­se Art Han­del ma­che die Men­schen hart­her­zig; aber ich habe das nie ge­fun­den. Die Sa­che ist, daß ich mich nie dazu brin­gen konn­te, das Ding an­zu­grei­fen, wie es man­che Bur­schen tun. Ich habe ge­se­hen, wie ei­ner Frau das Kind aus den Ar­men ge­ris­sen und ver­auk­tio­niert wur­de, wäh­rend sie die gan­ze Zeit über jam­mer­te und schrie wie ver­rückt; -- sehr schlech­te Po­li­tik -- macht sie manch­mal ganz un­taug­lich zum Ver­kauf. Ich weiß von ei­nem wirk­lich schö­nen Mäd­chen in Or­leans, das durch so ein Ver­fah­ren ganz und gar rui­niert wur­de. Der Mann, der das Weib kau­fen woll­te, woll­te ihr Kind nicht ha­ben, und sie war eine von der rech­ten, stür­mi­schen Art, wenn ihr Blut ein­mal in der Hit­ze war. Ich sage Ih­nen, sie drück­te das Kind an ihre Brust und schwatz­te und mach­te einen grau­en­haf­ten Lärm. Die Haut schau­ert mir noch, wenn ich dar­an den­ke; und als sie das Kind weg­nah­men und sie ein­sperr­ten, wur­de sie ver­rückt und starb in acht Ta­gen. Ein rei­ner Ver­lust von 1.000 Dol­lar, Sir, bloß durch sol­che Be­hand­lung. -- Das ist die Sa­che. Es ist im­mer das bes­te, die Sa­che mensch­lich zu ma­chen, so ist mei­ne Er­fah­rung.«

Und der Han­dels­mann lehn­te sich mit ei­ner Mie­ne tu­gend­haf­ter Ent­schie­den­heit in den Stuhl zu­rück und schlug die Arme über der Brust zu­sam­men. Of­fen­bar hielt er sich für einen zwei­ten Wil­ber­for­ce.

Der Ge­gen­stand schi­en den Herrn be­son­ders zu in­ter­es­sie­ren, denn wäh­rend Mr. Shel­by nach­denk­lich eine Oran­ge schäl­te, fing Ha­ley mit schick­li­cher Be­schei­den­heit, aber als zwän­ge ihn die Macht der Wahr­heit, noch ein paar Wor­te zu sa­gen, von neu­em an:

»Es nimmt sich nicht gut aus, wenn sich ein Mann sel­ber lobt; aber ich sage es nur, weil es die Wahr­heit ist. Ich glau­be, ich ste­he in dem Ruf, die schöns­ten Her­den Ne­ger auf den Markt zu brin­gen -- we­nigs­tens hat man mir es ge­sagt, und gibt man es mir ein­mal zu, so muß es für alle hun­dert­mal gel­ten --, und stets in gu­tem Zu­stand -- dick und an­sehn­lich --, und es ge­hen mir so we­nig zu­grun­de, als je­dem an­dern Kauf­mann in dem Ge­schäft, und ich schrei­be das al­les mei­ner Be­hand­lung zu, Sir, und Men­sch­lich­keit, Sir, möch­te ich sa­gen, ist der große Pfei­ler mei­ner Be­hand­lung.«

Mr. Shel­by wuß­te nicht, was er sa­gen soll­te, und warf da­her bloß ein »So?« ein.

»Man hat­te mich we­gen mei­ner Ide­en aus­ge­lacht und des­halb be­re­det. Sie sind nicht po­pu­lär, und sie sind nicht ge­wöhn­lich; aber ich habe an ih­nen fest­ge­hal­ten, Sir, ich habe an ih­nen fest­ge­hal­ten und habe mich wohl da­bei be­fun­den; ja, Sir, sie ha­ben ihre Fahrt be­zahlt, kann ich wohl sa­gen.« Und der Han­dels­mann lach­te über sei­nen Witz.

Die­se Bei­spie­le von Men­sch­lich­keit hat­ten et­was so Pi­kan­tes und Ori­gi­nel­les, daß Mr. Shel­by nicht um­hin konn­te, zur Ge­sell­schaft mit­zu­la­chen. Vi­el­leicht lachst Du auch, lie­ber Le­ser, aber Du weißt, daß heut­zu­ta­ge die Men­sch­lich­keit in ei­ner großen Ver­schie­den­ar­tig­keit selt­sa­mer Ge­stal­ten er­scheint, und daß mensch­li­che Leu­te nie müde wer­den, Son­der­ba­res zu sa­gen und zu tun.

Mr. Shel­bys La­chen er­mu­tig­te den Han­dels­mann, fort­zu­fah­ren.

»Es ist merk­wür­dig, aber ich könn­te es nie­mals an­dern Leu­ten be­greif­lich ma­chen. Da war der Tom Lo­ker, mein al­ter Kom­pa­gnon in Nat­chez un­ten; der war ein ge­schei­ter Kerl, der Tom, aber ein wah­rer Teu­fel mit den Ne­gern -- aus Prin­zip müs­sen Sie wis­sen, denn ein gut­her­zi­ge­rer Bur­sche ist nie ge­bo­ren wor­den; es war sein Sys­tem, Sir. Ich habe oft Tom Vor­stel­lun­gen dar­über ge­macht. ›A­ber, Tom‹, habe ich zu ihm ge­sagt, ›wenn dei­ne Mäd­chen schrei­en und heu­len, was nutzt es denn, wenn du ih­nen eins über den Kopf gibst und mit der Peit­sche un­ter ih­nen her­um­fährst? ’s ist lä­cher­lich‹, sage ich, ›und nützt zu nichts. Ich sehe nicht ein, was ihr Heu­len scha­den soll?‹ sage ich. ›Es ist Na­tur, und wenn die Na­tur sich nicht auf die eine Wei­se Luft ma­chen kann, so tut sie es auf eine an­de­re; au­ßer­dem, Tom‹, sage ich, ›verdirbst du dei­ne Mäd­chen da­mit; sie wer­den kränk­lich und me­lan­cho­lisch, und manch­mal wer­den sie häß­lich, vor­züg­lich gel­be Mäd­chen. Wa­rum hei­terst du sie nicht lie­ber auf und sprichst freund­lich mit ih­nen? Ver­laß dich dar­auf, Tom, ein we­nig Men­sch­lich­keit bei pas­sen­der Ge­le­gen­heit reicht viel wei­ter, als all dein Schimp­fen und Prü­geln, und es lohnt sich bes­ser‹, sage ich, ›ver­laß dich drauf.‹ Aber Tom konn­te sich nicht dar­an ge­wöh­nen, und er verd­arb mir so vie­le Mäd­chen, daß ich mich von ihm tren­nen muß­te, ob­gleich er ein gut­her­zi­ger Kerl und ein tüch­ti­ger Ge­schäfts­mann war.«

»Und fin­den Sie, daß Ihre Art und Wei­se, das Ge­schäft zu ma­chen, bes­sern Er­folg hat als die Toms?« frag­te Mr. Shel­by.

»Ge­wiß, Sir. Se­hen Sie, wenn ich ir­gend kann, neh­me ich mich mit den un­an­ge­neh­men Auf­trit­ten, wie mit dem Ver­kau­fen von Kin­dern und so, ein biß­chen in acht, schi­cke die Mäd­chen aus dem Wege -- aus den Au­gen, aus dem Sinn, wis­sen Sie ja --, und wenn es ge­sche­hen ist und nicht mehr rück­gän­gig ge­macht wer­den kann, ge­wöh­nen sie sich na­tür­lich dar­an. Es ist nicht wie bei den wei­ßen Leu­ten, die von Haus aus ge­wöhnt sind, zu er­war­ten, daß sie ihre Kin­der und ihre Wei­ber be­hal­ten wer­den. Nig­ger, wis­sen Sie ja, die or­dent­lich er­zo­gen sind, er­war­ten so et­was ganz und gar nicht; dar­um ver­tra­gen sie so et­was leich­ter.«

»Ich fürch­te dann, die mei­ni­gen sind nicht or­dent­lich er­zo­gen«, sag­te Mr. Shel­by.

»Wohl mög­lich. Hier in Ken­tucky ver­zieht man die Nig­ger. Sie mei­nen es gut mit ih­nen, aber es ist im Grun­de kei­ne wirk­li­che Güte. Se­hen Sie, ge­gen einen Nig­ger, der in der Welt her­um­ge­sto­ßen und an Tom und Dick und Gott weiß wen ver­kauft wird, ist es kei­ne Güte, ihm Ide­en und große Er­war­tun­gen bei­zu­brin­gen und ihn gut zu er­zie­hen; denn er fühlt das Her­um­sto­ßen her­nach nur um so tiefer. Ich will dar­auf wet­ten, Ihre Nig­ger wür­den ganz me­lan­cho­lisch sein an ei­nem Ort, wo ein ech­ter Ne­ger aus den Plan­ta­gen sin­gen und jauch­zen wür­de, als wäre er be­ses­sen. Na­tür­lich hält je­der­mann sei­ne Ver­fah­rens­wei­se für die bes­te, Mr. Shel­by, und ich glau­be, ich be­hand­le die Ne­ger ge­nau­so­gut, als es der Mühe wert ist, sie zu be­han­deln.«

»Wohl dem, der mit sich zu­frie­den ist«, sag­te Mr. Shel­by mit ei­nem leich­ten Ach­sel­zu­cken und ei­ni­gen Emp­fin­dun­gen un­an­ge­neh­mer Art.

»Nun, was mei­nen Sie?« sag­te Ha­ley, nach­dem sie bei­de eine Wei­le lang schwei­gend Nüs­se ge­ges­sen hat­ten.

»Ich will mir die Sa­che über­le­gen und mit mei­ner Frau spre­chen«, sag­te Mr. Shel­by. »Un­ter­des­sen, Ha­ley, wenn Sie die Sa­che ru­hig ab­ge­macht wis­sen wol­len, so ist es das bes­te, Sie las­sen hier her­um nicht be­kannt wer­den, wes­halb Sie da sind. Es wird sonst un­ter mei­nen Bur­schen ruch­bar, und es wird dann nicht be­son­ders leicht sein, einen mei­ner Ker­le fort­zu­schaf­fen, das ver­si­che­re ich Ih­nen.«

»O ge­wiß wer­de ich mir nichts mer­ken las­sen. Aber ich sage Ih­nen, ich habe ver­wünscht we­nig Zeit und möch­te so bald als mög­lich wis­sen, wor­auf ich mich ver­las­sen kann«, sag­te er, in­dem er auf­stand und den Über­rock an­zog.

»Nun, so kom­men Sie die­sen Abend zwi­schen 6 und 7 wie­der her, und Sie sol­len Ant­wort ha­ben«, sag­te Mr. Shel­by, und der Han­dels­mann ent­fern­te sich grü­ßend.

»Ich woll­te, ich hät­te den Kerl die Trep­pe hin­un­ter­wer­fen kön­nen mit sei­ner un­ver­schäm­ten Zu­ver­sicht«, sag­te Mr. Shel­by zu sich, als die Tür or­dent­lich zu war, »aber er weiß, wie sehr er mich in der Hand hat. Wenn mir je­mand je­mals ge­sagt hät­te, daß ich Tom un­ten nach dem Sü­den an einen die­ser Ker­le ver­kau­fen wür­de, so hät­te ich ge­sagt: ›Ist dein Die­ner ein Hund, daß er das tun soll­te?‹ Und jetzt muß es ge­schehn, so­weit ich se­hen kann. Und auch Eli­sas Kind! Ich weiß, ich wer­de dar­über ei­ni­gen Trö­del mit mei­ner Frau ha­ben, und auch we­gen Tom. Das kommt von den Schul­den -- o weh! Der Kerl kennt sei­nen Vor­teil und be­nutzt ihn aufs äu­ßers­te.«

Das Skla­ven­we­sen in sei­ner mil­des­ten Form ist wahr­schein­lich im Staat Ken­tucky zu fin­den. Das all­ge­mei­ne Vor­herr­schen von Kul­tur­sys­te­men von ru­hi­ger und all­mäh­li­cher Art, ohne das pe­ri­odisch ein­tre­ten­de Be­dürf­nis, die Leu­te über­mä­ßig zu be­schäf­ti­gen, wel­ches der land­wirt­schaft­li­chen In­dus­trie der süd­li­chen Distrik­te ei­gen ist, macht die Ar­beit des Ne­gers zu ei­ner ge­sun­de­ren oder ver­nünf­ti­ge­ren, wäh­rend der Herr, mit ei­nem all­mäh­li­che­ren Er­werb zu­frie­den, nicht der Ver­su­chung zur Hart­her­zig­keit aus­ge­setzt ist, wel­cher die schwa­che Men­schen­na­tur oft un­ter­liegt, wo der Aus­sicht auf plötz­li­chen und ra­schen Ge­winn kein schwe­re­res Ge­wicht die Waa­ge hält, als die In­ter­es­sen der Hilflo­sen und Un­be­schütz­ten.

Mr. Shel­by war ein Mann, wie man sie oft und stets gern fin­det, gut­her­zig und lie­be­voll und ge­neigt, sei­ne gan­ze Um­ge­bung mit freund­li­cher Nach­sicht zu be­han­deln, und er hat­te es nie an et­was feh­len las­sen, was zum phy­si­schen Wohl­sein der Ne­ger auf sei­ner Be­sit­zung bei­tra­gen konn­te. Er hat­te je­doch stark und un­über­legt spe­ku­liert, war tief ver­schul­det, und auf ihn lau­fen­de Wech­sel auf be­deu­ten­de Sum­men wa­ren Ha­ley in die Hän­de ge­kom­men. Dies wird ge­nü­gen, um das eben er­zähl­te Ge­spräch zu er­klä­ren. Eli­sa hat­te, wäh­rend sie sich der Tür nä­her­te, ge­nug von der Un­ter­hal­tung ge­hört, um zu wis­sen, daß ein Han­dels­mann ih­rem Herrn für je­man­den ein Ge­bot ma­che.

Sie wäre gern an der Tür ste­hen­ge­blie­ben, um zu hor­chen, als sie drau­ßen war; aber ihre Her­rin rief sie ge­ra­de, und sie muß­te for­tei­len. Den­noch glaub­te sie, den Han­dels­mann auf ihr Kind bie­ten ge­hört zu ha­ben, konn­te sie sich ge­irrt ha­ben? Ihr Herz schwoll und beb­te, und sie drück­te den Klei­nen un­will­kür­lich so fest an sich, daß er sie er­staunt an­sah.

»Eli­sa, was fehlt dir heu­te?« sag­te ihre Her­rin, als sie den Was­ser­krug und den Stick­rah­men um­ge­wor­fen und ih­rer Her­rin zer­streut einen lan­gen Nacht­man­tel an­statt des sei­de­nen Klei­des, das sie hat­te ho­len sol­len, dar­ge­reicht hat­te.

Eli­sa schrak auf. »Ach, Mis­sis!« sag­te sie und er­hob die Au­gen; dann stürz­ten ihre Trä­nen her­vor und sie setz­te sich auf einen Stuhl und fing an zu schluch­zen.

»Aber Eli­sa, Kind! Was hast du?« sag­te ihre Her­rin.

»Ach, Mis­sis, Mis­sis!« sag­te Eli­sa. »Ein Han­dels­mann spricht mit dem Herrn im Spei­se­zim­mer! Ich habe es ge­hört.«

»Nun, was scha­det das, Närr­chen?«

»Ach, Mis­sis, glau­ben Sie wohl, daß der Herr mei­nen Har­ry ver­kau­fen wür­de?« Und das arme Mäd­chen warf sich in einen Stuhl und schluchz­te krampf­haft.

»Ihn ver­kau­fen! Nein, du tö­rich­tes Mäd­chen! Du weißt, daß dein Herr nie­mals mit die­sen Han­dels­leu­ten aus dem Sü­den Ge­schäf­te macht und kei­nen sei­ner Leu­te ver­kauft, so­lan­ge sie sich gut auf­füh­ren. Und wer soll denn dei­nen Har­ry kau­fen? Meinst du denn, alle Welt ist so ver­narrt in ihn wie du? Komm, be­ru­hi­ge dich und hake mir das Kleid zu. So, nun flech­te mir das Haar in den hüb­schen Zopf, den du neu­lich ge­lernt hast, und hor­che nicht mehr an den Tü­ren.«

»Also, Mis­sis, Sie wür­den nie­mals Ihre Ein­wil­li­gung ge­ben, daß...«

»Un­sinn, Kind! Na­tür­lich wür­de ich es nicht. Wa­rum sprichst du so? Eben­so­gut wür­de ich eins mei­ner Kin­der ver­kau­fen las­sen. Aber wahr­haf­tig, Eli­sa, du wirst viel zu stolz auf den klei­nen Bur­schen. Es darf nur ei­ner die Nase zur Tür her­ein­ste­cken, so glaubst du gleich, er müs­se ihn kau­fen wol­len.«

Wie­der be­ru­higt durch den zu­ver­sicht­li­chen Ton ih­rer Her­rin setz­te Eli­sa rasch und ge­schickt ihre Toi­let­ten­diens­te fort und lach­te sich selbst aus we­gen ih­rer Furcht.

Mrs. Shel­by war eine Frau von ho­her geis­ti­ger und sitt­li­cher Bil­dung. Ne­ben der na­tür­li­chen Groß­mut und dem Edel­sinn, wel­che oft die Frau­en von Ken­tucky aus­zeich­nen, be­saß sie ein leb­haf­tes, sitt­li­ches, ein re­li­gi­öses Ge­fühl und Grund­sät­ze, die sie mit großer Ener­gie und Ge­schick­lich­keit in prak­ti­sche Aus­übung brach­te. Ihr Gat­te, der kei­ne be­son­de­re Re­li­gio­si­tät be­an­spruch­te, hat­te doch große Ehr­furcht vor der Kon­se­quenz ih­rer re­li­gi­ösen Über­zeu­gung und hat­te viel­leicht ein we­nig Scheu vor ih­rer Mei­nung. Je­den­falls ließ er ihr ganz freie Hand in ih­ren wohl­wol­len­den Be­mü­hun­gen um das Wohl­be­ha­gen, den Un­ter­richt und die Er­zie­hung ih­rer Leu­te, ob­gleich er selbst kei­nen tä­ti­gen An­teil dar­an nahm. Ob­gleich er nicht ge­ra­de an die Leh­re von den über­flüs­si­gen gu­ten Wer­ken der Hei­li­gen glaub­te, so schi­en er doch im Grun­de auf eine oder die an­de­re Wei­se zu den­ken, daß sei­ne Frau Fröm­mig­keit und Wohl­wol­len ge­nug für zwei habe, und sich mit ei­ner dunklen Hoff­nung zu schmei­cheln, durch ih­ren Ein­fluß an Ei­gen­schaf­ten, auf die er kei­nen be­son­de­ren An­spruch mach­te, in den Him­mel zu ge­lan­gen.

Die schwers­te Last auf sei­ner See­le nach sei­ner Un­ter­re­dung mit dem Han­dels­mann war die un­ver­meid­li­che Not­wen­dig­keit, sei­ner Gat­tin das be­spro­che­ne Ar­ran­ge­ment mit­zu­tei­len und den Vor­stel­lun­gen und dem Wi­der­stand die Spit­ze zu bie­ten, die er schon vor­aus­set­zen konn­te.

Mrs. Shel­by, die von ih­res Gat­ten Geld­ver­le­gen­heit nicht das min­des­te wuß­te und die nur die all­ge­mei­ne Gut­her­zig­keit sei­nes Cha­rak­ters kann­te, war in der voll­stän­di­gen Ungläu­big­keit, mit der sie Eli­sas Be­fürch­tung auf­nahm, ganz auf­rich­tig ge­we­sen. Wirk­lich schenk­te sie der gan­zen Fra­ge kei­nen ein­zi­gen Ge­dan­ken mehr; und da sie mit den Vor­be­rei­tun­gen zu ei­nem Abend­be­such be­schäf­tigt war, hat­te sie die Sa­che bald ver­ges­sen.

2. Kapitel -- Der Gatte und Vater

Mrs. Shel­by war zum Be­such aus­ge­fah­ren, und Eli­sa stand in der Ve­ran­da und sah et­was nie­der­ge­schla­gen dem ver­schwin­den­den Wa­gen nach, als sie eine Hand auf ih­rer Schul­ter fühl­te. Sie dreh­te sich um, und ein hel­les Lä­cheln glänz­te so­fort in ih­ren schö­nen Au­gen.

»Ge­org, du bist’s? Wie du mich er­schreckt hast! Nun, es freut mich, daß du da bist! Mis­sis ist für den Nach­mit­tag aus­ge­fah­ren: So komm mit in mein Stüb­chen, wir wol­len den gan­zen Nach­mit­tag mit­ein­an­der ver­brin­gen.«

Mit die­sen Wor­ten zog sie ih­ren Mann in ein net­tes Zim­mer­chen, das auf die Ve­ran­da hin­aus­ging, und wo sie ge­wöhn­lich im Be­reich der Stim­me ih­rer Her­rin mit Nä­hen be­schäf­tigt saß.

»Wie froh ich bin! -- Wa­rum lä­chelst du nicht? -- Und sieh nur Har­ry -- wie er wächst!« Der Kna­be blick­te durch sei­ne Lo­cken scheu den Va­ter an und hielt sich am Rock sei­ner Mut­ter fest. »Ist er nicht wun­der­schön!« sag­te Eli­sa, in­dem sie ihm die Lo­cken aus dem Ge­sicht strich und ihn küß­te.

»Ich woll­te, er wäre nie ge­bo­ren wor­den!« sag­te Ge­or­ge bit­ter. »Ich woll­te, ich wäre selbst nie ge­bo­ren wor­den!«

Über­rascht und er­schro­cken setz­te sich Eli­sa hin, leg­te ih­ren Kopf auf ih­res Gat­ten Schul­tern und brach in Trä­nen aus.

»Ach, Eli­sa, es ist zu schlecht von mir, dir so weh zu tun, ar­mes Mäd­chen!« sag­te er zärt­lich. »Es ist zu schlecht! O wie ich wün­sche, ich hät­te dich nie ge­se­hen -- du hät­test glück­lich sein kön­nen.«

»Ge­or­ge, Ge­or­ge! Wie kannst du so re­den? Was ist Schreck­li­ches ge­sche­hen, oder was soll ge­sche­hen? Ge­wiß sind wir sehr glück­lich ge­we­sen bis vor ganz kur­z­em.«

»Ja­wohl, lie­bes Weib«, sag­te Ge­or­ge. Dann nahm er sein Kind auf die Knie, blick­te ihm in die schö­nen, dunklen Au­gen und fuhr mit der Hand durch sei­ne lan­gen Lo­cken.

»Ganz dein Ge­sicht, Eli­sa, und du bist die schöns­te Frau, die ich je­mals ge­se­hen habe, und die bes­te, die ich zu se­hen wün­sche; aber ach ich wünsch­te, ich hät­te dich nie ge­se­hen, und du nie mich!«

»Aber Ge­or­ge, wie kannst du so spre­chen!«

»Ja, Eli­sa, es ist al­les Jam­mer, Jam­mer, Jam­mer! Mein Le­ben ist bit­ter wie Wer­mut; die Le­bens­kraft zehrt sich selbst auf in mir. Ich bin ein ar­mes, elen­des, un­glück­li­ches Pack­holz: Ich wer­de dich nur mit mir zu Bo­den zie­hen, wei­ter nichts. Was nützt es, zu ver­su­chen, et­was zu tun, et­was zu wis­sen, et­was zu wer­den? Was nützt es, zu le­ben? Ich woll­te, ich wäre tot!«

»Aber das ist wirk­lich gott­los, lie­ber Ge­or­ge! Ich weiß, wie dir der Ver­lust dei­ner Stel­le in der Fa­brik zu Her­zen geht, und du hast einen har­ten Herrn; aber bit­te, habe Ge­duld, und viel­leicht kann et­was --«

»Ge­duld!« un­ter­brach er sie. »Habe ich nicht Ge­duld ge­habt? Habe ich ein Wort ge­sagt, als er kam und ohne den ge­rings­ten Grund mich von ei­nem Plat­ze weg­nahm, wo mich je­der­mann gut be­han­del­te! Ich habe ihm je­den Cent mei­nes Ver­diens­tes ge­wis­sen­haft be­zahlt, und alle sa­gen, daß ich ein tüch­ti­ger Ar­bei­ter war.«

»Ja, es ist schreck­lich«, sag­te Eli­sa, »aber trotz al­le­dem ist er dein Herr, weißt du.«

»Mein Herr! Und wer hat ihn zu mei­nem Herrn ge­macht? Das ist’s, was ich wis­sen möch­te -- wel­ches Recht hat er auf mich? Ich bin ein Mensch, so gut wie er; ich bin ein bes­se­rer Mensch als er; ich ver­ste­he mehr als er; ich wirt­schaf­te bes­ser als er; ich kann bes­ser le­sen als er; ich schrei­be eine bes­se­re Hand; und ich habe das al­les von selbst ge­lernt und schul­de ihm kei­nen Dank -- ich habe es wi­der sei­nen Wil­len ge­lernt; und wel­ches Recht hat er nun, aus mir ein Pack­holz zu ma­chen? -- Mich von ei­ner Ar­beit zu ent­fer­nen, die ich ver­rich­ten kann, und zwar bes­ser als er, und mich bei ei­ner an­zu­stel­len, die je­des Stück Vieh ver­rich­ten kann? Er ver­sucht es und sagt, er will mei­nen Stolz bre­chen und mich de­mü­ti­gen, und er gibt mir mit Ab­sicht die gröbs­te und schlech­tes­te und schmut­zigs­te Ar­beit.«

»Ach, Ge­or­ge -- Ge­or­ge, du er­schreckst mich! Ich habe dich noch nie so spre­chen hö­ren; ich fürch­te, du gehst mit et­was Schreck­li­chem um. Ich wun­de­re mich durch­aus nicht über dei­ne Emp­fin­dun­gen; aber ach, sei vor­sich­tig -- sei es um mei­net­wil­len, sei es um Har­rys wil­len!«

»Ich bin vor­sich­tig ge­we­sen und habe Ge­duld ge­habt; aber es wird schlim­mer und schlim­mer -- Fleisch und Blut kön­nen es nicht län­ger tra­gen. Er er­greift jede Ge­le­gen­heit, um mich zu be­schimp­fen und zu quä­len. Ich glaub­te, ich wür­de mei­ne Ar­beit ver­rich­ten und mich ru­hig hal­ten und ei­ni­ge Zeit üb­rig­be­hal­ten kön­nen, um au­ßer den Ar­beits­stun­den zu le­sen und zu ler­nen; aber je mehr er sieht, daß ich ar­bei­ten kann, de­sto mehr bür­det er mir auf. Er sagt, ob­gleich ich nichts äu­ße­re, sehe er doch, daß ich den Teu­fel im Leib habe, und er wol­le ihn mir aus­trei­ben; und zu sei­ner Zeit wird er her­aus­kom­men in ei­ner Wei­se, die ihm nicht ge­fal­len wird, oder ich irre mich ge­wal­tig.«

»O Gott, was sol­len wir an­fan­gen?« sag­te Eli­sa trau­er­voll.

»Erst ges­tern«, sag­te Ge­or­ge, »als ich eben Stei­ne in einen Kar­ren lud, stand der jun­ge Mas­ter Tom da und klatsch­te mit der Peit­sche so nahe beim Pfer­de, daß es scheu­te. Ich bat ihn, so freund­lich ich konn­te, es sein zu las­sen, aber nun fing er erst recht an. Ich bat ihn noch ein­mal, und dann wen­de­te er sich ge­gen mich und schlug mich. Ich hielt sei­ne Hand fest, und dann schrie er und stram­pel­te und lief zum Va­ter und sag­te, ich hät­te ihn ge­schla­gen. Der kam vol­ler Wut her­bei und sag­te, er wol­le mir zei­gen, wer der Herr sei; und er band mich an einen Baum und schnitt Ru­ten für den jun­gen Herrn ab und sag­te ihm, er soll­te mich schla­gen, bis er müde sei; und er hat es ge­tan. Wenn ich ihm da­für nicht noch ein­mal ein Denk­zei­chen gebe!« Und die Stirn des Jüng­lings ver­fins­ter­te sich, und in sei­nen Au­gen brann­te eine Flam­me, wel­che sei­ne jun­ge Gat­tin zit­tern mach­te. »Wer hat die­sen Mann zu mei­nem Herrn ge­macht -- das will ich wis­sen«, sag­te er.

»Ach«, sag­te Eli­sa trau­rig, »ich habe im­mer ge­glaubt, ich müß­te mei­nem Herrn und mei­ner Her­rin ge­hor­chen, sonst wäre ich kei­ne gute Chris­tin.«

»In dei­nem Fall ist doch noch ei­ni­ge Ver­nunft dar­in; sie ha­ben dich auf­er­zo­gen wie ein Kind -- ha­ben dich er­nährt, ge­klei­det, ge­pflegt und un­ter­rich­tet, so daß du eine gute Er­zie­hung hast -- so ha­ben sie doch Grund zu ei­nem An­spruch auf dich. Aber mich ha­ben sie ge­schla­gen und ge­sto­ßen und be­schimpft und im bes­ten Fal­le mir sel­ber über­las­sen; und was bin ich schul­dig? Ich habe für mei­ne Un­ter­hal­tung schon mehr als hun­dert­mal be­zahlt. Ich er­tra­ge es nicht län­ger -- nein ge­wiß nicht!« sag­te er und ball­te mit wil­der Ge­bär­de die Faust. Eli­sa zit­ter­te und schwieg. Sie hat­te ih­ren Gat­ten frü­her nie in die­ser Stim­mung ge­se­hen; und ihre sanf­ten Be­grif­fe von Pf­licht schie­nen sich vor ei­nem sol­chen Sturm der Lei­den­schaft wie Bin­sen zu bie­gen.

»Du kennst ja den klei­nen Car­lo, den du mir ge­schenkt hast«, fuhr Ge­or­ge fort. »Er war fast mein ein­zi­ger Trost. Er schlief des Nachts bei mir und ging mir des Tags auf Schritt und Tritt nach und sah mich an, als ob er wüß­te, wie es mir ums Herz war. Nun, neu­lich gab ich ihm ein paar Ab­fäl­le, die ich an der Kü­chen­tür auf­ge­le­sen hat­te, und der Herr kam dazu und sag­te, ich füt­ter­te ihn auf sei­ne Kos­ten, und er hät­te das Geld nicht dazu, daß je­der Nig­ger sich sei­nen Hund hal­ten kön­ne, und be­fahl mir, ihm einen Stein an den Hals zu bin­den und ihn in den Teich zu wer­fen.«

»Aber Ge­or­ge, das hast du doch nicht ge­tan?«

»Ich -- nein; aber er. Der Herr und Tom stei­nig­ten das arme Tier, wie es im Tei­che zap­pel­te. Das arme Tier! Es sah mich so trau­rig an, als wun­der­te es sich, daß ich es nicht ret­te­te! Ich muß­te mich aus­peit­schen las­sen, weil ich es nicht selbst tun woll­te, ’s ist mir gleich; Mas­ter wird schon ent­de­cken, daß ich nicht ei­ner von de­nen bin, die das Aus­peit­schen zahm macht. Auch mei­ne Zeit wird kom­men, ehe er sich’s ver­sieht.«

»Was hast du im Sinn? Ach Ge­or­ge! Tue nichts, was un­recht ist. Wenn du nur Gott ver­traust und suchst recht zu tun, so wird er dich er­lö­sen.«

»Ich bin nicht Christ wie du, Eli­sa; mein Herz ist vol­ler Haß; ich kann nicht auf Gott ver­traun. Wa­rum läßt er es so sein?«

»Ach Ge­or­ge, wir müs­sen glau­ben und ver­trau­en! Mei­ne Her­rin sagt, wenn al­les mit uns schlecht­geht, so müs­sen wir glau­ben, daß Gott es zum al­ler­bes­ten lenkt.«

»Das kön­nen wohl Leu­te sa­gen, die auf ih­rem Sofa sit­zen und in ih­ren Kut­schen fah­ren; aber sie soll­ten nur in mei­ner Lage sein, und es wür­de ih­nen här­ter an­kom­men. Ich woll­te, ich könn­te gut sein; aber mein Herz brennt und kann sich nicht mehr fü­gen. Du könn­test es auch nicht an mei­ner Stel­le; du wirst es jetzt nicht kön­nen, wenn ich dir al­les sage, was ich zu sa­gen habe. Du weißt noch nicht al­les.«

»Was hast du noch?«

»Nun, neu­lich hat Mas­ter ge­sagt, er sei ein Narr ge­we­sen, daß er mich habe von der Plan­ta­ge weg­hei­ra­ten las­sen; er has­se Mr. Shel­by und sein gan­zes Ge­schlecht, weil sie stolz sind und über ihn hin­weg­se­hen, und ich wäre durch dich stolz ge­wor­den; und er sagt, er wol­le mich nicht mehr hier­her ge­hen las­sen, son­dern ich sol­le auf sei­ner Plan­ta­ge ein Weib neh­men und dort woh­nen. An­fangs schalt er und brumm­te das vor sich hin; aber ges­tern sag­te er, ich müs­se Mina hei­ra­ten und mit ihr in eine Hüt­te zie­hen, sonst wol­le er mich nach dem Sü­den ver­kau­fen.«

»Aber du bist mir doch durch den Pfar­rer an­ge­traut, so gut, als ob du ein Wei­ßer ge­we­sen wä­rest!« sag­te Eli­sa.

»Weißt du nicht, daß ein Skla­ve nicht hei­ra­ten kann? Dazu ha­ben wir kein Ge­setz hier­zu­lan­de; ich kann dich nicht als Frau be­hal­ten, wenn es ihm ein­fällt, uns von­ein­an­der zu tren­nen. Des­halb wün­sche ich, ich hät­te dich nie ge­se­hen; des­halb wün­sche ich, ich wäre nie ge­bo­ren; es wäre bes­ser für uns bei­de -- es wäre bes­ser für die­ses arme Kind, wenn es nicht ge­bo­ren wor­den wäre. Al­les, al­les kann ihm noch wi­der­fah­ren!«

»Ach! Aber Mas­ter ist so gut!«

»Ja, aber wer weiß -- er kann ster­ben, und dann kann er an wer weiß wen ver­kauft wer­den. Was nützt es, daß er schön und ge­scheit und klug ist? Ich sage dir, Eli­sa, für jede gute und an­ge­neh­me Ei­gen­schaft, die un­ser Kind hat, wird dir ein Schwert durch das Herz fah­ren -- sie wird es viel zu wert­voll ma­chen, als daß du es be­hal­ten könn­test.«

Die­se Wor­te tra­fen Eli­sas Herz schwer; das Bild des Han­dels­man­nes trat ihr vor die Au­gen, und als ob sie je­mand töd­lich ge­trof­fen hät­te, wur­de sie blaß und schnapp­te nach Atem. Un­ru­hig blick­te sie auf die Ve­ran­da, wo­hin sich der Kna­be, von dem erns­ten Ge­spräch ge­lang­weilt, zu­rück­ge­zo­gen hat­te und wo er frohlo­ckend auf Mr. Shel­bys Spa­zier­stock ga­lop­pier­te. Sie woll­te ih­rem Gat­ten ihre Be­fürch­tun­gen mit­tei­len, be­sann sich aber ei­nes an­dern.

»Nein, nein, der Arme hat ge­nug zu tra­gen!« dach­te sie. »Nein, ich will es ihm nicht sa­gen; au­ßer­dem ist es auch nicht wahr; Mis­sis be­lügt uns nie.«

»Also, Eli­sa, bleib stand­haft«, sag­te der Ne­ger trau­rig, »und leb wohl; denn ich gehe fort.«

»Du gehst fort, Ge­or­ge -- wo­hin?«

»Nach Ka­na­da«, sag­te er und rich­te­te sich ge­ra­de in die Höhe; »und wenn ich dort bin, will ich dich los­kau­fen -- das ist die ein­zi­ge Hoff­nung, die wir noch ha­ben. Du hast einen gu­ten Herrn, der es nicht ver­wei­gern wird, dich los­zu­ge­ben. Ich kau­fe dich und das Kind -- Gott hel­fe mir -- ich tue es.«

»Ach schreck­lich! -- Wenn man dich fängt!«

»Ich las­se mich nicht fan­gen, Eli­sa -- eher st­er­be ich! Ich will frei sein oder ster­ben!«

»Du willst dich doch nicht selbst tö­ten!«

»Das braucht’s nicht; sie sel­ber wer­den mich schon rasch ge­nug tot­schla­gen; den Fluß hin­ab sol­len sie mich nicht le­ben­dig be­kom­men.«

»Ach Ge­or­ge, um mei­net­wil­len sei vor­sich­tig! Tue nichts Schlech­tes; tue dir nichts zu­lei­de und an­dern auch nicht. Du bist zu großen Ver­su­chun­gen aus­ge­setzt -- viel zu großen; aber bit­te -- fort mußt du -- aber sei vor­sich­tig und klug; bit­te Gott, daß er dir hel­fen möge.«

»So höre denn mei­nen Plan, Eli­sa. Mas­ter fiel es ein, mich mit ei­nem Brie­fe an Mr. Sym­mes, der eine Mei­le wei­ter wohnt, hier die­sen Weg zu schi­cken. Ich glau­be, er er­war­te­te, daß ich hier­her ge­hen wür­de, um dir zu sa­gen, was mir auf dem Her­zen liegt. Er wür­de sich freu­en, wenn er glaub­te, es wür­de ›Shel­bys Leu­te‹ är­gern, wie er sie nennt. Du mußt wis­sen, ich gehe ganz ru­hig nach Hau­se, als ob al­les vor­bei sei. Ich habe Vor­be­rei­tun­gen ge­trof­fen und habe Leu­te, die mir hel­fen; und so nach ei­ner Wo­che oder so wird man mich su­chen, sage ich dir. Bete für mich, Eli­sa, viel­leicht wird der gute Gott dich er­hö­ren.«

»Ach Ge­or­ge, bete du selbst und ver­traue auf ihn; dann wirst du nichts Schlech­tes tun.«

»So lebe denn recht wohl«, sag­te Ge­or­ge und er­griff Eli­sas Hän­de und sah ihr ohne sich zu be­we­gen in die Au­gen. Stumm stan­den sie da; dann hör­te man noch letz­te Wor­te und Schluch­zen und bit­te­res Wei­nen -- einen Ab­schied, wie die­je­ni­gen neh­men, de­ren Hoff­nun­gen, sich wie­der­zu­se­hen, an ei­nem blo­ßen Fa­den hän­gen; und Mann und Weib schie­den von­ein­an­der.

3. Kapitel -- Ein Abend in Onkel Toms Hütte

On­kel Toms Hüt­te war ein klei­nes Block­haus, dicht ne­ben dem »Hau­se«, wie der Ne­ger die Her­ren­woh­nung par ex­cel­lence nennt. Da­vor war ein hüb­scher Gar­ten­fleck, wo je­den Som­mer Erd­bee­ren, Him­bee­ren und vie­le an­de­re Früch­te und Ge­mü­se un­ter sorg­fäl­ti­ger Pfle­ge ge­die­hen. Die gan­ze Vor­der­sei­te war von ei­ner großen ro­ten Be­go­nie und ei­ner ein­hei­mi­schen Mul­ti­flo­ra­ro­se be­deckt, die sich in­ein­an­der ver­schlan­gen und kaum ein Fleck­chen der ro­hen Bal­ken er­bli­cken lie­ßen. Hier fan­den auch im Som­mer ver­schie­de­ne leb­haft ge­färb­te Blu­men wie Rin­gel­blu­men, Pe­tu­ni­en und an­de­re eine Stel­le, wo sie ih­ren Glanz zei­gen konn­ten, und wa­ren die Freu­de und der Stolz von Tan­te Chloes Her­zen.

Wir wol­len ein­mal in das Haus ein­tre­ten. Das Abendes­sen im Her­ren­hau­se ist vor­bei, und Tan­te Chloe, die sei­ner Be­rei­tung als ers­te Kö­chin vor­stand, hat an­de­ren in der Kü­che das Ge­schäft über­las­sen, das Ge­schirr weg­zuräu­men und zu wa­schen, und ist nun un­ter ih­rem ei­ge­nen ge­müt­li­chen Da­che, um für ih­ren Al­ten das Abendes­sen zu be­rei­ten. Des­halb könnt Ihr Euch si­cher dar­auf ver­las­sen, daß sie vor dem Feu­er steht und mit ge­spann­tem In­ter­es­se ge­wis­se bro­deln­de Sa­chen in ei­nem Kas­se­rol über­wacht und dann und wann mit erns­ter Über­le­gung den De­ckel ei­nes Schmor­kes­sels ab­hebt, aus wel­chem ein Dampf em­por­steigt, der un­zwei­fel­haft et­was Gu­tes er­ra­ten läßt. Sie hat ein run­des, schwar­zes, glän­zen­des Ge­sicht, so glän­zend, daß man fast glau­ben könn­te, sie wäre mit Ei­weiß la­ckiert, wie eins ih­rer ei­ge­nen Tee­bro­te. Ihr gan­zes dickes Ge­sicht strahlt un­ter ih­rem gut ge­stärk­ten ka­rier­ten Tur­ban von Selbst­ge­nüg­sam­keit und Zufrie­den­heit, nicht un­ver­mischt, müs­sen wir ge­ste­hen, mit dem Selbst­be­wußt­sein, wel­ches der ers­ten Koch­künst­le­rin der gan­zen Um­ge­gend zu­kommt, wo­für Tan­te Chloe all­ge­mein ge­hal­ten wird.

Eine Kö­chin war sie ge­wiß bis zum in­ners­ten Kern ih­rer See­le. Jede Hen­ne, Truthen­ne oder Ente auf dem Hofe wur­de ernst­haft, wenn sie Tan­te Chloe na­hen sah, und schi­en ban­ge an ih­ren letz­ten Au­gen­blick zu den­ken; denn ge­wiß war ihr Kopf im­mer so sehr mit Schlach­ten, Fül­len und Bra­ten be­schäf­tigt, daß je­des ein­sichts­vol­le Huhn, das noch leb­te, dar­über er­schre­cken konn­te. Ihr Mais­ku­chen in al­len sei­nen zahl­lo­sen Va­rie­tä­ten war ein er­ha­be­nes Ge­heim­nis für alle we­ni­ger ge­üb­ten Bä­cker, und ihr fet­ter Bauch wa­ckel­te ihr von ehr­li­chem Stolz und Freu­de, wenn sie die frucht­lo­sen An­stren­gun­gen ei­ner oder der an­dern Ne­ben­buh­le­rin er­zähl­te, die da­nach ge­strebt hat­te, ih­ren ho­hen Stand­punkt zu er­rei­chen.

Die An­kunft von Ge­sell­schaft im Her­ren­hau­se, das An­ord­nen von Staats­di­ners und Sou­pers, rie­fen die gan­ze Ener­gie ih­rer See­le wach, und kein An­blick war ihr an­ge­neh­mer, als ein gan­zer Hau­fen von Rei­se­kof­fern in der Ve­ran­da; dann sah sie neue An­stren­gun­gen und neue Sie­ge vor sich.

Jetzt ge­ra­de blickt je­doch Tan­te Chloe in die Schmor­pfan­ne, bei wel­cher an­ge­neh­men Be­schäf­ti­gung wir sie las­sen wol­len, bis wir mit un­se­rer Schil­de­rung der Hüt­te fer­tig sind.

In ei­ner Ecke der­sel­ben stand ein Bett, sau­ber mit ei­ner schnee­wei­ßen De­cke zu­ge­deckt, und vor dem­sel­ben lag ein Stück Tep­pich von nicht un­be­trächt­li­cher Grö­ße. Auf die­ses Stück Tep­pich bil­de­te sich Tan­te Chloe et­was ein, weil es ganz ent­schie­den vor­nehm war, und das­sel­be und das Bett, vor dem es lag, und die gan­ze Ecke wur­de mit aus­ge­zeich­ne­ter Rück­sicht be­han­delt und so­weit mög­lich vor den plün­dern­den Ein­fäl­len und Ent­hei­li­gun­gen des Klei­nen be­wahrt. Ei­gent­lich war die­se Ecke der Sa­lon des Hau­ses. In der an­dern Ecke stand ein Bett von viel be­schei­de­neren An­sprü­chen und of­fen­bar zum Ge­brauch be­stimmt. Über dem Ka­min hin­gen ein paar sehr bun­te Bil­der aus der Hei­li­gen Schrift und ein Por­trät des Ge­ne­rals Wa­shing­ton von ei­ner Zeich­nung und ei­nem Ko­lo­rit, wel­che ge­wiß die­sen großen Mann in Er­stau­nen ge­setzt hät­ten, wenn sie ihm zu Ge­sicht ge­kom­men wä­ren.

Auf ei­ner Bret­ter­bank in der Ecke wa­ren ein paar Kna­ben mit Woll­köp­fen und fun­keln­den schwar­zen Au­gen be­schäf­tigt, die ers­ten Geh­übun­gen ei­nes klei­nen Kin­des zu be­auf­sich­ti­gen, die, wie es ge­wöhn­lich der Fall ist, dar­in be­stan­den, daß es auf die Füße zu ste­hen kam, einen Au­gen­blick das Gleich­ge­wicht such­te und dann wie­der nie­der­fiel. Na­tür­lich wur­de je­der fehl­ge­schla­ge­ne Ver­such mit leb­haf­tem Bei­fall be­grüßt, als wäre er ganz ent­schie­den ge­lun­gen.

Ein in sei­nen Bei­nen et­was gich­ti­scher Tisch war vor das Fens­ter ge­rückt und mit ei­nem Tisch­tuch be­deckt; ver­schie­de­nes Ge­schirr von sehr leb­haf­tem Mus­ter stand dar­auf wie An­zei­chen ei­ner be­vor­ste­hen­den Mahl­zeit. An die­sem Tisch saß On­kel Tom, Mr. Shel­bys bes­ter Mann.

Er war ein großer, breit­schult­ri­ger, kräf­tig ge­bau­ter Mann von tie­fem glän­zen­dem Schwarz und ei­nem Ge­sicht, des­sen echt afri­ka­ni­sche Züge ein Aus­druck von erns­ter und tüch­ti­ger Ver­stän­dig­keit, mit Freund­lich­keit und Wohl­wol­len ver­bun­den, aus­zeich­ne­te. In sei­ner gan­zen Phy­sio­gno­mie lag et­was von Selb­st­ach­tung und Wür­de, die je­doch mit ei­ner ver­trau­en­den und be­schei­de­nen Ein­fach­heit ver­bun­den wa­ren.

Er hat­te ge­ra­de sehr viel mit ei­ner vor ihm lie­gen­den Schie­fer­ta­fel zu tun, auf wel­cher er vor­sich­tig und lang­sam be­müht war, ei­ni­ge Buch­sta­ben nach­zu­ma­len, wo­bei ihn der jun­ge Mas­ter Ge­or­ge, ein leb­haf­ter, hüb­scher Kna­be von 13 Jah­ren, be­auf­sich­tig­te, der die Wür­de sei­ner Stel­lung als Leh­rer ganz zu füh­len schi­en.

»Nicht auf die Sei­te, On­kel Tom -- nicht auf die Sei­te«, sag­te er mun­ter, als On­kel Tom mit großer Mühe den Schwanz ei­nes g auf der falschen Sei­te in die Höhe zog. »Das wird ein q, sieh her.«

»So, so, wirk­lich«, sag­te On­kel Tom und sah mit ei­nem ehr­er­bie­ti­gen, be­wun­dern­den Ge­sicht zu, wäh­rend sein jun­ger Leh­rer zu sei­ner Er­bau­ung un­zähl­ba­re q und g auf die Ta­fel mach­te; dar­auf nahm er den Schie­fer­stift zwi­schen sei­ne gro­ben schwe­ren Fin­ger und fing ge­dul­dig von vorn an.

»Wie leicht den wei­ßen Leu­ten al­les wird!« sag­te Tan­te Chloe, in­dem sie einen Au­gen­blick von der Ku­chen­form auf­sah, die sie mit ei­nem auf die Ga­bel auf­ge­spieß­ten Stück Speck be­strich, und den jun­gen Mas­ter Ge­or­ge stolz an­blick­te. »Wie er jetzt schrei­ben kann! Und le­sen! Und abends hier­her zu kom­men und sei­ne Lek­tio­nen uns vor­zu­le­sen -- das ist ge­wal­tig in­ter­essant!«

»Aber, Tan­te Chloe, ich wer­de ge­wal­tig hung­rig«, sag­te Ge­or­ge.

»Ist denn der Ku­chen in der Pfan­ne dort bald fer­tig?«

»Bei­na­he gut, Mas­ter Ge­or­ge«, sag­te Tan­te Chloe, in­dem sie den De­ckel ein we­nig in die Höhe hob und hin­ein­guck­te; »wird schön braun -- wun­der­schön braun. Ach das über­laßt mir! Mis­sis ließ neu­lich Sal­ly ver­su­chen, Ku­chen zu ba­cken, nur da­mit sie’s ler­ne, sag­te sie. ›Ach ge­hen Sie, Mis­sis!‹ sag­te ich. ›Es tut ei­nem or­dent­lich das Herz weh, gute Spei­sen so ver­der­ben zu se­hen! Der Ku­chen hebt sich nur auf ei­ner Sei­te, kriegt kei­ne Form, so we­nig wie mein Schuh -- geht mir!‹« Und mit die­ser letz­ten Ab­fer­ti­gung der Un­ein­ge­weiht­heit Sal­lys nahm Tan­te Chloe den De­ckel von der Back­pfan­ne und zeig­te den Au­gen einen schön ge­ba­cke­nen Pfund­ku­chen, des­sen sich kein Kon­di­tor in der Stadt hät­te zu schä­men brau­chen. Da dies of­fen­bar der Mit­tel- und Haupt­punkt des Fes­tes war, so fing jetzt Tan­te Chloe an, sich ernst­lich mit dem An­rich­ten des Abendes­sens zu be­schäf­ti­gen.

»Ihr da, Mose und Pete, geht aus dem Wege, ihr Nig­ger! Fort hier, Pol­ly, mein Schätz­chen, Mut­ter wird dir her­nach schon was ge­ben. Und Sie, Mas­ter Ge­or­ge, neh­men Sie jetzt die Bü­cher weg und set­zen Sie sich hin mit mei­nem Al­ten, und ich will die Würs­te an­rich­ten und Ih­nen die ers­te Form voll Waf­feln vor­set­zen, ehe Sie sich um­se­hen kön­nen.«

»Sie woll­ten, ich sol­le zum Abend­brot nach Hau­se kom­men«, sag­te Ge­or­ge; »aber ich wuß­te zu gut, was bes­ser ist, Tan­te Chloe.«

»Ge­wiß, ge­wiß, Gold­kind«, sag­te Tan­te Chloe und häuf­te ihm den Tel­ler voll damp­fen­der Waf­feln. »Sie wuß­ten, daß Ihr al­tes Tant­chen das Bes­te für Sie auf­hebt. O das über­laßt Ihr, geht mir!« Und da­bei gab Tan­te Chloe Ge­or­ge einen freund­li­chen Stoß in die Sei­te, der über die Ma­ßen spaß­haft sein soll­te, und wen­de­te sich wie­der mit großem Ei­fer zu ih­rer Ku­chen­form.

»Nun den Ku­chen her«, sag­te Mas­ter Ge­or­ge, als er in der Be­schäf­ti­gung mit den Waf­feln ein we­nig nach­ge­las­sen hat­te, und da­mit schwenk­te der jun­ge Bur­sche ein großes Mes­ser über den frag­li­chen Ge­gen­stand.

»Ums Him­mels wil­len, Mas­ter Ge­or­ge!« sag­te Tan­te Chloe mit großem Erns­te und er­griff ihn beim Arme. »Sie wer­den ihn doch nicht mit dem großen Mes­ser schnei­den? Sie ver­der­ben ihn ganz und gar -- zer­bre­chen die schö­ne, ge­wölb­te De­cke? Hier ist ein dün­nes, al­tes Mes­ser, das ich bloß dazu ge­schärft habe. So, so -- geht so leicht aus­ein­an­der wie eine Fe­der! Nun es­sen Sie -- was Bes­se­res, als das, krie­gen Sie nicht.«

»Tom Lin­coln sagt«, ent­geg­ne­te Ge­or­ge mit vol­lem Mun­de, »daß ihre Jin­ny bes­ser ko­chen kann als du!«

»Die Lin­colns ha­ben nicht viel zu be­deu­ten, gar nicht!« sag­te Tan­te Chloe ge­ring­schät­zig. »Ich mei­ne im Ver­gleich mit un­sern Leu­ten. Es sind ganz acht­ba­re Leu­te in be­schei­de­ner ein­fa­cher Wei­se; aber et­was Vor­neh­mes zu­we­ge zu brin­gen, da­von ha­ben sie auch gar kei­nen Be­griff. Stel­len Sie ein­mal Mas­ter Lin­coln ne­ben Mas­ter Shel­by! O Gott! Und Mistreß Lin­coln, kann sie so in das Zim­mer her­ein­rau­schen, wie mei­ne Mis­sis -- so recht vor­nehm, wißt Ihr! O geht mir! Sprecht mir nicht von den Lin­colns!« Und Tan­te Chloe warf den Kopf zu­rück wie eine Per­son, die da ver­meint, sie ken­ne die Welt et­was.

»Nun, ich habe dich aber doch sa­gen hö­ren«, sag­te Ge­or­ge, »daß Jin­ny eine leid­li­che Kö­chin sei.«

»Das habe ich ge­sagt«, sag­te Tan­te Chloe, »das kann ich sa­gen. Eine gute, ein­fa­che, ge­wöhn­li­che Kü­che, die kann Jin­ny be­sor­gen; kann ein gu­tes Laib Brot ba­cken -- ihre Kar­tof­feln ziem­lich ko­chen -- ihre Mais­ku­chen sind nicht be­son­ders, nicht be­son­ders sind sie, aber doch sind sie leid­lich -- aber Gott, wenn man zu den hö­hern Zwei­gen kommt, was kann sie da? Nun ja, sie macht Pas­te­ten -- ja­wohl; aber mit was für ei­ner Rin­de? Kann sie den ech­ten, ge­schmei­di­gen Teig ba­cken, der im Mun­de zer­schmilzt und in die Höhe steigt, wie ein Ei­der­bett? Nun, ich war drü­ben bei Miß Ma­rys Hoch­zeit, und Jin­ny zeig­te mir die Hoch­zeit­ku­chen. Jin­ny und ich sind gute Freun­din­nen, wis­sen Sie. Ich sag­te kein Wort; aber ge­hen Sie mir, Mas­ter Ge­or­ge! Wahr­haf­tig, ich könn­te eine gan­ze Wo­che lang kein Auge zu­tun, wenn ich sol­che Ku­chen ge­macht hät­te. Gott, sie taug­ten auch gar nichts!«

»Und wahr­schein­lich bil­det sich Jin­ny was Be­son­de­res dar­auf ein«, sag­te Ge­or­ge.

»Ge­wiß, ge­wiß! Ich sehe sie noch, wie sie mir sie zeig­te, so un­schul­dig ja se­hen Sie, das ist es eben, Jin­ny weiß es nicht bes­ser. Gott, die Fa­mi­lie ist nichts! Man kann es nicht ver­lan­gen, daß sie es weiß! Das ist nicht ihr Feh­ler. Ach, Mas­ter Ge­or­ge, Sie ken­nen nicht die Hälf­te Ih­rer Pri­vi­le­gi­en in Ih­rer Fa­mi­lie und Er­zie­hung.« Hier seufz­te Tan­te Chloe und ver­dreh­te vor Be­we­gung die Au­gen.

»O ge­wiß, Tan­te Chloe, ich ken­ne alle mei­ne Pas­te­ten- und Pud­ding-Pri­vi­le­gi­en«, sag­te Ge­or­ge. »Frag Tom Lin­coln, ob ich nicht je­des­mal über ihn krä­he, wenn ich ihn sehe.«

Tan­te Chloe lehn­te sich in ih­rem Stuhl zu­rück und brach über die­sen Witz ih­res jun­gen Herrn in ein so herz­li­ches La­chen aus, daß ihr die Trä­nen über die glän­zen­den schwar­zen Ba­cken her­ab­roll­ten, wo­bei sie scher­zend Mas­ter Ge­or­ge schlug und puff­te und ihm sag­te, er soll­te ge­hen, und er sei so ein Mensch -- und er sei im­stan­de, sie tot zu ma­chen; und zwi­schen je­der die­ser To­despro­phe­zei­un­gen brach sie wie­der in ein Ge­läch­ter aus, das stets län­ger und lau­ter als das vo­ri­ge war, bis Ge­or­ge wirk­lich zu glau­ben an­fing, er sei ein ganz ge­fähr­lich wit­zi­ger Kerl, und er müs­se sich wohl in acht neh­men, nicht gar zu drol­lig zu sein.

»Und das sag­ten Sie Tom wirk­lich! O Gott! Was die jun­gen Leu­te nicht al­les tun! Sie krä­he­ten über Tom, o Gott! Mas­ter Ge­or­ge, Sie kön­nen ja einen Holz­bock zu la­chen ma­chen.«

»Ja«, sag­te Ge­or­ge, »ich sag­te zu ihm: ›Tom, du soll­test einen Ku­chen von Tan­te Chloe se­hen; das sind die wah­ren‹«, sag­te ich.

»’s ist wirk­lich scha­de, daß es Tom nicht ge­konnt hat«, sag­te Tan­te Chloe, auf de­ren wohl­wol­len­des Herz der Ge­dan­ke an Toms um­nach­te­ten See­len­zu­stand einen star­ken Ein­druck zu ma­chen schi­en. »Sie soll­ten ihn ei­gent­lich nächs­ter Tage ein­mal hier­her zum Es­sen ein­la­den, Mas­ter Ge­or­ge«, setz­te sie hin­zu; »das wür­de sich ganz hübsch von Ih­nen aus­neh­men. Se­hen Sie, Mas­ter Ge­or­ge, Sie dür­fen auf nie­mand her­ab­se­hen we­gen Ih­rer Pri­vi­le­gi­en, weil un­se­re Pri­vi­le­gi­en uns von Gott ge­ge­ben sind, -- wir soll­ten das nie­mals ver­ges­sen«, sag­te Tan­te Chloe und mach­te ein ganz an­däch­ti­ges Ge­sicht.

»Gut, ich wer­de nächs­te Wo­che Tom ein­mal hier­her ein­la­den«, sag­te Ge­or­ge; »und du tust dein Bes­tes, Tan­te Chloe, und er soll Au­gen ma­chen! Er soll es­sen, daß er es vier­zehn Tage lang nicht ver­win­den kann; nicht wahr?«

»Ja, ja, ge­wiß«, sag­te Tan­te Chloe voll Freu­de, »das sol­len Sie se­hen. Gott, wenn man an man­che un­se­rer Di­ners denkt! Erin­nern Sie sich noch an die große Hüh­ner­pas­te­te, die ich mach­te, als wir Ge­ne­ral Knox das Di­ner ga­ben? Ich und Mis­sis hät­ten uns fast we­gen der Pas­te­ten­rin­de ge­zankt. Ich möch­te wis­sen, was La­dies manch­mal in den Kopf kommt, aber manch­mal, wenn je­mand die schwers­te Verant­wort­lich­keit auf sich hat und so­zu­sa­gen das Herz ganz voll hat von sei­nem Ge­schäft, da wäh­len sie ge­ra­de die Zeit, nur um um einen her­um­zu­ste­hen und hin­ein­zu­re­den! Mis­sis nun woll­te, ich soll­te die­ses so ma­chen und je­nes an­ders ma­chen; und zu­letzt wur­de ich or­dent­lich gif­tig und sag­te: ›A­ber Mis­sis, se­hen Sie doch ein­mal Ihre schö­nen wei­ßen Hän­de an mit den lan­gen Fin­gern, die alle von Rin­gen fun­keln wie mei­ne wei­ßen Li­li­en, wenn der Tau dran hängt; und se­hen Sie dann mei­ne großen, schwar­zen, plum­pen Hän­de an. Mei­nen Sie nun nicht, daß der Herr mich ge­schaf­fen hat, um den Pas­te­tenteig zu ba­cken, und Sie, um im Ge­sell­schafts­zim­mer zu blei­ben?‹ Ja, ich war wirk­lich gif­tig, Mas­ter Ge­or­ge.«

»Und was sag­te die Mut­ter?« sag­te Ge­or­ge.

»Was sie sag­te? -- Nun, man sah es, ihre Au­gen lach­ten -- ihre großen schö­nen Au­gen; und sie sag­te: ›Tan­te Chloe, ich glau­be wirk­lich, du hast dar­in ziem­lich recht‹ sag­te sie; und sie ging hin­ein ins Ge­sell­schafts­zim­mer. Sie hät­te mir ei­gent­lich eins über den Kopf ge­ben sol­len, weil ich so gif­tig war; aber ’s ist ein­mal so -- mit Da­men in der Kü­che kann ich nichts ma­chen!«

»Ja, du hast dich mit die­sem Di­ner her­vor­ge­tan -- ich er­in­ne­re mich noch, daß je­der das sag­te«, sag­te Ge­or­ge.

»Nicht wahr? Und stand ich nicht an dem­sel­ben Tage hin­ter der Tür des Spei­se­zim­mers, und sah ich nicht, wie der Ge­ne­ral sich noch drei­mal von mei­ner Pas­te­te ge­ben ließ, und hör­te ich nicht, wie er sag­te: ›Sie müs­sen eine ganz be­son­ders gute Kö­chin ha­ben, Mrs. Shel­by.‹ Gott! Ich wäre fast ge­platzt!«

»Und der Ge­ne­ral weiß, was gut ko­chen heißt«, sag­te Tan­te Chloe und rich­te­te sich selbst­be­wußt in die Höhe. »Sehr hüb­scher Mann, der Ge­ne­ral! Stammt aus ei­ner un­se­rer al­ler­bes­ten Fa­mi­li­en von Alt­vir­gi­ni­en! Er weiß, wo Bar­thel Most holt, der Ge­ne­ral -- so gut wie ich. Sie müs­sen wis­sen, Mas­ter Ge­or­ge, jede Art Pas­te­te hat ihre Fein­hei­ten; aber nicht je­der­mann weiß, was sie sind oder worin sie be­ste­hen soll­ten. Aber der Ge­ne­ral weiß es; das spür­te ich gleich in sei­nen Be­mer­kun­gen. Ja, er weiß, wo die Fein­hei­ten sind!«

Mitt­ler­wei­le hat­te Mas­ter Ge­or­ge den Zu­stand er­reicht, den selbst ein Kna­be er­rei­chen kann (un­ter un­ge­wöhn­li­chen Ver­hält­nis­sen), wo er auch nicht einen Bis­sen mehr es­sen konn­te, und da­her hat­te er jetzt Muße, den Hau­fen von wol­li­gen Köp­fen und glän­zen­den Au­gen zu be­mer­ken, wel­che ih­nen aus der an­de­ren Ecke hung­rig zu­sa­hen.

»Hier Mose, Pete«, sag­te er, in­dem er große Bis­sen ab­brach und sie ih­nen zu­warf; »ihr wollt auch was ha­ben, nicht? Tan­te Chloe, ba­cke ih­nen ein paar Waf­feln.«

Und Ge­or­ge und Tom rück­ten auf einen ge­müt­li­chen Platz in die Ka­mi­ne­cke, wäh­rend Tan­te Chloe, nach­dem sie einen an­sehn­li­chen Hau­fen Waf­feln ge­ba­cken, das Kleins­te auf den Schoß nahm und an­fing, ab­wech­selnd den Mund der Kin­der und ih­ren ei­ge­nen zu fül­len und Mose und Pete eben­falls zu be­den­ken, wel­che vor­zu­zie­hen schie­nen, ihre Por­tio­nen zu ver­zeh­ren, wäh­rend sie un­ter dem Ti­sche auf dem Erd­bo­den her­um­kol­ler­ten, sich ge­gen­sei­tig kit­zel­ten und ge­le­gent­lich das Kleins­te an den Ze­hen zupf­ten.

»Wart, still da!« sag­te die Mut­ter und stieß dann und wann ziem­lich aufs Ge­ra­te­wohl mit dem Fuße un­ter den Tisch, wenn der Lärm gar zu arg wur­de. »Könnt ihr euch nicht an­stän­dig be­neh­men, wenn euch wei­ße Herr­schaf­ten be­su­chen? Wollt ihr gleich ru­hig sein! Nehmt euch in acht, sonst neh­me ich euch ein Knopf­loch tiefer vor, wenn Mas­ter Ge­or­ge fort ist!«

Was die­se schreck­li­che Dro­hung be­sa­gen soll­te, ist schwer zu deu­ten; aber ge­wiß ist, daß ihre grau­en­haf­te Un­be­stimmt­heit auf die jun­gen Sün­der, de­nen sie galt, sehr we­nig Ein­druck mach­te.

»Ach, sie sind noch so vol­ler La­chen, daß sie sich nicht be­neh­men kön­nen«, sag­te On­kel Tom.

Hier ka­men die Jun­gen un­ter dem Tisch her­vor und fin­gen mit tüch­tig mit Sirup be­kleis­ter­ten Hän­den und Ge­sicht das Klei­ne leb­haft zu küs­sen an.

»Marsch, fort mit euch!« sag­te die Mut­ter und stieß ihre wol­li­gen Köp­fe bei­sei­te. »Ihr klebt alle zu­sam­men und kommt nicht wie­der los von­ein­an­der, wenn ihr es so macht. Geht an den Brun­nen und wascht euch!« sag­te sie und un­ter­stütz­te ihre Er­mah­nun­gen mit ei­nem Klaps, der sehr derb klang, aber nur noch mehr Ge­läch­ter aus den Jun­gen her­vor­zu­lo­cken schi­en, wie sie über­ein­an­der weg zur Türe hin­auspur­zel­ten, wo sie vor lau­ter Lust hell auf­kreisch­ten.

»Hat man schon so un­ge­zo­ge­ne Ran­gen ge­se­hen?« sag­te Tan­te Chloe et­was selbst­ge­fäl­lig, wie sie ein für sol­che Ge­le­gen­hei­ten auf­ge­spann­tes, al­tes Hand­tuch her­vor­brach­te, et­was Was­ser aus der ge­sprun­ge­nen Tee­kan­ne dar­auf goß und nun den Sirup von dem Ge­sicht und den Hän­den des Kleins­ten ab­wusch; wie es dann po­liert war, bis es glänz­te, setz­te sie es Tom auf den Schoß, wäh­rend sie sich mit dem Abräu­men des Ti­sches be­schäf­tig­te. Das Kleins­te be­nutz­te die Zwi­schen­zeit, um Tom an der Nase zu zup­fen, ihn im Ge­sich­te zu krat­zen und mit sei­nen di­cken run­den Hän­den in dem wol­li­gen Haar her­um­zu­wüh­len, wel­ches ihm ganz be­son­de­res Ver­gnü­gen zu ma­chen schi­en.

»Ist es nicht ein mun­te­res Kerl­chen?« sag­te Tom und hielt das Kind auf Arm­län­ge vor sich hin, um es or­dent­lich zu be­se­hen; dann stand er auf, setz­te es auf sei­ne brei­te Schul­ter und fing an, mit ihm her­um­zu­sprin­gen und zu tan­zen, wäh­rend Mas­ter Ge­or­ge mit dem Ta­schen­tuch nach ihm schlug, und Mose und Pete, die wie­der her­ein­ge­kom­men wa­ren, hin­ter­her­brüll­ten wie Bä­ren, bis Tan­te Chloe er­klär­te, daß es zum Kopfa­b­rei­ßen sei. Da nach ih­rer ei­ge­nen Aus­sa­ge die­se chir­ur­gi­sche Ope­ra­ti­on in der Hüt­te täg­lich vor­kam, so wur­de da­durch die Lust nicht im min­des­ten ver­min­dert, bis sich je­der­mann wie­der in einen Zu­stand der Fas­sung ge­brüllt, ge­sprun­gen und ge­tanzt hat­te.

»Nun, ich hof­fe, ihr seid nun fer­tig«, sag­te Tan­te Chloe, die aus ei­nem roh ge­ar­bei­te­ten Kas­ten ge­schäf­tig ein Roll­bett her­vor­ge­holt hat­te.

»Und jetzt kriecht da hin­ein, du Mose und du Pete, denn jetzt geht das Mee­ting an.«

»Ach, Mut­ter, wir wol­len noch nicht schla­fen. Wir wol­len auf­blei­ben zum Mee­ting -- Mee­ting ist so hübsch. Es ge­fällt uns.«

»Ach, Tan­te Chloe, schie­b’ es wie­der drun­ter und las­se sie auf­blei­ben«, sag­te Mas­ter Ge­or­ge in ent­schie­de­nem Tone und gab dem Bet­te einen Stoß.

Tan­te Chloe schi­en, nach­dem sie auf die­se Wei­se den Schein ge­ret­tet, recht gern das Bett wie­der hin­un­ter­zu­schie­ben und sag­te da­bei: »Nun, viel­leicht pro­fi­tie­ren sie was da­von.«

Das Haus trat nun zu ei­ner Ko­mi­tee­sit­zung zu­sam­men, um die zu tref­fen­den An­ord­nun­gen zum Mee­ting in Er­wä­gung zu zie­hen.

»Wie wir mit den Stüh­len aus­kom­men sol­len, weiß ich wahr­haf­tig nicht!« sag­te Tan­te Chloe. Da man das Mee­ting schon seit un­vor­denk­li­cher Zeit beim On­kel Tom ge­hal­ten hat­te, ohne mehr Stüh­le zu be­sit­zen, so schi­en ei­ni­ge Be­rech­ti­gung zu der Hoff­nung vor­han­den zu sein, daß sich wohl auch dies­mal ein Weg fin­den wer­de.

»Der alte On­kel Pe­ter hat vo­ri­ge Wo­che bei­de Bei­ne aus dem äl­tes­ten Stuh­le dort her­aus­ge­sun­gen«, mein­te Mose.

»Wart du! Ich will wet­ten, du hast sie selbst her­aus­ge­zo­gen; ’s ist ei­ner von dei­nen Strei­chen«, sag­te Tan­te Chloe.

»Nun, er steht schon, wenn wir ihn nur recht fest an die Wand rücken«, sag­te Mose.

»Dann darf On­kel Pe­ter nicht drauf sit­zen, weil er im­mer rutscht, wenn er zu sin­gen an­fängt. Neu­lich abends ist er fast durch das gan­ze Zim­mer ge­rutscht«, sag­te Pete.

»O Gott! Dann laßt ihn drauf sit­zen«, sag­te Mose, »und dann fängt er an: ›Ihr Hei­li­gen und ihr Sün­der al­le‹ und plauz! liegt er un­ten.« -- Und Mose ahm­te die Na­sen­tö­ne des Al­ten ganz ge­nau nach und platz­te auf den Erd­bo­den nie­der, um die ein­ge­bil­de­te Ka­ta­stro­phe vor Au­gen zu brin­gen.

»Wollt ihr nicht un­ge­zo­gen sein!« sag­te Tan­te Chloe. »Schämt ihr euch nicht?«

Mas­ter Ge­or­ge lach­te je­doch mit dem Sün­der und er­klär­te mit Ent­schie­den­heit, daß Mose ein Blitz­kerl sei. Da­her schi­en die müt­ter­li­che Er­mah­nung nicht all­zu­viel Er­folg zu ha­ben.

»Nun, Al­ter«, sag­te Tan­te Chloe, »dann mußt du wohl die Fäs­ser her­ein­rol­len.«

»Mut­ters Fäs­ser sind wie die der Wit­we, von der Mas­ter Ge­or­ge in dem gu­ten Buch vor­las -- sie sind im­mer si­cher«, sag­te Mose bei­sei­te zu Pete.