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Diplomarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich BWL - Beschaffung, Produktion, Logistik, Note: 1,7, Technische Universität Dortmund (Fachgebiet Logistik), Sprache: Deutsch, Abstract: Supply Chain Management (SCM) ist momentan in aller Munde. Kaum jemand aus dem Logistikbereich, sei es aus dem wissenschaftlichen oder industriellen Umfeld, lässt eine Gelegenheit aus, dazu einen Text zu veröffentlichen. SCM ist aber mehr, als theoretische, abstrakte Schriften zu vermitteln vermögen. Zur Realisation rationaler Abläufe, die ja das Ziel des Supply Chain Managements darstellen, sind ganz konkrete technische Hilfsmittel vonnöten, welche die gesamten Abläufe überhaupt erst aufeinander abstimmbar und damit planbar machen. In den meisten Fällen ist der Informations-, aber nicht der Materialfluss die Schwachstelle des Systems, so dass an diesem Punkt angesetzt werden muss. Ein wesentliches dieser Hilfsmittel ist die Transpondertechnologie, die eine automatisierte Identifikation von Gütern (oder Tieren und in anderen Anwendungsbereichen auch von Menschen) erlaubt und damit eine weitere Rationalisierungsstufe im SCM darstellt. Durch den Einsatz dieser Technologie können Materialflüsse im Idealfall minutiös durchgeführt und aufeinander abgestimmt werden, was die Planungssicherheit innerhalb der Versorgungskette deutlich erhöht und damit erheblich zu Kostensenkungen beitragen kann. Doch gibt es selten ein großes Potential in einer Technologie ohne mindestens ebenso große Risiken und Problematiken. Im Fall der automatischen Identifikation durch Transponder sind dies im Wesentlichen die Datensicherheit und der Datenschutz, und auch auf diesen beiden Gebieten finden sich viele Beiträge, die sich kritisch mit dem Thema auseinander setzen. Selbst Initiativen gegen den Einsatz automatischer Identifikationssysteme wurden bereits ins Leben gerufen. Doch das Supply Chain Management profitiert in starkem Maße von Automatisierung in jeglicher Form, und so werden sich Transponder nach und nach durchsetzen. Worin genau dieser Nutzen besteht, soll in der vorliegenden Arbeit beschrieben werden.
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Abstract
Supply Chain Management (SCM) ist momentan in aller Munde. Kaum jemand aus dem Logistikbereich, sei es aus dem wissenschaftlichen oder industriellen Umfeld, lässt eine Gelegenheit aus, dazu einen Text zu veröffentlichen. SCM ist aber mehr, als theoretische, abstrakte Schriften zu vermitteln vermögen. Zur Realisation rationaler Abläufe, die ja das Ziel des Supply Chain Managements darstellen, sind ganz konkrete technische Hilfsmittel vonnöten, welche die gesamten Abläufe überhaupt erst aufeinander abstimmbar und damit planbar machen. In den meisten Fällen ist der Informations-, aber nicht der Materialfluss die Schwachstelle des Systems, so dass an diesem Punkt angesetzt werden muss.
Ein wesentliches dieser Hilfsmittel ist die Transpondertechnologie, die eine automatisierte Identifikation von Gütern (oder Tieren und in anderen Anwendungsbereichen auch von Menschen) erlaubt und damit eine weitere Rationalisierungsstufe im SCM darstellt. Durch den Einsatz dieser Technologie können Materialflüsse im Idealfall minutiös durchgeführt und aufeinander abgestimmt werden, was die Planungssicherheit innerhalb der Versorgungskette deutlich erhöht und damit erheblich zu Kostensenkungen beitragen kann.
Doch gibt es selten ein großes Potential in einer Technologie ohne mindestens ebenso große Risiken und Problematiken. Im Fall der automatischen Identifikation durch Transponder sind dies im Wesentlichen die Datensicherheit und der Datenschutz, und auch auf diesen beiden Gebieten finden sich viele Beiträge, die sich kritisch mit dem Thema auseinander setzen. Selbst Initiativen gegen den Einsatz automatischer Identifikationssysteme wurden bereits ins Leben gerufen.
Doch das Supply Chain Management profitiert in starkem Maße von Automatisierung in jeglicher Form, und so werden sich Transponder nach und nach durchsetzen. Worin genau dieser Nutzen besteht, soll in der vorliegenden Arbeit beschrieben werden.
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Abbildungsverzeichnis IV Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: SCM als Top-Thema ......................................................................3 Abbildung 2: Problemfelder des SCM .................................................................4 Abbildung 3: Bereiche des Supply Chain Managements ....................................5 Abbildung 4: Supply Chain Management-Definition............................................8 Abbildung 5: Modell für den Aufbau und Betrieb des SCM im Unternehmensnetzwerk................................................................................9 Abbildung 6: Werttreiber in der Supply Chain nach Porter................................ 11 Abbildung 7: Trend in der Geschäftswelt .......................................................... 12 Abbildung 8: Ziele des Supply Chain Managements......................................... 13 Abbildung 9: Geschlossene Supply Chain mit angehängter Umweltkette......... 14 Abbildung 10: Das SCOR-Modell...................................................................... 15 Abbildung 11: Advanced Planning and Scheduling (APS) ................................ 16 Abbildung 12: Interessenkonflikt der Stakeholder im CRM ............................... 19 Abbildung 13: Vorgehensweise zur erfolgreichen CRM-Implementierung ........ 20 Abbildung 14: Der Bullwhip-Effekt..................................................................... 22 Abbildung 15: Supply Chain Monitoring ............................................................ 26 Abbildung 16: Oszillation der SC-Struktur zwischen vertikal/integriert und horizontal/modular...................................................................................... 27 Abbildung 17: Mangel an strategieadäquaten Controlling-Konzepten für das SCM ........................................................................................................... 28 Abbildung 18: Teilbereiche des Supply Chain Collaboration............................. 30 Abbildung 19: Wandel der Unternehmen zum Collaborative Business ............. 31 Abbildung 20: Vom B2B zum P2P .................................................................... 33 Abbildung 21: Strategien für Supply Chain Collaboration ................................. 34 Abbildung 22: Intelligente Systeme im Produktionsbereich............................... 42 Abbildung 23: Automatische Identifikationssysteme ......................................... 43 Abbildung 24: Gemeinsame Aspekte automatischer Identifikationssysteme .... 44 Abbildung 25: Open-Loop vs. Closed-Loop Auto-ID Systeme .......................... 45Page 7
Abbildungsverzeichnis V Abbildung 26: Einfluss eines intelligenten Produktes auf die Produktion .......... 48 Abbildung 27: Entwicklung der Folgekosten der Dateneingabe ........................ 50 Abbildung 28: Überblick der sprachverarbeitenden Systeme............................ 54 Abbildung 29: Chiplayout einer Smart Card ...................................................... 56 Abbildung 30: Hommage an den Barcode ........................................................ 58 Abbildung 31: Barcode (Typ EAN 13) ............................................................... 59 Abbildung 32: Barcode (Typ Code 128) ............................................................ 60 Abbildung 33: Barcode (Typ 25 Interleaved)..................................................... 60 Abbildung 34: Stapelcode (Typ PDF 417)......................................................... 61 Abbildung 35: Der Titel dieser Arbeit als Matrixcode ........................................ 61 Abbildung 36: Snowflake-Code......................................................................... 62 Abbildung 37: Entwicklungsprognose von RFID-Chips ..................................... 63 Abbildung 38: Chancen und Vorteile der RFID-Technologie............................. 64 Abbildung 39: Elemente einer RFID-Implementation ........................................ 68 Abbildung 40: Komponenten einer RFID-Implementation ................................. 69 Abbildung 41: Schematischer Aufbau eines kontaktlosen Systems.................. 70 Abbildung 42: Gängige Transpondertypen........................................................ 73 Abbildung 43: SAP Infrastruktur im Future Store .............................................. 75 Abbildung 44: Anlieferungsprozess im Future Store ......................................... 77 Abbildung 45: Funktionsweise von VeriChip ..................................................... 81 Abbildung 46: Visuelle Aufgaben eines Bildverarbeitungssystems im Auto ...... 83 Abbildung 47: Roboterfußball bei der WM 2002 in Südkorea ........................... 85 Abbildung 48: Kostenquellen im RFID-Bereich ................................................. 87 Abbildung 49: Spannungswechsel in einem Schaltkreis (idealtypischer Verlauf)90 Abbildung 50: Spannungswechsel in einem Schaltkreis (realtypischer Verlauf)90 Abbildung 51: Akzeptanzschritte der RFID-Technologie................................. 103 Abbildung 52: RFID-Roadmap ........................................................................ 104 Abbildung 53: Vorteile für Transportunternehmen durch RFID und EPC........ 111 Abbildung 54: Beschränkungen beim Material Handling................................. 116 Abbildung 55: Interaktionen in der Supply Chain ............................................ 118Page 8
Abbildungsverzeichnis VI Abbildung 56: Einsatz von RFID in der Prozesskette...................................... 121 Abbildung 57: Der Einfluss von RFID auf den Shareholder Value .................. 122 Abbildung 58: Hohe Lagerbestände in der Supply Chain................................ 126 Abbildung 59: Gewinnspanne in Abhängigkeit des Marktanteils..................... 132 Abbildung 60: Das Konzept der Eintrittsbarrieren ........................................... 135 Abbildung 61: Allgemeine Wertkette ............................................................... 140 Abbildung 62: Explorative und antizipative Szenarien .................................... 144 Abbildung 63: Mit der Portfolio-Technik zur Handlungsempfehlung................ 147Page 10
Abkürzungsverzeichnis VIII
AbkürzungsverzeichnisABC Activity Based Costing ASCII American Standard Code for Information Interchange DDSN Demand-Driven Supply Network DOS Denial of Service EAN European Article Number ECR Efficient Consumer Response EPC Electronic Product Code ERP Enterprise Resource Planning FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung HEW U.S. Department of Health, Education and Welfare LNCS Lecture Notes in Computer Science MES Manufacturing Execution System MHS Materials Handling Systems MIT Massachusetts Institute of Technology MRP Material Requirements Planning MRP-II Manufacturing Resources Planning OCR Optical Character Recognition OEM Original Equipment Manufacturer OOS Out of Stock Situation PML Physical Markup Language RFID Radio Frequency Identification ROI Return On Investment SCC Supply Chain Council SCEM Supply Chain Event Management SCM Supply Chain Management SCOR Supply Chain Operations Reference SCPM Supply Chain Process Management SCpM Supply Chain Performance Management SGE Strategische Geschäftseinheit
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Kapitel 1 • Einleitung 1
Im Rahmen dieser Arbeit geht es - in einem Satz dargestellt - um die automatische Identifikation von Gütern mit Hilfe von diversem technischen Gerät, damit das Management der Supply Chain unterstützt werden kann in seinem Bestreben, effizient und kostengünstig zu arbeiten.
Im ersten Teil wird dazu ein kurzer Überblick über das breite und vielschichtige, daher auch in jüngerer Zeit häufig durch entsprechende Bücher und Aufsätze behandelte Thema des Supply Chain Managements (SCM) gegeben. Dabei wird SCM zunächst allgemein vorgestellt und später auf Anwendungsgebiete und durch das SCM entstehende Problematiken eingegangen.
Der zweite größere Abschnitt dient dazu, die gängigen Identifikationsverfahren darzustellen und die ganze Breite ihrer Anwendungsmöglichkeiten zu erläutern, wobei der Schwerpunkt auf Barcodes und Transpondern liegt. Auch sollen Risiken wie Datenschutz und Datensicherheit sowie andere Problemfelder Erwähnung finden. Kapitel 4 führt beide Bereiche zusammen und zeigt auf, welchen Einfluss intelligente Identifikationsverfahren auf das SCM haben und vor allem, welche Vorteile letzteres daraus ziehen kann. Ein Vergleich von SCM mit bzw. ohne die Unterstützung durch ID-Technologie rundet die Erläuterungen ab und verdeutlicht, welch große Relevanz Automatisierung innerhalb des SCM besitzt bzw. besitzen wird. Im Anschluss daran werden die Methoden des Strategischen Managements auf die konkrete Einführung von Transpondertechnologie in ein Unternehmen hin angewendet, und zum Abschluss der Arbeit soll in Kapitel 6 ein Ausblick in die Zukunft gewagt wer- den, nicht ohne ein Fazit unter das bisher Gesagte zu ziehen.
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Kapitel 2 • Supply Chain Management 2
Das Thema Supply Chain Management (SCM) wird seit jüngerer Vergangenheit sehr intensiv und häufig diskutiert. Dies betrifft vor allem den Bereich Logistik, aber in seiner Eigenschaft als Querschnitts- und Koordinierungsfunktion zwischen den unterschiedlichen Unternehmen und ihren Bereichen beeinflusst das SCM beinahe jede Unternehmensfunktion (siehe dazu Kapitel 2.2).
Der Grund für die hohe Prägnanz dieses Themas ist ebenso allgegenwärtig:Globalisierung.Der Zulieferer hat seinen Firmensitz zunehmend nicht mehr auf der anderen Straßenseite oder wenigstens im selben Land, sondern vielmehr im (immer öfter auf der anderen Seite des Globus gelegenen) Ausland. Und die eigene Produktion wird aus den verschiedensten Gründen ebenfalls immer stärker in andere Länder verlagert1, während gleichzeitig die Kunden immer höhere Anforderungen an Qualität, Lieferzeit und Preis stellen. Das Supply Chain Management ist ein Hilfsmittel, um die durch die Globalisierung entstehenden Chancen und Risiken angemessen zu prognostizieren, zu antizipieren und letztendlich auch zu nutzen. Es dient aber genauso dazu, betriebsinterne Supply Chains zu verwalten oder Supply Chains mit inländischen Zulieferern zu betreiben.
Zur Geschichte des SCM kann gesagt werden, dass der Begriff erstmals in den frühen 1980er Jahren auftauchte und dort auf eine als notwendig erkannte übergreifende Integration von Prozessen hinwies2. Heutzutage wird dieser Ausdruck - wie bereits geschildert - bei fast jeder Gelegenheit genutzt und diskutiert. SCM wird in der Literatur
1Welche skurrilen und vor allem negativen Folgen dies zur Zeit für die deutsche Stahlindust-
rie und den deutschen Maschinenbau hat, verdeutlichen u.a. Gärtner (2004), Kessler (2004)
und Reuter (2004).
2Vgl. Delfmann / Albers (2000), S. 1.
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Kapitel 2 • Supply Chain Management 3
je nach Autor als Herangehensweise, Konzept, Perspektive, Philosophie oder als Technik bezeichnet3, wobei sich hier der Begriff des Konzeptes anbietet und SCM im Folgenden als ein solches verstanden wird.
Supply Chain Management ist empirisch belegbar ein bedeutendes Thema im Top-Management Bereich (vgl. Abbildung 1). Interessant am Ergebnis der dargestellten Untersuchung ist, dass der CFO, also der Chief Financial Officer (zu Deutsch: Finanz-vorstand), diesen Punkt offenbar am häufigsten auf die Tagesordnung setzt. Das Potential des SCM, Kosten zu sparen, wird hoch eingeschätzt - bis zu 50% Sparpotential bei Einkaufs- und Lieferkosten werden genannt4.
Abbildung 1: SCM als Top-Thema5
Es kann aber noch einen anderen Grund geben: Von anstehenden Projekten wird eine immer kürzere Zeit gefordert, in der sie sich rentieren müssen - mit Hilfe der Prozesskostenrechnung (Activity-Based Costing)6ist ein Return On Investment (ROI) von nur einem Jahr möglich7. SCM-Projekte konkurrieren bei der Finanzierung mit den Bereichen F&E und Engineering und müssen genau zeigen, inwiefern sie die Unterneh-
3Vgl. Delfmann / Albers (2000), S. 2.
4Vgl. Michael (o.J.), S. 1.
5Entnommen aus Pfohl (o.J.), S. 3.
6Zu einer umfangreichen Erläuterung siehe AIT (1995), Kapitel 5, online.
7Vgl. zum Folgenden Andel, online.
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Kapitel 2 • Supply Chain Management 4
mensziele unterstützen und wie der Nutzen charakterisiert ist. Die folgende Abbildung 2 zeigt, dass die Kosten ein entscheidender Faktor sind:
Abbildung 2: Problemfelder des SCM8
Supply Chain Management muss überdies stets im Ganzen betrachtet werden, nicht nur teilweise, wie es oft der Fall ist. Wenn z.B. ein Zentrallager eine Palette so belädt, dass sie für genau einen Gang im Geschäft die Waren enthält, müssen zwar im Lager möglicherweise drei Mitarbeiter zusätzlich eingestellt werden, um das korrekte Packen zu überwachen, aber in jedem einzelnen Geschäft kann eine Person eingespart werden - bei 600 belieferten Läden sind das 600 Personen, deren Personalkosten wegfallen. Doch zunehmend ist auch der ROI nicht mehr entscheidendes Kriterium für eine Zu- oder Absage des Managements, sondern die Sicherung der Überlebensfähigkeit des Unternehmens. Wenn eine Maßnahme Wettbewerbsvorteile schafft oder dazu beiträgt, im Geschäft zu bleiben, spielt der ROI nur noch eine untergeordnete Rolle, und das Ziel ist es eher, die Investition aus dem laufenden Geschäft heraus zu finanzieren. Überhaupt ist kreative Finanzierung gefragt: So arbeitet bspw. Lockheed Martin mit Verträgen, die dem Unternehmen nur dann Zahlungen des Kunden zusichern, wenn
8Entnommen aus Grünewald (2001), S. 5.
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Kapitel 2 • Supply Chain Management 5
dieser durch den Einsatz von Lockheed Martin Anlagen tatsächlich Produktionskosten einspart. Gibt es keine Ersparnisse, gibt es auch keine Zahlungsverpflichtung an den Hersteller. Die folgende Abbildung 3 verdeutlicht die vielfältigen Unterbereiche des Supply Chain Managements, die auch z.T. in den folgenden Kapiteln aufgegriffen werden; die Überschrift darf allerdings angezweifelt werden.
Abbildung 3: Bereiche des Supply Chain Managements9
Ein großes Problem innerhalb des SCM ist - wie auch Kapitel 2.3.1 deutlich machtdie Bedarfsprognose10. Wenn die Mengen, welche die Kunden nachfragen, nicht eindeutig bekannt sind, müssen sie geschätzt werden, was über aufwendige Prognosetechniken geschieht. Diese Schätzungen implizieren aber immer eine gewisse Abweichung, und wenn die tatsächlichen Bedarfe nicht regelmäßig, sondern möglicherweise gar stochastisch sind, wird deren Vorhersage wesentlich erschwert. Supply Chains werden überdies immer komplexer, je mehr Prozesse in andere Unternehmen ausgelagert werden, und so spricht man immer häufiger von einerDemand Chain,einer Kette also, die von der Nachfrageseite her gesehen wird statt von den Lieferanten aus.
9Entnommen aus Grünewald (2001), S. 10.
10Vgl. zum Folgenden Caruso (2003), online.
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Kapitel 2 • Supply Chain Management 6
Im Rahmen dieses nachfragebasierten Versorgungsnetzwerks (Demand-DrivenSupply Network (DDSN))werden die traditionellen, lieferantenorientierten SCM-Werkzeuge um nachfrageorientierte Module ergänzt, dynamische Produktportfolios besser unterstützt und wichtige Nachfrage- bzw. Bedarfsindikatoren erkannt und ausgewertet. Das Nachfragemanagement wird zum Kern des Wertkettenoptimierungsproblems.
Seit dem 11. September 2001 ist die Sicherheit das beherrschende Thema weltweit, auch im Hinblick auf das Supply Chain Management11. Wurde vor diesem schicksalhaften Datum der Begriff Sicherheit in der Supply Chain vorwiegend mit Schutz vor Diebstahl, illegalen Einwanderern oder dem Export verbotener Güter in Verbindung gebracht, so hat die seit diesem Zeitpunkt latente Bedrohung durch terroristische Anschläge dieses Spektrum deutlich erweitert. Insbesondere in den USA beherrscht eine große Angst vor Massenvernichtungswaffen die Diskussionen, was in Kapitel 2.4 dieser Arbeit noch einmal aufgegriffen wird.
Daneben gibt es aber auch mahnende Stimmen, die zu Vor- und Umsichtigkeit beim SCM selbst raten12.Verantwortliches Supply Chain Management- so der dort benutzte Begriff - liegt dann vor, wenn die Unternehmen „mit den Menschen arbeiten, und nicht gegen sie“13. Es existiert sogar im Europaparlament die Überlegung, eine Monitoring-Agentur für Verhaltenskodizes europäischer transnationaler Unternehmen ins Leben zu rufen14. Es gilt die Frage zu beantworten, ob es eine Aufgabe eines global agierenden Unternehmens sein kann, „sich um die sozialen Zustände in den Lieferanten- und Weiterverarbeitungsbetrieben genauso zu kümmern wie um die sozialen Zustände im eigenen Unternehmen“15. Diese durchaus interessante Problematik fällt allerdings in den Bereich der Wirtschaftsethik und sei deswegen an dieser Stelle nicht weiter vertieft.
11Vgl. Lee / Whang (2003).
12Vgl. Lunau (2004).
13Lunau (2004), S. 18.
14Vgl. Enquete-Kommission (2002).
15Lunau (2004), S. 19.
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Kapitel 2 • Supply Chain Management 7
Gerade weil das Supply Chain Management (wie im vorherigen Kapitel dargestellt) als Modewort und Modeerscheinung momentan in aller Munde ist, finden sich beinahe ebenso viele Definitionen dieses Begriffs wie Artikel darüber. Je nachdem, aus welcher Sicht der jeweilige Autor die Problematik angeht, variieren die Definitionen leicht, lassen sich aber grundsätzlich auf einen mehr oder weniger kleinsten gemeinsamen Nenner bringen. Eine grundsätzliche Unterscheidung in „richtig“ oder „falsch“ ist nicht sinnvoll und auch nicht möglich, weil die Herangehensweise z.T. völlig unterschiedlich ist und die Artikel so nur bedingt vergleichbar sind.
Diese Auslegung des Begriffs SCM ist sehr kompakt und praxisorientiert formuliert. Abbildung 4 zeigt eine eher akademische Definition, die deutlich umfassender ist, dadurch aber auch unübersichtlicher wirkt. In der Aussage sind beide Darstellungen vergleichbar, es fällt allerdings auf, dass der Autor neben der Planung und Steuerung auch die Kontrolle mit einbezieht. Im Folgenden soll sich dieser Definition angeschlossen werden.
16Entnommen aus Drawert (2003), S. 1.
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Kapitel 2 • Supply Chain Management 8
Abbildung 4: Supply Chain Management-Definition17
Entscheidend ist derNetzwerkgedanke.Zulieferer, Hersteller, Kunden und Recyclingfirmen bilden nicht nur eine von vorn nach hinten zu durchlaufende Prozesskette, sondern es existieren vielmehr vielfältige Verknüpfungen zwischen den einzelnen Beteiligten. Die folgende Abbildung 5 demonstriert, wie engmaschig und daher auch pflegebedürftig dieses Netz ist. Den Ausgangspunkt der Gestaltung einer Supply Chain sollten dabei stets die Kundenbedürfnisse bilden, denn diese gilt es letztlich zu befriedigen. Ganz entgegen dem gerade Geschilderten werden allerdings immer noch viele Supply Chains als sequentielle Ketten dargestellt und auch verstanden - ein Umdenken ist unbedingt erforderlich, um durch die Beseitigung der Asynchronität zwischen linearer Kette und vernetztem Geschäftsumfeld die Effizienz des SCM noch weiter erhöhen zu können.
17Entnommen aus Hahn (2000), S. 12.
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Kapitel 2 • Supply Chain Management 9
Abbildung 5: Modell für den Aufbau und Betrieb des SCM im Unternehmensnetzwerk18
Die Autoren erstellen eine Neun-Feld-Matrix, indem sie drei Phasen und - im Gegensatz zu den meisten anderen Veröffentlichungen - drei Ebenen unterscheiden. Zunächst befindet sich das Unternehmen in derAbsichtsphase,die vorwiegend in der Auswahl und im Einbezug der in Frage kommenden Partner für das Projekt Supply Chain (Management) besteht. Im nächsten Schritt wird die Partnerschaft explizit über Verträge definiert, d.h. man erarbeitet gemeinsame Ziele und Arbeitsschritte und informiert sich gegenseitig über auftauchende Probleme. In derAusführungsphaseschließlich, wenn alles mehr oder weniger läuft, finden in größeren Intervallen regelmäßige Treffen statt, auf denen Verbesserungen oder Modifikationen besprochen werden; zudem werden Aufträge gemeinsam geplant und durchgeführt. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass sich ein Unternehmen auf den Ebenen in unterschiedlichen Phasen befindet, d.h. bspw. strategisch ist es bereits in der Ausführungs-, operativ aber erst in der Definitionsphase.
18Grafisch modifiziert nach Schönsleben / Hieber (2000), S. 18.
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Kapitel 2 • Supply Chain Management 10
Supply Chain Management wird als logische und notwendigeErweiterung des klassischen Enterprise Resource Planning(ERP) gesehen19. Das Konzept des ERP weist in Hinsicht auf SCM drei entscheidende Nachteile bzw. Beschränkungen auf:Erstenswurden solche Systeme hauptsächlich entwickelt, um Daten zu sammeln und auszuwerten. Den meisten dieser Programme fehlen bis heute die Möglichkeiten, diese Daten schnell anspruchsvoll zu analysieren und zu visualisieren, so dass sie für Echtzeit-Entscheidungen nicht einsetzbar sind.Zweitensfehlt es an der notwendigen Flexibilität, denn die meisten ERP-Anwendungen sind nicht in der Lage, Geschäftsprozesse wirklich akkurat abzubilden, sondern zwingen den Anwender regelmäßig zu Kompromissen.Drittensschließlich arbeiten ERP-Systeme lediglich eindimensional, d.h. die enthaltenen Methoden des (hier als bekannt vorausgesetzten) MRP bzw. MRP-II sind sequentiell ausgelegt und können daher nicht mehrere Bedingungen gleichzeitig verarbeiten. So beginnt eine Planung i.d.R. mit einer Bedarfsprognose, wonach die benötigten Produktionskapazitäten und Materialien berechnet werden. Sobald sich eine der Bedingungen ändert, muss der gesamte Prozess neu gestartet werden, und da sich heutzutage alles recht schnell ändert, kommt man sequentiell nie zu einem optimalen Ergebnis für eine nutzbare Zeitspanne. Das Supply Chain Management bietet - fokussiert auf Analyse und Planung - Werkzeuge, die diese Nachteile nicht haben, und diese Analyseform ist in den meisten Fällen sogar kostengünstiger als eine Untersuchung mit auf Transaktionen ausgerichteten ERP-Systemen.
Die in der Literatur genanntenZiele des SCMsind vielfältig, doch ein Allheilmittel dürfte auch dieses Konzept nicht repräsentieren. Als hauptsächliches Ziel wird in Anlehnung an Porter das Erlangen von Wettbewerbsvorteilen identifiziert, das von den in Abbildung 6 dargestellten zehn Werttreibern abhängt, die hier aber nicht näher erläutert werden sollen20. Ein Unternehmen also, das Supply Chain Management einsetzt, sollte dadurch gegenüber anderen Mitbewerbern, die dies nicht tun, Vorteile im Konkurrenzkampf haben, und so ist es nicht verwunderlich, dass in jedem Unternehmen davon unentwegt die Rede ist.
19Vgl. zu diesem Absatz McVey / Candiff, online.
20Vgl. Delfmann / Albers (2000), S. 10 ff.
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Kapitel 2 • Supply Chain Management 11
Abbildung 6: Werttreiber in der Supply Chain nach Porter21
Innovative Produkte, die Bedürfnisse der Kunden erfüllen, von denen diese bislang gar nichts wussten, oder solche, die zusätzliche Anforderungen der Kunden erkennen und ohne vorherige Aufforderung erfüllen, erzeugen einen „irgend jemand dort versteht mich“ - Effekt, der direkt zu hoher Markenloyalität und damit zu einem nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil führt22.
In diesem Zusammenhang lässt sich eine Entwicklung feststellen, wie sie in Abbildung 7 dargestellt ist. DWP steht dabei für „Digital Workplace“, also einen digitalen Arbeitsplatz, der nicht zwingend physisch im Unternehmen gelegen sein muss. Die Geschäftswelt verlagert sich zusehends von Einzelunternehmen mit Massenproduktion hin zu mächtigen Unternehmenszusammenschlüssen, die in der Lage sind, höhere Margen, kürzere Entwicklungszeiten und höhere Qualität bei geringeren Kosten zu realisieren. Die Migration geschieht natürlich nur recht langsam und Schritt für Schritt -vonder Automation über die Integration zur Kollaboration.Der wichtigste Wettbe-werbsfaktor für Unternehmen wird, je weiter sie im dargestellten Schema nach rechts oben gelangen, in zunehmendem Maße die Fähigkeit, Informationen zu teilen, Probleme zu lösen und auf sich schnell verändernde Situationen zu reagieren. Dazu ist die
21Eigene Erstellung nach Delfmann / Albers (2000), S. 11.
22Vgl. zum Folgenden Gossieaux (2001), online.
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Kapitel 2 • Supply Chain Management 12
Möglichkeit zur schnellen Selbstorganisation einzelner Mitglieder erforderlich, d.h. einzelne Teilnehmer der Kette können sich in kurzer Zeit treffen, Probleme erörtern und lösen, so dass der gesamte Prozess flexibler und vorhersagbarer wird.
Abbildung 7: Trend in der Geschäftswelt23
Neben dem soeben erläuterten Hauptziel können die anderen Ziele wie in Abbildung 8 dargestellt identifiziert werden. Um diese zu erreichen, ist eine sehr gute informationstechnische Vernetzung der beteiligten Unternehmen erforderlich, welche die Lieferzeiten reduzieren und die Lieferbereitschaft erhöhen bzw. durch effektive Lieferantenintegration die Logistikkosten reduzieren soll24.
23Eigene Übersetzung aus Gossieaux (2001), online.
24Vgl. Pfohl (o.J.), S. 11.