Opus diaboli - Karlheinz Deschner - E-Book

Opus diaboli E-Book

Karlheinz Deschner

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Beschreibung

In fünfzehn "unversöhnlichen Essays" beleuchtet Karlheinz Deschner Episoden aus der Kriminalgeschichte des Christentums. Mit der ihm eigenen sprachlichen Wucht entlarvt er etwa die Konstantinische Schenkung als großes Betrugsmanöver, veranschaulicht er das schwierige Verhältnis von Christentum und Sexualität und prangert die Politik der Päpste im 20. Jahrhundert an. Opus diaboli erschien erstmals 1987, doch die Beiträge haben nichts an Aktualität verloren – selbst jene nicht, die zu bestimmten Anlässen veröffentlicht wurden (wie dem Besuch des damaligen Papstes in Südamerika oder seiner Fehden mit modernen Apologeten des Christentums).

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Für Katja, Bärbel und Thomas (2.2.1959-20.10.1984)

 

 

Karlheinz Deschner

 

 

Opus diaboli

 

Fünfzehn unversöhnliche Essays über die Arbeit im Weinberg des Herrn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Alibri Verlag

Aschaffenburg

 

2024

Der Sammelband Opus diaboli erschien erstmals 1987 im Rowohlt Verlag. Der Text der Neuausgabe folgt bis auf wenige kleinere Änderungen der Erstauflage. Die alte Rechtschreibung wurde beibehalten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Alibri Verlag

www.alibri.de

Aschaffenburg

Mitglied in der Assoziation Linker Verlage (aLiVe)

 

Neuauflage 2016

 

Copyright 2016 by Alibri Verlag, Postfach 100 361, 63703 Aschaffenburg

 

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdruckes, der photomecha-nischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen, der Einspeiche-rung in elektronische Systeme sowie der Übersetzung vorbehalten.

 

Korrektorat: Gabriele Röwer, Mona Steigerwald

Umschlaggestaltung: Claus Sterneck

 

ISBN 978-3-86569-726-4

 

Inhalt

Vorwort

Den Progressisten Gruß zunächst

Man nennt es Heilsgeschichte

„Weide meine Lämmer!“

Sexualität und Christentum

Écrasez l’infâme

oder

Über die Notwendigkeit, aus der Kirche auszutreten

Die „Konstantinische Schenkung“

Die Politik der Päpste im 20. Jahrhundert

Michael Schmaus – einer statt vieler

Macht ist alles

Schwere Zeit für Päpste

Ein Papst reist zum Tatort

Morden mit Maria

Angriff und Gegenattacke

„Deschners Solo in der insel“

Alternative für Weihnachten

Editorische Notiz

Über den Autor

Veröffentlichungen Karlheinz Deschners

 

 

 

Vorwort

Dieses Buch enthält fünfzehn kritische Aufsätze zur Geschichte des Christentums.

Ein Teil davon ist früher erschienen, doch seit Jahren vergriffen; fast täglich kommen Anfragen deshalb.

Fünf Titel machte das Heyne-Buch Kirche des Un-Heils bekannter; fünf, entlegener publiziert, blieben weithin unbekannt; fünf werden erstmals gedruckt.

Mit Ausnahme der 1969 in Nürnbergs Meistersingerhalle gehaltenen Rede „Écrasez l’infâme“, die mir 1971 einen Prozeß eintrug, habe ich alles formal überarbeitet, einiges sehr beträchtlich ergänzt, anderes gestrafft. Wiederholungen meist, doch nicht immer getilgt; besonders bezeichnende Fakten können kaum oft genug eingeschärft werden.

„Den Progressisten Gruß zunächst“glossiert knapp die Hoffnungen katholischer und anderer Kreise nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und führt kurz in die Sammlung ein.

„Man nennt es Heilsgeschichte“umreißt verhältnismäßig ausführlich die mittelalterlichen Kriege der Kirche, ihre Vernichtung des Heidentums, die Jagd auf „Ketzer“, Hexen, Juden und gibt – unter Seitenblicken auf den Pomp der Päpste – ein Bild vom Schröpfen der eignen Gläubigen, von den christlichen Sklaven und Bauern bis zum Industrieproletariat des 19. Jahrhunderts.

„Weide meine Lämmer!“zeigt den katastrophalen Umschlag des dreihundertjährigen Pazifismus der ältesten Christenheit in das 313 aufkommende Feldpfaffentum, die Ausreden der Moraltheologen, das unglaubliche Kriegsgeschrei des Klerus noch im Ersten Weltkrieg, im Zweiten sowie sein Verhalten nach 1945.

„Sexualität und Christentum“bietet einen Exkurs von Jesus und Paulus bis zur Gegenwart: über die Exzesse der Mönche und Nonnen in der Christus-, der Marienminne, das Zölibat und seine buchstäblich schreienden Folgen, die scheußliche Diffamierung der Frau durch fast zwei Jahrtausende, die Verunglimpfung der Ehe, den kirchlichen Kampf gegen die Abtreibung, die „Sexualsünde“ und ihre klerikale Gängelung, das „Aggiornamento“ der modernen Moraltheologie, den Sexualpessimismus der jüngsten Päpste.

„Écrasez l’infâme oder Über die Notwendigkeit, aus der Kirche auszutreten“,die Rede, die mich vor den Richter brachte, beleuchtet die Korruptheit der (katholischen) Kirche, ihr absichtliches Versagen auf sozialem Gebiet, ihre enorme Beteiligung an der internationalen Großindustrie, aber auch ihre mißlichen Glaubensgrundlagen, ihr Heucheln, Fälschen und das hoffnungslose Problem einer „Reform“.

„Die Konstantinische Schenkung“behandelt den historischen Hintergrund, den Anlaß und die kaum zu überschätzenden Auswirkungen der größten weltgeschichtlichen Fälschung.

„Die Politik der Päpste im 20. Jahrhundert“ macht die Mitschuld Roms am Ersten und Zweiten Weltkrieg sichtbar, seinen entscheidenden Beistand bei der Etablierung aller faschistischen Regime, in Italien, Deutschland, Spanien, Jugoslawien, sowie seine riskante Nachkriegspolitik.

„Michael Schmaus – einer statt vieler“dokumentiert, stellvertretend, die begeisterte Anpassung eines der prominentesten Theologen der Nazizeit, des Vorgängers von Karl Rahner in Münster und München.

„Macht ist alles“beantwortet die Umfrage des katholischen Kirchenhistorikers Georg Denzler 1975 an „Freunde wie Gegner“ der Kurie: 1. Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Stellung des Papsttums in Kirche und Gesellschaft? 2. Wie sollte sich das Papsttum in der nächsten Zukunft nach innen und nach außen darstellen?

„Schwere Zeit für Päpste“streift ironisch den Tod (oder die Ermordung) des 33-Tage-Papstes Johannes Paul I. im Vatikan (1978).

„Ein Papst reist zum Tatort“konfrontiert die schönen Sprüche von Johannes Paul II. (Wojtyla) in Lateinamerika mit der blutrünstigen Eroberung dieses Kontinents durch die Katholiken.

„Morden mit Maria“enthüllt das relativ unbekannte janusköpfige Wesen der „Gottesmutter“, ihre verheerende Rolle als „Kriegsgöttin“ und im antikommunistischen Kampf.

„Angriff und Gegenattacke. Replik auf die Beschwerde eines Kirchenknechts“kommentiert – grundsätzlich und im Detail – das Lamento eines Diakons der Erzdiözese Wien nach meiner Teilnahme am „Club 2“ des Österreichischen Fernsehens im Herbst 1986.

„‘Deschners Solo in der insel’ oder Wider zwei evangelische Verleumder“enthält die Entgegnung auf zwei Artikel vor und nach meiner Lesung aus der Kriminalgeschichte des Christentums in Marl.

„Alternative für Weihnachten“ist mein Beitrag zu einer Enquete des Hessischen Rundfunks 1975.

 

Auf Anmerkungen zu den vorliegenden Essays habe ich verzichtet. Wer will, findet mehr als genug Quellen- und Literaturhinweise zu allen hier erörterten Themen (und weitere Materialien in Fülle) in meinen bisherigen Büchern, besonders in Abermals krähte der Hahn. Eine kritische Kirchengeschichte (Günther, 1962, Econ, 1986, Alibri, 2015), Das Kreuz mit der Kirche. Eine Sexualgeschichte des Christentums (Econ, 1974 und 1987), Ein Jahrhundert Heilsgeschichte. Die Politik der Päpste im Zeitalter der Weltkriege (2 Bände, Kiepenheuer & Witsch, 1982/83, Alibri 2013) oder in den Bänden meiner Kriminalgeschichte des Christentums (Rowohlt).

 

Den Progressisten Gruß zunächst

Weil der Bischof nicht partout mehr Exzellenz sein will, der Pfarrer auch Zivil trägt, die Nonne kürzere Röcke; weil Galilei nun kirchlich gerechtfertigt und so manch hilfreicher Heilige, nur weil er nie gelebt hat, kaltblütig im Kalender gestrichen worden ist; weil der Jesuit nicht mehr mit falschem Bart reist, sondern nackt sich unter die Nudisten mogelt, wenn nicht gar, minder offenherzig, unter die Jünger von St. Marx; weil in Rom der Heilige Vater, routiniert wie ein gewisser Rauschgoldengel, „Frieden, Frieden!“ fleht, nicht nur zur Weihnachtszeit, urbi et orbi Attitüden zelebrierend, daß jeder Staatsmann vor Neid erblaßt; weil schließlich im Petersdom, superflua non nocent, mal wieder pompös ein Prälatenensemble gastierte, wobei so vieles doch „aufbrach“, in „Bewegung“ geriet, sich zur „Welt“ hin „öffnete“, zum „Pluralismus der Meinungen“, „Dialog“ – deshalb also glauben nun beinah nicht die Dümmsten allein, der Erdkreis sei anders, der Katholizismus liberal, seine Theologie fortschrittlich geworden ...

Doch wenn ein Theologe fortschreitet, ist er kein Theologe mehr!

Wenn der Katholizismus liberal wird, ist er kein Katholizismus mehr!

Und wenn ein Christ zu denken beginnt, logisch nämlich, und entsprechend auch handelt, kommt immer ein Nichtchrist heraus – oder, zugegeben, ein Opportunist.

Um alles in der Welt: Was denn ist anders jetzt? Ja, was hätte sich geändert, selbst wenn dem „Aufbruch“ der Mimen und Statisten nicht gleich der große Abbruch gefolgt, die Versammlung der Heiligen nicht in jeder Hinsicht zu Ende gegangen wäre? Gälte die Gottheit Jesu nicht mehr? Das Geheimnis der Trinität? Das Mirakel der Transsubstantiation? All das Fabelhafte der Mariendogmen? Ergo dies ganze grandiose Gewebe aus grob gehäkelter Sophistik und gnadenvoller Geisterseherei?

Oder hätte man den urchristlichen Kommunismus eingeführt und die Militärbischöfe kurz, aber gut über die Klinge gejagt? (Nur ein paar Hirten statt all der Herden?!) Gäbe es diese greuliche Sexualmoral nicht mehr? Wäre die Abtreibung erlaubt? Die Empfängnisverhütung? Der Koitus mit jedem, der geschlechtsreif und willig ist?

Propagiert die Religion der Liebe denn nun – die Liebe? Oder verlangt sie nicht nach wie vor Enthaltung außerhalb der Ehe und oft genug in ihr? Wird sie mit den Reichen nicht immer reicher – und auf wessen Kosten wohl? Will sie nicht weiter ihre Schäfchen schlachten lassen, sobald ein Staat dies befiehlt? Im Westen wie im Osten? Geht sie nicht mit den Faschisten in Chile? Und mit den Kommunisten in Polen, der UdSSR? Liest sie nicht in Spanien Gedächtnismessen noch für Hitler?

Kurz, treibt sie’s nicht wie eh und je? Macht sie nicht die altbekannte feiste fromme Miene zum altbewährten bösen Spiel? Denn prostituierte sie sich nicht bei Paulus schon? Verkaufte sie sich nicht seit Konstantin? Kroch sienicht in jeder trüben Stunde der Geschichte zu den Potentesten ins Bett, bald würdevoll steif, bald mit einer Gummisäule als Rückgrat? Weil sie selber voller Machtsucht war? Voller Ränke und Raffgier, Diabolik und Dünkel und unbegrenzter Barbarei? Benutzte sie nicht dauernd frech angemaßte Hoheit zum Verbergen ihrer Niedertracht? Brauchte sie nicht allzeit ihr Friedenspalaver, um ihr Kriegsgebrüll zu salvieren? Und ihre Nächstenliebe zur Tarnung ihrer Ausbeuterei? Und ihr Keuschheitsgeheisch zur Schaffung von Sündern? Waren die Guten dieser Religion je etwas anderes als die Feigenblätter für die Bösen? Und bestimmten nicht gerade Gangster ihre Politik? Machten nicht gerade sie Geschichte? Geschichte – des Heils? Des Heils und Siegs? Des großen Halsabschneidens? Des steten Schlachtens und der steten Schröpferei?

Man sieht: Mysterien werden hier nicht aufgetischt. Von Erbschuld, Erlösung ist da kaum die Rede. Wenig von Weissagung, Wundern auch. Weihrauch wölkt nirgends. Nirgends Transzendenz. Statt dessen, schlicht und fürchterlich, Fakten – Tatsachen des Unheils natürlich nur, die grauenhaftesten terrores religionis. Denn das allein gehört daher. Und wie etwa Erbauliches über „Die Schönheit der katholischen Kirche“, über „Frohes Gehen zu Gott“, „Mit dem Rosenkranz in den Himmel“, wie Erhebendes mit dem Auftakt „Warum ist’s denn in unserer katholischen Kirche so sonnig und wonnig, so wohlig und warm?“ („Weil da vorne das Lichtlein brenne und weil wir Marienlieder singen“), wie derartiges mit einigem Recht nichts über unser Thema bringt, so dies hier, mit noch etwas mehr Recht, nichts über das Sonnige, Wonnige der Catholica, ihr warmes Weltbild, ihren blühenden Kitsch. Man kennt das aus Millionen Büchern, Millionen Predigten, Millionen Bibelstunden, Beichtgesprächen – und glaubt es dennoch immer weniger.

Ist also das Folgende einseitig – die andre Seite ist es auch! Ja. ist sie’s nicht viel mehr? Und mit den übelsten Gründen? Bei verheerender Praxis, weltgeschichtlichen Schocks und Scheußlichkeiten ohne Ende – trotz all der braven Krankenschwestern, des Kölner Doms, der Bahnhofsmissionen etc. pp.?

Denn warum mied die Kirche so die öffentliche Diskussion? Warum weicht sie ihr noch heute aus? Oder wo erlaubte sie uns, nur ein bißchen mit ihr die Klingen zu kreuzen, ganz friedlich fast? In den Kirchen etwa? Den Schulen? Auf den Markt- und Kasernenhofplätzen? Im Rundfunk, just nach dem „Wort zum Sonntag“) vielleicht, bei dem ihre Diener doch, diese oft so jovialen Finsterlinge, als ertrügen sie es selbst nicht mehr, kaum noch Christus und christlich sagen und nur zuletzt mit einem kleinen gutgemeinten Branchentrick, einem fast schon verschämten Schlußdreh – ernst und freundlich-fest, Aug in Auge gleichsam mit dem fernen Seher –, den Deus ex machina präsentieren wie den Phönix aus der Asche?

Ja, warum scheute und scheut sie so die Auseinandersetzung, zumal die Debatte vor dem Volk, das sie doch ganz und gar gegängelt, stets selber unterwiesen, erzogen hat? Warum brauchte sie den Index? Die Folter? Zensur? Die Bücherverbrennung schon seit den Tagen der Apostel? Und dann auch das Verfeuern von Menschen zuhauf? Warum grassierten da wie nirgends die abgeschmacktesten Altmännermären und die fatalste Besserwisserei? Warum ständig Intoleranz, Terror und Despotie? Ein Taumel durch zwei Jahrtausende a verbis ad verbera, vom Wort zum Mord? Oder ist das schon wieder zu einseitig gesehen? Doch wie einseitig immer – wahr ist es auch! Und das eben fragt sich bei ihren Dogmen noch. Oder vielmehr: Es fragt sich durchaus nicht!

Denn warum insistiert man seit je so aufs Credo? Stellt man den Glauben stets über alles? Propagiert Demut, Torheit, das Zu-Kreuze-Kriechen, flectamus genua, sacrificium intellectus – und immer recht drastisch mit Himmel und Hölle im Hintergrund, Vordergrund, Untergrund, mit Beschwörung aller Engel und Erzengel und mehr noch natürlich des Fürsten der Finsternis samt seinen Heerscharen, Schrecken ... ?

„Sie möchten zum Glauben gelangen, und Sie kennen nicht den Weg dahin“, meint selbst ein Genie wie Pascal. „Sie möchten vom Unglauben geheilt werden, und Sie bitten um die Arznei: Lernen Sie von denen, die in Ihrer Lage waren ... Handeln Sie so, wie diese begonnen haben: nämlich alles zu tun, als ob Sie gläubig wären, Weihwasser zu benutzen und Messen lesen zu lassen usw. Ganz natürlich wird das Sie sogar glauben machen und verdummen.“

Glauben machen und verdummen – das eben ist nicht unser Rezept, unser Vademecum und Heilsangebot. Im Gegenteil. Allen rufe ich zu: Seid skeptisch! Voller Argwohn! Mißtraut mir! Forscht selber! Nicht nur in den Bischofspostillen freilich, der „Bildpost“, bei Ratzinger, Rahner und Küng! Lest wenigstens ein paar auch ihrer Gegner! Lest beide Seiten! Vergleicht! Das andre ist dann nur noch eine Frage der Redlichkeit.

 

Man nennt es Heilsgeschichte

„...auf hundert verschiedene Weise will ich wiederholen, daß man niemals Gott etwas Gutes tut, wenn man den Menschen Böses tut.“

Voltaire

„Nihilist und Christ: das reimt sich, das reimt sich nicht bloß ...“

Nietzsche

„Wenn ihr euren Sinn nicht ändert, werdet ihr alle ebenso umkommen.“

Lk. 13,3

 

Ich betrachte gerade Fotos: Kinderleichen in einem kroatischen KZ. Da kommt meine Tochter, plappernd, erzählend. Ich sehe ihr schmales, ein wenig blasses Gesicht, ihre hellen, verständigen Augen, ich sehe durch sie hindurch. Auf einmal schweigt sie mitten im Satz. „Papaaa ...!“ sagt sie. Ich gehe mit meinen Kindern, halte sie links und rechts an der Hand. Plötzlich fällt mir ein Mann ein. Irgendwo im Osten schritt er zur Exekution; und seine zwei Kinder umklammerten, umschlangen ihn, wurden von ihm mitgeschleift, bis man sie ihm vom Körper schoß.

Während ich dies schreibe, schlendert mein Sohn am Bach. Manchmal schlägt er mit einer Rute aufs Gras. Und dahinter kniet sein Schwesterchen mit ausgebreiteten Armen vor unserer Katze in der Wiese.

Andre Kinder kamen nach Theresienstadt, nach Auschwitz, Jasenovac. Andre Väter fielen vor Stalingrad, am Atlantik, in Afrika. Meine Kameraden starben, ohne Kinder gehabt zu haben. Sie waren selbst noch Kinder. An einem Märztag wie heute keuchten wir über eine Wiese vor Breslau. Es war Nachmittag, die Sonne schien, man roch schon den Frühling. Und sie beschossen uns wie auf der Treibjagd ... Ein paar Augenblicke kniete ich bei ihm. Er lag auf dem Rücken, sein Haar leuchtete hell, und aus seinem Bauch drangen die Därme. Er war siebzehn. Seine Augen hingen am Himmel, blau und unverwandt am Frühlingshimmel, während er immer wieder „Mutter“ stöhnte, „Mutter, Mutter“ ...

Millionen starben so. In diesem Krieg. Im letzten. So weit wir zurückblicken: Gier und Gewalt, eine Kette von Katastrophen. Der ewige Bankrott. Geschichte.

Manchmal kamen Lichtgestalten. Buddha, das Auge der Welt, das Licht ohnegleichen. Christus, der Allessehende, die Sonne der Gerechtigkeit, das wahrhaftige Licht. Sie verboten das Töten, sie lehrten, das Böse mit Gutem zu überwinden. Sie priesen die Friedfertigen. Sie predigten Nächstenliebe und Feindesliebe. Sie fanden Jünger, Gemeinden.

Eineinhalb Jahrtausende wurden die Europäer vom Christentum geprägt, Generation um Generation, Herrscher und Beherrschte, Priester und Laien, Lehrer und Schüler. Das Christentum durchdrang alles, bestimmte alles, beeinflußte das private, das öffentliche Leben, Familie, Ehe, Liebe, die Bildung, die Wirtschaft, das Recht und den Staat. Doch noch im 20. Jahrhundert haben christliche Nationen die größten Kriege der Geschichte geführt und mehr Menschen vernichtet als jemals zuvor.

Wie war das möglich? Wie wuchsen diese Völker auf? Wie wurden sie erzogen? Wie regiert? Nichts gibt besser darauf Antwort als die Vergangenheit der Kirche. Denn länger als alle Reiche, alle Dynastien, Gesellschaftssysteme, länger und intensiver hat sie auf die Menschen Europas gewirkt, ihr Schicksal bestimmt: negativ im höchsten Grade, in jeder Hinsicht, worüber sich, was man nicht unterschätze, so grundverschiedne Geister wie Goethe, Nietzsche, Marx und Kierkegaard einig sind, während die Historiker, mit verschwindenden Ausnahmen, dies noch immer übersehen, allenfalls streifen. Gerade darauf aber kommt es an.

Das soll diese kurze Vorgeschichte der Barbarei des 20. Jahrhunderts zeigen; in großen Zügen und, wenn man will, einseitig, doch nur insofern, als im folgenden stets von der Regel die Rede ist, nicht von den Ausnahmen, als ich immer nur die entscheidende, die politikbestimmende Seite des maßgeblichen großkirchlichen Christentums erhelle, mögen dies auch Ignoranten, Heuchler und Religionsidylliker aller Schattierungen bestreiten.

 

Für die ältesten Christen war Kriegsdienst undenkbar. Nirgends in ihrer Literatur der ersten Jahrhunderte wird er erlaubt, sogar die Tötung aus Notwehr von allen Kirchenvätern verboten. Da schenkte ihnen Kaiser Konstantin 313 volle Religionsfreiheit, und 314 beschließen sie die Exkommunikation fahnenflüchtiger Soldaten. Wer die Waffen wegwarf, wurde ausgeschlossen. Vordem schloß man aus, wer sie nicht wegwarf. Und so sehen wir statt der ehemaligen Pazifisten plötzlich die kirchlichen Feldgeistlichen, statt der getöteten christlichen Kriegsdienstverweigerer die tötenden christlichen Krieger. Rasch strich die militärfreundliche Kirche die Namen aller Soldatenmärtyrer aus ihren Heiligenkalendern und unterstützte nun die Machthaber beim Massenmord, ja, trieb sie bald selber dazu – bis heute.

In Sack und Asche erbettelt Papst Stephan II. vom Frankenkönig Pippin den Krieg gegen die Langobarden, mit denen die Franken im besten Einvernehmen gelebt. Eine (elfhundert Jahre später eingestandene) gigantische geistliche Fälschung und zwei blutige Feldzüge ergeben den Kirchenstaat, den fränkische und sächsische Herrscher immer wieder bestätigen und vergrößern.

Doch auch die Päpste erschienen bald mit Helm, Panzer und Schwert. Sie hatten ihr eignes Heer, ihre eigne Marine, ihre eigene Waffenfabrik. Um jede Grafschaft, jedes Schloß, jede Burg kämpften sie.Ganze Herzogtümer wurden von ihnen geraubt. Überall warben sie Söldner und schlachteten ihre Landsleute ab.

Leo IX. ignorierte 1053 die Cluniazensischen Friedensbestrebungen, ignorierte sein eigenes Wehrverbot für Geistliche, ignorierte Treueid und Lehensdienst, den ihm die christlichen Normannen versprachen, und bekriegte sie. Der Cluniazenser Hildebrand rief als Gregor VII. (Lieblingswort: „Verflucht sei der Mensch, der sein Schwert von Blut zurückhält!“) die ganze Welt zur Bildung eines Heeres auf, an dessen Spitze er als „Führer und Bischof“ marschieren wollte. Gregor IX. zog gegen den siegreich vom Kreuzzug heimkehrenden Kaiser Friedrich. Urban VI., der den Bischof von Aquila ermorden, fünf Kardinäle hinrichten, zuvor fürchterlich foltern ließ, u. a. durch einen früheren Seeräuber, den er zum Prior des Johanniterordens gemacht, focht mit seinen Söldnern im sizilischen Erbfolgekrieg. Pius V. und Sixtus V. lieferten Türken und Briten große Seeschlachten bei Lepanto und im Kanal. Julius II. (Devise: „Wenn Sankt Peters Schlüssel nicht helfen, so helfe mir sein Schwert!“) führte fast in jedem Jahr seines Pontifikates Krieg, dabei so erfolgreich, daß Kaiser Maximilian mit dem Gedanken spielte, Papst zu werden. Paul IV. sah Mitte des 16. Jahrhunderts seinen Arm „bis zum Ellbogen in Blut getaucht“, war aber so moralisch, daß er „anstößige“ Partien aus Michelangelos „Jüngstem Gericht“ übermalen ließ. Noch vor gut hundert Jahren rekrutierte Pius IX. Truppen. Und noch vor 40 und 30 Jahren hätten Päpste Pauls IV. Diktum wiederholen können, sogar mit größerem Recht – obwohl auch sie sehr auf Moral hielten; Pius XII. beispielsweise, der in einem Schreiben an die katholische Hierarchie der USA Ende 1939 als Ursache des „heutigen Elends“ natürlich nicht den Faschismus sah, der die Welt eben in den größten Krieg der Geschichte gestürzt, sondern u. a. die kurzen Röcke der Damen. Keine kuriose kirchengeschichtliche Episode, sondern typisch für eine bis heure gültige Moral – wenn man dabei von jenen Jahrhunderten absieht, in denen manche Nonnenklöster mehr Verkehr als die Bordelle hatten und alle Kleriker, von der Spitze der Hierarchie bis zum letzten Dorfkaplan, ihre Kebsen.

Wie aber die Päpste, so ihre Bischöfe, Äbte. Sie waren die Söhne, Brüder, Vettern des weltlichen Adels, waren so habsüchtig und machtgierig wie er, auch gewiß nicht weniger verhaßt, was die häufigen Bischofs- und Abtsmorde im Mittelalter, die Pfaffenkriege und Pfaffenjagden sowie ungezählte literarische Dokumente bezeugen. Im altdeutschen Staat fungierten Kleriker als Minister, Kronschatzverwalter, Heerführer des Königs. Unter Kaiser Otto II. stellten sie mehr als doppelt soviel Gepanzerte wie alle weltlichen Fürsten. Im Norden und Süden kommandierten Kardinäle und Bischöfe ganze Armeen. Manche Prälaten vollstreckten die Blutrache mit eigener Hand. Und kein Bistum, in dem nicht ein Bischof zuweilen jahrzehntelange Fehden führte. Sie schonten oft weder Frauen noch Mädchen, mordeten Greise und Kinder, manchmal selbst Seite an Seite mit „Ketzern“, wie der Kölner Erzbischof Dietrich von Moers. Sie stachen ihren Gegnern die Augen aus, wie 1368 der Abt von Reichenau jedem Konstanzer, der in seine Hand fiel. Sie knüpften alle ihre Gefangenen auf, wie 1379 Bischof Dietrich von Osnabrück. Sie ließen Aufständische fußfällig um Gnade bitten und dann doch schockweise köpfen, wie 1415 der Bischof von Lüttich, Johann von Wittelsbach. „Also stunt es mit der Pfaffhait, wo man poses horte oder krig wer und man fragte, wer tut das, so hies es, der bischof, der pfaff.“

Die Bischöfe kämpften mit den Königen gegen die Fürsten, mit den Fürsten gegen die Könige, mit dem Papst gegen den Kaiser, mit dem Kaiser gegen den Papst, mit einem Papst gegen den andern (immerhin 171 Jahre lang), mit den Pfarrgeistlichen gegen die Ordensgeistlichen oder auch gegen ihresgleichen – Bischof Dietrich von Osnabrück gegen Bischof Gerhard von Minden, Bischof Erich von Osnabrück gegen Bischof Heinrich von Münster usw. – im offenen Feld, in Straßen-, Kirchenschlachten, mit Dolch, Gift und auf jede nur mögliche Weise.

 

Jahrhundertelang propagierte der Klerus auch den Heiligen Krieg, zu dem Urban II. 1095, in richtiger Einschätzung der Sache, noch die Räuber aufrief. Der Papst garantierte Sündenvergebung, reiche Beute, ein Land, in dem Milch und Honig fließt, und schrie: „Christus befiehlt es!“

Mit dem Kreuz auf Kleidern, Fahnen zogen sie los. Schon an Rhein und Donau erschlugen sie Tausende von Juden. Dann vergewaltigten und mordeten sie die christlichen Ungarn. Bei der Einnahme Jerusalems im Sommer 1099, an einem Freitag, zur Stunde der Kreuzigung, wie die Chronisten entzückt berichten, massakrierten sie fast 70.000 Sarazenen. Sie töteten, da sie alles, schreibt Erzbischof Wilhelm von Tyrus, für immer zu rauben beschlossen, „jeden Einwohner“. Sie troffen von Blut und hängten an den Eingang der ‘gesäuberten Häuser’ zum Zeichen der Besitzergreifung ihren Schild – eines der ältesten Zeugnisse für die Verwendung von Wappenschildern als Identifikationsmittel. Im Tempel metzelten sie derart, daß sie, so der Geistliche Raimund von Aguilers, „durch Gottes wunderbares und gerechtes Urteil bis zu den Knien und sogar bis zu den Sätteln der Pferde in Blut wateten“. Dann, notiert der Verfasser der „Gesta Francorum“, ein Augenzeuge, „glücklich und vor Freude weinend gingen die Unsrigen hin, um das Grab Unseres Erlösers zu verehren“.

Kein Kabarettist könnte doch dies Christentum besser parodieren.

Tabula rasa! Totaler Krieg. Ihr Ideal vom Mittelalter bis zu den faschistischen Kreuzzügen in Abessinien, Spanien, Kroatien, Rußland. Bis zum Massenmord mit Kardinal Spellmans Hilfe in Vietnam. Bis zum moraltheologischen Placet des jesuitischen Pacelli-Vertrauten Gundlach zur globalen Vernichtung durch den Atomkrieg. Bis zu dem „Mut“ des Jesuiten Hirschmann, „unter Aussicht auf millionenfache Zerstörung menschlichen Lebens in der heutigen Situation das Opfer atomarer Rüstung zu bejahen“, was, laut Hirschmann, „der Haltung des heiligen Franziskus“ nahesteht und dem „Geist der Theologie des Kreuzes“. Bis zu dem Buch „Die sittliche Ordnung der Völkergemeinschaft“, worin ein großes Gremium katholischer Theologen „die Anlegung eines Atomwaffenvorrates“ billigt und die Massentötung Unschuldiger als erlaubte „Nebenwirkung“ abtut, laut apostolischem Nuntius, Erzbischof Muench, der schon mit den Nazis sympathisierte, „eine den Weisungen des Heiligen Vaters entsprechende Antwort“.

„Nihilist und Christ: das reimt sich, das reimt sich nicht bloß ...“

Für die katholische Welt wurden die Kreuzzüge bald ein einziges Fiasko. Ganze Heere verschwanden fast spurlos, auch 50.000 Kinder; später schickte nur noch Hitler Kinder in den Krieg. Andererseits erstarkte der Islam, das dauerhafteste Resultat der Kreuzzüge überhaupt. Dabei waren die Moslems nicht selten verhandlungsbereit und entgegenkommend. Nach ihrer Rückeroberung Jerusalems 1187 erkannten selbst die christlichen Chronisten Sultan Saladins Großmut und Menschlichkeit einmütig an. Imponierte doch vielen Kreuzfahrern die islamische Sittlichkeit bald mehr als die ihrer eigenen Führer.

Aber die Päpste stachelten immer wieder zu neuen Kreuzzügen auf. Sie wurden zum beherrschenden Gedanken ihrer ganzen Außenpolitik, nicht „nur“ im 12. und 13. Jahrhundert, sondern bis zum Ende des Mittelalters. Eugen III., Innozenz III., Gregor IX., Clemens VI., Urban V., Clemens VII. – der 1390 im Kreuzzug gegen Tunis bereits das Schießpulver erprobte, eines der frühesten Beispiele in der Geschichte –, Benedikt XIII., Bonifaz IX., Eugen IV. propagierten unermüdlich den Heiligen Krieg, den bekanntlich immer mehr politische, militärische und wirtschaftliche Aspekte bestimmten: „die höhere Seeräuberei“, sagt Nietzsche, „weiter nichts!“ Noch im späten 15. Jahrhundert forderte Pius II. von allen europäischen Monarchen einen universalen Kreuzzug. Und Pius’ Überzeugung, „daß Staaten durch Waffen gehalten werden, nicht durch Gesetze“, teilten zweifellos die meisten Päpste, die ja gerade für die Staaten, selbst für die schlimmsten Verbrecherregime, ihre Gläubigen jederzeit bluten lassen. Denn während die in stets größeren Gemetzeln sterben, leben sie selber fort. Man nennt es Heilsgeschichte!

Oh, „diese herrlichen Beispiele unerschütterlicher Treue gegenüber den Fürsten, welche sich notwendig aus den hl. Vorschriften der christlichen Religion ergaben“. So begeistert sich Gregor XVI., ausgerechnet jener Hierarch, der doch – ein Herzensmotiv fast aller Heiligen Väter seit 1789 – Gewissensfreiheit als „Wahnsinn“, als „seuchenartigen Irrtum“ verdammt, der giftig gegen „jene nie genug zu verurteilende und zu verabscheuende Freiheit des Buchhandels“ eifert, der noch 1836 im Index der verbotenen Bücher das Lesen der Bibel in der Volkssprache abhängig macht von der Genehmigung der römischen Inquisition. Eine Verfügung, die endgültig erst 1897 Leo XIII. liquidierte. „Die Geistlichkeit“, schreibt Schiller (vom Christentum, von „dem Wahne, der die ganze Welt bestach“, so wenig haltend wie Goethe, für den „die Lehre von Christo nirgends gedrückter“ ist „als in der christlichen Kirche“, der Protestantismus „verworrener Quark“, der Katholizismus identisch mit Theater und Karneval; „Hokuspokus“), „war von jeher eine Stütze der königlichen Macht und mußte es sein. Ihre goldene Zeit fiel immer in die Gefangenschaft des menschlichen Geistes, und wie jene sehen wir sie vom Blödsinn und von der Sinnlosigkeit ernten.“ Niemand vor Stalin und Hitler hat in Europa das menschliche Leben so unentwegt aufs äußerste verachtet, in den Staub getreten, ja, dies noch, Gipfel zynischer Perversion, als „gottgewollt“ verkündet, wie die christliche Kirche.

 

Das zeigt auch ihre Vernichtung des Heidentums.

Zunächst zwar, als verschwindende Minderheit, hält man sich gegenüber den Altgläubigen deutlich zurück, polemisiert bloß sporadisch gegen sie, ja, plädiert mit Engelszungen für Religionsfreiheit. Doch als man sich stärker fühlt, um die Wende zum 3. Jahrhundert, geht man schon entschiedener vor, mit aller verbalen Vehemenz. Man diffamiert, wenn auch keinesfalls einhellig, die tradierte Kultur, die Philosophie, von der man selber mächtig profitiert, attackiert mehr noch das Schauspiel, und verhöhnt natürlich am meisten die heidnische Religion, die Verehrung des Kosmos, die Vergöttlichung des Wassers, des Feuers, der Erde, erst recht jede Heiligung des Tieres.

Und kaum war der Umschwung vollzogen, kommentiert der Theologe von Campenhausen, „ist die alte Märtyrer- und Verfolgungsideologie der Kirche wie weggeblasen und fast in ihr Gegenteil verkehrt“. Schon unter dem ersten christlichen Kaiser weicht die 313 proklamierte Koexistenz und grundsätzlicheGlaubensfreiheit allmählich einem Unterdrückungstrend. Schon Konstantin verbietet die Errichtung neuer Götterstatuen, die Verehrung bestehender, die Befragung der Orakel und jeden paganen Gottesdienst. Schon Konstantin läßt Tempel schließen, berauben, demolieren, vernichten, so das Äskulap-Heiligtum in Ägä, die Aphrodite-Tempel von Golgatha, Aphaka am Libanon, Heliopolis. Verschärft geht sein Sohn, der Arianer Konstantius, gegen den „Aberg1auben“, den „Unsinn der Opfer“ vor. Als erster christlicher Kaiser belegt er die Ausübung des heidnischen Kultes mit der Todesstrafe und kassiert den Besitz der Hingerichteten. Es kommt bereits zu Tempelstürmen, zu Folter, Justizterror. Und der katholische Kaiser Theodosius I. bekämpft das Heidentum nicht nur durch eine Fülle rigoroser Gesetze, sondern sogar durch einen gewaltigen Krieg.

Kurz, schon im 4., mehr noch im 5. Jahrhundert errichtete die Kirche das Kreuz über Ruinen und Leichen. In Alexandrien läßt der arianische Bischof und Monopolherr Georg den Tempel des Mithras stürmen, Bilder stürzen, Heiligtümer plündern. Sein Nachfolger, der katholische Patriarch Theophilus, zertrümmert die berühmte Serapisstatue eigenhändig mit dem Beil und befiehlt auch in der benachbarten Handelsstadt Kanopos die Ruinierung der Tempel bis auf den Grund. Sein Neffe und Nachfolger, der hl. Kirchenlehrer Kyrill, ein großer Marienverehrer, der das Dogma der Gottesmutterschaft mit riesigen Bestechungsgeldern durchsetzt, läßt 415 die in der ganzen damaligen Welt bekannte und gefeierte Philosophin Hypatia überfallen, in eine Kirche schleppen, nackt ausziehen und mit Glasscherben buchstäblich zerfetzen. Fanatisch bekämpft auch der Patriarch und Kirchenlehrer Chrysostomos die Altgläubigen. Nicht nur verunglimpft er sie in seinen bewunderten Reden, kraft derer er zum Patron der Prediger avanciert, sondern sorgt auch für die Vernichtung vieler phönizischer Tempel.

Besonders in den östlichen Provinzen, in denen die Christen zuerst überwogen, wurden bereits im späteren 4. Jahrhundert immer mehr Tempel geschleift und die Heiden nicht selten durch die aufgeputschten Massen massakriert. Fast stets geschah dies unter Führung von Bischöfen oder Äbten, wobei am aktivsten die Mönche waren, jene „schweinischen Schwarzröcke“, wie die Griechen sie nannten, da sie wie Menschen aussähen, doch wie Schweine lebten. Sie stürmen zu denTempeln, schrieb Libanios in seiner 389 an den Kaiser gerichteten Schrift „Pro templis“, „mit Holz beladen oder mit Steinen und Schwertern bewaffnet, einzelne auch ohne diese Dinge, bloß mit Händen und Füßen. Dann als ob es herrenloses Gut wäre, reißen sie die Dächer nieder, stürzen die Mauern um, zerschlagen die Götterbilder, zertrümmern die Altäre. Den Priestern bleibt nur die Wahl zwischen Schweigen und Tod. Ist der erste Tempel zerstört, eilen sie zum zweiten und dritten und häufen Trophäen auf Trophäen, dem Gesetz zum Spott.“

Einer der berüchtigtsten Tempelruinierer war Schenute (= Sohn Gottes), der das „Weiße Kloster“ in der Thebais leitete, ein Doppelkloster mit zeitweise bis zu 2200 Mönchen und 1800 Nonnen. Als „großer Abt“, „Prophet“, „Apostel“ schreckte er weder vor Betrug noch eigenhändigem Mord und Totschlag zurück. An der Spitze seiner hinreichend ausgehungerten Horden drang er in die Tempel ein, plünderte, verwüstete sie und warf die „Götzenbilder“ in den Nil. Alles, was wertvoll war, Geld versprach, nahm er mit. Gelegentlich, wie in Akhmin, raubte er eine ganze Stadt aus, zündete sie an und metzelte die Einwohner nieder.

Andauernd wurden so Tempel gebrandschatzt oder in christliche umgewandelt, unersetzliche Kunstwerke zerstört, Spottprozessionen veranstaltet, die heidnischen Priester getötet und schließlich, im 6. Jahrhundert, sämtliche Heiden für besitz- und rechtlos erklärt; „damit sie“, wie ein Gesetz des christlichen Kaisers besagt, „aller Habe beraubt, dem Elend ausgeliefert sind“.

Im 20. Jahrhundert aber behauptet der katholische Theologe Jean Daniélou: „Die Kirche hat immer betont, daß sie die religiösen Werte der heidnischen Welt achtet.“

In Wirklichkeit hat sich keine gewichtige kirchliche Stimme gegen den Vernichtungsfeldzug erhoben. Im Gegenteil, man rief zu ihm auf, steckte sich hinter den Staat, appellierte an die Herrscher. „Nehmet weg, nehmet weg ohne Zagen, allerheiligste Kaiser, den Schmuck der Tempel“, hetzt schon um 347 Kirchenvater Firmicus Maternus. „Diese Götter mögen das Feuer der Münzstätte oder die Flamme des Metallbergwerks schmelzen, alle Weihegeschenke verwendet zu eurem Nutzen und macht sie zu eurem Eigentum. Nach Vernichtung der Tempel seid ihr vermöge der Kraft Gottes zu Höherem fortgeschritten.“ Der sizilianische Renegat aus dem Senatorenstand empfiehlt den christlichen Monarchen „schärfste Gesetze“, Anwendung von „Feuer und Eisen“, Verfolgung „in jeder Weise“, „damit kein Teil des verruchten Samens ... keine Spur des heidnischen Geschlechtes verbleibe“.

Auch ein Kirchenlehrer wie Augustinus attackierte fortgesetzt „die Ungeheuer aller Arten von Göttern“, „die gotteslästerlichen Kulte“, „das Göttergesindel“, sprach von „Seuche“ und „Verbrechen“. Er eiferte, höhnte, heizte immer wieder die Zerstörungswut an, macht in seinem magnum opus „Vom Gottesstaat“ den Polytheismus zum Grund aller Greuel, aller mala, bella, discordiae der römischen Geschichte, schreckt auch vor bewußten Verzerrungen nicht zurück, ja, erlaubt sich gegenüber den Heiden einfach „alle Mittel“, bis zur „Verfälschung der Zitate“ (Andresen).

So verliefen denn die Pogrome unvergleichlich blutiger und erbarmungsloser als jemals eine Christenverfolgung zuvor. Tabula rasa! Totale „Säuberung“, Beseitigung aller der Gesellschaft schädlichen Elemente. „Was nicht der Wahrheit oder Sittennorm entspricht“, lehrt noch 1954 Papst Pius XII., „hat kein Recht auf Existenz.“

 

Deshalb genügte dieser Kirche auch nicht die Auslöschung des Heidentums. Hatten die Christen sich schon immer gegenseitig bekämpft, beschimpft, verleumdet, hatte bereits Paulus die Vertreter der Urgemeinde „Hunde“, „Verstümmelte“, „Lügenapostel“ genannt und der 2. Petrusbrief andersgläubige Christen „vernunftlose Tiere, die ihrer Natur entsprechend nur dazu geschaffen sind, daß man sie fängt und abtut“, so ging man noch unter Konstantin gegen Nichtkatholiken vor. Man verbot ihre Gottesdienste, beseitigte ihr Schrifttum, raubte ihre Kirchen, ihr Vermögen und schickte sie in Verbannung. Und schon 385 ließen katholische Bischöfe in Trier die ersten Christen aus Glaubensgründen köpfen. Von Augustinus, dem Prototyp der späteren Ketzerjäger, geht eine gerade Linie zur Inquisition, die bereits in der Karolingerzeit mit der Schaffung der bischöflichen Sendgerichte begann und allmählich zur systematischen Sektenfahndung führte, zur bewußten Produktion eines Terrors, der Ungezählte durch Jahrhunderte vernichtet hat und wiederkehrte in faschistischer Zeit, in der sogar die Jünger des Franz von Assisi Massenmörder, Anführer gewaltiger Pogrome, KZ-Kommandanten sind.

Die Inquisition gipfelte im Ausschneiden der Zunge, im Erdrosseln und Feuertod, 1194 zuerst in Spanien, darauf in Italien, Deutschland, Frankreich, zuletzt in England gesetzlich geregelt. In seiner Bulle „Ad Extirpanda“ stellte Papst Innozenz IV. 1252 sämtliche nichtkatholischen Christen auf eine Stufe mit Räubern und verpflichtete die Herrscher, schuldige Häretiker binnen fünf Tagen zu töten. Die Dominikaner, die Schüler des Thomas von Aquin, des offiziellen Kirchenphilosophen, der selber energisch die Ausmerzung „verpesteter Menschen“ aus der Gesellschaft verlangte, richteten jetzt eigens Hunde für Ketzerjagd ab und leiteten ein halbes Jahrtausend lang die Inquisition.

Nun marterte man und spritzte Weihwasser, brachte die Unschuldigen auf den Folterbock, die Wippe, in glühende Kohlen, Spanische Stiefel. Man schlug Kreuzzeichen und zerschlug Menschen. Man rief zum Heiligen Geist beim Zusammentritt des Tribunals und erlaubte alle Mittel des Betrugs. „Um der guten Sache willen“, kommentierte ein Richter eine Aussagensammlung des sechzehn Tage immer schärfer gefolterten Savonarola, ist „einiges weggelassen, einiges hinzugefügt worden“. Und nach Äußerungen von Entlastungszeugen fälschte man gleichfalls die Register.

Jeder Katholik mußte eidlich Ketzerverfolgung geloben und den Schwur alle zwei Jahre wiederholen, Eltern mußten ihre Kinder, Kinder ihre Eltern verraten, Männer ihre Frauen, Frauen ihre Männer. Hier begann das Denunzianten- und Spitzelwesen, das Ausspionieren und Einschüchtern, womit es die modernen Polizeistaaten noch weit bringen sollten, begann im großen das Erzwingen äußerer Konformität und damit jenes einmalig ekle Gemisch aus Duckmäusertum und Heuchelei, das die christliche Volksseele seither charakterisiert.

Wie tolerant waren dagegen doch die heidnischen Kulte! Wie großzügig oft selbst die Römer gegenüber den Christen, die die Härte der Christenverfolgungen mitunter grotesk übertreiben bis heute. Keinerlei Nachspüren erlaubt 112 das Reskript Trajans, das für weit über hundert Jahre das Verhältnis zu den Christen bestimmt, kein anonymes Anklagen. „Denn das wäre ein schlimmes Beispiel und unserem Zeitalter nicht angemessen.“ –„Ich will nicht“, verordnet später Kaiser Hadrian, „daß Unschuldige belästigt werden, und man muß verhindern, daß die Verleumder ungestraft ihr häßliches Brigantenhandwerk ausüben können.“

Tausend Jahre weiter, welch sittlicher Fortschritt in christlicher Zeit! Jeder Betrug ist bei Überführung von „Ketzern“ erlaubt. Zur Jagd auf sie wird allgemein gehetzt, zur Grausamkeit öffentlich erzogen. Man zahlt hohe Preise für Fensterplätze mit Scheiterhaufensicht und gewährt holzschleppenden Gläubigen vollkommene Ablässe. Man veranstaltet prunkvolle Autodafés, bei denen man, manchmal vor 200.000 Zuschauern, Menschen massenweise ermordet. Man steckt sie auf ihrem letzten Weg noch unter einen Narrenhut, zwickt sie mit glühenden Zangen, schlägt ihnen bisweilen die rechte Hand ab und singt dann, während sie, je nach Windrichtung, ersticken oder langsam verbrennen: „Großer Gott, wir loben dich.“ – „Ein erhebendes Schauspiel sozialer Vollkommenheit“, rühmt noch 1853 die vatikanische Jesuitenzeitschrift die Inquisition.

Kein Kabarettist könnte doch dies Christentum besser parodieren.

Es kam vor, daß man sterbende Frauen in ihrem Bett auf den Richtplatz schleppen und ins Feuer werfen ließ.

Allein der Großinquisitor Torquemada schickte in Spanien persönlich 10.220 Menschen auf die Scheiterhaufen und 97.371 auf die Galeeren. Und noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts foltern Christen in Franco-Spanien, in Korea, Algerien, Griechenland, Vietnam und in Gefängnissen der Deutschen Bundesrepublik. Aber auch die schreckliche Strafe der Sippenhaft – Papst Gregor IX. exkommunizierte bis in die siebte Generation, und Papst Urban II. sah im Töten von Exkommunizierten „aus Eifer für die Mutter Kirche“ keinen Mord – kehrt in Nazideutschland wieder.

Nicht alle „Ketzer“ verbrannte man. Bereuenden erwies man Gnade. Man geißelte sie sonntags während der Messe, einmal monatlich in jedem Haus, worin sie mit ihresgleichen verkehrten, und bei Prozessionen auf jeder Station. Manchmal trieb man sie auch nackt durch die Straßen, ehe man sie vor den Altären auspeitschte, ein Geschäft, das selbst päpstliche Legaten nicht unter ihrer Würde fanden. Andere Bereuende kamen an die „Mauern“. Man verhängte den murus largus, eine relativ leichte Freiheitsberaubung, und den murus strictus, wobei man in einem fensterlosen Verlies – nach päpstlicher Verordnung so klein und finster wie möglich – auf Lebenszeit mit Händen und Füßen an die Wand geschmiedet wurde, was es nicht einmal unter Hitler gab. Noch gräßlicher war der murus strictissimus, über den die Inquisitionsregister freilich schweigen.

Wir kennen Katholiken, die im 13. Jahrhundert ihre Rechtgläubigkeit mit dem Eid beteuerten: „Ich bin kein Ketzer, denn ich habe eine Frau und schlafe bei ihr, ich habe Kinder und esse Fleisch, ich lüge, schwöre und bin ein gläubiger Christ, so wahr mir Gott helfe!“

Tote, deren „Häresie“ erst später aufkam, mußten exhumiert und wie bei Lebzeiten behandelt werden. Ein berüchtigtes frühes Beispiel ist Papst Formosus. Papst Stephan VI. befahl 897, Formosus auszubuddeln, verurteilte ihn und schlug ihm zwei Finger der rechten Hand ab. Papst Sergius III. ließ Formosus 905 abermals ausgraben, in päpstliche Gewänder hüllen, auf einen Thron setzen und ihm, neuerlich verdammt, drei weitere Finger samt Kopf abhacken.

Nachdem man Zwingli abgestochen, wurde er gevierteilt, verbrannt und zur Verunehrung seiner Asche Schweinekot ins Feuer gemischt, während man unter den Scheiterhaufen von Hus heimlich ein verfaultes Maultier steckte, um dem Volk den Gestank des Teufels zu demonstrieren. Doch befriedigten auch Einzelaktionen gegen „Ketzer“ die Päpste nicht. Ganz Europa überzogen sie mit Krieg. Vom Süden bis zum Norden führten sie Kreuzzüge. Was nicht katholisch war, sollte verschwinden, wie noch im 20. Jahrhundert im klerofaschistischen Spanien und Kroatien.

Der erste Kreuzzug gegen Christen galt von 1209 an in Südfrankreich den Albigensern, den „Schmutz- und Schandflecken des Menschengeschlechtes“, so noch im 19. Jahrhundert Papst Gregor XVI., die aber derart offensichtlich wieder ans Urchristentum anknüpften, daß selbst Kirchenlehrer Bernhard von Clairvaux von ihnen sagte: „Es gibt bestimmt keine christlicheren Predigten als die ihren, und ihre Sitten waren rein.“ Indes, kaum zwei Monate nach seiner Thronbesteigung rief Innozenz III. die ganze Christenheit auf, alle nicht abschwörenden „Ketzer“ zu verbrennen. Er versprach dem nordfranzösischen Adel ihre Güter, dem französischen König (der Bedenken äußert!) die Herrschaft über das Land und jedem katholischen Kreuzfahrer, auch den größten Sündern, die ewige Seligkeit.

Geistliche und weltliche Fürsten, Scharen von Rittern, Wegelagerern, Tausende von Leichenfledderern, Hurenknechten, Huren auf fahrbaren Venustempeln ergriffen daraufhin das Kreuz. Mit dem Lied „Komm, Heiliger Geist“ stürmten sie die Städte und schlachteten alle Einwohner, „Häretiker“ und Katholiken, wie sie ihnen unters Messer kamen. Sie schlachteten die Priester am Altar mit der Monstranz in der Hand, schlachteten Säuglinge und Greise: allein in Béziers 20.000 Menschen. Schon damals nahmen Mütter ihre Kinder an die Brust und verhüllten ihnen die Augen, ehe man sie ins Feuer stieß, wie später in den Gaskammern von Auschwitz. Doch weil selbst nach zwanzigjährigem Gemetzel noch Albigenser lebten, zahlte die Kirche nach dem Friedensschluß für jeden lebend oder tot gebrachten „Ketzer“ zwei Silbermark als Prämie.

Kreuzzüge und Glaubenskriege grassieren nun in Europa jahrhundertelang. Auch die Heidenmission im Osten, schon von Karl „dem Großen“ 782 mit der Exekution von 4500 Sachsen eröffnet, wird fortgesetzt. 1147 führt man den Wendischen Kreuzzug. Losung: „Wer sich nicht taufen läßt, soll sterben.“

Im Spätmittelalter morden im Osten die Ordensritter ganze Gegenden aus. Und schließlich liefern einander die Katholiken selber neun Schlachten, da der Papst als „Erbteil der Mutter Gottes“ für sich beansprucht, was auch die Ritter behalten wollen. Mitte des 15. Jahrhunderts fallen einem dreizehnjährigen Krieg des Ordens in Polen 1019 Kirchen und 17.987 Dörfer zum Opfer. 500 Jahre später werden durch den „europäischen Kreuzzug“ (so der katholische Feldbischof der Wehrmacht), durch Hitlers Rußlandfeldzug, den alle deutsch-österreichischen Bischöfe „mit Genugtuung“ verfolgen und Papst Pius XII. als „Verteidigung der Grundlagen der christlichen Kultur“ rühmt, mehr als 1700 Städte und 70.000 Dörfer zerstört sowie 25 Millionen Menschen obdachlos, von den Toten zu schweigen. Über die weiteren Aussichten schreibt Katholik Friedrich Heer: „Ein christliches und kirchliches Vorplanen, Vordenken, Vorbereiten – in Handlangerdiensten – eines neuen Krieges schließt direkt an die Unterstützung des Hitlerkrieges durch die Führungen der bei den Großkirchen an.“

600 Jahre lang verfolgt man die Waldenser, nur weil sie die Bibel ernster nehmen. 1234 treibt Papst Gregor IX. zum Kreuzzug gegen die Stedinger Bauern, die dem Bremer Erzbischof die drückenden Abgaben verweigern. 5000 Männer, Frauen, Kinder werden erschlagen und ihre Höfe durch kirchliche Neusiedler besetzt.

Im frühen 15. Jahrhundert predigen Martin V. und Eugen IV. Kreuzzüge gegen die Hussiten, wobei es auf beiden Seiten zu ungeheuren Greueln kommt, man Katholiken Kreuze, Hussiten Kelche in die Stirnen schneidet, Priester in Pechfässern brät oder am Altar ersticht. Man metzgert ganze Städte leer, brennt Dörfer hundertweise nieder, schon damals die Taktik der verbrannten Erde erprobend. Doch noch nach dem Zweiten Weltkrieg belehrt uns der protestantische Theologe Thielicke: „Christen, die ihren Kriegsdienst unter den Augen Gottes ableisten, haben ihr Handwerk des Tötens immer so verstanden, daß sie es im Namen der Liebe übten!“ Während sein Kollege Künneth 13 Jahre nach „Hiroshima“ erklärt: „Selbst Atombomben können in den Dienst der Nächstenliebe treten.“

Kein Kabarettist ...

1538 ruft Paul III. zum Kreuzzug gegen das abgefallene England auf, dessen „Ketzer“ er samt und sonders versklaven will.

1568 beschließt das spanische Inquisitionstribunal die Beseitigung von drei Millionen Niederländern, die, so steht auf den Hüten der Geusen, „lieber türkisch als päpstlich“ sein wollen. Nachdem Herzog Alba schon viele Tausende ermordet hat, schickt ihm der Papst zur weiteren Aufmunterung einen geweihten Degen, und nun werden unter ausgesuchten Greueln, wobei man Töchter im Blut ihrer Väter erstickt, ganze Städte bis auf das letzte Kind liquidiert.

In Frankreich kommt es 1572 – Schlachtruf: „Es lebe die Messe! Tötet, tötet!“ – in einer Nacht zur Niedermetzelung von 20.000 Hugenotten. Papst Pius V. hatte ihre „Ausrottung“ gefordert, Papst Gregor XIII. veranstaltet aus Freude darüber öffentliche Lustbarkeiten und prägt auf einer Festmedaille einen hugenottenschlachtenden Engel, rückseitig sein eigenes Bild.

Noch nach 1685 verlassen 200.000 Hugenotten Frankreich. Die riesigen Umsiedlungen, Ausbürgerungen, Emigrationen im 20. Jahrhundert haben schon im Mittelalter ihre großen Vorbilder, wo religiöse Nonkonformisten in alle Himmelsrichtungen durch die Länder fliehen, Waldenser, Humanisten, lutherische Sektierer, Erasmianer, Täufer, Sozinianer, Antitrinitarier usw. 1584 stellt Papst Gregor XIII. in der Bulle „In Coena Domini“ die Protestanten auf eine Stufe mit Seeräubern und Verbrechern. Und als man nach dem Dreißigjährigen Religionskrieg des 17. Jahrhunderts, der 40 bis 70 Prozent der beteiligten Völker verschlingt, in totaler Erschöpfung den Westfälischen Frieden schließt, ist es Papst Innozenz X., der feierlich protestiert.

Nur kurz sei hier an die blutige Mission der Kirchen in außereuropäischen Ländern erinnert, in Indien, Afrika, Amerika, dessen Einwohner man zu Millionen, auf Kuba ganz ausgerottet hat, alles natürlich ebenfalls, wie Schopenhauer höhnt, „in majorem Dei gloriam und zum Behuf der Verbreitung des Evangeliums, und weil überdies, was nicht Christ war, auch nicht als Mensch angesehen wurde“.

Das Christentum ist theoretisch die friedliebendste, praktisch die blutrünstigste Glaubensgemeinschaft der Weltgeschichte. Immer wieder haben dies ehrliche Forscher betont. Sicherlich keine Übertreibung nennt der englische Historiker William E. H. Lecky die Feststellung, „daß die Kirche den Menschen ein größeres Maß unverdienten Leids zugefügt hat als irgendeine andere Religion“. Und der deutsche Theologe Bruno Bauer bekennt: „Keine Religion hat so viele Menschenopfer gefordert und auf eine so schmähliche Weise hingeschlachtet als diejenige, die sich rühmt, sie für immer abgeschafft zu haben.“

 

Sie führten Krieg und ließen andere für sich Kriege führen. Sie vernichteten das Heidentum. Sie schufen die Inquisition. Sie betrieben Kreuzzüge gegen Türken und Christen. Doch war es ihnen noch immer nicht genug. Vom 13. bis ins 19. Jahrhundert verbrannte die christliche Kirche Hexen – während man im alten Babylon bloß ihr Bild verbrannt hatte. Primitivster Geisterwahn selbst der berühmtesten Katholiken (Augustinus glaubt fest an Weibern nachstellende Faune; Thomas von Aquin an wetterproduzierende Dämonen; Papst Gregor I. – durch den Beinamen der Großeund den seltenen Titel eines Kirchenlehrers geehrt, den außer ihm nur ein einziger Papst trägt, eine Quelle christlicher Erbauung und „Wissenschaft“ für länger als ein halbes Jahrtausend – füllt vier Bücher mit einem haarsträubenden Unsinn nach dem andern, zum Beispiel mit dem Rapport von jener Nonne, die versehentlich den auf einem Salatblatt sitzenden Satan verschluckt und dergl.: alles bitterernst gemeint!), primitivster Geisterwahn, groteske Teufelspsychose, verdrängte Sexualität und grenzenlose Raffgier brachten nun Millionen Menschen, vor allem Frauen, einen gräßlichen Tod.

Die Päpste Gregor IX., Alexander VI., Leo X., Julius II., Hadrian VI. und viele andere haben an die Existenz von Hexen geglaubt, an Männer und Frauen, wie Innozenz VIII. in seiner „Hexenbulle“ formuliert, „die mit buhlerischen Nachtgeistern sich leiblich vermischen“ zum schwersten Schaden für Erde, Mensch und Tier. So jagte man neben Heiden, Türken, „Ketzern“ nun auch Hexen und schrieb Fanglöhne für eingebrachte Frauen aus – im katholischen Offenburg beispielsweise zwei Schilling pro Stück –, während dreitausend Jahre früher der altbabylonische Herrscher Hammurapi im § 2 der ältesten Rechtssammlung der Welt jeden für unwahre Bezichtigung der Hexerei mit Tod und Konfiskation seines Besitzes bedroht.

Jetzt unterzog man die Opfer schrankenlosen Torturen, zwang Kinder, gegen ihre Mütter, Mütter gegen ihre Kinder auszusagen, erpreßte durch die Folter erlogene Geständnisse und Namen neuer Opfer, aus denen dann wieder neue Namen herausgemartert wurden. Man fesselte die Elenden in unterirdischen Verliesen auf Holzkreuze, schmiedete sie im Freien an Mauern, setzte sie Ratten, jeder Witterung aus und malträtierte selbst die von Geistlichen und Henkersknechten oft halbtot genotzüchtigten Kinder. Man hängte sie in Türmen an Ketten in die freie Luft, ließ sie hungern, frieren, dann am Feuer braten. „Du sollst so dünn gefoltert werden, daß die Sonne durch dich scheint“, hieß eine Hexenformel.

Man muß die Schreie der Unglücklichen hören! Muß lesen, was manche aus den Kerkern schrieben, Frauen an ihre Männer, Väter und Mütter an ihre Kinder: die Beteuerungen der Unschuld, die Abschiede für immer. Man muß das kennen, um zu wissen, daß der Teufel ein Christ, der Christ oft ein Teufel ist oder die Christenheit, wie Kierkegaard sagt, „Satans Erfindung“.

Eine Viehseuche im Erzbistum Salzburg führte 1678 zum Feuertod von 97 Frauen. Der Bamberger Bischof Fuchs von Dornheim mordete um 1630 ungefähr 600 Hexen und Hexer, alle fünf Bürgermeister der Stadt. Sein Vetter, der Würzburger Oberhirte Adolf von Ehrenberg, brachte etwa 1200 Hexen und Zauberer auf den Scheiterhaufen und stiftete dann hl. Messen für ihre Seelen. Erzbischof Johann von Trier liquidierte 1585 so viele Hexen, daß in zwei Dörfern nur zwei Frauen überlebten. „Es geht gewiß die halbe Stadt drauf“, klagt Mitte des 17. Jahrhunderts ein Pfarrer aus Bonn, wo man unter dem Druck des Kölner Erzbischofs Ferdinand von Bayern bereits dreijährige Kinder wegen ihrer „Buhlteufel“ verbrannte.

Überall wurden die Frauen „weggebeizt“ und „weggeputzt“, wie die christlichen Chroniken berichten. „Da wir nun die alten nahezu erledigen und hinrichten ließen“, unterbreitet Landgraf Georg von Darmstadt 1582 seinem Gesandten beim Augsburger Reichstag, „so geht es jetzt an die jungen ...“ Sie warfen hundertjährige Frauen ins Feuer, einjährige Kinder, Krüppel und Blinde, Todkranke und Schwangere, ganze Schulklassen, selbst Geistliche und Nonnen. Die Länder litten schlimmer als durch Kriege. Und jeder, der gegen den Irrsinn aufbegehrte, wurde als „Hexenpatron“ meist selbst „verheizt“ – um einen Naziausdruck zu gebrauchen, den eine lange Kirchenpraxis illustriert. Gab es doch im Bistum Bamberg, Bistum Breslau schon Verbrennungsöfen für Hexen!