Pakt der Drachen - Tatjana Kronschnabl - E-Book

Pakt der Drachen E-Book

Tatjana Kronschnabl

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Beschreibung

Die Kopfgeldjägerin Jael Nova liegt sterbend in der staubigen Wüste Nevadas.

Während eines Auftrags hat man sie überfallen und lebensgefährlich verletzt, nun macht sie sich darauf gefasst zu sterben.

Doch es kommt anders als gedacht. 

Fürst Dragan van Less, ein blutrünstiger Drache wie er im Buche steht, findet sie und rettet ihr gegen ihren Willen das Leben.

Sie hängt an ihrem Leben, doch würde ein Drache es retten, wäre sie vertraglich an ihn gebunden. Und lieber wäre sie in der Hölle verendet, statt im Dienste eines Drachen zu stehen.

Leider nimmt Dragan van Less keine Rücksicht darauf. Und legt ihr die Ketten an...

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Tatjana Kronschnabl

Pakt der Drachen

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Info

Sämtliche Begriffe der Drachensprache sind erfunden. Sollten diese in anderen Sprachen vorkommen, ist dies ein Zufall und es nicht meine Absicht sie zu missbrauchen oder anderweitig umzuwandeln!

 

Drachara (gesprochen Drackara) ist die Sprache und Schrift der Drachen

 

 

 

Anbei finden sich einige russische Worte in den Kapiteln, ich liste diese vorab auf, um das Verstehen zu erleichtern.

 

medved` - Bär

lozhnyy – falsch

net - nein

morda – Schnauze

nikogda ne – niemals

mudak – Arschloch

der'mo – Scheiße

Sspaßiba – danke

da – ja

Ja tjábju ljublju – Ich liebe dich

chelovek – Mensch

Slaboumiye – schwachsinn

Ya ub'yu tebya – ich bringe dich um

Prolog

Sanft spielte der Wind mit ihren feuerroten Strähnen, doch sie nahm es nicht wahr.

Stechender Schmerz zog sich durch ihre Brust, auch, wenn der intensive Geruch von Sonne, Stein und Sand sie kurz abzulenken vermochte.

Ein Knurren kam über ihre Lippen. Die Mittagssonne brannte heiß und erbarmungslos vom Himmel über Nevada, doch auch wenn die junge Frau schwitzen sollte, wurde ihr Körper von Sekunde zu Sekunde kälter.

Der Blutverlust hatte sich nur allzu schnell bemerkbar gemacht. In ihrem Bauch klaffte ein riesiges Loch, welches bei jeder ihrer Bewegungen noch weiter auseinanderriss.

Die Banditen waren wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatten versucht, ihr all ihre Vorräte wegzunehmen. Sie hatte sich erfolgreich dagegen wehren können und hatte sie in die Flucht geschlagen, allerdings nicht, ohne etwas dabei einzustecken. Sie verfluchte sich noch immer für ihre Dummheit. Wie hatte sie die beiden hageren Männer, mitten in der Wüste, auch nicht bemerken können? Ein Stöhnen.

Vermutlich hatten der Hunger und der Durst dafür gesorgt, dass ihr Verstand nicht mehr richtig funktionierte. Tja, hier lag sie nun. Auf dem kochenden, staubigen Wüstenboden, der sich schon vor Stunden tiefrot verfärbt hatte. Naiv wie sie war, hatte sie sämtliches Verbandszeug im Quartier gelassen. Vielleicht sollte sie jetzt einfach die Augen schließen und auf den Tod warten?

Eine andere Option gab es ohnehin nicht. Wenn sie könnte, hätte sie nun geschnaubt. Gewiefte Kopfgeldjägerin von Banditen ausgeraubt und getötet. Ihr guter Ruf war endgültig ruiniert. Gerade als sie beschloss, endlich aufzugeben und in Ruhe zu sterben, wurde ihr verblutender Körper in einen dunklen Schatten getaucht. Auf dem Rücken liegend schlug sie die Augen auf und blickte gen Himmel. Ihre Sicht war verschwommen und die Ohnmacht rückte immer näher, doch der große Schatten am Himmel und die riesigen Flügel erkannte sie dennoch sofort. Es war ein majestätischer Drache, dort oben am Himmel. Die Frau bildete sich ein, die stechend goldenen Augen selbst auf diese Entfernung zu erkennen, doch das konnte nicht sein. Vermutlich war es das, was ihr Unterbewusstsein sehen wollte.

Bitte nicht!, dachte sie, als sie gerade so wahrnahm, wie das riesige und anmutige Geschöpf zu einer Landung ansetzte und sich in einen Menschen verwandelte. Er wollte doch nicht etwa...?

Drachen waren arrogant und herrschsüchtig und bekannt dafür, jeden unter Vertrag zu nehmen, dem sie einen Gefallen taten. Wenn er sie rettete, war das ihr Untergang!

 

 

Kapitel 1

Als Dragan sein Revier – Nevada – nun zum dritten Mal überflog, glaubte er noch immer, dass alles beim Alten war. Hier geschah nie etwas. Weder in der Stadt, noch in der Wüste. Doch je weiter hinaus er flog, desto beklemmender wurde das Gefühl. Er witterte Blut und das nicht gerade wenig. Sollte etwas geschehen sein, war das für diese Gegend wirklich ungewöhnlich. Die Menschen wussten, dass dies hier sein Territorium war, sie vermieden es also in Schwierigkeiten zu geraten. Als nun auch noch karmesinrotes Gestein in sein Blickfeld fiel, hielt er augenblicklich inne.

Inmitten der staubigen Steppe lag der kurvige und zarte Körper einer Frau. In deren Bauch klaffte ein riesiges Loch, doch scheinbar hatte sie den Kampfgeist noch nicht verloren.

Mit zusammengekniffenen Augen sah sie ihm entgegen, die Lippen anscheinend zu einem Seufzen geöffnet.

Schmunzelnd setzte Dragan zur Landung an. Trotz all des Blutes wirkte sie sehr hübsch. Feuerrote, üppige Locken, mandelförmige und bestechend grüne Augen und hohe Wangenknochen. Und trotz des ganzen Blutverlustes war ihre Haut so schneeweiß, als wäre es ihre normale Hautfarbe.

Sehr selten in dieser Gegend. Generell sehr verwunderlich, dass sie noch keinen Sonnenbrand zu haben schien. Als Dragan mit leichten und anmutigen Schritten vor sie trat, drehte sie ihren Kopf langsam zur Seite.

„Hau ab“, flüsterte sie, was erstaunlicherweise immer noch sehr nach einem Knurren klang.Verblüfft hielt Dragan erneut inne. Unentschlossen schob er seine großen Hände in die Taschen seiner ausgeblichenen Jeans, die ihm tief auf den Hüften saß.

„Für einen Suizidversuch sieht mir das ziemlich brutal aus“, kommentierte er so kalt, dass es der Frau eiskalt über den Rücken gelaufen wäre, wäre ihr Körper nicht mit Ausbluten beschäftigt gewesen.

„Ich habe es nicht nötig, mich selbst umzubringen“, fauchte sie und schloss die Augen. „Und nun hau ab, ich will keine Hilfe von einem Drachen.“

Dragans Blut geriet in Wallung als er hörte, wie sie diese Worte förmlich ausspuckte. Ja, mit seiner Abstammung geriet er schnell außer Kontrolle, allerdings wusste er, wann er sich zu beherrschen hatte. Nun jedoch hatte er keine Lust auf Selbstbeherrschung.

„Ich hätte erwartet, dass du mit deinem hübschen Köpfchen nicht so dumm und naiv bist. Aber gut, wenn du sterben willst...“

Er wandte sich halb ab, sah aber wie sich ihre Augen wieder öffneten. Zugegeben, ihre Reaktion war ungewöhnlich. Auch wenn die Menschen es vermieden Hilfe von einem Drachen zu bekommen, so bettelten sie am Ende doch immer darum, wenn es um ihr Leben ging. Nicht so diese Frau. Ein eiserner Wille war in ihren Augen zu erkennen.

„Nein. Ich würde in der Hölle landen und darauf kann ich im Augenblick noch verzichten. Aber wenn du mein Retter sein sollst, schmore ich lieber freiwillig in der Hölle!“

Erneut zog Dragan die Brauen in die Höhe. Ein sehr stures Ding und sehr selbstbewusst. Sie hatte definitiv ihren Reiz. Aber bei Gott, er hätte sie für diese Dreistigkeit gefoltert, wäre sie nicht in diesem Zustand.

„Gut, dann erleide eben einen qualvollen Tod. Aber nimm mir nicht den ganzen Spaß an der Sache“, erwiderte er leichthin und ging nun in die Hocke. Die Empörung stand der Frau ins Gesicht geschrieben, als er mit flinken Fingern begann sie abzutasten. Offenbar verließen sie nun endgültig ihre Kräfte, denn sie brachte keinen Ton über die Lippen. Mittendrin hielt Dragan plötzlich inne.

Unerwartete Sorge keimte in ihm auf, als er Waffen an ihrem Körper ertastete. Was hatte eine schwer bewaffnete Frau bitte in Nevadas Wüsten zu suchen? Noch dazu dem Tode so nahe?

Seine Hand glitt in die Hüfttasche an ihrem Gürtel, aus der er eine kleine Karte zog. Einen Ausweis. Dragan stieß einen Pfiff zwischen den Zähnen aus.

„Eine Kopfgeldjägerin? Das erklärt die Waffen, aber nicht die Verletzung.“Nachdenklich las er die Zeilen auf dem Ausweis.

 

Jael Nova.

Kopfgeldjägerin der Stufe 5,

im System gemeldet.

 

Spezialisiert auf den Nahkampf mit Waffen aller Art.

Fünfundzwanzig Jahre, Stand- und Wohnort unbekannt.

 

Zusätzlich war ein Foto von ihr abgebildet. Auf Dragans Stirn bildeten sich tiefe Furchen. Das Foto kam ihrer Schönheit in Natura nicht annähernd nahe.

„Jael“, sagte er plötzlich leise.

Grüne Augen richteten sich auf ihn und musterten für Sekundenbruchteile seine nackte Brust. Er trug kein Hemd. Nicht, wenn er flog.

„Ich weiß du wirst mich dafür hassen, Kopfgeldjägerin, aber glaub nicht, dass ich dich hier so sterben lasse. Der Tod einer so hochrangigen Jägerin wäre eine wahre Verschwendung.“

Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete Jael, wie der Mann sich über sie beugte. Selbst im Angesicht des Todes sah sie, wie atemberaubend schön dieser Mann war.

Sein rabenschwarzes Haar fiel ihm in sanften Wellen bis zum Kinn, einige Strähnen fielen ihm gerade mitten ins Gesicht. Seine strahlend goldenen Augen mit den schlitzförmigen Pupillen schmälerten sich, als er mit seinem Gesicht ihrem immer näherkam. Jede Kleinigkeit, jedes Detail nahm Jael an ihm wahr. Dichte dunkle Brauen verliehen seinem Gesicht etwas Strenges, ebenso wie seine scharfen Wangenknochen über die sich bronzefarbene Haut spannte.

Von der Sonne geküsst, schoss es Jael durch den Kopf.

Die Lippen des Drachen waren schmal, aber unglaublich sinnlich, mit einem faszinierenden Schwung. Keine Falte war in seinem markanten Gesicht auszumachen, dafür war da dieser undefinierbare Ausdruck in seinen Augen. Jaels Herzschlag beschleunigte sich, wodurch immer mehr Blut durch ihre Adern gepumpt wurde. Dadurch trat der Tod immer näher. Kurz bevor des Mannes Lippen auf ihre trafen, spürte sie seinen heißen Atem im Gesicht. Dann drang ihr sein Duft in die Nase. Herb, feurig, irgendwie erdig und auf verstörende Weise berauschend.

Küss mich endlich!, schrie ein kleiner Teil in ihrem Herzen.

Nein, nein, zum Teufel, nein!, schrie ihr Verstand.

Ihr Tod war besiegelt, als sein Mund auf ihren traf. Nicht ihre Verletzung brachte ihr den Tod, sondern dieser Mann.

 

Kapitel 2

 

Vergnügt vor sich hin pfeifend schlenderte Dragan durch sein Anwesen, in den Händen einen Stapel Papiere. Oh, diese kleine Kopfgeldjägerin hätte noch einen großen Nutzen für ihn!

Just in diesem Moment lag die durchaus eigensinnige Frau in seinem Bett und erholte sich von ihrer schwerwiegenden Verletzung.

Mit seinem Kuss hatte er ihr die Kraft eines Drachen eingeflößt, pulsierend und vor Kraft strotzend. Es würde nur wenige Stunden dauern, bis die äußerliche Wunde verheilt war.

Für einen kurzen Moment schweifte Dragan mit den Gedanken ab. Unerwarteterweise hatte die Frau all ihre letzte Kraft in den Kuss gelegt, den sie eigentlich hatte abwehren wollen. Trotzig hatte sie ihm mit voller Wucht auf die Lippe gebissen, dann als Wiedergutmachung mit der Zunge darüber geleckt. Daraufhin war in Dragan etwas zum Leben erwacht. Knurrend hatte er sie gepackt um den Kuss zu vertiefen, doch das daraufhin ausgeschüttete Adrenalin in ihren Adern war wohl zu viel des Guten gewesen. Ihr Körper war erschlafft und sie war bewusstlos geworden.

Schmunzelnd kehrte der Mann ins Hier und Jetzt zurück. Das versprach auf jeden Fall interessant zu werden.

Er hatte auf jeden Fall schon Pläne mit der Frau. Er war gerade auf dem Weg zu ihr, deshalb die Papiere. Ihm verdankte sie sein Leben und dafür hatte sie sich erkenntlich zu zeigen! Doch es kam anders als gedacht. Als Dragan – ohne zu klopfen – die Tür zu seinem Schlafzimmer öffnete, blieb er erst einmal wie vom Blitz getroffen stehen. Dann duckte er sich, um einer steinernen Buchstütze auszuweichen. Mit einem dumpfen Knall schlug sie ein Loch in die dahinter liegende, braun gestrichene Wand. Putz bröselte zu Boden.

Als ob nichts gewesen wäre, saß die rothaarige Frau mit verschränkten Armen auf seinem Bett. Nur das Chaos um sie herum zeugte von ihrer Wut.

Sein großer Spiegel, der in der Ecke des Zimmers gestanden hatte, war zertrümmert worden, ebenso wie seine massiven Holzschränke und Kommoden, deren Trümmer überall auf dem Boden verteilt lagen. Seine Vorhänge und Klamotten waren zerrissen worden und die Matratze seines riesigen Himmelbettes aufgeschlitzt. Verdammt, er hätte ihr besser die Waffen abgenommen!

Die Situation und der Anblick waren schon verstörend genug, das Grausamste an alldem war und blieb jedoch der ausdruckslose Gesichtsausdruck der Frau.

„Es wird keinen Vertrag geben“, verkündete Jael so kalt, dass sich Dragans Nackenhärchen aufrichteten. Dragan trat näher, auch wenn er die zuckenden Finger der Frau bemerkte.

„Der Vertrag ist gültig und das weißt du“, erwiderte er nun, ebenfalls darum bemüht ausdruckslos zu klingen. Doch er hatte bereits jetzt schon Probleme damit, sein Temperament zu zügeln. Die Ruhe vor dem Sturm war schlussendlich vorbei als Jael plötzlich fauchend aufsprang und mit der Faust ausholte.

„Ich habe deine gottverdammte Hilfe nie gewollt! Zum Teufel mit dir, Drache, hör auf über mich bestimmen zu wollen. Ich würde mich dir schon erkenntlich zeigen, wärst du nicht so ein arrogantes und hochmütiges Arschloch!“, schrie sie.

Bumm, ihre knochenharte Faust traf ihn in der Magengrube.

„Jetzt halt mal die Luft an, du Rotzgöre“, donnerte Dragan und krümmte sich.

Himmel, was hatte diese Frau vielleicht für eine Kraft. Sie holte bereits erneut aus, doch dieses Mal sah er den Schlag kommen.

Blitzschnell richtete er sich auf, dann fing er ihren Arm ab und verdrehte diesen mit einem Ruck. Zischend gab Jael nach, doch noch war Dragan nicht zufrieden. Er zog sein Knie an und drückte zu, wodurch Jael sich nicht mehr halten konnte und mit einem Rumpeln auf dem Boden landete.

„Wärst du wirklich so dumm gewesen und hättest dein Leben einfach so weggeworfen?“, brüllte der Mann. Jael hielt zwar kurz inne, doch dann begann der Sturm erst recht zu toben. Keine Ahnung wie, doch sie schaffte es tatsächlich, eines ihrer Taschenmesser zu zücken und damit nach ihm zu schlagen. Sie erwischte ihn an der Wange, wenn auch nur leicht. Als Blut aus dem hauchfeinen Schnitt quoll, ließ Dragan erschrocken von der Frau ab. Kein einfacher Mensch hatte es je geschafft, ihm so nahe zu kommen. Geschweige denn mit einer Klinge!

„Nein, verdammt!“, zischte Jael und atmete tief durch, um sich aufrichten zu können. „Aber lieber wäre ich durch diese Verletzung gestorben, als durch einen eingebildeten Drachen“, fügte sie flüsternd an. Dragan zog die Brauen hoch, als ein Gedanke in ihm aufkam.

So stolz!

Plötzlich wurde es still. Als Jael ihn mit großen Augen ansah, wurde ihm klar, dass er das laut ausgesprochen haben musste.

„Warum hast du mich gerettet, Drache?“, fragte sie und erhob sich langsam. Lange Zeit lang antwortete der Mann nicht. Er sah sie einfach nur an, auch, als Jael sich dazu durchrang das Blut von seiner Wange zu wischen. Irgendwann gelang es Dragan, mit den Schultern zu zucken.

„Zum Teil, aus Eigennutz. Und weil du mich beeindruckst“, murmelte er und kehrte ihr, irgendwie peinlich berührt, den Rücken.

Seufzend trat die Frau zurück. Sie wusste, dass sie diesem Mann schon viel zu nahe gekommen war.

„Ich bin dir wirklich dankbar dafür, dass du Erbarmen mit mir hattest. Aber gefangen zu sein durch einen Vertrag, kann ich nicht ertragen. Sag mir, was du dir von diesem Vertrag erhoffst, dann lasse ich es mir vielleicht durch den Kopf gehen“, erklärte sie leise.

Jael wurde völlig überrumpelt als Dragan plötzlich herumwirbelte und sie mit seinen Armen an der Wand festnagelte. Sein steinerner Griff machte ihr unmissverständlich klar, wie stark er eigentlich war. Sie zappelte unter seinem Griff, doch es war zwecklos.

Kein Millimeter trennte sie von der Wand.

„Ich will dich Jägerin“, knurrte er düster, worauf Jael erschauerte. „Eine so hochrangige Kopfgeldjägerin wie du, ist mehr wert als ein Sack voller Gold. Ich habe einiges mit dir vor. Und deine Sorge ist unbegründet.“

Als er seine Lippen an ihr Ohr legte, verkniff sie es sich, ihm erneut die Faust in den Magen rammen zu wollen.

„Ich werde höchstpersönlich dafür sorgen, dass dir nichts geschieht.“

Die letzten Worte hallten noch lange in ihren Ohren nach, weshalb es ihr nun wirklich reichte. Mit roher Gewalt stieß Jael den Drachen zurück.

„Ich will weder beschützt werden, noch in deinem Dienst stehen!“, brüllte sie. „Und wer bist du überhaupt? Ich kenne nicht einmal deinen Namen.“

Plötzlich kippte die Stimmung, allerdings in eine unerwartete Richtung. Der Drache schien sich zu amüsieren, der Schalk blitzte in seinen Augen und seine Mundwinkel zuckten. Gelassen trat er einen Schritt zurück, um sich dann elegant vor ihr zu verbeugen.

„Mein Name ist Dragan van Less“, hauchte er mit seiner tiefen, bassreichen Stimme.

Erneut erschauerte Jael. So ein verdammter Mist, was hatte er nur mit ihr angestellt? Sie fühlte sich wie hypnotisiert.

Ein Drachenfürst?, dachte sie dann verblüfft. Drachen an sich waren schon seltene Geschöpfe. Auf der ganzen Welt lebten vielleicht nur an die fünfhundert, dann auch noch einem Fürsten von ihnen zu begegnen, konnte nun als gutes oder schlechtes Omen gedeutet werden.

„Dragan“, wiederholte Jael nun mit Spott in den Augen. „Ein wahrlich passender Name, wenn auch ein wenig einfallslos von deinen Eltern, nicht wahr?“

Als der Mann plötzlich seine Hand hob und diese in rasender Geschwindigkeit auf ihr Gesicht zu raste, schaffte Jael es gerade noch rechtzeitig, diese mit bloßer Hand abzufangen. Mit aller Kraft hielt sie nun sein Handgelenk umklammert. Sie sah den Sturm in seinen goldenen Augen toben und bereute es augenblicklich, diesen unbedachten Kommentar ausgesprochen zu haben. Immerhin wusste sie nicht auch nur eine Kleinigkeit über diesen Mann. Doch nach einigen Augenblicken bemerkte auch Dragan, dass er falsch reagiert hatte. Jaels klammernder Griff machte ihm schlagartig klar, dass er tatsächlich die Beherrschung verloren hatte.

„Ich hätte nicht erwartet, dass du Frauen schlägst“, murmelte die Frau.

Und sie meinte es auch genau so. Dieser Mann wirkte wie ein Verführer, der einer Frau – hatte sie ihn erst einmal in der Hand – zu Füßen lag. Benommen und mit glasigem Blick ließ Dragan seine Hand sinken.

„Verzeih mir. Ich habe mein Blut und Temperament nicht immer unter Kontrolle“, nuschelte er.

Diese plötzlich sanfte und verletzliche Seite zu sehen, warf die Frau völlig aus der Bahn und berührte einen Teil ihres Herzens, den sie verloren geglaubt hatte. Vielleicht, aber nur vielleicht, würde sie der Tod doch nicht zu fassen kriegen.

„Ich werde es dir beibringen“, entschied sie kurzerhand, auch wenn sie selbst nicht so genau wusste, ob das auch der Wahrheit entsprach. Sie sah den schockierten Ausdruck in seinen Augen und beschloss, das Thema zu wechseln. Sie räusperte sich und deutete auf das verteilte Papier auf dem Boden, das sich über die Trümmer ausgebreitet hatte.

„Was für Vereinbarungen hast du geplant, mit mir zu treffen?“

Diese Worte retteten die Situation. Dragan riss sich zusammen und machte sich schleunigst daran, die Papiere aufzulesen.

„Wie fühlst du dich? Kannst du dich wieder ausreichend bewegen?“, fragte er währenddessen.

Jael zog die Brauen hoch. Die Kraft, die der Mann ihr eingeflößt hatte als sie im Sterben lag, hatte ihre Wunde so unglaublich schnell heilen lassen, dass nur noch eine sternenförmige, explosionsartige Narbe übergeblieben war. Und wäre sie noch immer nicht fit genug, hätte sie auch jetzt noch in seinem monströsen Bett gelegen und geschlafen.

„Könnte ich mich sonst verteidigen?“, stellte sie leise die Gegenfrage.

Kopfschüttelnd richtete Dragan sich auf. Hastig stürmte er aus dem Raum.

„Lass uns ins Arbeitszimmer gehen“, murmelte er. „Dort herrscht kein Chaos...“

 

Mit zittrigen Fingern breitete Dragan die Papiere vor der Kopfgeldjägerin aus. Er war völlig durcheinander, diese Frau brachte ihn wirklich mit allem aus dem Konzept.

Nie wagte es jemand, sich gegen ihn aufzulehnen. Er duldete keine Widerworte und auch keinen Protest. Diese Frau hatte viele Facetten, das verwirrte Dragan nur noch mehr. Dass sie es dann auch noch wagte seine Eltern in den Mund zu nehmen, hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Vorsicht und der Argwohn in ihren Augen waren nachvollziehbar für ihn, dennoch verunsicherte ihn ihre Gestalt. Er fühlte sich schwach und angreifbar, dies zusammen mit seinem Temperament war eine explosive Mischung. Ein plötzlicher Schlag im Schreibtisch, riss ihn aus den Gedanken. Zwischen seinen gespreizten Fingern steckte eine Klinge, die wackelte und noch immer leise surrte.

Doch erneut saß Jael ihm regungslos gegenüber.

„Würdest du dich mal zusammenreißen? Mit einem Weichei will ich nichts zu tun haben. Es tut mir leid, wenn ich etwas Falsches gesagt habe, okay? Aber sei jetzt bitte wieder dieser arrogante Mann, den ich so hasse“, sagte sie kalt. Mit Rücksicht hatte Jael diese Worte ausgesprochen, was bei Dragan – Gott sei Dank – für zuckende Mundwinkel sorgte.

„Verzeih. Da war etwas, das mich wieder eingeholt hat“, sagte er mit einem falschen Lächeln auf den Lippen. Dann wurde er ernst.

„Nun gut, mit dem Kuss wurde der Vertrag schon längst besiegelt. Dann lass uns jetzt über die Einzelheiten sprechen.“

Jael setzte ein Gesicht auf welches klar machte, welch knallharte Verhandlungspartnerin sie war.

„Also, was verlangst du?“, wollte sie wissen. Dragan lehnte sich zurück.

„Deine Arbeit. Arbeite eine Zeit lang für mich und wir sind quitt“, erklärte er.

Jael zog eine einzelne Braue hoch.

„Ich jage und töte die, deren Namen du mir nennst?“

Ein Nicken.

„Wie lange?“, fragte sie dann.

„Solange, bis ich zufrieden bin.“

Ein Befehl, keine Bitte. Eine Kampfansage in den Augen der Frau.

„Und wenn das niemals der Fall ist?“, grummelte sie. Ein arrogantes und mehr als männliches Lächeln stahl sich auf seine Lippen.

„Dann ist das ganz allein dein Problem.“

Damit gab die Frau sich in der Tat zufrieden. Dennoch...

„Mein Lohn?“, verlangte sie zu wissen.

„Du lebst noch. Das allein ist dein Lohn“, knurrte Dragan düster.

„Für all meine Mühen die folgen werden, sehr wenig“, widersprach Jael. Dragans Mundwinkel zuckten erneut.

„Du wirst hier leben, hast freien Zugang zu Speisen und Getränken und unterstehst meinem Schutz. Ist dir all das nicht genug?“

Jael lehnte sich ebenfalls zurück.

„Ich bin nur schwer zufrieden zu stellen und noch schwerer zu bändigen. Ich hoffe du weißt, worauf du dich da einlässt!“

Wäre es keine so ernsthafte Situation gewesen, hätte Dragan nun angefangen schallend zu lachen.

„Oh, ich weiß ganz genau was ich tue. Die Frage ist eher, ob du es weißt. Ich frage mich noch immer, warum du mit einem Loch im Bauch mitten in der Wüste gelegen hast. Erklärst du es mir?“

Ein neugieriger Ausdruck war in seine goldenen Augen getreten, weshalb Jael ganz genau überlegte, ob und was sie darauf antworten sollte.

„Es war ein Hinterhalt“, antwortete sie schließlich. Es blieb das Einzige, was sie dazu sagte. Mehr musste Dragan nicht wissen. Es war ihr ohnehin schon unangenehm genug. Der Mann zog zurecht seine Augenbrauen hoch, doch die Frau schwieg auch weiterhin. Er dachte sich seinen Teil. Wenn es ein Hinterhalt gewesen war – wenn sie denn die Wahrheit sagte – mussten es mehrere gewesen sein.

Dragan war sich ziemlich sicher, dass Jael sich gut verteidigen hätte können, wäre es eine einfache Situation gewesen.

„Dragan.“

Als die Frau ihn aus den Gedanken riss, sah er, dass sie ihn bekümmert anblickte.

„Kann ich nicht einfach so in deinem Dienst stehen? Muss der Vertrag wirklich sein?“, fragte sie leise.

„Bist wohl nicht gerne gebunden, was?“, murmelte Dragan und schob ihr einen Stift zu. „Du wirst es nicht merken, keine Sorge. Und ich lasse dich erst einmal ein paar Tage in Ruhe, damit du dich hier einleben kannst.“

Schluckend nahm Jael den schmalen Füllfederhalter. Durch den Kuss war der Vertrag schon längst gültig, das wusste sie, mit ihrer Unterschrift wurde er jedoch für alle sichtbar. Das würde auf jeden Fall Ärger geben.

„Ich habe nur eine Bedingung“, meinte sie, als sie die Feder ansetzte. Dragans Augen schmälerten sich, er war ganz Ohr, blieb aber misstrauisch.

„Wenn ich jetzt unterschreibe“, begann sie gedehnt, wodurch sie es spannend machte. Zwischen ihren tiefschwarzen Wimpern hindurch sah sie ihn an und etwas in ihrem Blick hätte beinahe dafür gesorgt, dass Dragan sie gepackt und an sich gezogen hätte. Dieser Ausdruck in ihren Augen erinnerte ihn an... Verlangen. Immer schneller raste sein Herz, bis sie endlich fortfuhr.

„Stellst du dich mit mir zusammen all dem Ärger, den du mir verursachst.“

Dragan blinzelte.

„Abgemacht“, sagte er, damit sie endlich die endgültige Unterschrift setzte. Doch augenblicklich bereute er es.

„Aber was meinst du damit?“, fragte er, fast schon ein wenig unsicher, als Jael in einer sauberen und geschwungenen Handschrift ihren Namen auf das Papier setzte. Ein grimmiges Lächeln umspielte dabei ihre Mundwinkel.

„Du weißt doch, dass ich im System gemeldet bin. Ich habe Chefs und Anweisungen. Da ich nun in deiner... Schuld stehe, bist du derjenige, der der Chefetage diesen Vertrag erklären darf. Du hast meine Bedingung akzeptiert, also mach dich fertig und begleite mich zum Hauptsitz der Organisation.“

Langsam wurde Dragan klar, worauf er sich da wirklich eingelassen hatte. Schon viele Frauen und Männer hatte er unter Vertrag genommen, doch nicht ein einziger dieser Menschen war ein Kopfgeldjäger gewesen. Erst recht keine Jägerin wie Jael. Die Frau erkannte den unschlüssigen Ausdruck in seinen Augen und zeigte nun ein freundlicheres Gesicht. Ein siegessicheres Lächeln hatte sich auf ihre Lippen gestohlen.

„Sag bloß, du bereust es jetzt doch?“, hauchte sie verheißungsvoll, worauf sich Dragans Augen verdunkelten.

„Niemals“, knurrte Dragan und erhob sich entschieden. „Also gut, ich werde dich begleiten. Aber auf deine eigene Verantwortung.“

 

 

 

Kapitel 3

 

Etliche Kilometer von Nevadas Wüsten entfernt, stiegen Dragan und Jael aus dem Flieger.

„Ich wusste nicht, dass eure „Verwaltung“ in Seattle liegt“, murmelte der Mann und rieb sich die Schläfen. Nur einige wenige Male hatte er in einem Flugzeug gesessen. Dies war das erste Mal, dass es nicht freiwillig geschehen war. Er hatte eigentlich selbst herfliegen wollen, mitsamt Jael, doch die hatte sich geweigert und ihm klar gemacht, dass wenn sie schon flog, dies nur in einem Flugzeug tun würde. Eine hitzige Diskussion war zwischen ihnen entbrannt, doch am Ende hatte die Frau gewonnen.

„Der Standort der Zentrale ist geheim. Früher oder später hättest du es aber ohnehin erfahren. Du bist ja jetzt mein...“

Sie unterbrach sich, denn das Wort „Meister“ wollte ihr partout nicht über die Lippen kommen. Zu gruselig war dieser Gedanke.

Nein, diese Tatsache!

Die beiden machten sich mittels öffentlicher Verkehrsmittel auf den Weg in die Stadt, wobei die Menschen deutlichen Abstand zu Dragan hielten. Keine Frage, als Drache war er bekannt, doch er selbst nahm die Reaktion der Menschen kaum noch wahr. Dass Jael in Begleitung dieses Mannes war, sorgte für Gesprächsstoff. Offenbar war den Menschen sofort klar, dass sie sein neues kleines Spielzeug war. Seine Sklavin, mit der er wohl noch öfter seinen Spaß haben würde.

Eine unbändige Wut keimte in Jael auf, die sie vergeblich versuchte wieder zu schlucken. Um den Zorn nicht nach außen dringen zu lassen, setzte sie ihre ausdruckslose Maske auf, auf die sie auch in ihren Kämpfen zurückgriff. Oder in ihrem Privatleben. Auf dem Weg durch die Stadt bemerkte sie nicht, wie Dragan sie immer wieder musterte und versuchte, sie zu durchschauen. Hier, mitten in der Stadt, wirkte ihre Erscheinung gänzlich anders als in seinem Reich. Ihre Ausstrahlung wirkte mächtig, doch alles an ihr war so kalt, als wäre sie aus Eis. Keine Gefühlsregung war in ihrem Gesicht auszumachen, lediglich etwas Unberechenbares blitzte hin und wieder in ihren grünen Augen auf.

In diesem Augenblick wurde ihm klar, dass er absolut nichts über Kopfgeldjäger oder deren System wusste. Er wusste, dass Kopfgeldjäger aufgrund ihrer grausamen Vorgehensweise gefürchtet waren und sie, je nach Talent und Stärke, höhergestuft wurden, aber alles andere war geheim.

„Erzähl mir etwas über euch“, verlangte er also, wie aus dem Nichts heraus. Jael würdigte ihn keines Blickes, sah lediglich kurz gen Himmel, der immer dunkler wurde und ein Unwetter ankündigte.

„Nein. Es gibt nichts, was du wissen musst. Wir Kopfgeldjäger sind aufs Beobachten, Jagen und Töten spezialisiert, mehr gibt es da nicht zu sagen“, erwiderte sie düster.

Dragan erkannte Schmerz in ihren Augen, bohrte aber nicht nach. Sie kannten sich nicht. Vertrauen gab es nicht zwischen ihnen.

Dragan bekam keine Gelegenheit mehr etwas darauf zu erwidern, denn die Frau betrat plötzlich ein riesiges Bürogebäude, das komplett aus Stahl und Glas bestand. Hier sollten die mächtigen Köpfe sitzen? Unmöglich, dafür war hier alles zu unauffällig!

Dragan folgte ihr und entdeckte einen riesigen gläsernen Empfangstisch, hinter dem eine kleine und zierliche Brünette saß, die beim Klang Jaels energischer Schritte aufsah. Als die gebräunte Frau den Mann an ihrer Seite sah, wurde sie leichenblass.

Sie versuchte dennoch ihr Gesicht zu wahren und setzte eine professionelle Miene auf.

„Miss Nova, Sie wissen, dass es nicht erlaubt ist, Außenstehende mit hierher zu bringen“, sagte sie überraschend streng. In Jaels Gesicht zeigte sich noch immer keinerlei Regung.

„Es handelt sich um einen Notfall. Ich muss jemanden aus der Chefetage sprechen“, erwiderte sie kalt.

„Eigentlich ist das nicht möglich, aber ich werde sehen, was sich tun lässt“, murmelte die Brünette und begann sofort, die Tastatur ihres PCs zu bearbeiten. Nach wenigen Augenblicken sah sie auf. Dragan erkannte einen Hauch von Angst und Unsicherheit in ihren Augen.

„Mister Dubois ist im Augenblick frei. Aber auch nur für ein paar Minuten“, verkündete sie. „Gehen Sie hoch, ich werde ihm Bescheid geben.“

Nun endlich tat sich etwas in Jaels Gesicht. Aufgebracht und mit einem genervten Raunen strich sie sich die Haare nach hinten.

„Ausgerechnet Dubois“, maulte sie und stapfte auf einen von zwei Aufzügen zu. „Bringen wir's hinter uns“, rief sie Dragan über die Schulter zu. Zwei Minuten später, im Aufzug und auf dem Weg in den sechsundachtzigsten Stock, wandte Dragan sich an die Frau.

„Was stimmt nicht mit diesem Dubois?“, wollte er neugierig wissen.

Jael warf ihm einen Seitenblick zu und legte sich dabei einen Finger auf die Lippen. Dragan verstand den Wink. Offenbar gab es Wanzen und Kameras. Für eine Organisation wie diese nicht verwunderlich. Erstaunlich, dass ihm bis jetzt noch keine weiteren Sicherheitsvorkehrungen ins Auge gefallen waren.

Du wirst es noch früh genug erfahren, dachte Jael insgeheim.

Sie mochte es nicht zugeben, doch langsam kroch ihr die Angst kalt das Rückgrat hinauf. In der gesamten Geschichte dieses Systems, war ihr nicht ein Fall bekannt, bei dem ein Kopfgeldjäger einem Drachen unterstand. Sie konnte nicht abschätzen, wie die Reaktion einer der obersten Köpfe ausfallen würde. Dubois war für seine Grausamkeiten bekannt, ein tobender Wutanfall war also gar nicht so unwahrscheinlich. Als die Türen des Fahrstuhls nahezu geräuschlos aufglitten, trat Jael mit erhobenem Kinn hinaus. Dragan war noch immer beeindruckt. Die Ausstrahlung der Frau konnte sich innerhalb von Sekundenbruchteilen gänzlich ändern. Ab und zu mochte das bei ihm genauso sein, doch niemals konnte er ein so ausdrucksloses Gesicht aufsetzen, wie diese Jägerin.

Für den Bruchteil einer Sekunde fragte er sich, ob diese Fähigkeit einer der Gründe dafür war, dass sie zu einer Kopfgeldjägerin geworden war. Generell war das eher eine Männerdomäne.

Vielleicht hatte sie sich in ihrem Leben schon oft behaupten müssen? Dragan stellte fest, dass er mehr Interesse an dieser Frau hatte, als er haben dürfte. Vielleicht ein Fehler?

Es dauerte nur wenige Augenblicke, da standen die beiden vor einer massiven Stahltür. Am Türrahmen war ein kleiner Bildschirm mit einem Tastenfeld und einem Lautsprecher befestigt. Offenbar war auch eine Kamera eingebaut, denn noch bevor Jael klopfen konnte, blinkte ein grünes Licht und die Tür öffnete sich wie von Geisterhand. Schnellen Schrittes betraten die beiden den Raum, welcher sich als Büro entpuppte. Dragans Pupillen schmälerten sich, als er den korpulenten Mann mittleren Alters hinter dem massiven Mahagonitisch erfasste. Mit seiner Glatze, dem dunkelgrauen Anzug und den glanzlosen braunen Augen wirkte er so langweilig, wie ein Kleinstadtpsychopath. Doch der Eindruck täuschte, wie er sogleich feststellen musste.

Seine Augen schienen dunkler zu werden vor Zorn und sein Gesicht färbte sich langsam aber sicher rot.

„Meine liebe Miss Nova“, begann er verdächtig ruhig, mit einer unglaublich melodischen Stimme, die Kinder in den Schlaf hätte singen können. „So sehr ich auch auf Ihre rebellische Art stehe, aber ich dachte in Ihrem hübschen Köpfchen wäre klar, dass Außenstehende hier keinen Zutritt haben?“

Die Anspielung auf ihr hübsches Äußeres ließ Dragan eine Braue hochziehen. Damit hatte er gewiss nicht gerechnet. Jael hingegen schon, denn sie ignorierte es. Tief einatmend senkte die Frau die Stimme.

„Ich hätte Fürst van Less nicht hergebracht, wäre es keine dringende Angelegenheit.“

Dragans Miene verhärtete sich. Mit seinem offiziellen Titel war eigentlich alles gesagt. Schon brach der Sturm über sie herein. Mit dem Arm fegte Dubois all seine Unterlagen vom Tisch, dann sprang er auf und griff über den Tisch hinweg, um Jael am Kragen zu packen und an sich zu ziehen.

„Ich hoffe für Sie, dass der Fürstentitel keine weitere Bedeutung hat!“

Sein heißer Atem schlug Jael ins Gesicht und ließ sie erschauern. Seine Hand in ihrem Nacken machte es auch nicht besser. Besitzgier stieg in Dragan auf, weshalb er einschritt. Er nahm Jaels Hand und zog sie mit einem Ruck zurück. Knurrend umschlang er mit einem Arm ihren Leib.

„Bei allem Respekt Ihnen gegenüber, Sir, aber ich verbitte mir diesen Umgang mit meiner Untergebenen.“Totenstille.

„Dragan!“, fauchte Jael dann leise und versuchte vergeblich, sich von seinem Arm zu befreien. Stattdessen legte er seine Hand seitlich an ihren Hals, spreizte seine Finger und strich mit dem Daumen über ihr Kinn. Der Druck, den er dabei ausübte, zwang sie, den Kopf in den Nacken zu legen. Leicht beugte der Mann sich über sie.

„Ich habe dir mein Wort gegeben, Jael“, raunte er so leise, dass nur sie es verstand. „Dir wird nichts geschehen. Niemand kommt dir ab sofort mehr zu nahe.“

Außer sich vor Wut beobachtete Dubois die groteske Szene, die sich ihm bot. Auch Jael wurde das Ganze zu viel, endgültig stieß sie Dragan von sich.

„Lass den Unsinn“, keifte sie leise und räusperte sich, um sich dann wieder an den Mann hinter dem Schreibtisch zu wenden.

„Es gab einen Vorfall, als ich unterwegs war“, begann sie sachlich. „Ich wurde aus dem Hinterhalt angegriffen und schwer verwundet. Hätte er mich nicht gefunden, dann...“

Wieder wurde es ruhig und um Dubois klar zu machen, dass Jael kein Objekt für seine Gier und Lust war, hob Dragan wieder die Hand, um sie an Jaels Wange zu legen. Ansehen tat er sie dabei aber nicht.

„Die Wunde war tödlich. Hätte ich sie nicht gefunden wäre sie einen qualvollen Tod gestorben“, beendete er für Jael die Tatsachen.

Die Frau verdrehte die Augen. Qualvoll? Nun ja, verbluten war vielleicht nicht angenehm, aber qualvoll fand sie gänzlich andere Dinge. Nämlich Dragans atemberaubende Schönheit. Sie wollte ihn küssen und das, obwohl sie ihn hasste.

„Und das ist Grund genug für Sie, eine unserer besten Jägerinnen, nur für Ihr Amüsement, unter Vertrag zu nehmen?“, polterte Dubois und kam auch schon um den Schreibtisch herum. Ehe etwas geschehen konnte, drängte Jael sich zwischen die beiden Männer.

„Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Wir müssen Regeln aufstellen“, bat Jael ruhig und sah erst Dubois an, dann Dragan.

Nachdenklich spielte der Drache mit dem Haar der Frau.

„In meinem Dienst wirst du viel zu tun haben. Ich an deiner Stelle, würde mich freistellen lassen“, schlug er vor. Schnaubend schüttelte Dubois den Kopf.

„Kein Jäger wird einfach so freigestellt. Dafür ist ihre Arbeit viel zu wichtig!“

Ein böses und listiges Funkeln trat in Dragans Augen.

„Sind Sie sicher, dass Sie sich mit einem Drachen anlegen wollen, Sir?“, grummelte er.

Der Mann vor ihm wurde blass, weshalb Jael erneut einschritt.

„Ich mache Ihnen einen Vorschlag“, begann sie. „Wann immer ich Zeit habe, werde ich mir meine Aufträge abholen. Ansonsten ist der Kontakt zu mir unterbrochen, einverstanden?“

Erneut wurde es still.

Jäger und Jägerinnen erteilten weder Befehle, noch stellten sie Regeln auf. Dies war einzig und allein den obersten Köpfen genehmigt. Doch dies war eine Ausnahmesituation, in der Dubois bedacht zu reagieren hatte. Einiges an Stress kam auf ihn zu.

Niemals durfte nach außen gelangen, was mit und zwischen den beiden geschehen war. Möglich war dies nicht, dessen war sich der Mann bewusst. Doch darüber würde er sich in Ruhe Gedanken machen müssen. Nun galt es erst einmal, alle Regeln zu vereinbaren.

„Setzen Sie sich“, wies er die beiden an und deutete auf die beiden freien Stühle, die vor dem Schreibtisch standen. Auch Dubois ließ sich wieder in seinen Sessel sinken. Die hervorgetretene Ader an seinem Hals zeugte aber davon, wie sauer er in Wirklichkeit war.

„Sie werden bei Fürst van Less unterkommen, nehme ich an?“, fragte er wieder verdächtig ruhig und wies auf den Mann an ihrer Seite. Auch Jael warf diesem einen kurzen Blick zu.

„Ich befürchte ja“, murmelte sie, worauf sie einen durchaus zufriedenen Ausdruck auf Dragans Gesicht ausmachen konnte.

„Ich werde noch heute meine Sachen packen und sie zu ihm bringen“, sagte sie dann leise.

Dubois schnappte sich ein paar Unterlagen, in Dragans Augen offenbar mehrere Formulare, und einen Stift, den er dann ansetzte.

„Ich muss wissen, wo sich ihr Hauptsitz befindet“, meinte er an den Drachen gewandt und sah diesen streng an. Verblüffenderweise verzog er nun das Gesicht.

„Ihnen ist schon klar, dass der Hort eines Drachen geheim ist, oder?“, brummte er düster.

In Dubois Augen funkelte es und Jael wäre glatt auf den Gedanken gekommen, dass er seinen Spaß an der Situation gefunden hatte. Seltsamerweise.

„Der Sitz dieses Gebäudes ist streng genommen auch geheim und dennoch sitzen Sie nun hier. Wenn Sie diese Frau wirklich wollen, werden Sie wohl mehrere Risiken eingehen müssen“, kam es aalglatt zurück. Das hatte gesessen. Auch bei Jael. Empört über diese Äußerung sprang sie auf, doch keiner der beiden Männer beachtete sie. Stattdessen begann ein Schlagabtausch zwischen den beiden, der bei der Frau für Irritation sorgte.

„Was, wenn mir diese Frau schon längst gehört? Ich frage mich, wer hier wirklich die Fäden in der Hand hält. Das System der Kopfgeldjäger oder ich, ein Drachenfürst?“, fragte Dragan herausfordernd. Dubois wusste, dass die richtige Antwort die Letztere war.

Drachen waren nicht umsonst so gefürchtet. Es war ein richtiges Wunder, dass diese Wesen die Herrschaft über die Menschen noch nicht an sich gerissen hatten. Doch vielleicht hielt sie ja etwas davon ab?

Jael verlor so langsam die Geduld, weshalb sie mit der Faust auf den Tisch schlug und Dragan anfauchte.

„Nur damit das klar ist, ich gehöre niemandem, auch nicht dir! Und wir wissen alle ganz genau, wer und was du bist, also lass diesen Unsinn und beantworte ihm seine Fragen, damit wir endlich von hier verschwinden können!“

Auf ihren Ausbruch hin wurde es mucksmäuschen still in dem kleinen Raum. Empört sah Dubois sie an, doch Jael hatte die Delle und die hauchfeinen Risse im Holz des edlen Schreibtisches noch immer nicht bemerkt. Und selbst wenn, es wäre ihr egal gewesen.

Was ließ dieser Mann sich auch auf die Spielchen des Drachen ein? Dragan fing plötzlich an zu lachen und lehnte sich zurück.

„Du bist eine richtige Spaßbremse, nicht wahr?“, stichelte er und wandte sich mit herablassendem Blick wieder an den fülligen Mann ihm gegenüber.

„Meinetwegen, machen wir weiter. Was wollen sie noch wissen?“

Schnaubend nahm Jael ein bisschen Abstand von der Situation. Sie wich zurück und ging in lauernden Schritten auf und ab, im Rücken von Dragan immer hin und her. Dadurch fühlte er sich beobachtet und ja, auch ein bisschen wie die Beute. Doch er und auch Jael wusste, dass sie ihm nicht wirklich gefährlich werden konnte.

„Ich bräuchte Ihr Alter, Ihr Regentschaftsgebiet und die Absichten hinter Ihrem Vertrag. Zudem brauchen wir eine Versicherung Ihrerseits, damit wir sicher sein können das unserer Jägerin nichts passiert. Außerdem rate ich Ihnen, nichts an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Wenn herauskommt, dass diese Frau in Ihrem Dienst steht, ist das Ansehen unserer Organisation völlig ruiniert und sollte das je der Fall sein, schwöre ich Ihnen, werden Sie sich wünschen, kein Drache zu sein!“

Dragan konnte über diese Drohung nur lachen. Jedoch hatte er Verständnis für diese Reaktion. All diese Menschen, die Jäger und Jägerinnen und auch die Köpfe dieses Systems verdienten ihr Geld mit dieser Arbeit und mit diesem aufgebauten Imperium. Sollte Dragan nachlässig sein oder gar die Absicht hegen, ihren Ruf zu schädigen, würden viele Leben aufgrund ihrer Existenz her gefährdet sein. Doch er war neugierig. Er hatte keine Ahnung, wie viel ein durchschnittlicher Jäger eigentlich verdiente. Darüber würde er sich später Gedanken machen müssen, nun erst mal galt es alles zu klären.

„Mein Alter tut nichts zur Sache. Selbst wenn ich noch ein junger Drache wäre, wäre meine Macht weitaus größer als Ihre. Mein Regentschaftsgebiet umfasst ganz Nevada, doch ich bin dabei es auszuweiten. Was meine Absichten angeht... Ich glaube Miss Nova ist eine ausgezeichnete Jägerin, deshalb soll sie ein wenig für mich arbeiten. Dafür, dass ich ihr Leben gerettet habe, wohl nur fair.

Was diese Versicherung angeht, bin ich gerne bereit, einige Ihrer Dokumente zu unterschreiben, denn es ist nicht meine Absicht diese Frau in Gefahr zu bringen. Und ich biete Ihnen an, ein kleines Spielchen zu spielen. Innerhalb der Öffentlichkeit werde ich es so aussehen lassen, als hätte ich Miss Nova engagiert.“

Dubois atmete tief durch und mit Adleraugen beobachtete Jael, wie er tatsächlich ruhiger zu werden schien.

„Hmpf, ich schätze ich habe keinen Einfluss auf Ihr Vorgehen. Also meinetwegen, nehmen Sie diese Frau mit. Sie ist freigestellt“, knurrte Dubois und reichte Dragan dann einige Unterlagen.

Der Mann überflog sie und füllte diese nicht sehr gewissenhaft aus, währenddessen wandte Dubois sich an Jael.

„Und Sie“, begann er, fast schon drohend. „Nur weil Sie freigestellt sind, heißt es nicht, dass Sie sich ausruhen können. Wenn Sie unterwegs sind und Ihnen etwas mit Ihren geschulten Augen auffällt, melden Sie es bitte umgehend. Und sollten Sie Zeit übrig haben, können Sie sich ebenfalls gerne an die Arbeit machen und für uns ein paar Akten durchgehen. Papierkram war zwar noch nie Ihre Stärke, aber wir brauchen jeden geschulten Jäger und das wissen Sie.“

Treu ergeben nickte Jael.

„Meinetwegen“, murmelte sie und sah aus dem Fenster, hinaus auf die Dächer der Stadt.

Sie spürte Dubois stechenden Blick auf sich ruhen und konnte seine Gedanken förmlich hören. Vermutlich hielt er sie für dumm, weil sie auf einen Drachen hereingefallen war. Aber er wusste nicht, dass Dragan ihr alles aufgezwungen hatte. Wenn sie gekonnt hätte wäre sie, als sie dort auf dem Gestein gelegen hatte, aufgesprungen und davongerannt. Dabei war wegrennen nie ihr Ding gewesen.

Außer damals...

Es dauerte nur fünf weitere Minuten, da hatten Dragan und Dubois alles geklärt und sich erhoben. Die beiden Männer schüttelten sich nicht die Hände, stattdessen richteten sie ihre Blicke auf Jael, bei dem es den Eindruck machte, als würden sie beide um diese Frau kämpfen wollen. Wollten sie etwa, dass sie sich für eine der beiden Seiten entschied?

„Ich...“, begann sie zögernd und wandte sich dabei an Dubois, „werde mich wohl eine Weile nicht melden. Ist das in Ordnung?“

Jäger und Jägerinnen wurden regelmäßig kontrolliert, um sicher zu gehen, dass sie keinem Rächer zum Opfer gefallen waren oder ihnen nichts anderes passiert war. Doch offenbar hatte Dubois nicht vor, dies in irgendeiner Weise zu ändern. Er öffnete eine kleine Schublade seines Tisches und zog ein kleines Handy heraus, das er ihr hinhielt.

„Wir werden uns ab und zu nach Ihrem Wohlergehen erkundigen. Bitte halten Sie es immer bei sich.“

Dass der Mann bat und keinen Befehl erteilte irritierte Jael, doch sie nahm es ohne zu zögern mit einem Nicken an.

„Selbstverständlich.“

Dann wandte die Frau sich an Dragan.

„Ich gehe schnell und kümmere mich um meine Sachen. Du wartest bitte unten in der Halle auf mich.“

Ohne auf eine Antwort zu warten wandte Jael sich ab und stürmte beinahe aus dem kleinen Zimmer. Die Tür fiel mit einem kleinen Klicken ins Schloss, dann waren Duboi und Dragan alleine und ihre wahren Gesichter kamen zum Vorschein.

Drohend baute Dubois sich vor Dragan auf, dass der einen Meter achtzig große Kopf der Organisation dabei immer noch fast einen Kopf kleiner war als der Drache, war ihm dabei völlig egal.

„Jetzt hören Sie mir mal gut zu! Jael ist keine Frau, die sich einfach so etwas sagen lässt. Was, zur Hölle, haben Sie mit ihr angestellt, dass sie sich ruhig ihrem Schicksal fügt?“, zischte er wie eine Schlange, wobei seine braunen Augen blitzten.

Ein zufriedener Ausdruck huschte über Dragans Gesicht.

„Dass Jael eine starke und sture Frau ist, habe ich durchaus schon gemerkt. Aber im Gegensatz zu Ihnen weiß sie, wann man besser die Füße stillhält. Sie ist nicht dumm, sie weiß, in welcher Situation sie sich befindet. Aber sie wird schon noch versuchen, etwas daran zu ändern. Sie wird mir Schwierigkeiten bereiten, aber das nehme ich in Kauf. Seien Sie lieber froh, dass ich nicht ihr Feind bin. Noch nicht!“

Er wandte sich zum Gehen, doch hinter ihm stieß der Mann ein Brummen aus.

„Jael ist gefährlich. Sie hat ihre Freunde in Gefahr gebracht und verletzt und sie wird sich nicht scheuen, auch auf sie loszugehen.

Ich rate Ihnen, sie nicht zu sehr einzuengen, ansonsten müssen Sie mit größeren Verletzungen rechnen, als Ihnen lieb ist.“

Die Tür klickte erneut. Ein ungutes Gefühl machte sich in Dragan breit. Dieser Typ war ihm nicht geheuer. Er sprach von Jael, als würde er sie ganz genau kennen. Fast so, als wären sie Freunde. Oder gar mehr. Ihm war der Blick aufgefallen, mit dem Dubois die Frau hin und wieder gemustert hatte, doch er hatte geglaubt, es läge einfach nur an einer Art Begehren. Offenbar sehnte er sich nach dieser Frau und gut konnte dies gewiss nicht sein. In welcher Verbindung standen die beiden zueinander?

Hätte Dragan eine Liste mit Fragen erstellt, die er Jael stellen wollte, so hätte er nun schon eine ganze Seite voll. Die Situation würde dafür sorgen, dass er viele dieser Fragen wieder vergaß, doch er würde sich bemühen all dies im Hinterkopf zu bewahren!

Als der Drache zurück in der Empfangshalle war, stand Jael mit einer einzigen gepackten Reisetasche am gläsernen Empfang. Um sie herum mehrere Jäger, allesamt männlich und muskulös wie Bären. Ihre Freunde? Verehrer? Möglicherweise Familie?

Dann schoss ihm ein anderer Gedanke durch den Kopf. Sie musste verdammt schnell gewesen sein, wenn sie schon aufbruchsbereit hier stand. War ihr Zuhause, Unterschlupf oder wie auch immer sie es nannte, womöglich ganz in der Nähe? Vielleicht sogar hier im Gebäude?

Oder hatte die schlau aussehende Brünette, hinter dem Empfang, möglicherweise alles geahnt und schon alles vorbereitet? Er schüttelte schwach den Kopf um all diese Gedanken zu vertreiben und trat an die kleine Gruppe Jäger heran.

„Ein Abschiedskommitee?“, knurrte er düster und leise, worauf die Männer allesamt zu ihm herumwirbelten. Jael sah lediglich mit ausdruckslosen Augen über ihre Schulter.

„Etwas, was du wohl nie hattest oder haben wirst.“

Stille. Dann räusperte sich einer der billigen Männer.

„Das hat gesessen“, murmelte er.

Dragan verzog das Gesicht, zeigte dann aber ein kleines Lächeln. Er musterte die vier Männer, die sich alle sehr ähnlich sahen. Sie alle hatten dunkelbraune Haare, die kurz geschoren waren und ebenso dunkle Augen, die so schwarz waren, dass man sich darin hätte verlieren können. Sie waren für solch muskulöse Bären recht klein, vielleicht einen Meter fünfundsiebzig, doch das tat ihrer grausamen Ausstrahlung keinen Abbruch. Keine Frage, sie waren offenbar Meister auf ihrem Gebiet. Noch eine Auffälligkeit war Dragan ins Auge gefallen.

Alle vier trugen sie Narben, die ihre Blicke auf sich zogen. Der, der seinen Kommentar abgegeben hatte, trug eine lange Narbe im Gesicht, die sich von seinem rechten Auge über seine Nase, bis hin zur Wange zog. Rechts von ihm, er hatte ein etwas markanteres Kinn, trug ein weißes Muskelshirt, welches vernarbtes Gewebe auf seinem kompletten linken Arm offenbarte. Der Dritte machte mit seinen Augen auf sich aufmerksam. Grau und milchig waren sie, doch ihre ursprüngliche tiefbraune Farbe schimmerte noch immer durch. Der Vierte machte ein beunruhigend leeres Gesicht, doch Dragan wollte ihn gar nicht weiter beachten.

„Können wir los?“, meldete Dragan sich zu Wort und trat noch näher an Jael heran.

Als Jaels Blick ihn traf, hielt er den Atem an. Unentschlossenheit blitzte in ihren Augen auf, doch sie schien es zu wissen und verbannte jegliche Gefühlsregungen aus ihrem Gesicht.

„Nein. Aber gehen wir“, erwiderte sie ausdruckslos.

Der Mann mit den milchigen Augen mischte sich ein.

„Ich kann nicht glauben, dass du uns unsere beste Frau einfach so wegnimmst. Kannst du mir mal sagen, mit wem wir dann trainieren sollen?“

Er sah Dragan an, doch der war sich nicht einmal sicher, ob er ihn auch wirklich sehen konnte. Nun schmunzelte Jael plötzlich.

„Ihr habt schon lange kein Training mehr nötig, Jungs. Und es gibt tausend andere Jäger, mit denen ihr euch vergnügen könnt.“

Leises Gelächter ging durch die kleine Gruppe, doch der mit dem vernarbten Arm blieb ernst und gab der Frau einen Stupser, der jede andere Frau zu Boden geworfen hätte. Jael hielt stand.

„Aber keine Frau!“

Lachend zwinkerte Jael ihm zu und es war das erste Mal, dass Dragan sie lachen sah. Es war ein dunkles Lachen, klang aber dennoch fröhlich.

„Du vergisst, dass es auch Männer mit Brüsten gibt.“

Das brachte nun schließlich alle zum lachen, selbst die Brünette hinter dem Tresen musste schmunzeln. Die Männer trieben noch ein paar Späße mit Jael, umgekehrt jedoch auch, doch schließlich zogen die Männer sie nacheinander in eine Umarmung. Alle drückten sie ihr einen Kuss auf die Wange, die Stirn oder sogar auf die Mundwinkel. Jael ließ es geschehen und erneut fragte Dragan sich, wer diese Männer für sie waren. Und wer sie für sie war.

Sie flüsterten ihr etwas ins Ohr was ihr ein Lächeln auf die Lippen zauberte, doch der Moment in dem sie lächelte war viel zu schnell vorbei. Nur wenige Minuten später schnappte sie sich ihre Tasche und stapfte nach draußen. Dragan blieb mit den Männern zurück.

Absichtlich. Vollkommen ernst sahen die vier ihn an und absolut nichts erinnerte an die gelöste Stimmung von gerade eben.

„Mit dir hat sie einen würdigen Gegner gefunden“, sagte der, mit der Narbe im Gesicht.

„Seid ihr ihre Freunde?“, wollte Dragan wissen, ohne auf die vorherigen Worte einzugehen. Narbengesicht – gemein, aber wahr – verschränkte die Arme.

„Ja. Wobei einige von uns es eher als Familienbande betrachten. Wir kennen sie jetzt seit vielen Jahren und es war nicht immer einfach mit ihr. Unsere Verletzungen“, er deutete nacheinander auf sich und die anderen Zeichnungen der Männer, „stammen alle von ihr. Du solltest also vorsichtig sein.“

Beeindruckt über diese Tatsache zog Dragan die Brauen hoch. Sie kannten sich also viele Jahre und sind durch die Frau gezeichnet worden. Dass sie dennoch so vertraut mit ihr waren war der Beweis, wie eng sie miteinander befreundet zu sein schienen.

„Keine Sorge, ich werde gut auf sie Acht geben“, versicherte er lächelnd und sah nach draußen, wo Jael ihm mit einer ungeduldigen Geste klar machte, dass er sich beeilen sollte.

„Noch etwas, das ich über sie wissen müsste?“, fragte er in neutralem Tonfall.

Die vier Männer grinsten ihn an, doch am Ende war es der offenbar Blinde, der ihm darauf antwortete.

„Nein. Du wirst es schon merken.“Irritiert und darüber nachdenkend was diese Worte wohl bedeuten konnten, trat Dragan nach draußen, in den plötzlich heftigen Regen.

Mit wachsamen Augen und tropfend nassen Locken in ihrem Gesicht, sah Jael zu ihm auf.

 

 

Kapitel 4

 

Beeindruckt ließ Jael den Blick schweifen. Sie konnte nicht glauben, in welch luxuriösem Zimmer sie unterkommen würde. Dragan hatte nicht zu viel versprochen, er würde für sie sorgen, so viel war sicher. In ihrem Zimmer war unglaublich viel Platz, trotz des Doppelbettes, dem riesigen Kleiderschrank, einer Kommode und sogar einer barocken Sitzgruppe, in deren Mitte ein marmorner Tisch stand.

Jael wollte schon einen Kommentar dazu abgeben, als sie plötzlich das leise Klicken der Tür vernahm. Sie nahm an, dass Dragan sie allein gelassen hatte und drehte sich deshalb um, nur um dann einen Schritt zurück zu stolpern. Dragan hatte sich direkt und unbemerkt hinter ihr aufgebaut und starrte sie nun auf eine Weise an, die ihr die Haare im Nacken zu Berge stehen ließ.

„Wer ist dieser Dubois?“, verlangte er knurrend zu wissen.

Jael zog die Brauen hoch. War das etwa Eifersucht? Nein, unmöglich. Dragan und sie waren Fremde füreinander, kannten sich nicht und wussten absolut nichts über den anderen. Aus welchem Grund sollte ein Mann wie er – nämlich ein Drache, der alles haben konnte was er wollte – eifersüchtig sein? Und dann auch noch auf Dubois?

„Einer der fünf Köpfe des Jägersystems“, erwiderte sie gelassen.

Sie zeigte erst einmal keine besondere Reaktion, denn sie war neugierig. Dieser Drache stand ständig davor sie herauszufordern und sie würde sich nur allzu gerne darauf einlassen. Und vielleicht war sie sogar dazu bereit, ein Stück ihrer Maske dafür fallen zu lassen.

Wild schüttelte Dragan nun den Kopf.

„Wer ist Dubois für dich?“, meinte er etwas lauter und kam ihr näher. Jael war so überrascht, dass sie sich ein lautes und spöttisches Lachen nicht mehr verkneifen konnte. Prustend hielt sie sich den Bauch.

„Für mich?“, gluckste sie und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln, nachdem sie sich wieder ein bisschen beruhigt hatte.

„Oh man, du kannst sogar noch witziger sein, als die Jungs. Dubois ist ein Halsabschneider, der eine perverse Schwäche für starke Frauen hat und glaubt, Besitzansprüche zu haben. Ich kenne ihn nun schon viele Jahre und...“

Als sie bemerkte was sie zum Schluss gesagt hatte, hielt sie inne. Verdammt, jetzt hatte sie doch zu viel verraten.

„Viele Jahre?“, hakte Dragan sofort nach und trat noch näher.

Damit war er ihr nun so nahe, dass sie Brust an Brust standen und Jael den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm vernünftig in die Augen sehen zu können. Sie schluckte, gab aber nicht nach und würde mit Sicherheit nicht den Schwanz einziehen.

„Ja. Wir sind sozusagen... alte Bekannte. Mehr will ich dazu nicht sagen.“

Sie machte kehrt und für einen Augenblick hatte Dragan wieder dieses Etwas in ihren Augen gesehen, was auf Verletzlichkeit hindeutete.

„Hat er dir etwas angetan? Dich bedroht, angefasst, dir zu nahe gekommen oder...“

Jael wirbelte herum und funkelte ihn wütend an.

„Genug!“, zischte sie. Als Dragan irritiert die Brauen über diese Reaktion hochzog, atmete Jael tief durch. „Er hat nichts dergleichen getan. Es sind nur die Erinnerungen an diese Zeit. Ich habe sie begraben. Also grab sie nicht wieder aus, verstanden?“

Dragan nickte, wenn auch nur zögerlich. Diese Frau hatte viele Geheimnisse und war nicht bereit, diese auch preiszugeben. Doch wenn diese Frau hier leben wollte, musste sie dazu bereit sein, sich ein bisschen zu öffnen. Dragan würde nicht zulassen, dass Jael sich in seinem Reich einigelte.

„Dann erzähl mir etwas über die Jungs“, verlangte er dann. „Ihre Zeichnungen stammen von dir.“

Überraschung flackerte kurz in Jaels Augen auf. Woher wusste er, dass sie diejenige war, von der diese schweren Narben stammten? Kyra – die Brünette hinter dem Empfang – hatte ihm mit Sicherheit nichts davon erzählt. Dann vielleicht Dubois?

Unwahrscheinlich, so persönlich wurde er nicht. Dann die vier Jungs vielleicht selber? Das erschien ihr am logischsten. Vielleicht war es in ihren Augen eine Warnung an Dragan? Wenn ja, würde sie sich noch bei ihnen bedanken müssen. Sie wollte Dragan nicht zu nahekommen und damit bezog sie sich nicht nur auf das physische.

„Ich kenne sie ebenfalls nun schon einige Jahre. Wir trainieren miteinander und sind deshalb irgendwie miteinander befreundet“, antwortete sie nun und widmete sich ihrer Tasche, um ihre Sachen auszupacken.

„Irgendwie?“, hakte Dragan verwirrt nach und ließ sich auf ihrem Bett nieder.

Vollkommen entspannt beobachtete er, wie Jaels Schultern sich verkrampften, während sie zuerst einmal ihre Waffen auspackte.

Dass die Situation dadurch ein wenig gefährlicher wurde, störte Dragan keinesfalls.

„Ich hatte außer dem Training nicht vorgehabt, den Kontakt auch weiterhin mit diesen Männern aufrecht zu erhalten, aber sie haben nicht lockergelassen. Ich war... früher nicht gerade sehr umgänglich. Ich habe ihnen all diese Wunden im Training zugefügt, um ihnen klarzumachen, dass ich keineswegs eine Freundin bin. Aber sie haben immer nur Späße gemacht. Nie haben sie aufgehört. Ich hatte keine Chance mich gegen sie durchzusetzen. Zugegeben, wir wissen nicht viel übereinander, aber wir haben uns immer gegenseitig aufeinander verlassen.“

Nüchtern hatte Jael es dem Mann erklärt, doch sie behielt für sich, dass diese vier Männer schon fast ihre Ersatzfamilie waren. Sie nahmen sie einfach so hin wie sie war, trotz ihrer Grausamkeiten. Dragan verstand ihre Ansicht sehr gut, dennoch gab es da etwas.

Fragend neigte er den Kopf.

„Es ist nicht zu übersehen, dass du es als lästig empfindest menschliche Kontakte zu pflegen. Aber warum bist du dann erst diesem ganzen System beigetreten?“

Lange Zeit über ruhte Jaels Blick unentwegt auf ihm. Nie, niemals hatte sie jemandem ihre Beweggründe genannt und sie hatte nicht vor, jetzt damit anzufangen.

„Das wirst du wohl niemals erfahren“, sagte sie so kalt, dass es Dragan einen Schauer über den Rücken jagte. Ihr Blick war so intensiv gewesen, dass er sich in seinem Gedächtnis eingebrannt hatte. Für einen kurzen Augenblick hatte Jael wirklich mit dem Gedanken gespielt, es ihm zu erzählen. Doch er hätte sie mit Sicherheit ausgelacht und dumm genannt, so wie sie damals auch...

Sie wandte den Blick nun endgültig von Dragan ab, auch wenn sie träumerisch in seinen Augen hätte versinken können, und packte weiter aus.

Von nun an blockte sie jeden weiteren Versuch ab, bei dem der Mann versuchte, sie in ein Gespräch zu verwickeln.

„Also gut“, hauchte er schließlich und erhob sich in einer geschmeidigen Bewegung. „Ich werde dich in Ruhe lassen. Lebe dich erst einmal ein und sieh dich ruhig ausgiebig um.“

Jael schwieg, als sie dann doch das schlechte Gewissen überkam und sie herumwirbelte.

„Danke“, sagte sie, ließ die Schultern aber hängen als sie sah, dass Dragan schon längst verschwunden war.

 

„Hast du versucht, Kontakt aufzunehmen?“

Amir, der Mann mit den blinden Augen, kam neben seinem Bruder mit dem vernarbten Arm zum stehen.

„Ja“, antwortete Enver und beobachtete, wie auch Gero – mit der Narbe im Gesicht – und Ivan – der etwas Emotionslose – den Raum betraten. Sie alle drei ließen sich am Tisch nieder, an dem Enver schon seit einer halben Stunde mit seinem Laptop und seinem Handy saß.

„Hat sie sich nach zwei Wochen immer noch nicht gemeldet?“, fragte Gero überrascht. Enver schüttelte den Kopf.

„Nein. Ich habe versucht den Kontakt aufzunehmen, aber mein Gefühl sagt mir, dass dieser Drache alle Verbindungen gekappt hat.“

Ivan räusperte sich leise.

„Ich glaube nicht, dass wir uns Sorgen um Jael machen müssen. Und es war davon auszugehen, dass sie sich nicht meldet. Also warum kriegt ihr so Panik?“

Die übrigen drei Männer starrten ihren Bruder völlig entgeistert an.

„Verdammt, Ivan. Jael ist wie unsere kleine Schwester. Du weißt doch, was sie uns bedeutet“, knurrte Amir. Ivan richtete seinen Blick auf ihn.

„Amir, du bist blind. Ihretwegen. Wie also kannst du diese Frau als deine Schwester betrachten?“

Enver mischte sich wieder ein.

„Das Ganze ist nun fast zehn Jahre her. Und sie hatte sich nicht im Griff. Wie kannst du nur immer noch so nachtragend sein?“

Ivan sprang auf und schlug mit der Faust auf den Tisch.

„Natürlich hatte sie sich im Griff. Sie hat uns mit Absicht so schwer verletzt, damit wir ihr nicht zu nahekommen und ihr lasst euch auch noch darauf ein!“

Vollkommen ernst sah Amir zu ihm auf, auch wenn er ihn genau genommen nicht sehen konnte.

„Jael ist uns seit diesem Vorfall nie wieder zu nahe gekommen und man merkt mittlerweile, dass sie es bereut. Sämtliche Nähe kommt von uns aus, wir haben es ihr nie übelgenommen und waren auch nie sauer auf sie. Dass du es in ihrer Nähe aushältst beweist, dass du sie auch gut leiden kannst.“

Ohne darauf zu antworten und mit einem wutentbrannten Schnauben stürmte Ivan aus dem Raum.

Die Männer sahen ihm nach.

„Was, zur Hölle, ist denn los mit ihm?“, murmelte Gero.

Amir schmunzelte.

„Vermutlich fehlt sie ihm und er will es sich nicht anmerken lassen.“

 

Sauer sah Jael von links nach rechts und wieder zurück. Dies war nun schon die dritte Gabelung, an der sie sich entscheiden musste, in welche Richtung sie ging. Fluchend fragte die Frau sich, wie groß dieses gottverdammte Anwesen wohl sein mochte, doch nun da sie sich verlaufen hatte, zweifelte sie keine Sekunde lang, dass der Aufbau dieses Anwesens weitaus komplexer war, als der des Hauptsitzes des Systems der Kopfgeldjäger. Was die Geheimgänge anging, lag das Gebäude in Seattle aber weiter vorne. Jael schüttelte den Kopf und vertrieb sämtliche dieser Gedanken.

Es konnte ihr völlig egal sein wie dieses Gebäude – wenn auch verdammt atemberaubendes Gebäude – aufgebaut war. Viel mehr ärgerte sie es, dass sie ihr Zimmer nicht mehr fand.

Und Dragan im Übrigen auch nicht. Sie hatte die Chance des Alleinseins genutzt und sich erst einmal gestärkt, indem sie die Küche – in der es vor Köchen nur so wimmelte – geplündert hatte.

Satt und zufrieden hatte sie dann einige Räume erkundet. Sie war auf eine Art Bibliothek gestoßen, auf Dragans altbekanntes Arbeitszimmer und auf einige Badezimmer, die allesamt riesig waren.

Gerade war sie aus einem Wohnzimmer gestolpert, da stand sie nun wieder an der nächsten Kreuzung.

Nachdenklich, aber zum Teil spontan entschied sie sich nun, nach links zu gehen. Sie folgte dem langen, fensterlosen dunklen Gang, der eine – wie sie fand – beunruhigende Wirkung hatte und stieß am Ende auf eine einzelne, unscheinbare Tür. Umgeben von den bordeauxfarbenen Wänden, mit den schwarzen Akzenten am Stuck und den goldenen Verzierungen der Kerzenhalter an den Wänden, war die dunkle Tür aus Walnussholz kaum zu sehen.