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Die Fortsetzung von Seelenfang
Aryas Gefühl hatte sie nicht getäuscht. Der Allmächtige hielt noch einige Überraschungen für sie parat und nur wenige davon waren wirklich angenehm.
Ein Erzengel darf nicht lieben. Ein Gesetz, von dem die Dämonin viel zu spät erfuhr. Der Liebe wegen gerät das Gleichgewicht von Himmel und Hölle aus dem Gleichgewicht, doch Zaniel und Arya wollen dafür kämpfen, dass dies sich ändert. Ob ihnen das gelingt? Und was wird aus Chriztian, der allmählich seinen Verstand verliert?
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Erneut überrollten ihn die Bilder der Vergangenheit. Ein kleines Kind tauchte vor seinem geistigen Auge auf, es weinte. Und es war alleine. Niemanden interessierte es, dass dieses kleine Kind zusammengeschlagen wurde und schluchzend durch die Nacht irrte.
Es blitzte.
Das kleine Kind war jünger, rannte lachend über eine Wiese. Die Sonne stand hoch oben am Himmel, ließ die milchweiße Haut wie Porzellan aussehen. Weit hinter ihr standen ein Mann und eine Frau, doch sie schienen nicht sonderlich ein Auge auf das Kind geworfen zu haben.
Es blitzte erneut.
Das Kind befand sich im Mutterleib. Winzig klein und schwach wartete es darauf, auf die Welt zu kommen. Nichts ahnend, was für ein schreckliches Leben es vor sich hatte.
Dunkelheit.
Lange Zeit sah er nichts, außer völliger Dunkelheit. Er wollte sich zurückziehen, raus aus diesem Urwald voller Macht und Gefühle. Doch ein helles Licht hielt ihn gefangen. Es schien aus dem Nichts zu kommen. Doch was er dann sah, erklärte dieses warme Licht.
Eine geflügelte Frau mit langen, braunen Haaren und stechenden grünen Augen stand plötzlich vor ihm und schwang ein breites, gefährlich blitzendes Schwert.
Doch noch ehe er reagieren konnte, lag sie auch schon vor ihm. Die Augen weit aufgerissen, den Mund zu einem Schrei geöffnet. In ihrem Herzen ein Loch, an dessen Rändern rotes, dämonisches Feuer züngelte.
War womöglich er es, der ihr das Leben genommen hatte?
Der Teufel zog seine Hand zurück und kehrte der Seele den Rücken. Diese Seele war so unglaublich mächtig. Doch noch mächtiger war die Frau, der sie einst gehörte...
Betrübt, ja fast schon wütend starrte die Frau hinaus auf das weite Grün vor ihr.
Ihr war langweilig! Und in dieser Welt gab es nichts und niemanden, der sie beschäftigen konnte.
Ihr Mann, der Erzengel Chriztian, ging nun schon seit mehreren Jahren seinen neuen Tätigkeiten nach. Und die bezogen sie selbst so gut wie nie mit ein.
Täglich verbrachte er fast den ganzen Tag im Saal der Erzengel, in dem er zusammen mit Sabriel, Raphael und Jophiel über das Himmelsreich regierte.
Sie als Dämonin hatte hier theoretisch nichts zu suchen. Doch die Engel hatten nun mehrere Jahre gehabt, um sich an die Situation zu gewöhnen. Sie selbst kam damit aber überhaupt nicht zurecht.
Ihr Blut kochte und alles in ihr schrie danach, sich ihren Instinkten zu beugen und auf die Jagd zu gehen. Immer öfter blickten ihr im Spiegel rote Augen entgegen, die Zeuge ihrer Veränderung waren.
Sie hatte sich selbst nicht mehr im Griff, hatte schon so oft die Spiegel und Möbel in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer zertrümmert, dass sie sich nicht mehr daran erinnern konnte, wie oft sie diese schon heimlich ersetzt hatte. Chriztian bekam von alldem nichts mit.
Er war so unglaublich stolz auf seinen neuen Platz in diesem Reich und vergaß dabei völlig, was davor alles passiert war. Noch viel erschreckender war jedoch, dass er nicht bemerken zu schien was um ihn herum geschah. Denn in Wirklichkeit fürchteten sich viele vor ihm. Die niederen Engel beugten sich seinem Willen und auch die anderen Erzengel wagten es seit dem Kampf damals nicht mehr, ihm die Stirn zu bieten. Lediglich sie selbst führte ihm ab und an seine Grenzen vor Augen. Wenn dem jedoch so war, meinte Chriztian nur sie wäre zickig und würde sich aufspielen. Er meinte, sie solle vorsichtig sein mit dem was sie sagt, denn in dieser Welt hatte sie keinen Einfluss. Und mit Sicherheit auch keine Entscheidungen zu treffen. Auch nicht für ihn.
Rasend hatte Arya ihm darauf mehrmals eine Ohrfeige verpasst, doch mittlerweile fing er diese ab, sollte solch ein Moment wieder vorkommen. Etwas an ihm hatte sich verändert.
Gewiss konnte sie mit der starken und mächtigen Seite an ihm umgehen, anders hatte sie ihn nicht kennengelernt, doch das was von ihm Besitz ergriffen hatte, war fern jeglicher Vernunft.
Sie hatte das Gefühl, als wolle er sie hier festhalten. Immer wieder schwärmte er ihr vor wie toll er es fand, dass sie nun endlich zusammen lebten. Denn das war es, was beide sich damals gewünscht hatten. Eine gemeinsame Zukunft. Diese schien nun eingetroffen zu sein. Und zwar genau so, wie Chriztian es wollte. Doch er vergaß etwas!Arya war eine Dämonin, neu geboren und ohne Seele, dazu verdammt auf ewig Befehlen zu folgen, auf die selbst ein Erzengel keinen Einfluss nehmen konnte. Gab es da nur einen Haken...
Der Teufel, der eigentlich ja ihr Meister war und die Fäden über sie in der Hand hielt, hatte sie aus seinem Reich hochkant rausgeschmissen mit den Worten, dass sie nun frei sei und ihr Leben so leben solle, wie sie es sich immer gewünscht hatte.
So hatte sie es sich aber nicht vorgestellt. Und mit Sicherheit auch nicht gewünscht.
Wochen-, ja monatelang hatte Arya sich nicht mit seiner Entscheidung abfinden können und war tagtäglich in des Teufels Gefilden aufgetaucht, um noch einmal in Ruhe mit diesem Mann über alles zu sprechen. Doch er war nicht auffindbar gewesen. Selbst Aidan, seine rechte Hand, konnte ihr damals nicht sagen, wohin ihr Meister verschwunden war. Es schien, als wolle er ihr absichtlich aus dem Weg gehen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte die Frau schließlich eingesehen, dass es keinen Zweck hatte diesem Mann hinterher rennen zu wollen.
Er war der Teufel, wenn er nicht gefunden werden wollte, dann würde ihn auch niemand finden. Selbst der Allmächtige nicht.
Arya verdrängte den Gedanken an Zaniel. Dieser Mann fehlte ihr, wie sie sich hatte eingestehen müssen. Er war zu einem Freund geworden, der ihr an manchen Tagen näher gestanden hatte, als er eigentlich sollte.
Nur einmal hatte die Frau Chriztian gegenüber zugegeben, dass sie Zaniel ein Stück weit vermisste.
Doch erstaunlicherweise hatte der Erzengel nur das Gesicht verzogen.
„Vergiss ihn, Liebes. Du bist endlich frei!“, hatte er ihr entgegnet.
Was er nicht geahnt hatte war, dass er dem Feuer in ihren Adern nur noch mehr Zündstoff gegeben hatte. Sie sah es bereits kommen, eines Tages würde sie hier Amok laufen und jeden Gott verdammten Erzengel töten, der ihr auch nur zu nahe kam!
Mit einem entschuldigen Seufzen sah Arya gen Himmel.
Verzeih mir!, dachte sie an den Allmächtigen gewandt. Selbst in deinem Reich mache ich keinen Halt vor Schimpfwörtern. Mein Zutritt in dieses wunderschöne Reich sollte mir eigentlich verwehrt bleiben.
Wie zu erwarten kam keine Antwort. Dennoch nahmen ihre schnellen Gedankengänge kein Ende. All das beschäftigte sie noch immer.
Dutzende Menschen fragen sich jeden Tag, ob du absichtlich so viel für ihr Leben bereit hältst. Sei es gut oder schlecht. Aber steckt da ein Sinn hinter? Warum machst du es mir ständig so schwer?
Ist es deine Absicht? Dein pures Vergnügen? Oder ist es das, was ein Mensch als Schicksal bezeichnet? Ich akzeptiere es, dass du meinem menschlichen Leben ein Ende gesetzt und zugelassen hast, dass ich als Dämonin neu erschaffen wurde. Aber muss ich all das hier wirklich über mich ergehen lassen?
Eine heftige Windböe bließ ihr die Locken aus dem Gesicht und ließ sie leise Lachen. Sie erkannte die Antwort, auch wenn sie nicht wusste was sie zu bedeuten hatte. Ob sie gut oder schlecht war vermochte sie nicht zu entscheiden.
„Arya!“
Das laute Rufen ließ sie die Augen schließen. Sie erkannte die tiefe Stimme in der Ferne.
Langsam öffnete sie die Augen und als sie dann ihren Mann dort hinten erblickte, stahl sich trotz allem ein Lächeln auf ihre Lippen.
Mein wunderschöner Mann!, dachte sie beim Anblick seiner - nun wieder - reinweißen, imposanten Schwingen.
Als er vor ihr stand, versank sie auf's neue in den blauen Tiefen seiner Augen. Nichts hatte sich zwischen ihnen verändert. Dieser Mann berührte sie noch immer zutiefst und er musste dazu nicht einmal etwas tun. Er brauchte sie nur anzusehen und schon erinnerte sie sich daran, warum sie ihn so sehr liebte.
„Was gibt’s?“, fragte sie neugierig, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
Der dominante Ausdruck in seinen Augen war schon seit Monaten nicht mehr verschwunden und allmählich begann sie sich zu sorgen. Schon lange hatte er seine weichen Seiten nicht mehr gezeigt und das, obwohl Arya sich wirklich bemühte die wahre Dämonin in ihr im Keim zu ersticken. Doch sie wollte sich eigentlich nicht verändern. Und schon gar nicht einen wirklich großen Teil ihrer Selbst unterdrücken.
„Heute Abend findet ein Fest statt, einige der Kinder erlangen einen höheren Rang. Die anderen Erzengel und ich halten einige kleine Zeremonien ab, du sollst doch dabei sein. Im Schlafzimmer liegen einige Kleider zur Anprobe für dich bereit“, erklärte Chriztian und hielt ihr die Hand hin.
Aryas Augen verengten sich. Man sollte meinen es wäre nur eine Lapalie, ein schönes Fest an dem sie teilnehmen sollte, doch aus einem ihr unbekannten Grund brachte es das Fass zum überlaufen.
„Nein.“
Chriztian zog über dieses eine Wort perplex die Stirn kraus.
„Nein?“, wiederholte er ungläubig. Augenblicklich sah man den Zorn in seinen Augen flackern.
„Wieso zur Hölle, nein?“, fragte er dann und packte ihr Handgelenk, um sie auf die Beine zu ziehen. Arya wunderte diese Grobheit schon nicht mehr, dennoch warf sie einen irritierten Blick auf ihr rotes Gelenk, als er sie losgelassen hatte.
„Ich will nicht Teil dieser Zeremonie sein, Chriztian. Ich bin nicht einmal ein Teil dieser Welt“, erklärte sie leise. Sie sprach leise, doch ihre Worte trafen den Erzengel mit voller Wucht, und zwar direkt ins Herz.
„Natürlich bist du das! Du gehörst schon seit Jahren hierher, Arya, selbst all die anderen Engel haben dich akzeptiert“, widersprach er und zog sie an sich.
Doch das Blut in ihren Adern kochte weiter, wurde heißer und wäre beinahe in einer Flamme explodiert, die Arya gerade so zurückhalten vermochte.
„Nein, Chriztian, das bin ich nicht. Ich will es nicht einmal sein, ist dir das nicht klar? Verdammt, du versuchst mich total zu unterdrücken. Seit du einer der Erzengel bist, sind wir beide nicht mehr wir selbst. Deinetwegen versuche ich mein Blut zu leugnen und das ist nicht richtig!“
Chriztian war sprachlos. Mehrere Augenblicke lang sah er sie einfach nur an, ein paar Mal blinzelnd, so als versuche er es zu begreifen. Doch es gelang ihm nicht.
„Was redest du da für einen Stuss? Du bist Arya, meine Dämonin, meine wunderschöne und starke Frau, die weiß was sie will und keinen Hehl aus ihrer Abstammung macht. Und ich unterdrücke dich keineswegs. Ich versuche nur, dich in diese Welt einzugliedern aber wegen deiner Sturheit, gelingt es nicht!“
Er hatte ruhig angefangen ihr das zu erklären, doch zum Schluss brüllte er sie regelrecht an, was bei Arya eine Kurzschlussreaktion hervorrief.
Fauchend wich sie vor ihm zurück, die spitzen Fänge entblößend und mit roten, funkelnden Augen.
Ihre ausgebreiteten , tiefschwarzen Schwingen zitterten vor Anspannung und Wut.
„Du versuchst mich einzugliedern? Was soll der Scheiß? Ich will nicht eingegliedert werden, ich will glücklich mit dir sein und es genießen, keine Angst mehr um dich haben zu müssen! Aber ich will nicht hier sein. Dieser Ort ist schrecklich! Er ist schön, keine Frage aber mir ist langweilig. Ich will etwas zutun haben und nicht den ganzen Tag lang darauf warten, dass du endlich zu mir ins Bett kommst. Und ich bin keinesfalls stur, Chriztian. Ich habe versucht Kompromisse zu schließen aber ich habe mittlerweile einfach kein Verständnis mehr für deine Ansichten. Wie kannst du glauben alles ist gut, nachdem was alles passiert ist? Die Erzengel hätten dich geopfert, sie haben uns das Leben zur Hölle gemacht und hätten mich beinahe umgebracht! Und nun bist du einer von ihnen. Du glaubst, ich könnte bei diesem Gedanken still sitzen bleiben? Ich bin enttäuscht, Schatz. Ich dachte du kennst mich besser.“
Nachdem sie ihre Wut und Fassungslosigkeit hinausgeschrien hatte, machte sie auf dem Absatz kehrt und schwang sich in die Lüfte.
Nichts hielt sie mehr an diesem Ort, nicht einmal der Mann, den sie liebte!
Das laute Krachen der riesigen Flügeltür riss ihn aus den Gedanken, und zwar so sehr, dass er sich beinahe erschreckt hätte. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er, wie sein Untergebener völlig außer Atem einige Meter vor ihm zum Stehen kam und treu ergeben sein Haupt sank.
„Verzeiht mir die Störung, mein Herr, aber ich habe schlechte Neuigkeiten“, verkündete er leise, nahezu bedauernd.
Ein Déjà-Vu-Gefühl machte sich in ihm breit.
„Sag bloß, die Seelen werden schwächer?“, knurrte er, worauf Aidan zusammenzuckte.
Er hatte bereits schlechte Laune, die Wahrscheinlichkeit das der Teufel ihn gleich umbringen würden, stiegen dementsprechend. Aidans Murmeln ließ ihn aufmerksam werden.
„Wenn es nur so wäre, Meister“, hauchte er, dann richtete er sich plötzlich kerzengerade auf und funkelte ihn mit roten Augen an. Bei Aidan ein eher seltener Anblick.
„Es gibt einen Eindringling.“
Brüllend sprang der Teufel auf.
„Wo?“, schrie er, worauf die Wände zu beben schienen.
„In den Verliesen“, erwiderte Aidan und musste bereits dabei zusehen, wie der Dämon auf die Tür zu rauschte.
„Meister, wartet!“, rief er ihm nach.
Er blieb stehen, sein Dämonenschwanz zuckte aufgeregt hin und her, zurückblicken tat er aber nicht.
„Es ist ein wahres...Massaker“, flüsterte der niedere Dämon, dann war der Teufel zur Tür hinaus.
War das möglich? Ein Eindringling, dessen Präsenz er nicht erspüren konnte?
Zugegeben, es war möglich seine Aura zu unterdrücken und somit fast schon als Mensch durchzugehen. Doch um so etwas zu können musste man entweder tausende von Jahren alt sein oder sich einem qualvollen Training unterzogen haben. Und so etwas nahm heutzutage keiner mehr auf sich.
Der Teufel versuchte noch immer sein Reich und somit den Fremden zu ergründen, doch es gelang ihm nicht. Zur Hölle, er war rasend und blind vor Wut. Sein Schritt beschleunigte sich immer mehr, auf dem Weg zu den Verliesen. Aidan hatte ihn gewarnt, nun stieg ihm der ekelerregende Geruch von Blut in die Nase. Nein, das war keine harmlose Sache. Aber wer um alles in der Welt, sollte sich an seinen Gefangenen vergreifen?
Als er die Kerker betrat, blieb er erst einmal angewurzelt stehen. Was zur Hölle war hier geschehen? Überall an den Wänden war Blut, es lief sogar schon zu Boden!
Organe lagen überall herum, troffen noch immer vor Blut und waren teilweise zertreten und zerquetscht worden. Auch abgetrennte Gliedmaßen waren zu finden, ebenso wie Hautfetzen und herausgeschnittene Muskeln. Der Teufel schluckte. Hier hatte sich jemand ziemlich ausgetobt. Ob aus Spaß oder Wut sei mal dahingestellt. Er ging weiter und folgte der Blutspur, die immer weiter den finsteren Gang entlangführte. Sein Herz raste. Aber warum? War es Angst? Lag es daran, dass er schon lange nicht mehr so viel Blut gesehen hatte?
Als plötzlich ein gellender Schrei von den steinernen Wänden widerhallte, gefror ihm das schwarze Blut in den Adern. Schon kurz nachdem der lange Schrei verstummt war, vernahm er ein Platschen.
Der Blutgeruch wurde schlimmer, ebenso wie das leise Gurgeln, das zu hören war. Der Teufel hielt es nicht mehr aus, das dämonische Feuer kribbelte bereits in seinen Adern und wollte nach außen dringen. Er knisterte und knackte in der Luft, als er seinen Trieben freien Lauf ließ und brüllend in seiner wahren Gestalt in den Schatten des letzten Verlieses trat.
Es dauerte Sekundenbruchteile, dann hatten sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt und er sah es. Ein Dämonenkörper eines Mannes, jung und unbedeutend, in der Mitte entzwei gerissen wie ein Blatt Papier. Platschend landeten die beiden Hälften in einem See aus Blut, dessen Spritzer ihn im Gesicht trafen und langsam über seine Lippen liefen. Dann sah er sie. Eine furchteinflößende Dämonin, blutbefleckt und mit wahnsinnigem Gesichtsausdruck.
„Hallo, Zaniel“, knurrte die Dämonin mit einer tiefen und rauen Stimme, die ihm fremd war.
Zugegeben, Arya hatte sich ihr Wiedersehen anders vorgestellt. Doch die Atmosphäre war so kalt, wie sollte sie ihm denn da um den Hals fallen? Die roten Augen des Teufels schmälerten sich und musterten sie, als könnten sie diesen Anblick nicht zuordnen.
Es dauerte, bis Zaniel die Frau erkannte. Ihr Anblick überraschte ihn.
Ihre einst taillenlangen, seidenschwarzen Locken hatte sie abgeschnitten, reichten ihr nun gerade mal bis ans Kinn!
Doch Allmächtiger, es machte sie nur umso schöner. Nahezu grausam betonte es zusammen mit dem ganzen Blut ihr weiches Gesicht, ihren Schmollmund und ihre stechenden, grünen Augen.
Imposant hatte sie ihre schwarzen Schwingen ausgebreitet, was sie wie eine Rachegöttin aussehen ließ. Ihre Aura war die eines Teufelsweibs. Verlockend und doch gefährlich, so unglaublich anziehend, dass Zaniel sich fast freiwillig daran verbrennen würde.
Dennoch blieb es ihm ein Rätsel wie es ihr gelang, ihre Präsenz so zu verbergen, wo sie doch solch eine brutale Wirkung hatte. Eines jedoch hatte sich an dieser Frau selbst in all den Jahren nicht verändert. Ihre Art sich zu kleiden, war noch immer so aufreizend wie damals.
Sie trug einer Ledercorsage, die knapp ihren Bauchnabel bedeckte und so eng anlag, dass sie wie eine zweite Haut saß. Wie auch schon vor Jahren wurde ihr praller Busen nach oben gedrückt und betont, ihre Taille hingegen schien noch schmaler geworden zu sein. Ihre Hüften jedoch waren noch genauso breit und ausladend wie früher und steckten wie zum Teil auch ihre Beine, in einer schwarzen Hotpants, an denen etliche Futterale baumelten. In ihnen steckten Schwerter, Dolche und sogar Pistolen. Ihre Füße steckten in eleganten Stiefeln. Ein Stilbruch, der hervorragend zu ihr passte! Zaniel entdeckte an ihr jedoch auch Dinge, die vorher nie da gewesen waren. So zum Beispiel das verworrene und filligrane Muster aus blutroter und schwarzer Tinte, welches sich von ihrem linken Handgelenk, über den kompletten Arm bis hin zur Schulter zog und auf ihrem Rücken verschwand. Eine beeindruckende Kunst, schmerzhaft unter die Haut gestochen.
Doch da war noch etwas. Eine riesige Narbe war es, die seinen Blick für einen Augenblick fesselte.
Auf ihrer milchweißen Haut war sie kaum zu erkennen, doch von ihrer rechten Schulter, schräg über ihren Arm bis hin zum Ellenbogen, zog sich eine dicke und hässliche Narbe. Es sah so aus, als hätte sie ihren Arm verloren und er wäre anschließend wieder angewachsen.
Zaniel hielt still, selbst sein Dämonenschwanz hatte aufgehört zu zucken. Mit einem Schlag war wieder alles da. Auch sein Verlangen! Ohne über die möglichen Konsequenzen nachzudenken schmiss er all seine Vorsätze über Bord. In atemberaubender Geschwindigkeit rauschte er auf sie zu, packte sie an den Schultern und drängte sie gegen die Wand in ihrem Rücken. Er wandte dabei solch Kraft auf, dass mit einem leisen Knacken mehrere Knochen in Aryas Flügeln zertrümmerten.
Vor Schmerz öffnete sich ihr Mund, doch Zaniel sah dies nur als Aufforderung. Forsch sank er sein Haupt, um seine Lippen grob auf ihre zu pressen. Arya wusste nicht, wie ihr geschah. Dominant und auf eine Art und Weise wie sie es erregte, schob Zaniel mit dem Knie ihre Beine auseinander, gleichzeitig teilte er mit seiner Zunge ihre Lippen und nahm von ihrem Mund Besitz, wie selbst Chriztian es nicht konnte.
Wildes und unberechenbares Feuer breitete sich in Aryas Adern aus, als er sich in ihrem kurzen Haar verkrallte und ihren Kopf zurückriss.
So nicht!, dachte sie und beschloss ihm zu zeigen, wie sehr sie sich wirklich verändert hatte. Der Wand und der Schmerzen zum Trotz, breitete sie ihre Flügel weiter aus, nahm den Kerker für sich ein, und drängte den Dämon so kräftig zurück, dass dieser überrascht von ihr abließ und einige Schritte zurücktaumelte. Sie ließ ihm keine Chance zu reagieren und packte ihn an der bloßen Kehle, um ihn zu Boden zu werfen und sich auf ihn zu setzen. Ein knisternder Ball aus dämonischem Feuer fraß sich in seinen Bauch, als Arya ihre Lippen wieder auf seine drückte und diese dann mit ihren Fängen aufriss. Das Blut, welches nun seine weichen Lippen benetzte, leckte sie genüsslich ab.
Er schrie in ihren Mund hinein, doch Arya konnte nicht sagen ob aus Erregung oder Schmerzen, die das dämonische Feuer in ihm hervorgerufen hatte. Eine Weile hielt die Frau inne, um die köstliche Erregung auszukosten, doch gerade als Zaniels Finger sich in ihre Oberarme verkrallen wollten, stieg sie kommentarlos über ihn hinweg. Um einen klaren Gedanken fassen zu können, musste sie Abstand halten. Und um diesen Abstand einhalten zu können, musste sie ihre Maske aufbehalten. Wenn auch nur für den Moment.
Außer Atem und laut knurrend rollte der Teufel sich erst auf den Bauch, dann sprang er leichtfüßig wieder auf die Beine.
„Was zur Hölle treibst du hier?“, knurrte er mit furchteinflößender dunkler Stimme.
Fast hätte Arya geschmunzelt. Soso, er wollte also kein Wort über diesen plötzlich Vorfall verlieren.Diese Gefallen würde sie ihm aber nicht tun.
„Was zur Hölle lässt dich so die Kontrolle verlieren?“, stellte sie ausdruckslos die Gegenfrage.
Provokant und bloß, um ihn zu ärgern, leckte sie sich über die Lippen, wo sich des Teufels Blut mit dem des niederen Dämon vermischt hatte. Sie war fasziniert von dem Geschmack, schmeckte es doch bei weitem nicht so nach Eisen, wie man es erwarten würde. Das schwarze Blut von Zaniel schmeckte so, wie dieser Mann roch. Herb und scharf, wie eine Gewürzmischung, die aphrodisierend wirkte. Das dunkelrote Blut des Toten hingegen schmekte wie...Fleisch. Roh und ungenießbar.
Ihre Frage schien den Teufel ein Stück weit aus der Bahn zu werfen, denn er blinzelte ein paar Mal und knurrte sie dann so plötzlich an, dass er wie ein erschrockener Hund wirkte.
Diese Vorstellung hätte Arya beinahe ein Lachen entlockt. Gefährlich langsam kam der Mann auf sie zu und sie ließ geschehen, dass er dicht vor ihr stehen blieb um ihr Kinn zu ergreifen und ihren Kopf in den Nacken zu legen. Diese Geste war nicht so grob, wie sie zu Anfang erwartet hatte. Fast schon sanft hielt er sie so. Doch die Stille war trügerisch und die Situation geriet beinahe wieder außer Kontrolle, als Zaniel all seine Macht in seine Stimmte legte.
„Leg dich nicht mit mir an, Arya! Du würdest es nicht überleben“, hauchte er.
Zufrieden über ihr Erschauern, ließ er sie dann auch schon wieder los.
„Nur zu, bring mich um. Aber du weißt selbst, dass du dir damit keinen Gefallen tätest“, erwiderte sie ausdruckslos. Und verdammt, sie hatte Recht. Zaniel wäre verdammt wenn er seine Kontrolle verlöre und sie ins Fegefeuer schickte, wo jeder Dämon früher oder später endete. Denn dann wäre Zaniel nicht mehr er selbst. Schon in den vergangen Jahren hatte er sich verändert, nun allerdings änderte sich schon wieder alles. Als der Mann nicht auf ihre Worte antwortete, breitete sie seufzend ihre Schwingen aus und flatterte ein paar Mal mit ihnen. Staub wirbelte auf.
„Gut, sie heilen schon wieder“, murmelte sie zu sich selbst als sie spürte, wie die zertrümmerten Knochen wieder versuchten, zusammen zu wachsen.
Neugierig und doch wachsam betrachtete der Teufel sie. Diese Frau war unglaublich mächtig geworden und auf der einen Seite erfüllte ihn dieses Wissen mit Stolz. Auf der anderen Seite jedoch, war ihm das nicht geheuer. Sie hatte schon seit Jahren keinen Grund mehr, noch mächtiger zu werden. Er war davon ausgegangen, dass sie glücklich mit Chriztian zusammen lebte und mit ihm an ihrer Zukunft arbeiten würde. Wenn er sie jedoch so betrachtete wäre er fast auf den Gedanken gekommen, sie wäre hier um seinen Platz auf dem Thron einzunehmen. Plötzlich schrillten bei ihm alle Alarmglocken.
„Arya, warum bist du nicht in der Menschenwelt oder im Himmslreich?“, fragte er nun eine Spur freundlicher, dennoch angespannt. Das, was vor wenigen Augenblicken noch zwischen ihnen geschehen war, verdrängte er vollkommen, bis er es auch schon vergessen hatte.
Die Frau erwiderte seinen Blick zwar, kehrte ihm nach einigen Augenblicken aber den Rücken.
„Weil ich nicht dort sein will“, erwiderte sie kühl und bog um die Ecke. Zaniel folgte ihr.
Oh, es gab eine Menge zu klären. Nicht nur zwischen dem Teufel und eine seiner Untergebenen, sondern auch zwischen einem Mann und einer Frau!
Schweigend saßen die beiden sich gegenüber, keiner von ihnen traute sich die Stille zu durchbrechen. Zaniel konnte sich mit dieser Situation nicht anfreunden. Ihm brannten so viele Fragen auf der Zunge, er wusste gar nicht wo er anfangen sollte. Und wenn er es genau nahm, wollte er eigentlich überhaupt nicht anfangen. Viel mehr sollte Arya ihm erklären, was zur Hölle sie hier trieb. Doch sie dachte offenbar nicht daran, ihm eine Erkärung zu liefern. Irgendwann hielt er es deshalb nicht mehr aus. Erwartungsvoll zog er die Brauen hoch, die Arme vor der muskulösen Brust verschränkt.
„Was fällt dir eigentlich ein, meine Gefangenen abzuschlachten?“, sagte er ausdruckslos, sodass es Arya weit mehr beunruhigte, als wenn er die Worte geknurrt hätte.
Arya hielt im ersten Augenblick inne. Noch immer war das Blut in seinem Gesicht, was seiner Schönheit keinen Abbruch tat. Sie hatte völlig vergessen, wie atemberaubend er aussah.
„Es musste sein. Ich hätte mich sonst nicht beruhigt“, antwortete sie nun, ließ dadurch aber nur noch mehr Fragen offen. Mit strapazierten Nerven schloss Zaniel die Augen.
„Und warum warst du so außer dir?“, knurrte er nun.
Arya schwieg. Der Grund für ihr Auftauchen hier war simpel. Sie wollte Zaniel eigentlich nur bitten, sie wieder für ihn arbeiten zu lassen. Alles andere wollte sie ihm eigentlich verschweigen.
Doch dann erinnerte sie sich daran, wie vertraut die beiden damals miteinander gewesen waren. Doch nach kurzem Überlegen beschloss sie, ihn erst mal im Dunkeln tappen zu lassen. Leider schien Zaniel ihr Schweigen gar nicht zu gefallen.
„Nun gut, du willst es wohl auf die harte Tour“, stellte er fest und erhob sich geschmeidig.
Aryas Mundwinkel zuckten bei seinen Worten. Zwischen ihnen hatte es immer nur die harte Tour gegegen. Zumindest im Kampf. Sie blieb also entspannt als Zaniel um den Tisch herum kam, vor ihr stehen blieb und ihr Kinn fasste. Ein Kribbeln durchfuhr sie bei dieser Berührung und ließ sie beide erst einmal schlucken. Ihre Körper schienen zu wissen, was vorhin geschehen war. Schlecht. Das war wirklich schlecht. Es machte es ihnen nur noch schwerer, als ohnehin schon.
„Als dein Herr und Meister befehle ich dir, mir augenblicklich alles zu erklären!“, donnerte es dann auch schon durch den Saal.
Skeptisch erwiderte die Frau seinen Blick.
„Hätte nicht gedacht, dass du diese Karte jemals ausspielst“, murmelte sie und seufzte dann, was Zaniel dazu brachte auf ihren geteilten Schmollmund zu blicken. Selbst jetzt dachte er noch daran, sie sich einfach zu nehmen und sie zu dominieren.
„Also gut, du hast gewonnen“, hauchte sie und schob seine Hand beiseite, ehe sie ihm wieder ins Gesicht sah.
„Ich lebe jetzt schon seit Jahren im Himmelsreich, Zaniel. Und ich halte es keinen Tag länger dort aus! Ich habe mich selbst nicht mehr unter Kontrolle und deswegen halte ich es für besser, wenn du...wenn ich wieder hier bleiben könnte“, erklärte sie.
In Zaniels Kopf ratterte es. Ihm war aufgefallen, dass sie mit keinem Wort Chriztian erwähnt hatte. Hatten die beiden etwa keinen Kontakt mehr zueinander? Nein, das war unwahrscheinlich. Immerhin behauptete sie, im Himmelsreich zu leben. Und was meinte sie damit, keine Kontrolle mehr zu haben? Er kam zu dem Entschluss, dass diese Frage zuerst geklärt werden musste.
„Arya, was meinst du damit wenn du sagst, du hast keine Kontrolle mehr über dich?“, knurrte er.
Erneut seufzend erhob die Frau sich, um mit dem Mann auf Augenhöhe zu sein. Und zum ersten Mal seit sie wieder hier war, ließ sie ihre Maske fallen. Nervös strich sie sich die Haare zurück und begann, auf und ab zu laufen.
„Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, Zaniel. Aber wenn ich mich aufrege, flippe ich immer total aus. Es ist, als würde...das Feuer ausbrechen, verstehst du?“
Nahezu hilflos sah sie ihn an. Und Zaniel verstand es tatsächlich! Keine Frage, die Frau war zu einer mächtigen Dämonin geworden, aber offenbar hatte sie noch nicht gelernt, das dämonische Feuer unter Kontrolle zu kriegen. Fast hätte er geschmunzelt. Als er sah das ihre Flügel zitterten, griff Zaniel ein. Beherzt griff er nach ihrem Arm, um sie an seine Brust zu ziehen.
Und für einen Moment war es, wie früher.
„Shht, ganz ruhig“, hauchte er und beugte sich leicht über sie. Zart strich er mit dem Daumen über ihre Lippen, ewas erneut in ihm den Wunsch hervorrief, sie zu küssen. Es dauerte nur Bruchteile von Sekunden, dann hatte die Frau in seinen Armen sich entspannt und gab sich den Berührungen hin.
„Das sind normale Reaktionen, Kleines“, sagte er leise und sah ihr eindringlich in die Augen.
„Dämonen sind von Natur aus sehr impulsiv, dein Verhalten ist also völlig normal. Allerdings muss ich zugeben, dass du mich überraschst. Du hattest dich von Anfang an sehr unter Kontrolle. Was ist passiert, dass sich das geändert hat?“
Arya wich seinem Blick aus.
„Lass uns ein andern Mal darüber reden, in Ordnung?“, sagte sie leise.
Zaniel wollte das Thema noch nicht beenden, doch er atmete tief durch und zwang sich, ruhig zu bleiben.
„Meinetwegen. Bleib hier und arbeite für mich. Aber das Thema ist noch nicht durch, hast du verstanden?“
Streng und unnachgiebig sah er sie an. Arya nickte, worauf sich ihr Gesichtsausdruck wieder verfinsterte und die Dämonin wieder zum Vorschein kam. Die beiden lösten sich bereits voneinander, da griff Arya noch einmal nach seiner Hand.
„Zaniel“, schnitt ihre Stimme kalt durch den Raum. Er hielt inne, verblüfft über ihren beängstigenden Tonfall. Er sah über seine Schulter und ließ verblüfft zu, dass sie ihn packte und zu sich hinunterzog, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu hauchen.
„Danke“, flüsterte sie, dann hatte sie ihn stehen gelassen.
Als Chriztian ins Schlafzimmer kam, stieß er ein Knurren aus.
Nicht schon wieder!, dachte er verzweifelt.
Das Himmelbett, welches aus massivem Holz war, war zertrümmert, ebenso wie die Schränke und Kommoden. Die Scherben der zwei großen Standspiegel lagen in dem Zimmer überall verteilt, dazwischen waren Blutspuren zu erkennen.
Sein Blick fiel auf den Kleiderschrank, dessen Türen aufgerissen worden waren. Bei genauerem Hinsehen sah Chriztian, dass all ihre Rüstungen verschwunden waren. Die femininen Sachen wie Kleider, Röcke und Blusen hatte seine Frau zurückgelassen. Zum ersten Mal in all den Jahren, hatte sie tatsächlich ihre Tasche gepackt.
Der Erzengel machte auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Raum. Er wusste bereits wo er hinwollte. Ob sie dort zu finden war blieb fraglich, immerhin waren Jahre vergangen.
Doch er musste es herausfinden. Kurzerhand breitete er also vor dem Palast der Erzengel die Flügel aus und schwang sich in die Luft.
…
Gute fünfzehn Minuten später, stieß der Erzengel die Türen zum Thronsaal auf.
„Wo ist sie?“, brüllte er und rauschte auf den Teufel zu. Dieser starrte ihn mit tödlichem Blick an und breitete seine Schwingen aus, nachdem er sich erhoben hatte.
„Schon wieder ein Erzengel in meinen Gefilden, womit hab ich das nur verdient?“, empfing er Chriztian feindselig, breitete aber dennoch provokant seine Arme aus.
„Verdammtes Arschloch, wo ist sie?“, knurrte Chriztian.
Himmlisches Feuer knisterte in seiner Handfläche und Zaniel musste sich arg zusammenreißen, um keine Reaktion zu zeigen. Was zur Hölle war denn mit diesem Mann los? Er hatte Aryas Verhalten schon komisch gefunden aber Chriztian benahm sich ja noch komischer. Nun konnte Zaniel verstehen, warum Arya nicht über ihn hatte sprechen wollen. Ging das etwa schon all die Jahre so?
Wenn ja, dann bereute Zaniel es, sie damals fortgeschickt zu haben. Er würde es wieder gut machen und sogleich damit anfangen.
„Es tut mir leid dich zu enttäuschen, Chriztian, aber Arya ist nicht hier. Sie ist viel zu stolz und stur um noch einmal hier aufzulaufen, nicht wahr?“, plauderte er fröhlich drauf los.
Überraschenderweise wurde Chriztian tatsächlich ein bisschen ruhiger. Die Worte schienen in seinen Ohren plausibel zu klingen.
„Verdammt, dann sag mir wo sie steckt! Sie hat ihre Sachen gepackt, sie kann nicht auf Durchreise sein“, knurrte er leise.
Zaniel zuckte gleichgültig mit den Schultern.
„Das übersteigt meine Fähigkeiten, Erzengel. Was ist los bei euch? Solltet ihr nicht ununterbrochen zusammen sein?“
Der Blick den Chriztian ihm zuwarf, hätte ihn wohl getötet, wenn er nicht der Teufel höchstpersönlich gewesen wäre.
„Das hat dich nicht zu interessieren. Halt dich aus unseren Angelegenheiten raus, hast du verstanden?“, brummte er.
Zaniel zog eine Augenbraue hoch, dann tauchte er direkt vor dem Erzengel auf und packte ihn an der Kehle.
„Erst kommst du hier angekrochen und dann knurrst du, ich solle mich raushalten? Jetzt pass mal auf, du jämmerlicher Wurm, wenn du nicht sofort von hier verschwindest, schwöre ich dir, werde ich Arya für dein aufmüpfiges Verhalten leiden lassen, sollte ich sie noch einmal sehen, hast du verstanden?“
Seine gebrüllte Drohung zeigte Wirkung, denn Chriztian faltete seine Schwingen zusammen und trat mit distanziertem Gesichtsausdruck zurück.
„Weißt du was? Vielleicht ist es besser, wenn der Kontakt abbricht“, murmelte er, dann war er verschwunden.
Völlig perplex kehrte Zaniel der Tür den Rücken. Was sollte er davon halten?
Als er Arya auf seinem Thron sitzen sah, die Beine lässig über den Armlehnen, hätte er sich beinahe erschrocken. Zur Hölle, wie hatte sie das gemacht? Ausdruckslos blickte sie ihm entgegen.
„Danke“, war alles, was sie sagte.
Beim Anblick der Frau änderte sich Zaniels Laune schlagartig. Lächelnd ging er zu ihr, vor dem Thron lieb er stehen.
„Wenn du dich bedanken willst, dann so wie das letzte mal“, verlangte er und deutete auf seinen Mund.
Und schon ist es wie früher..., dachte Arya mit zuckenden Mundwinkeln und erhob sich in einer eleganten Bewegung. Sie wusste nicht was in sie gefahren war, doch sie trat an ihn heran und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.
„Danke, dass du mich nicht verpfiffen hast“, hauchte sie an seinem Mund. Ein weiterer Kuss folgte.
„Danke, dass du mich hier bleiben lässt!“Der nächste Kuss wurde noch sanfter.
„Danke, für alles! Auch, dass du mich zur Dämonin gemacht hast.“Arya sah ein, dass sie Zaniel niemals geküsst hätte, wäre es zwischen Chriztian und ihr anders. Doch sie wollte gegen diesen Mann und seine Einstellung rebellieren. Also was sprach gegen eine Affäre mit Zaniel? Zugegeben, es machte sie zu einer Schlampe. Doch sie war eine Dämonin und just in diesem Moment, ging ihr diese moralische Einstellung am Arsch vorbei!
Zaniel war verblüfft über ihre Worte und den ganzen Küssen, dennoch umschlang er sie mit den Armen und hielt sie dicht bei sich.
„Du verblüffst mich immer wieder, Kleines. Erst reißt du mir die Lippen auf und dann küsst du mich so zart, wie eine Frau es nur kann“, murmelte er an ihrem Mund.
„Ich bin eben wandelbar“, schmunzelte sie und löste sich schließlich von ihm.Es war verblüffend wie schnell ihre Launen sich änderten, just in diesem Moment sah sie ihm todernst in die Augen, sämtliche Regungen hatte sie aus ihrem Gesicht verbannt.
„Schätze, wir müssen reden“, begann sie monoton, dann ging sie zurück zu seinem Thron und ließ sich wieder lässig darauf nieder.
„Ein paar Erklärungen wären allerdings nicht schlecht“, erwiderte Zaniel und gesellte sich an ihre Seite. Seufzend schloss Arya die Augen.
„Du hast ja gesehen, wie Chriztian drauf ist. Die ersten Wochen im Himmelsreich waren angenehm, Chriztian und ich haben viel Zeit miteinander verbracht. Aber irgendwann musste er sich dann auf sein Tun konzentrieren. Ich weiß nicht, ob ihm der Rang als Erzengel zu Kopf gestiegen ist oder die anderen Erzengel ihn manipuliert haben, aber ständig will er mir Vorschriften machen. Andauernd streiten wir. Ich war schon angefressen, weil ich im Himmelsreich keine Aufgaben zu übernehmen hatte. Aber Chriztians Worte neulich, dass er mich in diese Welt eingliedern will, haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich will weder zurück ins Himmelsreich, noch zurück zu Chriztian wenn er sich weiter so benimmt.“
Nachdenklich hörte Zaniel sich alles an, dabei tippte er unablässlich ans Kinn.
„Eine in der Tat verständliche Reaktion von dir. Aber um ehrlich zu sein wundert mich Chriztians Verhalten nicht. Sämtliche Erzengel, ob Raphael oder auch Michael, waren zu Beginn ihrer Existzenz ganz anders. Ich glaube, es liegt an ihrem Rang. Er scheint sie zu verändern. Und nun offenbar auch Chriztian.“Bei Zaniels Worten bildete sich ein dicker Kloß in ihrem Hals. Das war nicht fair! Sie wollte nicht, dass Chriztian sich veränderte. Sie hatte nie gewollt, dass dieser Mann ein Erzengel wird.
„Ich war von Anfang an nicht damit einversanden, dass Chriztian diesen Posten antritt“, begann sie nun von Neuem und sah Zaniel wieder an.
„Nach Allem was diese Männer getan haben, sollte er sie hassen. Und sich nicht darüber freuen, nun einer von ihnen zu sein. Auch dewegen haben wir regelmäßig gestritten. Ich habe einfach kein Verständnis für seine Ansichten.“
Lange Zeit lang ruhte Zaniels Blick auf ihr, ruhig aber eindringlich, trügerisch still.
„Liebst du diesen Mann noch, Arya?“, fragte er ausdruckslos.
Arya war überrascht über seine Frage und auch Zaniel hätte fast geflucht. Es hatte ihn weder zu interessieren, noch war es relevant. Und dennoch brach er dieses, für ihn persönliche Tabu. Arya erwiderte seinen Blick und schwieg im ersten Moment, dann seufzte sie lautlos.
„Schon. Aber welche Rolle spielt das noch? Und wie lange wird das noch so bleiben?“, murmelte sie.
Zaniels Stimmung kippte. Er sah den Selbstzweifel in ihren Augen und hätte sie liebend gerne wieder in die Arme genommen, doch er musste sich zusammenreißen. Er wollte Arya in ihrem Tun und Denken in keinsterweise beeinflussen, leider hatte er schon viel zu sehr eingegriffen.Und verdammt, er bereute es kein Stück!
„Hast du vor, in den nächsten Tagen zu ihm zurückzukehren?“, platzte es dann aus ihm heraus. Schmollend wandte die Frau den Blick ab.
„Nein. Ich habe die Schnauze voll. Wenn ich Chriztian etwas bedeute, wird er mich suchen und nicht locker lassen. Trotz deiner Drohung.“Zaniels Mundwinkel zuckten. Ja, damit hatte er rechnen müssen. Zwischen den Dämonen hatte sich eine friedliche Stille gebildet, bis Arya sich zögernd erhob.
„Die Situation zwischen dir und Chriztian eben, hat die Fronten wieder verhärtet, nicht wahr?“, sagte sie leise.
Zaniel nickte, geschlagen. Genau genommen war er nicht mehr der Feind der Erzengel, dank Chriztians Verhalten hatte er aber wieder eine Grenze ziehen müssen, von der er gehofft hatte sie vermeiden zu können. Wenn Chriztian den anderen Erzengeln davon berichten würde, würden diese wahrscheinlich wieder aggressiv werden.
„Mag sein, dass die Erzengel begriffen haben das man sich nicht mit mir anlegt, aber sie sind dumm genug, die gleichen Fehler noch einmal zu machen“, dachte er laut.
Arya schwieg. Was hätte sie auch sagen sollen? Das sie Chriztian aufhalten würde? Mit Sicherheit nicht! Fast schon aggressiv machte die Frau einen Wink mit der Hand.
„Lass uns abwarten, okay? Ich habe keine Lust, mich jetzt damit auseinander zu setzen“, murmelte sie. Zaniel schmunzelte und nickte zustimmend.
„Du hast Recht, ich habe auch ganz andere Dinge im Kopf. Wie wäre es zum Beispiel mit einem kleinen Kampf? Ganz, wie zu alten Zeiten?“
Schallend lachend warf Arya den Kopf in den Nacken.
„Warum überrascht mich das jetzt nicht?“, lachte sie und zwinkerte, nachdem sie sich beruhigt hatte.
„Aber meinetwegen. Schauen wir mal, in wie weit du noch mit mir umgehen kannst!“
Herausfordernd sah die Dämonin auf ihn herab, was dem Teufel ein Schnauben entlockte.
„Ich weiß nicht, ob ich das dumm oder mutig nennen soll“, erwiderte er laut und sah hinauf zu Arya, die sich mit anmutigen Flügelschlägen in der Luft hielt.
„Was denn, willst du nicht spielen?“, fragte sie gespielt bestürzt und schob schmollend die Unterlippe vor. Fast schon knurrend breitete auch Zaniel seine Flügel aus.
„Ich spiele anders als du, Arya“, murmelte er, doch Arya hörte es nicht.
Als er sich ebenfalls in die Luft schwang, dauerte es nicht lange bis die Frau ihn von allen Seiten her anzugreifen schien. Zaniel staunte nicht schlecht als die Dämonin es tatsächlich schaffte, seinen Flügel zu verletzen. Als er wütend zu einer, dieses Mal ziemlich uneleganten Landung ansetzte, tat Arya es ihm nach. Während Zaniel das Loch in seinem Flügel inspizierte, trat Arya an ihn heran.
„Du bist nicht bei der Sache“, stellte sie sachlich fest und stemmte eine Hand in die Hüfte. Aufmerksam betrachtete sie den Teufel, doch er wirkte noch immer kühl und gelassen, trotz seiner Verletzung. Als sich seine roten Augen schlagartig auf sie richteten, gefror ihr das Blut in den Adern. Was war das für ein Blick? „Wie auch?“, erwiderte er knurrend und deutete auf sie. Fragend sah Arya an sich herunter. Sie hatte sich lediglich ihre Trainingsrüstung angezogen. Bustier und knappe Shorts. Sie war barfuß und trug nicht einmal ihre Waffen bei sich. Während Arya sich selbst musterte, betrachtete auch Zaniel sie. Ein dünner Schweißfilm glänzte auf ihrer Haut und war Zeuge dessen, wie anstrengend die Manöver in der Luft waren. Ihre schlanke Silhouette ließ erahnen, welch Muskeln unter ihrer Haut lauerten, doch zu sehen waren sie nicht. Vor lauter Anstrengung hob und sank sich ihre Brust schneller, als für gewöhnlich, doch ihr Atmen war nicht zu hören.
„Lässt du dich davon etwa ablenken?“, stichelte sie plötzlich. Als Zaniel ihr wieder ins Gesicht sah bemerkte er ihren Blick, der schon eine ganze Weile wieder auf ihm liegen zu schien.
Verdammt, sie hatte ihn erwischt!
„Überrascht dich das etwa?“, erwiderte er kühl, worauf Aryas Mundwinkel zuckten.
„Das nicht, nein. Aber es überrascht mich, dass du dadurch einen Kampf auf die leichte Schulter nimmst. Das passt nicht zu dir“, erklärte sie.