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Oskar Meding

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Beschreibung

In der Anthologie 'Palle' erforschen Oskar Meding und sein Pseudonym Gregor Samarow die nuancierten Facetten politischer und gesellschaftlicher Umwälzungen des 19. Jahrhunderts in Europa. Die Sammlung zeichnet sich durch eine beeindruckende stilistische Vielfalt aus, die von historischen Analysen bis zu fiktiven Erzählungen reicht. Diese Werke bieten Einblicke in die komplexen Wechselbeziehungen zwischen individuellen Schicksalen und kollektiven historischen Bewegungen, wodurch sie nicht nur literarisch ansprechend, sondern auch historisch bedeutsam sind. Oskar Meding, unter seinem Pseudonym Gregor Samarow, war nicht nur ein talentierter Schriftsteller, sondern auch ein scharfsichtiger Beobachter seiner Zeit. Seine Werke reflektieren tiefgehend die sozialen und politischen Strömungen seiner Epoche und bieten dadurch bedeutende Beiträge zum Verständnis des 19. Jahrhunderts. Die in 'Palle' versammelten Texte sind Zeugnisse dieser Epoche und spiegeln die Perspektiven eines Autors wider, der aktiv an den politischen Diskursen seiner Zeit teilnahm. 'Palle' ist eine unverzichtbare Sammlung für alle, die sich für Geschichte, Literatur und die Verbindung zwischen beiden interessieren. Die Anthologie eröffnet Lesern die Möglichkeit, durch eine literarisch reiche und thematisch vielfältige Brille die Vergangenheit zu erkunden und fördert ein tieferes Verständnis der Kräfte, die die moderne Welt geformt haben. Ein Muss für jeden historisch interessierten Leser und eine Fundgrube für Literaturliebhaber.

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Oskar Meding Gregor Samarow

Palle

Historischer Roman - Das Zeitalter der Renaissance

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2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-3741-8

Inhaltsverzeichnis

I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
XII.
XIII.
XIV.
XV.
XVI.
XVII.
XVIII.
XIX.

I.

Inhaltsverzeichnis

In der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, als der Papst Sixtus IV. auf dem Stuhl St. Peters saß und der päpstliche Hof, umgeben von seinen Kardinälen, welche an überreicher Pracht die Könige der Christenheit selbst überboten, von den stolzen Fürsten Roms und von den Gesandten aller Staaten Europas, ein schimmerndes Bild vielfarbigen Glanzes darbot, vereinigten sich diejenigen Elemente der Gesellschaft, welche man heute die Haute finance nennen würde in der Via de Banchi, welche nach der Engelsbrücke und dem Castel San Angelo hinführte. Diese Straße war diejenige, welche heute Via de Banchi vechi heißt und an welche sich die Via de Banchi nuovi anschließt. In dieser Straße lagen die großen Bankhäuser, welche sich fast ausschließlich in den Händen der Florentiner und einiger Sienesen befanden. Hier hatten die damaligen Finanzgrößen, welche heute teils verschwunden, teils zu Fürsten geworden sind, wie die Strozzi, Chigi, Niccolini und Altoviti ihre Sitze. Auch die beiden florentinischen Patriziergeschlechter der Pazzi und der Medici waren hier glänzend vertreten. Die Bank der Pazzi lag in der Nähe der Brücke, etwas weiter zurück in der Straße die Bank der Medici, welche allen voranstand an Geldmacht und Einfluß, ungefähr den heutigen Finanzgrößen wie Rothschild und Baring vergleichbar, denn die Medici waren Schatzmeister des heiligen apostolischen Stuhls und hatten alle offiziellen und persönlichen Geldgeschäfte des Papstes und der meisten Kardinale zu besorgen; sie hatten ihre Filialen in allen Städten Italiens, in Frankreich und Spanien, und es gab kein großes Kreditgeschäft der damaligen Handelswelt, bei welchem die Medici nicht den maßgebenden und leitenden Mittelpunkt bildeten. Alle diese Bankhäuser waren Paläste, deren Gewölbe unermeßliche Schätze an Gold, Silber und Kostbarkeiten aller Art enthielten, im Erdgeschoß und in den Umgebungen der Höfe befanden sich die weit ausgedehnten Comptoirräume, während in den oberen Etagen die Wohnungen und Festsäle der Bankhalter lagen. Sie sind meist heute verschwunden oder dienen niedrigem Volk zur Wohnung, soweit sie noch vorhanden sind, so daß man in den Fenstern statt der schweren Seidenstoffe schlechte Wäsche aufgehängt sieht und zerlumpte Kinder unter den Portalen spielen, durch welche nicht mehr die Boten aus allen Enden der Welt die Briefe der geldbedürftigen Könige und Fürsten herbeitragen oder die Nachrichten über den Fortgang großer industrieller und finanzieller Unternehmungen bringen.

Das Haus der Pazzi war vertreten durch den Neffen Jacopos, des Ältesten der Familie, den jungen Francesco Pazzi und das der Medici durch Giovanni Tornabuoni, den mütterlichen Oheim des Lorenzo de Medici, welcher an der Spitze der Regierung der florentinischen Republik stand.

Die beiden Familien waren verwandt, da Lorenzos Schwester Bianca mit Giuglielmo Pazzi sich vermählt hatte. Dennoch fand eine gewisse Eifersucht zwischen ihnen statt, da die Pazzi zu der alten florentinischen Patrizierpartei gehörten, während die Medici sich auf die demokratische Volkspartei stützten und durch deren Gunst und Verehrung ihre dominierende Stellung in Florenz errungen hatten und festhielten.

Diese Eifersucht übertrug sich auch auf die Verhältnisse der beiderseitigen Banken, obgleich die Vertreter derselben äußerlich in persönlich freundschaftlichem Verkehr standen. Die Pazzi aber empfanden es häufig, daß die Medici ihnen ihre finanziellen Unternehmungen durchkreuzten oder selbst an sich zogen, was ihnen um so leichter wurde, da sie als Schatzmeister des heiligen Stuhls einen natürlichen Einfluß auf die übrige Finanzwelt ausübten und auch einen tieferen Einblick in die für die Finanzoperationen wichtigen politischen Verhältnisse zu thun im stande waren.

In der Dämmerung eines Januarabends des Jahres 1477 ritt von der Engelsbrücke her in die bereits ziemlich stille Via de Banchi ein vornehmer Herr von stolzer Haltung auf einem prächtigen andalusischen Goldfuchs ein. Er war zwischen fünfunddreißig bis vierzig Jahre alt, sein stark gebräuntes Gesicht, mit der gebogenen Nase und dem spitzgeschnittenen dunklen Bart schien durch heftige Leidenschaften gewelkt, ein unstätes Feuer flammte in seinen dunklen Augen, bald höher aufsprühend, bald wieder wie in matter Gleichgültigkeit zusammensinkend oder sich hinter den halbgeschlossenen Lidern verbergend. Er trug auf dem lockigen Haar ein mit kostbarem Pelzwerk besetztes Barett, über seinem glatt anliegendem Anzüge von kunstvoll gewirktem Brokat hing ein ebenfalls mit Pelz verbrämter Überwurf von dunklem Sammet, prächtige Edelsteine blitzten von dem Gehänge und dem Griff seines zierlichen Degens, wie an dem Dolch in seinem Gürtel.

Zwei Diener, welche bei der allmählich herabsinkenden Dunkelheit bereits ihre Fackeln angezündet hatten, ritten voraus, sechs andere folgten in ehrerbietiger Entfernung und die glänzende Kleidung der Diener sowie die kostbar geschirrten Pferde zeugten für den hohen Rang und Reichtum ihres Herrn.

Die wenigen noch durch die Straßen schreitenden Fußgänger, sowie die aus den einzelnen Bankhäusern heraustretenden Beamten wichen ehrerbietig zur Seite und grüßten mit tiefer Verbeugung den aller Welt bekannten Grafen Girolamo Riario, den Neffen des Papstes, welcher nach dem Tode seines Bruders, den Sixtus IV. vom einfachen Mönch zum Kardinal erhoben hatte, fast ausschließlich das Ohr Seiner Heiligkeit besaß und, von seinem Oheim mit unermeßlichem Reichtum überschüttet, die meisten römischen Fürsten durch seine verschwenderische Pracht in Schatten stellte.

Graf Girolamo erwiderte die ehrfurchtsvollen Grüße der Vorübergehenden kaum durch eine flüchtige hochmütige Neigung des Kopfes und hielt, als er die Mitte der Straße erreicht hatte, vor dem Mediceischen Bankpalast, über dessen Portal man den Schild der Medici mit den sechs Kugeln und den drei Straußfedern in Stein gehauen erblickte.

Ein Diener war schnell abgesprungen, um den Steigbügel seines Herrn zu halten, der leicht und gewandt aus dem Sattel sprang und in das von den Thürstehern offen gehaltene Portal eintrat, während sein Gefolge auf der Straße zurückblieb.

Unter dem hohen Vestibül, das bereits durch große Wachsfackeln auf kunstvoll gearbeiteten Gestellen von Schmiedeeisen erleuchtet war, traten die von dem Thürsteher benachrichtigten Diener dem Grafen ehrerbietig entgegen und führten ihn auf seine Frage nach dem Herrn Giovanni Tornabuoni durch einen gewölbten und ebenfalls hell erleuchteten Korridor nach den Geschäftszimmern des Bankchefs.

Alles war hier mit geschäftsmäßiger Einfachheit aber doch dem Glanz des Mediceischen Hauses und dem Reichtum des Vertreters desselben entsprechend, eingerichtet. Nach einem großen Vorsaal, dessen kunstvolle Mosaikböden kostbare orientalische Teppiche bedeckten, trat Graf Girolamo durch die vor ihm weit geöffnete Flügelthür in das geräumige Arbeitszimmer ein, an dessen Wänden kunstvoll geschnitzte Akten- und Bücherschränke standen, während in der Mitte ein großer Schreibtisch, mit Briefen und Papieren bedeckt, von einem tief herabhängenden bronzenem Lüstre mit Wachskerzen beleuchtet wurde.

Giovanni Tornabuoni war damals etwa fünfzig Jahre alt. Er war einfach in ein pelzverbrämtes, weites Gewand von schwerer schwarzer Seide gekleidet, sein feines Gesicht mit den dunklen klugen Augen und dem ergrauenden, über der Stirn zurückgestrichenen Haar, war bartlos und zeigte mit dem feinen Munde, den ausdrucksvollen aber ruhigen Zügen weltmännische Verbindlichkeit und dabei eine feste und unbeugsame Willenskraft.

Er war dem Grafen bis zur Thürschwelle entgegengetreten, verbeugte sich tief und sagte:

»Ich bedaure, erlauchter Graf, daß Eure Exzellenz sich hierher in mein bescheidenes Arbeitszimmer bemüht haben, wäre ich früher von der Ehre Ihres Besuchs unterrichtet gewesen, so hätte ich Sie oben in meiner Wohnung würdiger empfangen.«

»Das hat nichts zu sagen, mein lieber Freund,« erwiderte Graf Girolamo, indem er dem gebückt vor ihm Stehenden mit herablassender Vertraulichkeit die Hand drückte, »ich weiß wohl, daß Eure Gemächer dort oben würdig wären, Seine Heiligkeit selbst zu empfangen, aber ich komme nicht, um Euch einen zeremoniellen Besuch zu machen, sondern um ein Geschäft mit Euch zu besprechen und sobald als möglich abzuschließen, und dazu ist wohl dieser Raum hier, aus welchem ja doch aller Glanz Eurer Säle dort oben hervorwächst, am meisten geeignet.«

»Ich stehe zu Eurer Exzellenz Befehl,« erwiderte Tornabuoni, indem er einen Lehnsessel heranzog und, nachdem der Graf Platz genommen, sich auf den hölzernen geschnitzten Arbeitsstuhl vor seinen Schreibtisch niedersetzte.

»Ihr wißt,« begann Graf Girolamo, »daß Seine Heiligkeit von dem Herzog Galeazzo Maria von Mailand die Stadt und Herrschaft Imola gekauft, welche jener von den Manfredi erworben. Der Tod des unter frevelhaften Mörderhänden gefallenen Herzogs Galeazzo hatte den vollkommenen Abschluß dieses Geschäfts etwas verzögert, alles ist aber jetzt mit der Herzogin Regentin in Ordnung gebracht und der Verkauf steht zur Ausführung. Der Vertrag ist geschlossen und es handelt sich um die Zahlung von dreißigtausend Goldgulden. Seine Heiligkeit hat in seiner Kasse selbstverständlich diese Summe nicht bereit liegen und es handelt sich darum, dieselbe so schnell als möglich zu zahlen; dem heiligen Vater ist an dem Abschluß sehr gelegen und auch ich,« fügte er lächelnd hinzu, »bin dabei beteiligt, da Seine Heiligkeit in seiner unerschöpflichen Gnade mir mit der Herrschaft Imola ein Geschenk zu machen beschlossen hat. Ich bin besonders erfreut dadurch zum Nachbarn der florentinischen Republik zu werden und dadurch meine freundschaftlichen Beziehungen zu Eurem Neffen, dem erlauchten Lorenzo, noch fester zu knüpfen.«

Tornabuoni hatte schweigend, ohne daß ein Zug seines Gesichts sich bewegte, zugehört und erwiderte, als der Graf schwieg:

»Ich kenne diese Verhandlungen, gnädigster Herr; Seine Heiligkeit hat die Gnade gehabt, mich davon unterrichten zu lassen, ich habe auch nach Florenz darüber berichtet, ich kann Eure Exzellenz versichern, daß die Signorie meiner Vaterstadt und insbesondere mein Neffe Lorenzo sehr erfreut sein werden über Ihre freundnachbarlichen Gesinnungen, und daß unsererseits bereits seit längerer Zeit alle Schritte geschehen sind, um den Wünschen Seiner Heiligkeit entsprechend die Kaufsumme flüssig zu machen.«

»Nun, das ist vortrefflich,« rief Girolamo freudig, »dann ist ja das Geschäft, das mich hierher geführt, schon so gut wie abgeschlossen und ich werde bald die Freude haben, den erlauchten Lorenzo von Imola aus zu besuchen.«

»Ich habe Eurer Exzellenz gesagt,« erwiderte Tornabuoni, »daß wir alle Schritte gethan haben, um die Kaufsumme flüssig zu machen, aber leider hat uns das bis jetzt nicht gelingen wollen. Die Zeiten sind schwer und das Geld sehr teuer, die Geschäfte bringen geringen Ertrag und unsere Mittel liegen in großen Unternehmungen fest, so daß wir noch nicht im stande waren, die von Seiner Heiligkeit gewünschte Summe aufzutreiben.«

Girolamo erbleichte, drohend blitzten seine Augen, ein höhnisches Lächeln zuckte um seine Lippen.

»Ich hätte geglaubt,« sagte er, »daß eine Summe von dreißigtausend Goldgulden für das Haus Medici kein Betrag von großer Bedeutung sei, und wenn Eure eigenen Mittel in diesem Augenblick, wie Ihr mir sagt, festliegen, so würde es doch für die Autorität und den Kredit der Medici nicht schwer sein, das Geld durch Vermittelung mit anderen Banken zu schaffen. Seine Heiligkeit hat – und gewiß mit Recht – auf eine solche schnelle und wirksame Vermittelung gerechnet, da das Haus Medici ja das Schatzmeisteramt des apostolischen Stuhls in seinen Händen hat und vor allem verpflichtet ist, für die Bedürfnisse des heiligen Vaters zu sorgen.«

»Wir kennen und würdigen vollkommen« erwiderte Tornabuoni, »die Pflichten, welche uns das Schatzmeisteramt gegen Seine Heiligkeit auferlegt und haben auch die Vermittelung, von der Eure Exzellenz sprechen, mit allem Eifer versucht, ich habe bei den Altoviti, den Nicolini, den Strozzi und den Chigi alles versucht, das Geschäft zu stande zu bringen, auch von Florenz aus sind alle Banken in Frankreich und Spanien zu gleicher Vermittelung angewiesen worden, aber, wie ich Eurer Exzellenz zu sagen die Ehre hatte, unsere Bemühungen sind bis jetzt vollkommen vergeblich gewesen, und wir würden höchstens es übernehmen können, die Kaufsumme in kleineren Raten herbeizuschaffen.«

»Das kann zu nichts führen,« rief Girolamo heftig, »in Mailand verlangt man die sofortige Zahlung, wenn das Geschäft zu stande kommen soll und –«

»Das wird vollkommen unmöglich sein,« erwiderte Tornabuoni ruhig, »Seine Heiligkeit weiß wohl, daß wir alle seine Wünsche zu erfüllen streben, obwohl wir von ihm stark in Anspruch genommen werden, auch werden wir nicht versäumen, unsere Verhandlungen mit allem, einer so wichtigen Sache gebührenden Eifer, fortzusetzen.«

»Und in welcher Zeit glauben Sie damit zu stande zu kommen?« unterbrach ihn Girolamo.

Tornabuoni zuckte die Achseln.

»Darüber bin ich nicht im stande, Euch eine Antwort zu geben, erlauchter Graf, jedenfalls ist es ganz gewiß, daß eine geraume Zeit darüber hingehen wird, wie ich schon bemerkt; alle hiesigen Bankhäuser haben unserer Aufforderung nicht zu entsprechen vermocht.«

Girolamo biß sich auf die Lippen und vermochte nur mit Mühe seinen auflodernden Zorn zu unterdrücken. »Und die Pazzi?« sagte er. »Habt Ihr Euch an die Pazzi gewandt, die doch über große Mittel verfügen?«

»Das haben wir nicht gethan,« erwiderte Tornabuoni, »ich bin überzeugt, daß auch die Pazzi ohne noch anderen Beistand nicht im stande sind, ein so großes Geschäft zu machen, außerdem wissen Eure Exzellenz, daß die Pazzi trotz ihrer Verschwägerung mit dem Hause Medici, eine gewisse, fast möchte ich sagen, eifersüchtige Zurückhaltung gegen uns beobachten und nicht geneigt sein würden, ein von uns durchzuführendes Geschäft zu unterstützen.«

In Girolamos Augen blitzte es bei den letzten Worten tückisch auf.

»So könnt Ihr mir keine andere Antwort geben?« fragte er kurz.

»Ich bedaure,« erwiderte Tornabuoni, »daß ich dazu nicht im stande bin, wenn ich Eurer Exzellenz nicht falsche Hoffnungen erwecken will – ich wiederhole noch einmal, daß wir alles aufbieten werden, um die Sache, soweit es die Verhältnisse gestatten, zum Abschluß zu bringen, doch ist mein Rat, mit den Sforza eine Ratenzahlung zu vereinbaren und ich kann versichern, daß Lorenzo zu einer Abmachung in diesem Sinne mit allem Eifer seinen Einfluß in Mailand geltend machen wird.«

»Ich danke Euch für Euern guten Willen,« erwiderte Girolamo, »und werde Seiner Heiligkeit über diese unangenehme Lage der Sache Bericht erstatten. Der heilige Vater wird, das fürchte ich, davon sehr unangenehm berührt sein, noch mehr vielleicht als ich, obgleich ich zunächst am meisten davon betroffen bin.«

»Und wenn ich die Ehre hätte,« sagte Tornabuoni, »vor Seiner Heiligkeit selbst zu stehen, so würde es mir unmöglich sein, eine andere Antwort zu geben, ich glaube indes ganz gewiß, daß eine Verhandlung mit den Sforza den erwünschten Erfolg haben wird, da sie ja auch wünschen müssen, des heiligen Vaters Gnade und unsere Freundschaft sich zu erhalten.«

»So müssen wir denn weiter sehen, was zu thun ist,« erwiderte Girolamo schnell aufstehend.

Er hatte eine vollkommen gleichgültige Miene angenommen, nur aus seinen Augen blitzte es wie feindliche Drohung.

Er reichte Tornabuoni flüchtig die Hand, und dieser begleitete ihn ehrerbietig bis zur Schwelle seines Kabinetts.

Im Vorzimmer trat ihm ein junger Mensch von kaum zwanzig Jahren in der reichen eng anschließenden Modekleidung der damaligen Zeit, mit lang herabhängenden aufgeschlitzten Ärmeln an dem Oberwams, den Degen an der Seite und den kurzen Dolch im golddurchwirkten Gürtel, entgegen.

Es war eine außerordentlich vornehme sympathische Erscheinung, sein Gesicht hatte die feinen Züge, welche man auf alten Porträts jener Zeit wiederfindet und zeigte entschlossene Willenskraft, noch verbunden mit dem weichen Schmelz der frühen Jugend; seine dunklen Augen blickten wie erstaunt und fragend unter den langen Wimpern hervor und ein träumerischer Schimmer gab ihnen einen besonderen Reiz; sein tief braunes, volles Haar fiel in natürlichen Locken über den Nacken zurück.

Er verbeugte sich tief und Tornabuoni sagte: »Ich bitte Eure Exzellenz um die Erlaubnis, Ihnen meinen Neffen Cosimo Rucellai vorstellen zu dürfen, der seit einiger Zeit hier bei mir ist, um einen Überblick über die Geschäfte zu gewinnen und empfehle denselben Ihrem gütigen Wohlwollen.«

»Ah,« sagte der Graf Girolamo, – »Rucellai, – ich, kenne den Namen wohl und er hat einen guten Klang – ist Eure Mutter nicht Nannina von Medici?«

»So ist es,« erwiderte der junge Mann, »und es ist mir eine große Ehre, daß Eure Exzellenz so gütige Erinnerung für mein Haus haben.«

»Wie sollte ich nicht,« sagte Graf Girolamo, »sind doch die Medici,« fügte er mit einem leichten Anflug von Bitterkeit hinzu, »seit lange meine Freunde und treu ergebenen Diener des heiligen Stuhls – ich werde mich freuen, Signor Rucellai, wenn ich Euch nützlich sein kann.«

Er reichte dem jungen Manne flüchtig die Hand, welche dieser ehrerbietig berührte, und schritt dann schnell dem Ausgange zu.

Tornabuoni geleitete ihn noch bis zur Thüre des Vorzimmers. Cosimo aber schritt ihm, halb rückwärts gewendet, durch den Korridor voran, auf welchem die Diener mit Wachsfackeln bereit standen.

Vor dem Portal wurde das Pferd des Grafen vorgeführt.

Cosimo hielt den Steigbügel und der Graf ritt, noch einmal mit der Hand grüßend, langsam nach der Engelsbrücke hin.

»Verdammte Krämer,« sprach er vor sich hin, »und heuchlerische Schurken! Ihnen fließt das Gold aus allen Ländern Europas zu – sie sind Schatzmeister des heiligen Stuhls und sie suchen umher, um eine elende Summe von dreißigtausend Goldgulden aufzutreiben! Das ist nicht wahr, tausendmal nicht wahr – das ist tückischer Verrat, und vielleicht stecken die Sforza selbst dahinter, mit denen sie ja immer einig sind, um die Macht und den Einfluß des römischen Stuhls zurückzudrängen – vielleicht bereuen sie den Verkauf von Imola und haben sich hinter diesen heuchlerischen Lorenzo gesteckt, um den Abschluß unmöglich zu machen. Aber bei Gott, sie sollen mir für diese Frechheit büßen, wenn ich nur erst eine Handhabe finde, ihnen beizukommen!«

Ein heller Fackelschein leuchtete ihm entgegen.

Er blickte auf und sah fast neben dem Kopf seines Pferdes einen jungen Mann von vier- bis fünfundzwanzig Jahren, in reicher Tracht, mit einem über die Schultern geworfenen Pelzmantel stehen, der sich, das Barett von dem dunklen lockigen Haar abnehmend, tief verbeugte, während seine Fackelträger ehrerbietig zurücktraten.

Als der Grüßende sich wieder aufrichtete, erkannte Girolamo dessen bräunliches Gesicht mit dem aufwärts gedrehten, dunklen Schnurrbart und den stolz und kühn blitzenden Augen.

Ein triumphierendes Lächeln zuckte um des Grafen Lippen, als ob in ihm plötzlich ein willkommener Gedanke aufgestiegen sei.

Er hielt sein Pferd an und beugte sich herab, um dem Grüßenden die Hand zu reichen.

»Ah, Ihr seid es,« sagte er mit verbindlicher Liebenswürdigkeit, »Signor Francesco Pazzi und Ihr geht zu Fuß an diesem Wintertag? Fast möchte man meinen, daß Ihr ein verliebtes Stelldichein aufsucht, wenn Ihr nicht die hellen Fackeln in Euer Gesicht leuchten ließet, so daß jedermann Euch erkennen muß.«

Der junge Mann errötete flüchtig bei dem Scherz des Grafen.

»Ich habe nur einen kurzen Weg zu machen,« erwiderte er, »so daß es kaum lohnt, ein Pferd zu besteigen.«

»So so,« sagte Graf Girolamo, »dann geht Ihr wohl zu Euerm teuren Vetter Tornabuoni, bei dem man ja so vortreffliche Musik macht, daß ganz Rom davon spricht und ich habe ja auch gehört, daß in seinem Hause ein Magnet vorhanden ist, der Wohl auf einen jungen Mann wie Ihr seine Anziehungskraft üben kann. – Nicht wahr, die Marchesa Malaspina von Fosdinuovo ist dort zum Besuch mit ihrer Tochter Giovanna, die ja eine wahre Wunderblume der Schönheit sein soll?«

»Ich bin in der That auf dem Wege zu Tornabuoni,« erwiderte Francesco Pazzi schnell, ohne auf die letzte Bemerkung des Grafen zu antworten, »aber,« fügte er mit drohend aufblitzenden Augen hinzu, »was die Vetterschaft mit demselben betrifft, so ist diese Wohl recht weitläufig, und ich bin nicht gewohnt, wie dies andere wohl thun mögen, einer einfachen Verschwägerung besonderen Wert beizulegen, um mich der Verwandtschaft mit den Medici rühmen zu können.«

»Nun Ihr habt das auch wahrlich nicht nötig,« sagte Girolamo, »mich dünkt, die Pazzi wären schon ein altes und berühmtes Geschlecht gewesen, ehe die Medici aus dem Staube hervorstiegen. Doch es trifft sich glücklich, daß ich Euch gerade hier begegne, ich hatte gewünscht Euch zu sprechen.«

»Ich stehe zu Euerm Befehl, erlauchter Graf,« erwiderte Francesco eifrig, »unser Haus ist ja nur wenige Schritte von hier, wenn Ihr es mit Eurem Besuche beehren wollt, sonst bin ich bereit, Euch nach Euerm Palast zu begleiten.«

»Nein, nein,« rief Girolamo, »ich will Euch nicht von dem Wege zur schönen Giovanna ablenken, aber wenn die Gesellschaft dort auseinander geht, so werdet Ihr mich durch Euren Besuch erfreuen, Ihr findet mich zu Hause, und wenn es auch spät würde, ich werde Euch erwarten.«

»Eure Exzellenz sind sehr gnädig,« rief Francesco, »ich werde nicht verfehlen, mich zu Euerm Befehl zu stellen.«

»Auf Wiedersehen also –« sagte Girolamo, ihm nochmals die Hand reichend und ritt schnell davon, während Francesco, von seinen Fackelträgern begleitet, dem Mediceischen Bankpalast zuschritt, den jener soeben verlassen hatte.

Tornabuoni war nachdenklich in sein Kabinett zurückgekehrt.

»Es ist ein gewagtes Spiel,« sagte er, während er die Korrespondenzen in seinen Schreibtisch verschloß, »der Papst ist schon ungehalten über den Widerstand, den er gegen alle seine Wünsche in Florenz findet und wir können uns weder auf Venedig noch auf Mailand fest verlassen, da beide trotz aller Freundschaftsversicherungen das Wachsen der florentinischen Macht mit neidischen Augen ansehen. Freilich sehe ich es wohl ebenso klar wie Lorenzo, daß man uns mit einem festen Gürtel umgeben will, der in einem Augenblick auf einen Wink von Rom aus zusammengeschnürt werden kann und daß Imola, an dessen stärkerer Befestigung schon die Sforza gearbeitet haben, ein mächtiges Glied in dieser Gürtelkette bildet; aber gewagt bleibt es immerhin, den Papst geradezu herauszufordern, wie es durch die Verweigerung dieser dreißigtausend Goldgulden geschieht, da er sehr gut weiß, daß wir sie schaffen könnten und wohl auch einiges Recht hat, diesen Dienst von uns zu verlangen, da er ja den Medici das Schatzmeisteramt des apostolischen Stuhls verliehen hat, das immerhin große Vorteile in allen Geschäften bringt. Und wird der Kauf von Imola dadurch verhindert werden können? – Werden die Sforza den Kaufpreis nicht dennoch stunden und wird dann nicht Girolamo in seiner Erbitterung ein um so gefährlicherer Nachbar für die florentinische Republik werden? Ich fürchte, ich fürchte, Lorenzo überschätzt in jugendlichem Feuer seine Macht und es wäre wohl besser, vorsichtig zu sein und zu versuchen, ob wir nicht die Freundschaft, die der Papst uns doch früher entgegenbrachte, wiedergewinnen könnten, um dann in klugem, planmäßigem Vorgehen die florentinische Unabhängigkeit auf dauernden Grundlagen zu sichern, statt sie in einem gewagten Kampf aufs Spiel zu setzen. Ich werde morgen noch einmal den Grafen um eine Bedenkfrist bitten und zugleich einen Boten nach Florenz senden, um Lorenzo zu warnen, wie es mir, dem älteren Verwandten, wohl ansteht.«

Er schien mit diesem Entschluß, der einen Mittelweg bilden sollte, welcher seiner ruhigen nachdenklichen Natur entsprach, seine Sorgen beendet zu haben, wie es überhaupt seine Gewohnheit war, die Geschäfte an jedem Tage zu einem gewissen Abschluß zu führen und die weitere Entwickelung derselben dem nächsten Morgen zu überlassen.

Seine Züge nahmen seine gewohnte Heiterkeit wieder an. Er verschloß seinen Schreibtisch und die Schränke und stieg die Treppe hinauf, um den Abend, wie immer, im Kreise seiner Familie und seiner Freunde zuzubringen.

Die Wohngemächer lagen in dem sogenannten Mezzania, einer kleineren Zwischenetage zwischen dem Parterre und dem ersten Stockwerk, in welchem sich die großen Festsäle und Prunkgemächer befanden; aber auch die einfache Familienwohnung zeigte einen, selbst in dem damaligen glänzenden Rom außergewöhnlichen, ebenso gediegenen als geschmackvollen Luxus. Die Korridore waren durch Wachsfackeln hell erleuchtet und zahlreiche Diener standen bereit, die Besuchenden zu geleiten und die Thüren zu öffnen. In den inneren Gemächern waren die kunstvollen Mosaikfußböden mit kostbaren orientalischen Teppichen bedeckt, vorzügliche Gemälde der besten Meister und antike Vasen und Büsten schmückten die mit Marmor oder Getäfel von seltenen Holzarbeiten bekleideten Wände und die Kerzen auf den Krystallkronleuchtern verbreiteten ein helles Licht, während in den Kaminen die Feuer von wohlriechendem Nadelholz eine milde Wärme ausströmten.

Tornabuoni schritt durch mehrere Vorzimmer und trat in einen runden Saal, in welchem eine Gesellschaft von etwa fünfzehn Personen versammelt war und sich in einzelnen Gruppen unterhielt.

Neben Tornabuonis Gemahlin, Maddalena, saß auf einem breiten, mit kostbaren Brokatkissen bedeckten Wandsitz die Markgräfin von Malaspina und mit den beiden Damen unterhielt sich, in einem vergoldeten Lehnstuhl sitzend, der Kardinal Napoleone Orsini, der Bruder der Gemahlin Lorenzos von Medici, ein etwa fünfunddreißigjähriger Prälat von außerordentlich vornehmer Erscheinung, dessen seines und geistvolles Gesicht in seinem Ausdruck und seinem lebhaften Mienenspiel ebenso sehr die Gewandtheit des sein gebildeten Weltmannes als die Würde des Kirchenfürsten zeigte.

Auf einem Taburett, zur Seite der Markgräfin von Malaspina, saß deren kaum siebzehnjährige Tochter, Giovanna, eine außerordentlich zarte Erscheinung, deren liebliches Gesicht mit den lichten Farben und den leuchtenden dunkelblauen Augen eben erst zum Leben erwacht zu sein schien; ihr reiches Haar hatte jene schimmernd-blonde Goldfarbe, welche in Italien als eine ganz besonders seltene Schönheit gilt und in Titians Bildern mit so wunderbarem Reiz nachgebildet ist.

Sie trug ein Gewand von weißer Seide mit kostbaren Spitzen und feiner goldener Stickerei; statt der Edelsteine, welche die anderen Damen trugen, schmückten sie nur einfache frische Blumen, und der Kardinal Napoleone hatte wohl recht, wenn er von ihr sagte, daß sie von Engelshänden an einem Frühlingsmorgen aus Blumenduft und Sonnenlicht geschaffen sei.

Neben ihr, halb zu ihren Füßen, saß auf einem kleinen vergoldeten Sessel Cusimo Rucellai, welcher seinem Oheim Tornabuoni voraus hierher gekommen war, nachdem er den Grafen Girolamo zu seinem Pferde geleitet hatte.

Die beiden jungen Leute sprachen nicht miteinander, sondern hörten aufmerksam und ehrerbietig der leichten geistvollen und galanten Plauderei des Kardinals zu, dem es gelang, die ernste würdige Madonna Maddalena und die stolzblickende Markgräfin immer wieder zu heiterem Lachen zu bringen, ohne daß sie es vermochten, bei seinen zuweilen etwas gewagten Scherzen eine strenge Miene festzuhalten. Aber obgleich Cosimo und Giovanna einander scheinbar gar nichts zu sagen hatten, so konnte es doch niemandem, der sie beobachtete, entgehen, daß eine gewisse, fast magnetische Beziehung zwischen ihnen stattfand. Die schöne Giovanna schien es zuweilen zu empfinden, daß Cosimos Blicke an ihrem Gesicht mit einer Wärme hingen, die ihr Blut schneller durch die Adern trieb und wenn sie dann wie unwillkürlich die Augen aufschlug und, sich halb zu ihm hinwendend, seinen Blicken begegnete, so färbte sich das zarte Rot ihrer Wangen dunkler und sie ließ, schnell sich wieder abwendend, den Kopf wie erschrocken sinken, während doch ihr liebliches Gesicht sich, wie durch einen Sonnenstrahl unbewußter Freude verklärte.

Ringsum im Saal standen oder saßen in verschiedenen Gruppen die übrigen Gaste des Hauses, fast sämtlich junge Künstler auf dem Gebiete der Musik, der Malerei und der Bildhauerkunst, unter ihnen der feingebildete, allen Künsten zugewendete und sie auch selbst ausübende Gesandte der florentinischen Republik Donato Acciaiuoli, der es vortrefflich verstand, junge Talente anzuregen und niemals zögerte, sie in jeder Weise auf das großmütigste zu unterstützen.

Tornabuoni begrüßte galant die Markgräfin und ihre Tochter, welche auf einige Zeit die Gäste seines Hauses waren, um die römische Welt kennen zu lernen, drückte ehrerbietig die dargebotene Hand des Kardinals und wendete sich den übrigen zu, welche schnell und eifrig zu ihm herantraten.

Es war nur kurze Zeit vergangen, als Francesco Pazzi durch die Vorzimmer in den Saal trat. Er trug einen Strauß von frischen eben erblühten Rosen in der Hand. Sein Blick fiel, als er auf der Schwelle des Gemachs stand, auf Giovanna und Cosimo und in seinen Augen blitzte es wie auflodernder Zorn:

Tornabuoni trat ihm sogleich entgegen, begrüßte ihn mit verbindlicher Artigkeit und sagte:

»Ich freue mich, Signor Francesco, daß Ihr Euch auch heute wieder meines Hauses erinnert, die Florentiner müssen ja auch außerhalb der Mauern unserer Vaterstadt zusammenhalten, um so mehr, wenn sie zwei Häusern angehören, die in Freundschaft und Verwandtschaft zu einander stehen und die beide so oft und so eifrig ihre Liebe zum Vaterlande bewiesen haben.«

Francesco antwortete nur durch eine tiefe Verbeugung und ging schnell zu den Damen, um diese und den Kardinal zu begrüßen.

»Ich habe,« sagte er dann, fast hastig die Begrüßungsworte abbrechend, »in unseren Treibhäusern diese blühenden Rosen gefunden, welche in dieser Winterzeit wohl etwas Seltenes und Kostbares sind und darum auch ihre schönste Bestimmung finden, wenn die Marchesina Giovanna so gütig sein will, sie als eine Huldigung meiner Verehrung und Bewunderung anzunehmen. – Ich habe dabei nur zu bedauern, daß die Schönheit dieser Blumen, die mich eben noch entzückte, so ganz verbleichen muß vor dem Leibreiz der edlen Dame, der ich sie darzubieten wage.«

Er reichte den mit einer breiten Goldschnur umwundenen Strauß mit tiefer Verbeugung der schönen Giovanna.

Diese beugte sich errötend auf die Rosen nieder, sog den würzigen Duft ein und sprach mit unsicherer Stimme einige Worte des Dankes, während Cosimo erbleichend die Lippen aufeinander preßte.

Der Cardinal sagte lächelnd:

»Wenn schon diese schönen Rosen in den Schmelz ihrer Farbe kaum mit den Wangen unserer lieben Marchesina wetteifern können, so stehen sie noch um so weiter zurück durch ihre bösen Dornen. Freilich,« fuhr er mit einem Seitenblick auf die beiden jungen Männer fort, »haben unsere schönen Damen auch ihre Dornen, aber sie verwunden damit niemals den, für den ihre Blüten sich öffnen, und darin sind sie liebenswürdiger als die Rose, welche ihre Dornen gegen jeden richtet, der ihr nahe tritt«.

Giovanna errötete noch tiefer und wendete sich dann wie in unwillkürlicher Bewegung zu Cosimo mit einem seltsam aufleuchtenden Blick, der Francesco nicht entging. Er erbleichte; ein bitteres scharfes Wort schien auf seinen Lippen zu schweben; aber Tornabuoni trat heran und bat die Marchesa zu erlauben, daß ein junger Sänger ein Lied vortrage, das er selbst gedichtet und in Musik gesetzt.

Der junge Mann, den Acciaiuoli zum erstenmal in diese von allen Künstlern Roms so eifrig gesuchte Gesellschaft geführt, trat in die Mitte des Saals und begann seinen Vortrag, den er selbst mit der Mandolina begleitete.

Das Lied war eine Liebesklage in dem romantisch melancholischen Geist jener Zeit mit überschwenglichen Worten der Hingebung und Bewunderung und mit rührenden Klagen über die Härte der Geliebten. Die Melodie war leicht und schmeichelnd und der Sänger entwickelte eine sorgsam geübte Kunst in der Modulation seiner schönen Stimme und in der Begleitung.

Alles lauschte gespannt.

Francesco Pazzi war, da Cosimo seinen Platz neben Giovanna nicht aufgab, zu den übrigen Zuhörern getreten, aber er wendete seinen finsteren Blick nicht von den beiden jungen Leuten ab, während er aufmerksam der Musik zu lauschen schien.

»Wie schön«, flüsterte Cosimo in das Ohr Giovannas, die sich ganz in die liebliche Musik versunken, mehr noch zu ihm herab geneigt hatte, »und wie wahr! Der arme Dichter klagt in seinem Liede, daß die Dame ihm jedes Zeichen ihrer Huld versagt, das man doch auch dem Freunde gewährt, daß sie ihm eine Blume versagt, um die er sie bittet, um sich, wenn er von ihr fern ist, an den süßen Duft und den holden Glanz ihrer Schönheit zu erinnern. Und eine Blume schenkt man doch einem guten Freunde – nicht wahr, Signora Giovanna, der arme Dichter hat wohl Grund zu klagen und zu seufzen?

Sie neigte zustimmend den Kopf und sah ihn lächelnd mit einem flüchtig fragenden Blick an.

»Nicht wahr, Signora Giovanna« flüsterte er weiter, »Ihr würdet so grausam nicht sein, wenn ich Euch um eine Blume bitte – ich würde zwar nicht so melodisch klagen können wie jener Sänger dort, wenn Ihr meine Bitte versagtet, aber um so tiefer würde mein Herz darunter leiden.«

Wieder sah sie ihn, nur leicht die Wimpern aufschlagend, an, dann zog sie, lieblich errötend, eine der Rosen aus ihrem Strauß und ließ die zarte Blüte in seine bittend ausgestreckte Hand fallen.

In demselben Augenblick hörte man den Sessel, auf dessen Lehne Francescos Hand sich stützte, heftig auf den Mosaikboden stoßen, also daß alle Blicke sich dorthin wendeten; aber es mußte eine ganz zufällige Bewegung gewesen sein, welche das Geräusch verursacht hatte, denn Francesco stand unbeweglich, die Hand um die Lehne seines Sessels gespannt, da und sah den Sänger an, nur war sein Gesicht bleicher und seine Miene finsterer als vorher, wie es wohl die Töne der Liebesklage des Liedes bewirken konnten.

Cosimo achtete nicht darauf, er hob die Blume empor, als ob er ihren Duft einziehen wolle, drückte sie an seine Lippen und barg sie dann an seiner Brust in den Falten seines Gewandes.

»Dank, Giovanna,« sagte er, »Dank! O, jetzt möchte ich mitten hinein in diese klagenden Töne einen Jubelruf erklingen lassen, da ich sehe, daß Ihr mir erlaubt, mich Euern Freund zu nennen.«

Giovanna schien nur dem Liede zu lauschen, ihre Wangen glühten und ihre Augen schimmerten in feuchtem Glanz und wenn der Sänger seine Blicke ihr zuwendete, so muhte er glücklich sein, daß die Worte und die Töne das schöne Mädchen so tief bewegten. Niemand sah, daß Cosimo, der halb hinter ihr verborgen saß, ihre herabgesunkene Hand in der seinen hielt und er allein fühlte den kaum merkbaren wie zufälligen Druck ihrer schlanken Finger. Nur Francesco Pazzi bemerkte dies alles, obgleich er nur verstohlen und flüchtig nach jener Seite hinblickte, und immer fester preßten sich seine Lippen aufeinander.

Als das Lied beendet war, erscholl von allen Seiten lauter Beifall, zu dem der Kardinal Napoleone das Zeichen gab. Auch Cosimo trat heran, um dem Sänger warme Worte des Dankes für sein Lied zu sagen, bei dessen Klängen ihm ein so süßes Glück erblüht war.

Francesco Pazzi unterhielt sich kalt und ernst mit verschiedenen Herren, sein Gesicht hatte eine vollkommen gleichgültige Ruhe wieder angenommen und auch mit Cosimo Rucellai wechselte er einige artige Worte. Als aber noch einige Lieder von anderen Künstlern vorgetragen waren und die Diener die Thüren des Speisesaals öffneten, zum Zeichen, daß die Abendmahlzeit bereit sei, da trat er zu Tornabuoni heran und sprach ihm sein Bedauern aus, daß er noch eine notwendige und dringende Korrespondenz zu erledigen habe und deshalb bedaure, an der Mahlzeit nicht Teil nehmen zu können, er habe sich nur für eine kurze Zeit frei machen können, um sich der so lieben und werten Gesellschaft nicht ganz zu entsagen. Er empfahl sich dann den Damen mit kurzen Worten und verließ schnell den Saal, während die Gesellschaft sich zu der mit reichem Silbergeschirr und kostbaren Blumen bedeckten Tafel begab.

Der Kardinal und Acciaiuoli hatten die älteren Damen in den Speisesaal geführt. Tornabuoni setzte sich denselben gegenüber, die übrige Gesellschaft verteilte sich nach ihrer freien Wahl und es war natürlich, daß Cosimo Rucellai als naher Verwandter des Hausherrn seinen Platz neben der Marchesina Giovanna nahm.

Das Mahl war nach der in dem Hause der Medici herrschenden Sitte einfacher, als es der reiche Tafelschmuck hätte erwarten lassen. Die wenigen Gänge bestanden aus Wild und Geflügel, feinem Gemüse und ausgesuchten Früchten, aber alles zeigte die Meisterschaft der damaligen Kochkunst und die edlen Weine von Griechenland, Italien und Burgund waren tadellos, so daß der Kardinal Napoleone, trotz seiner feinen und verwöhnten Zunge, nichts auszusetzen fand und durch seine vortreffliche Laune und sprudelnde Unterhaltung immer mehr dazu beitrug, die allgemeine Heiterkeit zu erhöhen.

Der Glücklichste in dieser ganzen Tischgesellschaft war aber doch Cosimo Rucellai und er hätte des in den Krystallkelchen funkelnden edlen Rebensaftes nicht bedurft, um sein Blut feuriger durch die Adern wallen zu lassen.

Er war in ein eifriges Gespräch mit Giovanna vertieft. Unter all den fröhlichen Stimmen hätte niemand hören können, was beide miteinander sprachen, wenn auch ihre Unterhaltung nicht im halbem Flüsterton geführt worden wäre, aber sie mußten sich wohl lauter gute und fröhliche Dinge sagen, denn Giovannas Augen leuchteten oft so hell unter den Seidenwimpern hervor und ihre Wangen erröteten in lieblich glücklicher Verwirrung, wenn er nahe zu ihr hingebeugt feurig und lebhaft sprach. Und wenn sie dann halb scheu, halb schalkhaft, kaum die Lippen bewegend, eine Antwort flüsterte, dann blitzten seine Augen flammend auf, und er leerte seinen Kelch, als ob er irgend ein großes Glück feiern wolle.

Der Kardinal Napoleone blickte oft mit seinem Lächeln zu den beiden hinüber, und wenn er dann an Cosimo oder Giovanna über die Tafel hin ein Scherzwort richtete, so schien er seine besondere Freude daran zu haben, daß sie wie aus einem Traum aufgeschreckt emporblickten und nur eine verlegene und oft kaum passende Antwort fanden.

Als die Tafel aufgehoben war, verabschiedete sich der Kardinal zuerst, er flüsterte Giovanna beim Abschiede einige leise Worte zu, unter denen das schöne Mädchen hoch errötete und sagte zu Cosimo, der ihn bis zu seiner unter dem Portal wartenden Sänfte begleitete:

»Ich wünsche Euch Glück, mein junger Freund, zu dem heutigen Tage!«

»Glück« erwiderte Cosimo erstaunt, »und wozu, wenn ich Eure Eminenz fragen darf?«

»Das müßt Ihr besser wissen,« sagte der Kardinal lachend, »ich verstehe mich auf die Physiognomik und sehe Euch wohl an, daß Euch heute ein großes Glück wiederfahren ist. In den Geheimnissen des Herzens vermag ich freilich nicht zu lesen und bin auch nicht neugierig und indiscret, aber ich rate Euch, das Glück, das sich heut Euch zugeneigt, fest zu halten und die Blüten zu pflegen, die es in Eure Hand gelegt, denn Fortuna ist launisch und lächelt nur dem kühnen Mut, besonders, wenn sie im Bunde steht mit dem tückischen und unbeständigen Sohn der Aphrodite.«

Er grüßte noch einmal mit der Hand aus der Sänfte, welche die Träger in Bewegung setzten und Cosimo stieg schnell an den übrigen dem Kardinal folgenden Gästen vorbei die Treppe, hinauf um die Markgräfin und ihre Tochter noch nach ihren Zimmern in dem oberen Stockwerk zu begleiten.

Als er durch einen warmen Händedruck Giovannas beglückt in das Wohnzimmer zurückkehrte, fand er Tornabuoni allein.

»Halte Dich bereit, Cosimo« sagte dieser, der ernst und nachdenklich in seinem Lehnstuhl saß, »morgen und übermorgen nach Florenz zu reisen, es gilt einen wichtigen und eiligen Brief an Lorenzo zu bringen, den ich Dir anvertrauen will, ich werde Dir den Inhalt desselben mitteilen und Dir noch mündliche Aufträge mitgeben, die Sache ist wichtig und eilig, ich möchte sie keinem fremden Boten übertragen und Du sollst so schnell als möglich mit Lorenzos Antwort zurückkehren.«

Cosimo hätte wohl durch diesen Vertrauensauftrag seines sonst so vorsichtigen und zurückhaltenden Oheims hoch erfreut sein sollen, aber er schien fast bestürzt und blickte zögernd zu Boden.

»Scheust Du die Reise?« fragte Tornabuoni erstaunt und vorwurfsvoll, »sie ist freilich etwas beschwerlich in dieser Jahreszeit, aber in Deinem Alter darf man solche Schwierigkeiten nicht kennen.«

Noch stand Cosimo schweigend da, er gedachte der Worte des Kardinals und seine Befangenheit verschwand schnell vordem in seiner Brust aufflammenden mutigen Entschluß.

»O es ist nicht das, mein Oheim« sagte er frei aufblickend, »nur heute, gerade heute berührt es mich schmerzlich, mich von hier entfernen zu sollen, denn heute ist mir eine Hoffnung aufgegangen, welche das Glück meines ganzen Leben in sich schließt. Ich liebe« fuhr er, Tornabuonis fragenden Blick beantwortend, schnell fort, indem seine Wangen erglühten und seine Blicke feuriger strahlten, »ich liebe zum erstenmal und wie ich gewiß weiß, zum einzigen Mal in meinem Leben, und von Dir wollte ich Fürsprache und Beistand für meine Liebe erbitten.«

»Du liebst und wen?« fragte Tornabuoni lächelnd, »so viel ich weiß, bist Du seit kurzem erst hier und hast wenig Damen gesehen, wenn nicht –«

»Ich habe nur eine gesehen« rief Cosimo, »Giovanna Malaspina, und nie wird ein anderes Bild in meinem Herzen Platz finden.«

»Und sie?« fragte Tornabuoni.

»O« erwiderte Cosimo noch höher errötend, »kaum kann ich mein Glück fassen, sie erlaubt mir sie zu lieben und sie erwidert meine Liebe, ich darf es hoffen, ich weiß es seit heute – sie ist zwar eine vornehme Dame vom ersten Range, ihr Vater der Markgraf von Fosdinuovo ist stolz auf seinen Namen und sein Geschlecht und doch wage ich auf mein Glück zu hoffen, wenn Du, mein Oheim, für mich handeln und sprechen willst.«

»Warum sollte ich es nicht?« sagte Tornabuoni, »wohl sind wir keine Grafen und Fürsten, aber doch dürfen wir uns den Ersten gleich stellen in Italien und wenn die stolzen Orsini nicht gezögert haben sich mit unsern Vettern, den Medici, zu verschwägern, dann darf sich wohl ein Rucellai nicht scheuen, um die Marchesina Malaspina zu werben.«

»Auch der Kardinal Napoleone« sagte Cosimo, »hat mir Hoffnung gemacht durch einige scherzende Worte, die ich nicht mißverstehen konnte, sein scharfer Blick, der alles durchdringt, muß in meinem Herzen gelesen haben, aber Du begreifst es, mein Oheim, daß es mir weh thut, gerade jetzt Rom zu verlassen, so freudig ich auch stets bereit bin, meine Pflicht zu erfüllen.«

»Nun« erwiderte Tornabuoni, »Du kannst ruhig abreisen, ein warmes Abschiedswort Giovannas wird Dich ja begleiten und hier soll Deine Sache in guten Händen bleiben, das verspreche ich Dir. Ist doch auch für Deine Herzensangelegenheit Deine Reise nützlich – sprich mit Lorenzo – den wir ja doch alle als unser Haupt betrachten müssen, wenn er zustimmt, so steht Deinem Glück nichts im Wege, und fast glaube ich, daß die Neigung Deines Herzens bei ihm keinen Widerspruch finden wird. Hat er doch selbst für die Markgräfin die Gastfreundschaft meines Hauses gewünscht und ist doch Gabriel Malaspina, Giovannas Vater, einer unserer besten Freunde. Halte Dich also bereit – morgen werde ich Dir Deinen Brief übergeben und Dir Deinen mündlichen Auftrag erteilen, den Du Dir wohl einzuschärfen hast.«

»Dank, Dank, mein Oheim«, rief Cosimo, »dann reise ich freudig und müßte mein Weg auch über die Alpen führen! Nehme ich doch die Hoffnung mit, die Bürgschaft des herrlichsten Glücks für mein ganzes Leben zurück zu bringen.

Er umarmte Tornabuoni stürmisch und als er in seine Wohnung zurückgekehrt war, zog er Giovannas Rose aus seinem Wams, stellte sie in ein Kelchglas mit frischem Wasser und bedeckte die zarte Blüte mit zärtlichen Küssen.

II.

Inhaltsverzeichnis

Francesco de Pazzi war, von seinen Fackelträgern begleitet, davon gestürmt, die frische, etwas rauhe Luft vermochte es nicht, seine heiße Stirn zu kühlen und in schweren Atemzügen arbeitete seine Brust.

»Ha,« sprach er vor sich hin, nur mühsam einen lauten Ausbruch vor den Lakaien zurückhaltend, »dieser elende Bube, kaum der Kinderstube entwachsen, wagt es, sich mir entgegenzustellen und diese Giovanna, von der Natur mit allem Reiz geschmückt, der aus den Blüten emporduftet und im Glanz der Sterne vom Himmel herableuchtet, sie, die Tochter des stolzen Gabriel Malaspina, wendet sich von mir ab und dem thörichten, unreifen Knaben zu, ihm giebt sie die Rose, die ich ihr bot, die ihr ein Zeichen meiner Liebe sein sollte! O, wenn es nicht so lächerlich wäre, mit diesem Cosimino, wie sie ihn nennen, in die Schranken zu treten, so sollte mein Degen sein girrendes Herz durchbohren! Alles, was mit diesen aus dem Staube aufgewachsenen Medici zusammenhängt, wird zum Fluch für uns und für alle alten Geschlechter von Florenz, die das ritterliche Schwert führten, ehe noch die Medici aus ihrem Kramladen hervorgetreten waren! – Vom Pöbel sind sie emporgetragen zur Macht über uns alle, und nun wagt dieser Rucellai gar, mir meine Liebe zu stehlen!«

Er spannte die Hand um den Griff seines Dolches und schritt so schnell vorwärts, daß die Fackelträger ihm kaum zu folgen vermochten.

Er ging über die Brücke, wendete sich vor dem Castell San Angelo links und kam bald zu dem am Ausgange der Via de Longara in der Nähe von St. Peter liegenden Palast des Grafen Girolamo Riario, einem villenartigen Gebäude, hinter dem sich ein großer Garten nach dem Tiber hin ausdehnte.

Der Vorhof und die Fenster des Palastes waren hell erleuchtet, in dem Vestibül standen zahlreiche Diener und führten Francesco sogleich über die Marmortreppe zu der nach dem Garten hin gelegenen Wohnung des Grafen. Alles war hier mit höchster Pracht und verschwenderischer Üppigkeit ausgestattet, es fehlte die edle Einfachheit, welche in Tornabuonis Wohnung herrschte, wenn auch überall ein seiner Geschmack und ein harmonischer Schönheitssinn zu erkennen waren, wie das zu jener Zeit in Rom nicht anders sein konnte, wo die Kunst auch das häusliche Leben und die Wohnstätten der vornehmen Welt so sehr erfüllte, daß der Glanz des Reichtums und des Luxus sich kaum in geschmackloser Weise geltend machen konnte. Bilder der ersten Meister schmückten die Wände und auch die goldschimmernden Rahmen waren Kunstwerke in ihrer Art. In verschwenderischer Fülle strahlten die Wachskerzen von den Kronleuchtern und Girandolen ihr Licht aus, feine orientalische Wohlgerüche durchdufteten alle Räume.

In dem kleinen Speisesaal des Grafen saßen mit diesem noch zwei Personen auf kunstvoll geschnitzten und reich vergoldeten Lehnsesseln an dem runden Tisch.

Die Abendmahlzeit war beendet und abgetragen, in großen goldenen Körben ständen auf dem schneeigen Tafeltuch die seltensten Früchte und die verschiedenen Konfekte, welche die Kochkunst jener Zeit in so großer Vollkommenheit herzustellen verstand, in geschliffenen Krystallkaraffen funkelten die goldgelben und purpurroten Weine der berühmtesten Reben Italiens und vor den drei Herren standen hohe Kelche mit dem Wappen des Grafen geschliffen.

Der eine der Gäste war der Erzbischof von Pisa, Francesco Salviati, ein schlank gewachsener Mann von etwa fünfunddreißig Jahren mit einem feinen bleichen Gesicht, das mit seinem kleinen unter dunklen scharf gezeichneten Brauen hervorblitzenden Augen mehr listige Verschlagenheit als umfassendes und großes geistiges Leben ausdrückte; sein schwarzes Haar war glatt gescheitelt, das violette Gewand mit dem großen von Edelsteinen funkelnden Kreuz, das an einer goldenen Kette auf seiner Brust hing, sowie die feinen weißen Hände gaben ihm das außerordentlich elegante und vornehme Aussehen der hohen Prälaten jener Zeit, welche auf den Luxus ihrer Toilette fast ebenso viel Wert legten, als die Damen der so üppigen und prachtliebenden großen Welt.

Neben ihm saß ein hochgewachsener Mann von athletischer Gestalt, der in seiner Kleidung und Haltung das unverkennbare Bild eines jener Soldaten vom Handwerk zeigte, welche nur vom Kriege lebten und ihre Dienste bald dem einen bald dem anderen Herrn gegen hohe Belohnung zur Verfügung stellten, um in den zahlreichen Fehden der großen und kleinen Staaten die Mannschaften anzuwerben und zu führen, die ihnen um so leichter und bereitwilliger zuströmten, je größer der Siegesruhm der Kondottiere war und je mehr dieselben Plünderung und reiche Beute in Aussicht stellten.

Er trug ein anschließendes Wams von grauem Wollenstoff mit roter Seide besetzt; sein dunkelbraunes Haar war kurz und kraus gelockt und sein wettergebräuntes Gesicht, mit dem spitzgestutzten Bart, zeigte soldatische Entschlossenheit, dabei aber auch eine gewisse freundliche Gutmütigkeit; er trug einen großen Stoßdegen an einem Bandelier von starkem Leder, um dessen Griff er seine nervige Hand gespannt hielt.

Der Graf Girolamo ging Francesco entgegen und führte ihn zu einem für ihn bereit stehenden Sessel.

»Es ist schön von Euch, edler Francesco,« sagte er, »daß Ihr Euer Wort haltet, Ihr kommt früher noch, als ich Euch erwartet, aber gerade zu rechter Zeit, denn bei der Sache, die wir eben besprochen, sind Euere Meinung und Euer Rat von großem Wert. Erlaubt, daß ich Euch hier den tapferen Herrn Giovan Battista de Montesecco vorstelle, der seinen tapferen und berühmten Degen meiner Sache zur Verfügung gestellt hat und die Truppen befehligt, welche ich in der Romagna zusammenziehe, um dort für meine Besitzungen sichere Deckung zu schaffen.«

Francesco begrüßte den ihm seit lange bekannten Erzbischof, der aus einer seinem Hause nahestehenden florentinischen Familie stammte, verbeugte sich mit etwas zurückhaltender Höflichkeit gegen Montesecco und erklärte mit freudiger Bereitwilligkeit, dem erlauchten Grafen in jeder Weise mit Rat und That dienstbar zu sein, wie es ja seine Pflicht und Schuldigkeit gegen den Neffen Seiner Heiligkeit des Papstes sei, »obgleich,« fügte er hinzu, »der heilige Vater, wie es scheint, das Haus Pazzi nicht mit besonders gnädigen Blicken ansieht, da er ja den Medici, die doch wahrlich nichts vor uns voraus haben, das Schatzmeisteramt verliehen hat.«

»Das hat mein gnädigster Oheim gethan,« rief Graf Girolamo, »weil er voraussetzte, daß die Medici sich einer solchen Ehre würdig zeigen würden und weil er den Versicherungen der Ergebenheit Glauben schenkte, die Lorenzo ihm schriftlich und mündlich so oft wiederholte, aber leider hat der heilige Vater sich getäuscht und die Medici haben die Probe nicht bestanden.«

»Und wie das?« fragte Francesco aufhorchend.

»Könnt Ihr Euch denken, Signor Francesco,« rief Girolamo, »daß dieser doppelzüngige Tornabuoni mir erklärt hat, die Mediceische Bank sei außer stande, die dreißigtausend Goldgulden aufzubringen, welche der heilige Vater an Mailand als Kaufpreis für Imola zu zahlen hat, das mein gnadenreicher Oheim mir geschenkt, und ich bin doch gewiß, daß Lorenzo allein in seinen Gewölben mehr als diese Summe liegen hat.«

Eine düstere Freude blitzte in Francescos Augen auf.

»Das hätten die Medici gewagt?« fragte er, »und warum sind sie denn nicht, wenn ihre Mittel nicht ausreichen, zu anderen gekommen –«

»Sie wollen das gethan haben,« fiel Girolamo ein, »aber weder die Altoviti noch die Chigi und die anderen großen Bankhäuser wären im stande gewesen, das Geschäft zu machen.«

»Das ist nicht wahr,« rief Francesco, »und wenn jene Häuser selbst so sprachen, so ist es nur, um den Medici zu gefallen, zu denen sie ja wie zu ihrer Vorsehung aufblicken.«

»So glaubt Ihr,« fragte Niario, »daß die Medici soweit ihre Pflichten verleugnen, um nicht nur selbst dem heiligen Vater diesen Dienst zu verweigern, sondern auch andere davon zurückzuhalten?«

»Das glaube ich gewiß,« sagte Francesco, »denn der beste Beweis ist, daß sie bei mir nicht angefragt haben.«

»Aber welchen Grund sollten sie dazu haben,« sagte der Erzbischof mit einem lauernden Blick, »ein solches Verhalten wäre ja eine Beleidigung des heiligen Vaters, ein Verrat an dem apostolischen Stuhl, dessen Schatzmeisteramt sie führen.«

»Weshalb?« sagte Francesco, »das ist leicht beantwortet, hochwürdigster Herr. – Ist es nicht bekannt und aus allem ersichtlich, daß dieser Lorenzo ganz Italien nach seinem Willen beherrschen möchte, wie er seine eigene Vaterstadt unter eine unerträgliche Tyrannei gebeugt hat? Er will selbst den heiligen Vater die Abhängigkeit von seinem Willen fühlen lassen und ihm zeigen, daß er ohne Lorenzos Zustimmung nichts zu thun vermöge. Und gerade in dieser Angelegenheit ist der böse Wille Lorenzos um so deutlicher erkennbar, er wie sein ganzes Haus streben danach, die Romagna in den Besitz oder die vollständige Botmäßigkeit von Florenz zu bringen, das heißt also in den Besitz des Hauses Medici, das ja nur dahin arbeitet, ein großes toskanisches Herzogtum für sich durch die demokratische Tyrannei aufzurichten. Darum will er gerade Euch, erlauchter Graf, dort an den Grenzen nicht in festem und starkem Besitz Fuß fassen lassen und darum den Erwerb von Imola für Euch unmöglich machen, indem er die Beschaffung der Kaufsumme verhindert. O das ist alles leicht zu durchschauen, wie wir es schon lange durchschaut haben. Wir, die alten vornehmen Geschlechter von Florenz, welche durch die tückische Demagogie der Medici von allem Einfluß zurückgedrängt sind, wir denken anders, wir würden es mit Freuden sehen, wenn an unseren Grenzen starke Verbündete zur Vertretung des Rechts gegen den blinden Pöbel, der die Medici auf seinen Schultern emporhebt, vorhanden wären, und wenn besonders der apostolische Stuhl durch seine Getreuen, wie Ihr es seid, erlauchter Graf, dort einen festen Einfluß erhielte, der überall das Recht schützte und die demokratische Tyrannei unmöglich machte.«

»Der edle Francesco hat in allem Recht, was er sagt,« bemerkte der Erzbischof, »es ist nur der persönliche Ehrgeiz Lorenzos, der die Romagna zu einem florentinischen Vasallenstaat machen möchte und der auch die Macht und den Einfluß des Papstes unseres heiligen Vaters von den Grenzen seiner auf den Pöbel gestützten Herrschaft fern halten möchte. Hat er es doch gewagt, mir, obgleich ich aus florentinischem Hause stamme, den Besitz des erzbischöflichen Stuhls von Pisa, den Seine Heiligkeit mir verliehen, zu verweigern und es ist jetzt erst mit Mühe gelungen, seine Einwilligung zu erlangen, daß ich mich dorthin begeben dürfe, um mein Amt anzutreten.«

»Und das ist erst geschehen,« rief der Graf Girolamo, heftig auf den Tisch schlagend, »nachdem ich dem hochmütigen Medici die schriftliche Versicherung gegeben, daß Seine Heiligkeit bei Eurer Ernennung, hochwürdiger Herr, nicht die Absicht gehabt habe, die florentinische Republik oder das Haus der Medici zu kränken.«

»Eine solche Versicherung,« rief Francesco Pazzi, »ist eine Demütigung des heiligen Stuhls, gegen welche sich alle, die demselben in Wahrheit ergeben sind, erheben sollten. – Wie darf Lorenzo von Medici es wagen, einem Fürsten der Kirche den Einzug in den Sitz des ihm von dem heiligen Vater verliehenen Erzbistums zu verweigern. Daß des heiligen Vaters Weisheit es hier nötig hat erachten müssen, einen solchen Trotz stillschweigend zu dulden, ist tief zu beklagen, denn nun wird der Hochmut der Medici ohne Maß sich steigern, und jeder Versuch, die päpstliche Herrschaft und den päpstlichen Einfluß in Umbrien und der Romagna zu befestigen, wird vor diesem trotzigen Ehrgeiz scheitern.«

»Aber was ist zu thun,« rief Girolamo, »um einen solchen illoyalen Ehrgeiz eines einzelnen von der Hefe des Pöbels emporgetragenen Mannes zu brechen?«

»Zunächst ist es nötig,« erwiderte Francesco, »den heiligen Vater davon zu überzeugen, daß er sich in seinem Vertrauen getäuscht hat, daß die Medici mit ihren Ergebenheitsversicherungen ihn betrügen und die schlimmsten Feinde des heiligen Stuhls und damit des Friedens, der Eintracht und der Macht Italiens sind.«

»Ein solcher Beweis ist schwer zu führen,« sagte der Erzbischof, »da Seine Heiligkeit sich nicht so leicht von so tiefer und unverbesserlicher Schlechtigkeit wird überzeugen lassen. Wenn man beweisen könnte,« fügte er mit lauerndem Blick hinzu, »daß die Medici ihn in der Angelegenheit des Kaufs von Imola betrogen hätten und die Geldnot nur vorschützten, um den Grafen Girolamo und damit die päpstliche Obermacht von der Romagna fern zu halten –«

»Diesen Beweis werde ich führen, hochwürdigster Herr!« rief Francesco Pazzi. »Die Medici haben behauptet, daß die Kaufsumme für Imola auch unter der Mitwirkung anderer Bankhäuser nicht zu beschaffen sei. Nun wohl, sie soll beschafft werden, ich stelle die dreißigtausend Goldgulden nach Ablauf einer Woche Seiner Heiligkeit zur Verfügung und was das Haus Pazzi allein thun kann, das sollten die Medici doch zu stande zu bringen vermögen, wenn sie den Beistand der ihnen Verbündeten Häuser anrufen!«

»Bei Gott,« rief Girolamo, der Beweis ist schlagend und wenn Ihr ihn führen könnt, edler Francesco, so ist Euch meine Dankbarkeit und Freundschaft für alle Zeit gewiß und Seine Heiligkeit wird sich wohl von der heuchlerischen Falschheit der Medici überzeugen müssen.«

»Und ich werde ihn führen, erlauchter Graf,« sagte Francesco, »mein Wort ist verpfändet und noch niemals ist das Wort eines Pazzi uneingelöst geblieben. – Verfügt über diese dreißigtausend Goldgulden, unsere Bank wird sie auf Eure Anweisung zahlen.«

Girolamo sprang auf, schüttelte Francesco die Hände und drückte ihn an seine Brust.

»Ihr seid ein Mann,« rief er, »wie ihn Italien bedarf, um in geschlossener Eintracht unter dem Schutz und der Führung des apostolischen Stuhls zu erstarken und der Welt zu gebieten. Ihr seid Zeuge, hochwürdigster Erzbischof, und Ihr, tapferer Montesecco, daß ich mein Wort verpfände, jeden Wunsch des edlen Francesco zu erfüllen, soweit meine eigene Kraft und mein Fürwort bei meinem geheiligten Oheim reicht.«

»O ich freue mich von Herzen,« sagte der Erzbischof, während Girolamo mit Francesco anstieß und seinen Kelch in einem langen Zuge leerte, »der edlen Gesinnung meines jungen Freundes und Landmannes, die ja in dem Hause der Pazzi erblich ist; um so trauriger aber ist es, daß dies edle Haus in meiner Vaterstadt zurückgedrängt ist von der ihm gebührenden und in einer ruhmreichen Geschichte begründeten Stellung, daß der tückische und treulose Lorenzo unumschränkt gebietet in dem schönen Florenz, das nur noch den Namen der Republik führt.«

»Was ist dagegen zu thun,« sagte Francesco seufzend, »der Pöbel in seiner Masse gehorcht blindlings dem Lorenzo, der ihm schmeichelt, wie es alle Tyrannen schon im Altertum thaten.«

»Und dagegen,« rief Graf Girolamo, »sollten die edlen Geschlechter, die doch von Gott und der Geschichte zur Herrschaft berufen sind, machtlos sein? – Wenn sie nur wollen, so müssen sie doch eine solche Herrschaft ohne Recht und vaterländische Gesinnung zerbrechen können.«

»Das müßten sie wohl,« sagte der Erzbischof, während Francesco finster vor sich niederblickte, »wenn sie den Mut des Wollens und Handelns fänden.«

»Dieser Mut,« rief Francesco auffahrend, »ist vorhanden, hochwürdigster Herr und wenn nirgends anders, so lebt er im Hause der Pazzi! – Von uns wird keiner zurückbleiben uns wohl würden noch manche uns folgen, die, wie wir, knirschend nur das Joch der Emporkömmlinge tragen! – War nicht,« rief er immer feuriger, »Pazzo de Pazzi an der Seite Gottfrieds von Bouillon im heiligen Kreuzzuge nach Jerusalem gezogen und trug nicht Giacomo de Pazzi in der Schlacht von Perti das Banner von Florenz? Glänzen nicht in unserem Schilde die goldenen Fische als heiliges Symbol für des Heilands Namen und die vier Doppelkreuze, welche zeigen, daß wir nur in dem Kreuz unsere Kraft und unsere Ehre suchen? – Und was sind die Medici – wo kommen sie her? Niemand weiß es, niemand vermag es zu sagen, wenn auch die Schmeichelei diese sechs Kugeln in ihrem Schilde, der wahrlich nicht unter der Kreuzesfahne nach Jerusalem getragen wurde, bis zu den Äpfeln der Hesperiden zurückführt, wenn sie selbst auch behaupten, daß diese Kugeln runde Male von der Streitkeule eines Riesen bedeuten, wahr ist es doch, daß diese Kugeln Pillen oder Schröpfköpfe sind und mit dem Namen übereinstimmen, den ein längst vergessener und nicht zu den Priestern des Äsculap emporgestiegener Vorfahr der plebejischen Tyrannen auf seine Nachkommen übertrug. Das wahnsinnige Volk, wenn es nach diesem seltsamen Wappen seinen Abgöttern sein Palle – Palle entgegenbrüllt, denkt nicht daran, welch bitterer Hohn in solchem Ruf liegt, denn reichen sie diesem Volk nicht die überzuckerten Giftpillen, die in seinem Mark den festen Mut und die treue Liebe zum Vaterlande zerstören – setzen sie nicht die Schröpfköpfe an, um aus seinem Blut die Nahrung zu ziehen für ihren Hochmut und ihre prachtschimmernden Feste, mit denen sie die Sinne bethören?«

»Bravo, Signor Francesco, bravo!« rief Girolamo mit lautem Hohnlachen, »was Ihr da sagt ist vortrefflich und so verstanden, werde ich der erste sein, der Seiner Magnificenz dem großen Lorenzo das Palle – Palle entgegenruft!«

»So haben wir das Recht zu denken und zu empfinden,« sagte Francesco, »und mit uns manche andere, die von den Emporkömmlingen in den Schatten herabgedrängt sind, unter denen das Haus des hochwürdigen Erzbischofs, die Salviati nicht zu den letzten gehören! Aber was ist zu thun gegen die Menge des Pöbels, der alle edlen Denkmäler der Vergangenheit überflutet und mit seinem brüllenden: Palle – Palle, jedes Wort der Gerechtigkeit und Wahrheit übertäubt.«

»Ihr sprecht goldene Worte, edler Francesco« sagte der Erzbischof, »und doch habt Ihr nicht Recht in dem was Ihr zuletzt gesagt; jubelte die blöde Menge in gewaltiger Ueberzahl nicht auch dem Cäsar zu, sie konnte es dennoch verhindern, daß seine tyrannische Herrschaft gebrochen wurde durch starken Willen und festen Mut. Und doch führte Cäsar die siegreichen Adler auf seinen Feldzeichen, statt der Pillen und der Schröpfköpfe. Die Menge gehorcht den Mutigsten und Stolzesten und vergißt schnell ihre Idole des Augenblicks.« »Bei Gott, der hochwürdigste Erzbischof hat Recht!« rief Girolama. »Warum wird die Tyrannei dieser engherzigen und feigen Pillenritter geduldet – warum beugen sich die alten edlen Geschlechter in Florenz vor der Pillengesellschaft? Ein kräftiger Entschluß und Florenz ist befreit von seinen Zwingherren und Italien wird nicht mehr der Spielball eines verhängnisvollen Ehrgeizes sein, der selbst dem heiligen Stuhl zu trotzen sich nicht entblödet. Unter dem Volk schreien viele mit, die sich nichts dabei denken und die eben so laut und vielleicht noch lieber einem anderen, Würdigeren zujauchzen möchten.«

»So ist es« sagte der Erzbischof, »aber« fügte er seufzend hinzu, »wo finden sich heut noch die mutigen Herzen, die es wagen möchten über den Tyrannen von Florenz das Urteil zu sprechen und zu vollstrecken wie es einst Brutus that über den Gebieter der Welt?«

»Diese Herzen werden sich finden« rief Francesco, der sich in tiefem Sinnen in seinen Sessel zurücklehnte und dann schnell aufsprang – »sie sind da und bei Gott, ich selbst werde sie erwecken zu mutiger That, wenn es Euch ernst ist mit Eueren Worten edle Herren! Aber der Plan dazu muß wohl erwogen werden und vor allem muß das tiefste Geheimnis ihn umgeben, denn Lorenzos Ohr ist, dem des Dionycius gleich, auch dem leise geflüsterten Worten geöffnet!

Er warf einen mißtrauischen Blick auf Montesecco, der die bisher immer lebhafter geführte Unterhaltung schweigend zugehört hatte.

»Gewiß ist es mir ernst« rief Girolama, »wenn ich dem hochwürdigsten Erzbischof zustimme und gewiß bin ich bereit, wie er selbst annimmt, wichtigen und Gott wohlgefälligen Unternehmen mit voller Kraft mitzuwirken! – So lange die Medici ihre ehrgeizige Macht ausüben, wird mein Besitz an den Grenzen von Florenz nicht gesichert sein und das edle Florenz, diese Perle Italiens, wird immer ein Stein des Anstoßes für alle Patrioten bleiben, die sich unter des heiligen Vaters Führung zur Blüte und zur Macht des Vaterlandes zusammenschließen wollen. Und, edler Francesco, vor diesem Kriegsmann hier, dem braven Battista Montesecco, können wir ohne Scheu sprechen, er ist seiner Heiligkeit treu ergeben, sein Bruder ist Hauptmann der Wache des vatikanischen Palastes und er selbst hat oft schon die päpstlichen Truppen befehligt, wie er jetzt die meinigen führen soll – sprechen wir also ohne Scheu und geloben wir uns einander unbedingtes Stillschweigen zu dem wir auch alle anderen verpflichten wollen, die wir später noch für unsere Befreiungsthat gewinnen müssen.«