Partizipation im Ganztag Best Practice - Julia Klimczak - E-Book

Partizipation im Ganztag Best Practice E-Book

Julia Klimczak

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Beschreibung

Mitmachen, mitbestimmen, gemeinsam gestalten: Partizipation ist ein entscheidender Faktor dafür, dass der Ganztag für Kinder und Erwachsene zum Lebens- und Wohlfühlort wird. Beispiele aus der Praxis zeigen, wie das gelingen kann: Beschrieben werden erste Schritte, Herausforderungen und Veränderungen, die sich bei der gemeinsamen Gestaltung einer partizipations-freundlichen Kultur ergeben – und die Vorteile, die sich im Alltag aus einem wertschätzenden Miteinander ergeben. 

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Seitenzahl: 64

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Qualität in Ganztag, Hort und Schulkindbetreuung

BEST PRACTICE

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2023

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Illustrationen: Sünne van der Meulen

Gesamtgestaltung und Satz: Sabine Ufer, Leipzig

Annett Jana Berndt, Radebeul

E-Book-Konvertierung: Newgen Publishing Europe

ISBN Print 978-3-451-39399-0

ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-83119-5

ISBN E-Book (PDF) 978-3-451-83121-8

Inhalt

Vorbemerkung

Einführung: Kindern eine Stimme geben

Praxisbeispiel: Offene Arbeit und Themenräume

Chancen & Herausforderungen

Offene Arbeit im Kinderhaus Brunsviga e. V., Braunschweig

Einblicke – Ein Ortsbesuch

Transfer in die Praxis

Ausblick

Praxisbeispiel: Kreise | Reflexionsrunden

Chancen & Herausforderungen

Reflexionsrunden in der Winterhuder Reformschule – Stadtteilschule Winterhude

Einblicke – Ein Ortsbesuch

Transfer in die Praxis

Ausblick

Praxisbeispiel: Kinderparlament

Chancen & Herausforderungen

Das Kinderparlament in der Merianschule, Frankfurt

Einblicke – ein Ortsbesuch

Transfer in die Praxis

Ausblick

Praxisbeispiel: „Demokratie (er)leben“

Chancen & Herausforderungen

Demokratiebildung in der Ganztags-Grundschule Comeniusstraße, Braunschweig

Einblicke – ein Ortsbesuch

Transfer in die Praxis

Ausblick

Praxisbeispiel: Sozialraumerkundung

Chancen & Herausforderungen

Sozialraumerkundungen im Hort Tigerente, GBS Hinsbleek, Hamburg Wandsbek

Einblicke – ein Ortsbesuch

Transfer in die Praxis

Ausblick

Praxisbeispiel: Ferienprojekt Kinderstadt

Chancen & Herausforderungen

Kinderstadtprojekt: „Wir bauen uns unsere Stadt Williburg“ in Hamburg, Wilhelmsburg

Einblicke: „Wir bauen uns unsere Stadt Williburg“

Transfer in die Praxis

Ausblick

Herausforderungen wagen – Haltungen verändern

Links & Literatur

Dank

Vorbemerkung

Kindern eine Stimme zu geben ist nicht als Geschenk zu sehen – es ist ihr Recht, das einforderbar ist und das es umzusetzen gilt.

Die Entwicklung der Ganztagsschulen in Deutschland hat mit der Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung ab 2026 eine neue Dynamik gewonnen: Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die Vorgaben der Bildungspolitik wirken maßgeblich dahingehend, wie Bildung und Betreuung von Kindern zukünftig ausgestaltet werden wird. Bestehende Konzepte sind zu überprüfen, neue zu entwickeln.

Das Fundament aller Überlegungen ist die Orientierung am „Wohl“ des Kindes, festgeschrieben in der UN-Kinderrechtskonvention (1989): Die Kinder werden als mit Rechten ausgestattete Subjekte anerkannt, deren Perspektiven maßgeblich zu berücksichtigen sind (vgl. Walther et al. 2021: 9).

In diesem Band steht das Recht der Kinder auf Partizipation im Vordergrund. Kinder haben das Recht, gehört zu werden, mitzuwirken und mitzubestimmen. Und: Kinder wollen ihr Lebensumfeld mitgestalten und Verantwortung übernehmen (vgl. Enderlein 2023). Es ist Aufgabe der Erwachsenen, mit den Kindern Formate zu schaffen, um Beteiligung im Alltag zu ermöglichen.

Sechs Beispiele gelingender Umsetzung von Partizipation im Ganztag stelle ich auf den folgenden Seiten vor: Unterschiedliche Formate, umgesetzt im Alltag, sowie zwei Beispiele für die Ferienbetreuung oder Projektwochen.

Ich habe die Schulen besucht und bin mit Kindern, pädagogischen Fachkräften und Lehrkräften in Dialoge gegangen. Ihre Aussagen zu Erfahrungen, strukturellen Rahmenbedingungen und Prozessen, die zur Umsetzung nötig waren, habe ich festgehalten. Besonders beeindruckt haben mich die Kinder mit ihrer Offenheit und ihrer Bereitschaft, mit mir ihre Sichtweisen zu teilen.

Die Stimmen der Kinder eröffnen jedes Kapitel. Nach Einblicken in die „Partizipationskultur“ der jeweiligen Einrichtung sind am Ende eines jeden Kapitels konkrete Hinweise zur Umsetzung aufgeführt. Denn ich möchte Sie ermutigen, sich auf den Weg zu begeben, Kinder aktiv mitgestalten und mitbestimmen zu lassen, auch wenn die Strukturen manchmal widrig erscheinen – Stichwort: Fachkräftemangel.

Lassen Sie sich für Ihre eigene Praxis von den spannenden Beispielen gelingender Umsetzung anregen und inspirieren.

Julia Klimczak

Einführung: Kindern eine Stimme geben

Der Beschluss, die Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter ab 2026 zu gewährleisten, bedeutet eine zunehmende Institutionalisierung der Kindheit. Mehr und mehr Kinder verbringen einen gesamten Arbeitstag oder auch einen längeren Zeitraum in einer Einrichtung der öffentlichen Betreuung, Bildung und Erziehung. Der Ganztag wird zum Lebensraum – auch für die dort pädagogisch tätigen Akteure.

Um einen qualitativ guten Ganztag zu gestalten und umzusetzen, sind die Beschäftigten im Ganztag in der Verantwortung, die Rechte aller Kinder in den Blick zu nehmen und ihre Interessen bei der Gestaltung des Tages zu berücksichtigen. Das ist ein Teil ihres Bildungsauftrags.

Die Entwicklungspsychologin Oggi Enderlein hat die alterstypischen Lebensthemen und Bedürfnisse von Kindern im Grundschulter herausgearbeitet.

Entwicklungsrelevante Bedürfnisse von Kindern im GrundschulalterQuelle: Enderlein 2015: 50

Die Lebensthemen sind ein wichtiger Orientierungspunkt für die Ausrichtung der Arbeit im Ganztag. Neben Körpererfahrungen, dem Erwerb von Wissen und Können, selbstbestimmten Aktivitäten, dem Zusammensein mit anderen Kindern steht das „nützlich sein“ im Zentrum: Kinder haben das Bedürfnis, gebraucht zu werden. Sie wollen ernst genommen werden. Sie wollen mitgestalten und mitentscheiden.

Kinder zu beteiligen ist – aus juristischer Perspektive (siehe Zusammenfassung S. 11) – eine Pflicht von Erwachsenen, aber auch im Rahmen des Bildungsauftrags notwendig: Teilhabe, entsprechend dem Entwicklungsstand des Kindes, trägt zur Übernahme von Verantwortung, zur Entwicklung von Selbstbewusstsein und Konfliktlösefähigkeit bei.

Während meiner Recherchen zu diesem Buch ist aufgefallen, dass die Mehrheit der befragten Kinder Partizipation als etwas Alltägliches wahrnehmen. Gleichzeitig haben sie mitgeteilt, dass sie mitbekommen, dass es längst nicht überall selbstverständlich ist, mitbestimmen zu können in der Institution Ganztagsschule. Mitbestimmung wird als besonderes Merkmal herausgestellt, das zu ihrem Wohlbefinden beiträgt. Bildung und Lernen kann dann am besten gelingen. Da sind sich Kinder, pädagogische Fachkräfte, Lehrkräfte und Eltern einig.

Kinder brauchen Erwachsene, die ihre Interessen ernst nehmen und sich als Dialogpartner und -partnerinnen einbringen: „Kinder wünschen sich pädagogische Fachkräfte, die zusammen mit ihnen nicht nur eine rollenförmige Beziehung gestalten, sondern eine persönliche Beziehungsebene pflegen, die von Freundlichkeit und Respekt geprägt ist. Sie wünschen sich vertrauensvolle, emotional warme Interaktionen, in denen sie als ebenbürtig anerkannt und ernst genommen werden, Verantwortung übernehmen können und zur Partizipation eingeladen werden“ (Walther et al. 2021: 35).

Es ist die Aufgabe der Erwachsenen, mit den Kindern gemeinsam Formate zu schaffen, um Beteiligung im Alltag zu ermöglichen, einige möchte ich Ihnen im Folgenden vorstellen, wie zum Beispiel Offene Arbeit (S. 14–21), Reflexionsrunden (S. 22–27), ein Kinderparlament (S. 28–35), Demokratiebildung als Querschnittsaufgabe (S. 36–43), aber auch Sozialraumerkundung (S. 44–51) oder ein Kinderstadt-Projekt (S. 52–59). Bei allen Beispielen zeigt sich: Nur im gemeinsamen Tun, in dialogischen Auseinandersetzungsprozessen, kann Partizipation Schritt für Schritt zum durchgängigen Prinzip im Alltag werden.

Was bedeutet Partizipation konkret?

In der Pädagogik werden unter Partizipation verschiedene Formen von Beteiligung, Teilhabe und Mitbestimmung verstanden.

Zunächst der Blick auf Fehlformen von Partizipation, sogenannte Scheinpartizipation. Dazu zählt die gezielte Lenkung von Kindern unter Missachtung ihrer Bedürfnisse (Fremdbestimmung), die Mitwirkung ohne Informationen über die Ziele der Beteiligung (Dekoration) und die Anhörung der Kinder, ohne dass das von ihnen Vorgetragene irgendeine Wirkung hat (Alibi-Teilhabe).

Eine Reflexion aller Beteiligten und insbesondere die Befragung der Kinder sind nach Einführung eines partizipativen Formats wichtige Instrumente zur Qualitätssicherung und -weiterentwicklung, damit gut gemeinte Beteiligungsideen nicht in einer Form der Scheinpartizipation münden.

Folgende positiv zu bewertenden Beteiligungsgrade lassen sich unterscheiden: Teilhabe (Erwachsene initiieren Projekte), Zugwiesen/informiert sein (die Kinder sind informiert über die Ziele der Beteiligung, Initiative geht von Erwachsenen aus), Mitwirkung (von Erwachsenen initiiert, Entscheidungen werden jedoch mit den Kindern getroffen), Mitbestimmung (die Kinder können direkt Einfluss nehmen bei der Ideen- und Lösungsfindung), Selbstbestimmung (Eigeninitiative von Kindern, von Erwachsenen gestützt).

Jede Form der echten Beteiligung geht mit einer gewissen Machtabgabe der Erwachsenen einher. Damit die Kinder mit der ihnen anvertrauten Macht umgehen lernen, brauchen sie aktive Unterstützung durch Erwachsene, die Fachkräfte.

Stufen der Beteiligung Quelle: Hart & Gernert 2009: 9

Rechtlicher Rahmen

UN-Kinderrechtskonvention

Art. 12 der UN-Kinderrechtskonvention (Recht auf freie Meinungsäußerung und Partizipation): „Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.“

Art. 13 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention (Berücksichtigung des Rechts auf Meinungs- und Informationsfreiheit): „Das Kind hat das Recht auf freie Meinungsäußerung in allen Angelegenheiten und unabhängig davon, ob es schon fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden.“

https://www.unicef.de/informieren/ueber-uns/fuer-kinderrechte/un-kinderrechtskonvention

Artikel 13 KRK