Patchwork-Traum(a) - Barbara Friehs - E-Book

Patchwork-Traum(a) E-Book

Barbara Friehs

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Beschreibung

Patchwork-Familien — Traum oder Trauma? Es ist für alle Beteiligten schwierig, ihren Platz in der neuen familiären Konstellation zu finden. Besonders Kinder haben sich ihre Situation nicht ausgesucht. Aber auch alle Erwachsenen sind sich selten von Anfang an über die Konsequenzen im Klaren, die die Gründung einer Patchwork-Familie mit sich bringt, und erleben neben wundervollen Momenten auch Probleme mit Kindern, den Ex-Partnern oder dem Freundeskreis. Anhand von Fallbeispielen, Checklisten und Lösungsvorschlägen zeigt dieses Buch Möglichkeiten zur Bewältigung der vielen Problemfelder in Patchwork-Familien auf. Jede Situation ist zwar anders und erfordert individuelle Strategien, dennoch lassen sich meist viele situationsbedingte Gemeinsamkeiten erkennen, die sehr wohl Empfehlungen zulassen. Diese basieren einerseits auf Erkenntnissen der wissenschaftlichen Forschung, andererseits auf Ergebnissen von Gesprächen mit Paarberatern sowie Betroffenen und nicht zuletzt auf den Erfahrungen der Autorin durch die Arbeit in ihrer Beratungspraxis.

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Inhalt

Einleitung

Was ist eine Patchwork-Familie?

Begriffsbestimmung

Es gab sie schon immer

Wer gehört zur Patchwork-Familie?

Der getrennt lebende Elternteil als Teil der Patchwork-Familie

Was macht Patchwork-Familien so besonders?

Wann ist man bereit fur die Gründung einer neuen Familie?

Die verschiedenen Verlusterlebnisse

Vergeben Sie Ihrem Ex-Partner

Sie fangen nie bei null an ...

Die Schatten der Vergangenheit sind allgegenwärtig

Die Paarbeziehung im Rahmen der Patchwork-Familie

Die perfekte Patchwork-Mutter – Hüten Sie sich vor einer Vision!

Nur die " Zweite"?

Entwicklungsphasen einer Patchwork-Familie

Phase 1 – Auflösung des alten Familienverbundes

Phase 2 – Die neue Familie kommt zusammen und lernt sich besser kennen

Phase 3 – Die neue Familie muss sich vielen Herausforderungen stellen

Phase 4 – Der Konsolidierungsprozess beginnt

Phase 5 – Endlich eine „richtige“ Familie

Rechte und Pflichten von Patchwork-Familien

Rechtliche Grundlagen

Vertretungsrecht von Patchwork-Eltern

Änderung des Nachnamens von Patchwork-Kindern

Unterhaltsansprüche

(Vorübergehender) Verbleib beim Patchwork-Elternteil

Erbrechtliche Bestimmungen

Kontaktrechte

Pflegefreistellung

Adoption

Sie mögen seine Kinder nicht

Seine Kinder bleiben für immer

Bemühen Sie sich dennoch um Zugang zu seinen Kindern

Wenn Sie Eifersucht empfinden

Ihr Partner steht dazwischen

Sie sind nicht die Mutter seiner Kinder

Wer bezahlt was?

Drei-Konten-Prinzip

Die Exfrau

Wenn die Exfrau stört ...

Verschiedene Typen von Exfrauen

„Wir, uns, unser...“

Rivalitäten, Zweifel und Eifersucht

Vergleichen Sie nicht ständig

Wenn sie ihn zurück will

Die Wohnsituation

Verständnis für die Ex?

Wenn Sie selbst die Ex sind

Ihr Partner als Vater

Ihr Mann als Patchwork-Vater

Die Annäherung zwischen Kindern und Patchwork-Vater braucht Zeit

Die gesellschaftliche Rolle des Patchwork-Vaters

Ihr Mann als biologischer Vater

Ihr Ex und seine Vaterrolle

Der Umgang mit dem biologischen Vater Ihrer Kinder

Schließen Sie ab mit der Vergangenheit

Manipulieren Sie Ihr Kind nicht

Ihr Kind muss sich nicht zwischen seinen Eltern entscheiden

Der biologische Vater ist von großer Wichtigkeit für die Kinder

Wenn es bei Papa immer lustig ist ...

Wenn Ihre Kinder den Patchwork-Vater lieber haben

Wenn der Ex Probleme macht

Plötzlich ist er wieder da

Ihr Ex-Partner will keinen Kontakt mehr zu den gemeinsamen Kindern

Wenn der Ex verschwunden bleibt

Besinnen Sie sich immer des Wohles Ihrer Kinder

Wer erzieht die Kinder?

Unterschiedliche Erziehungsstile der Patchwork-Eltern

Die Erziehungstätigkeit der biologischen Eltern

Verantwortlich bleibt der biologische Elternteil

Die Erziehungsverantwortung des Partners für dessen eigene Kinder

Erstellen Sie gemeinsam Regeln

Ihre Kinder lehnen Ihren Partner ab

Wann man auf seine Kinder hören sollte

Das Kind als „Partner“

Es sind alle Kinder gleich und trotzdem anders

Besuchswochenenden

Nur keine Konflikte?

Rituale und Regeln helfen bei der Erziehung

Familien und Freunde

Weitere Problembereiche

Die Tabuisierung des Lebens als Patchwork-Familie

Familienfeste

So kann Ihr gemeinsames Leben diesmal gelingen

Haben Sie realistische Erwartungen an Ihre neue Partnerbeziehung

Der Umgang mit Konflikten

Versuchen Sie nicht, Ihren Partner zu verändern

Suchen Sie keinen Ersatz für Ihre verlorene Familie

Grenzen Sie Ihren Partner nicht aus

Sprechen Sie miteinander – Kommunikation ist alles

Akzeptieren Sie seine Kinder

Akzeptieren Sie die biologischen Eltern der Kinder als Bestandteil Ihres Lebens in der Patchwork-Familie

Suchen Sie gemeinsam Ihrer beider Platz in der neuen Familie

Nehmen Sie sich Zeit für sich selbst

Lassen Sie sich auf Ihr neues Leben ein

Was macht eine Beziehung glücklich?

Wie steht es um Ihre Beziehung?

Checkliste

Schlussbemerkungen

Literatur

Univ.-Doz. DDr. Barbara Friehs

 

 

Patchwork-Traum(a)

Wunsch & Realität neuer Familienkonstellationen

 

 

 

Impressum

© Verlagshaus der Ärzte GmbH,

Nibelungengasse 13, A-1010 Wien

www.aerzteverlagshaus.at

1. Auflage 2017

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwendung, vorbehalten.

ISBN 978-3-99052-275-2

Umschlag & Satz: Grafikbüro Lisa Hahsler, 2232 Deutsch-Wagram

Umschlagfoto: https://de.fotolia.com/Ruiponche

Projektbetreuung: Hagen Schaub

 

Autorin und Verlag haben alle Buchinhalte sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann keine Garantie übernommen werden. Eine Haftung der Autorin bzw. des Verlags wird daher nicht übernommen.

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit – vor allem in Hinblick auf die Vermeidung einer ausufernden Verwendung von Pronomen – haben wir uns dazu entschlossen, alle geschlechtsbezogenen Wörter nur in eingeschlechtlicher Form – der deutschen Sprache gemäß zumeist die männliche – zu verwenden. Selbstredend gelten alle Bezeichnungen gleichwertig für Frauen.

Das Buch ist primär auf Beziehungen zwischen heterosexuellen Paaren ausgerichtet, da sich Patchwork-Familien hauptsächlich aus solchen zusammensetzen. Selbstverständlich haben die angeführten Schwierigkeiten und Probleme aber auch Gültigkeit für Patchwork-Familien mit homosexuellen Eltern.

Einleitung

Plötzlich sind Sie nicht mehr allein. Sie haben sich verliebt in einen wundervollen Mann. Er ist attraktiv, charmant, intelligent und liebevoll. Ihr Glück scheint grenzenlos zu sein, Sie erleben eine Liebe, die Sie niemals für möglich gehalten hätten. Alles könnte perfekt sein. Gäbe es nicht ständige Erinnerungen an die Vergangenheit, die von Anfang an ein fixer Bestandteil Ihrer gemeinsamen Gegenwart und Zukunft geworden sind. Sie haben sich nämlich in einen Mann verliebt, der bereits Kinder aus einer früheren Beziehung hat. Oder aber sind Sie es selbst, die Kinder in die neue Partnerschaft mitbringt? Vielleicht trifft dies sogar auf Sie beide zu, und plötzlich wurden Sie zu einer Patchwork-Mutter und Ihr neuer Partner findet sich in der Rolle eines Patchwork-Vaters wieder. Entschließen Sie sich auch noch zu gemeinsamen Kindern, sind Sie zudem auch noch deren biologische Eltern. Ihre Söhne oder Töchter aus einer vorangegangenen Beziehung haben nun Patchwork- oder auch Halbgeschwister, und Ihre Patchwork-Kinder können ihrerseits ebenfalls weitere Halb- oder Patchwork-Geschwister haben, nämlich dann, wenn auch deren Mutter eine neue Partnerschaft eingegangen ist. Klingt kompliziert – und ist es auch. Denn in einer solchen Konstellation haben viele Gefühle Platz, die nicht nur positiv sind. Eifersucht, Neid, Hass, Rache, Wut oder Angst, aber auch jene des Ausgeliefertseins und der eigenen Handlungsunfähigkeit kommen leider genauso häufig, wenn nicht öfter vor als die grenzenlose Freude über eine zweite Chance auf Lebensglück. Genau dies beschreibt Ihre eigene Situation? Dann seien Sie herzlich willkommen in der Welt der Patchwork-Familien!

Es ist für alle Beteiligten schwierig, ihren Platz in dieser neuen familiären Konstellation zu finden. Besonders Kinder haben sich ihre Situation nicht ausgesucht. Aber auch alle erwachsenen Beteiligten sind sich selten von Anfang an über die Konsequenzen im Klaren, die die Gründung einer Patchwork-Familie mit sich bringt. Eine oder auch zwei Familien wurden getrennt und sollen nun in veränderten Konstellationen und mit anderen Akteuren ihr zukünftiges Leben in einem neuen familiären Verbund verbringen. Dies ergibt einen Flickenteppich, ein „Patchwork“, wie es in der englischen Übersetzung heißt, welches sich in seiner Eigenart und Besonderheit erst fügen und konsolidieren muss. Dies kann gelingen oder auch nicht. Manchmal wird die neue Familie zu einer wundervollen und bereichernden Erfahrung für alle, manchmal scheitern die Betroffenen erneut. Enttäuschungen sind in so einem Konstrukt vorprogrammiert und aufgrund der vielen, oft schwer beeinflussbaren Variablen vermutlich sogar häufiger als in klassischen Kernfamilien.

Dennoch kann dieses Familienmodell auch gelingen. Rezepte gibt es keine, wohl aber Empfehlungen, wie das neue Miteinander ein konstruktives, positives und glückliches wird. Genau darum geht es in diesem Buch. Anhand von Fallbeispielen, Checklisten und Lösungsvorschlägen sollen Möglichkeiten für die Bewältigung der vielen Problemfelder in Patchwork-Familien aufgezeigt werden. Eben dabei möchte Ihnen dieser Ratgeber helfen. Er soll Ihnen Tipps vermitteln, die es Ihnen leichter machen, Teil einer erfolgreichen, harmonischen und glücklichen Patchwork-Familie zu werden. Mitzuhelfen, Kinder von anderen großzuziehen, kann ein furchteinflößender Gedanke sein, aber auch ein sehr schöner. Wie dies besser gelingen kann, wird ebenso thematisiert wie die Notwendigkeit, eigene Grenzen zu erkennen und zu setzen bzw. die Paarbeziehung bei allen Ansprüchen und Problemen in ihrer Wichtigkeit niemals zu vernachlässigen. Zur Sprache kommen auch Probleme im Umgang mit der Exfrau des Partners, mögliche Schwierigkeiten mit Ihrem Exmann, solche mit alten und neuen Schwiegereltern, Erziehungsprobleme und finanzielle Aspekte, die eine Patchwork-Familie belasten können.

Das Buch richtet sich dabei vor allen Dingen an Frauen. Sie sind es, die durch das Patchwork-Konstrukt zu Patchwork-Müttern werden und somit Partnerin eines „Mannes mit Vergangenheit“ sind. Obwohl das Thema „Patchwork-Familie“ ganz bewusst aus der Perspektive der betroffenen Frau behandelt wird, kommen natürlich auch Aspekte, die speziell Männer und Kinder betreffen, zur Sprache. Auch wenn Patchwork-Familien als Folge des Todes eines Elternteils entstehen können, werden in vorliegendem Buch hauptsächlich Probleme erörtert, die sich nach Trennungen oder Scheidungen ergeben. Viele der angesprochenen Themen haben aber natürlich auch Gültigkeit für die neue Familiengründung nach dem Tod eines Partners bzw. Elternteils.

Dieser Ratgeber erhebt nicht den Anspruch, allgemeingültige Lösungsmuster vorzustellen. Jede Situation ist anders, und daher erfordert jede individuelle Strategien. Dennoch lassen sich auch viele situationsbedingte Gemeinsamkeiten erkennen, die sehr wohl Empfehlungen zulassen. Diese basieren einerseits auf Erkenntnissen der wissenschaftlichen Forschung, andererseits auf Ergebnissen von Gesprächen mit Paarberatern und nicht zuletzt auf den Erfahrungen der eigenen Beratungspraxis. Im Rahmen der Entstehung dieses Buches wurden zudem Interviews mit 200 Frauen geführt, die in einer Patchwork-Familie leben. Allen, die sich bereit erklärt haben, über ihre Gedanken, Gefühle, Erlebnisse, Ängste und Sorgen zu sprechen, sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Zu wünschen bleibt, dass Ihnen das Buch den einen oder anderen hilfreichen Ratschlag vermitteln kann, um Sie dabei zu unterstützen, Ihre Patchwork-Familie zu einer glücklichen und erfolgreichen zu machen. Vielleicht hilft es auch ein wenig zu wissen, dass Sie nicht allein mit Ihren Problemen sind, sondern es Tausenden Frauen ähnlich geht. In vielen der Fallstudien werden Sie sich möglicherweise wiedererkennen und hoffentlich den einen oder anderen wertvollen Tipp finden. Ziel ist es, Ihnen dabei zu helfen, Stolpersteine, die durch die Konstellation einer Patchwork-Familie auftreten können, zu erkennen und mögliche Probleme zu bewältigen. Dabei wird immer versucht, den Weg des Miteinanders, des Gesprächs und des Verständnisses für die Position der anderen Seite zu empfehlen.

Dennoch sei darauf hingewiesen, dass dieser Ratgeber bei besonders schwerwiegenden Problemen persönliche professionelle Beratung oder auch eine Therapie, in der gezielt auf die einzelnen Bereiche eingegangen wird, die Ihre Situation so besonders machen, nicht ersetzen kann. In einem solchen Fall sollten Sie nicht zögern, entsprechende Hilfe in Anspruch zu nehmen. Viele Berater und Therapeuten haben sich auf die Besonderheiten von Patchwork-Familien spezialisiert und können bei der Bewältigung der einen oder anderen Schwierigkeit hilfreich zur Seite stehen.

 

Was ist eine Patchwork-Familie?

Begriffsbestimmung

Lange war im deutschen Sprachraum der Begriff „Stieffamilie“ vorherrschend. Durch die eifrigen Recherchen und Publikationen der Gebrüder Grimm und anderer Autoren längst vergangener Epochen hat diese Benennung einer Familie jedoch bis heute ihren negativen Beigeschmack nicht verloren. Besonders die Figur der Stiefmutter war in den Jahrhunderten zuvor mit allerlei bedenklichen Konnotationen behaftet. Sie wurde als böse, egoistisch, machtgierig und verbrecherisch dargestellt.

Nicht zuletzt deshalb löst daher im deutschsprachigen Raum der Begriff „Patchwork-Familie“ schon seit geraumer Zeit zunehmend die Bezeichnung „Stieffamilie“ ab. Auch in diesem Buch wird der Benennung „Patchwork“ gegenüber „Stief“ der Vorzug gegeben, selbst wenn bis heute das Präfix „Stief-“ als korrekte rechtliche Bezeichnung für solche Familienformen und deren -mitglieder unverändert weiter besteht. Der Begriff „Patchwork“ ist wesentlich unbelasteter und positiver besetzt. Er weckt Assoziationen mit Buntem, Fröhlichem, Gemeinsamem. Und dies passt auch viel besser für eine Familienform, die in nicht allzu ferner Zukunft die vorherrschende in der westlichen Welt sein wird. „Patchwork“ klingt moderner und ist befreit von allem, das bei der Vorsilbe „stief“, was auf mittelhochdeutsch „gestutzt“ bzw. „beraubt“ bedeutet, unweigerlich mitschwingt*. Der Begriff stammt aus dem Englischen und bezeichnet eine verschiedenfarbige Decke, die aus vielen verschiedenen Flicken zusammengesetzt ist, im Ergebnis wunderschön aussieht und alle Funktionen einer Decke perfekt erfüllt. Dies soll als Symbol für eine neue Familie dienen, die auch bunt zusammengewürfelt ist, sich aber dennoch als Einheit versteht.

* Krähenbühl, Jellouschek, Kohaus-Jellouschek und Weber (2011, 25) geben einen guten Überblick über die Entstehung der Bezeichnung im Zusammenhang mit Stieffamilien:

„Die Vorsilbe ‚Stief’- und ihre sprachgeschichtlichen Vorgänger kommen im germanischen Sprachgebiet zunächst nur als Präfix in Verbindung mit Verwandtschaftsbezeichnungen (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Kind) vor. Im Mittelhochdeutschen erscheint die Vorsilbe in Zusammensetzungen wie „stiefbruoder“, „stiefkint“, „stiefmuoter“. Im Althochdeutschen lautet die Vorsilbe „stiof“. Im angelsächsischen Sprachraum geht die heutige Form „step“ auf die frühere Bezeichnung „steop“ zurück. In verschiedenen sprachgeschichtlich frühen Wendungen wird ihre ursprüngliche Bedeutung „beraubt“, „verwaist“, eigentlich „abgestumpft“ erkennbar. Ein „steopbarn“ oder „steopchild“ ist ein elternloses, verwaistes Kind. Im Besonderen wurde die Vorsilbe zur Bezeichnung von Verwandtschaftsverhältnissen verwendet, die nach dem Tod eines Elternteils durch Wiederverheiratung des lebenden Elternteils entstanden. Dabei wird häufig der abwertende Beisinn des lieblos, hart, ungerecht Behandelnden beziehungsweise Behandelten, bei übertragener Verwendung auch mit Verallgemeinerung des Falschen, Bösen, dem rechten Entgegengesetzten überhaupt erkennbar.“

Bonus-Familie, Co-Familie oder Zweit-Familie konnten sich als Bezeichnung für eine Patchwork-Familie im deutschsprachigen Raum nicht wirklich durchsetzen.

Es gab sie schon immer

Patchwork-Familien sind keineswegs eine Besonderheit unserer Tage, sondern es gab sie immer schon – in jeder denkbaren Konstellation. Die Sterblichkeit von Müttern während oder nach der Geburt ihrer Kinder war aufgrund der hygienischen Zustände noch bis ins 19. Jahrhundert hinein in Europa sehr hoch, und Männer heirateten schnell wieder, nicht zuletzt, um ihre nun halbverwaisten Kinder versorgt zu wissen. Andererseits forderten kriegerische Auseinandersetzungen oft hohe Verluste an Männern, weshalb Frauen mit ihren Kindern häufig mittellos zurückblieben und eine weitere Eheschließung die einzige Möglichkeit der existentiellen Absicherung der vaterlosen Familie war. Auch gegen Ende des 2. Weltkrieges lebten mehr Kinder in einer Patchwork-Familie als heute. Die Ursachen für die Entstehung neuer Familien sind aber heute andere als früher. In der heutigen Zeit sind es viel häufiger bewusste Entscheidungen aufgrund persönlicher Befindlichkeiten, die zur Auflösung einer Partnerschaft führen, während in vergangenen Tagen äußerliche Lebensumstände Ehen frühzeitig beendeten. Während früher Patchwork-Familien durch den Tod eines Elternteils und der Wiederverheiratung des überlebenden entstanden, formieren sie sich heute in erster Linie als Folge von Scheidungen oder des Auseinandergehens von Lebensgemeinschaften. Der andere Elternteil überlebt in den meisten Fällen und bleibt im Leben des Kindes und auch in jenem der neuen Patchwork-Familie mehr oder weniger präsent.

Wer gehört zur Patchwork-Familie?

Unter Patchwork-Familien werden heute solche verstanden, in denen zwei erwachsene Menschen zusammenleben, von denen zumindest einer ein Kind aus einer vorherigen Beziehung hat. Somit ist zumindest ein Partner auch Patchwork-Elternteil. Ein biologischer Elternteil lebt nicht mehr im ursprünglichen Familienverband, dennoch bleibt er für die Dynamik der Patchwork-Familie weiter von wesentlicher Bedeutung. Ob Patchwork-Familien denselben Wohnsitz haben, irgendwelche der Betroffenen jemals verheiratet waren, nun mit ihren neuen Partnern verheiratet sind oder in nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften leben oder lebten, spielt dabei keine Rolle, da die Konsequenzen mit wenigen Ausnahmen, die besonders rechtliche Belange betreffen, äußerst ähnlich sind.

Eine Patchwork-Familie kann sich ganz unterschiedlich zusammensetzen. Die seltenste Form dieser Familienvariante ist, wenn ein Vater die Obsorge für die Kinder erhält und die neue Partnerin, mit oder ohne eigene Kinder, nun Teil dieser Familie wird. Eine wesentlich häufiger zu beobachtende Version besteht aus einer Mutter mit ihren biologischen Kindern und dem neuen Partner. Gehören nun mehrere Mitglieder dem neuen familiären Konstrukt an, entstehen noch diffizilere Familienformen. Die Kinder sind nämlich auch Teil der neuen Familie ihres biologischen Vaters. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass der neue Partner ihrer Mutter selbst Vater von biologischen Kindern ist und diese im familiären Verbund mit ihm, der Patchwork-Mutter und den Patchwork-Geschwistern leben. Die Patchwork-Geschwister können ihren Vater aber auch nur regelmäßig, meist an Wochenenden, im neuen Haushalt besuchen und ihren Lebensmittelpunkt bei der biologischen Mutter und – falls vorhanden – deren neuem Partner haben. Die betroffenen Kinder leben dann in zwei Haushalten und sehen sich als Angehörige zweier Familiensysteme, die sehr unterschiedlich strukturiert sein können, da nur in seltenen Fällen der Kontakt zum anderen Elternteil abgebrochen ist. Eine besondere Erweiterung der Familienkonstellation entsteht außerdem dann, wenn die Partner einer Patchwork-Familie auch noch miteinander Nachwuchs haben. Um vieles komplizierter wird es noch, wenn auch Patchwork-Familien wieder auseinandergehen und die ehemaligen Patchwork-Eltern abermals neue Beziehungen eingehen. Dies zeigt, dass es das klassische Patchwork-Familienmodell nicht gibt, sondern viele verschiedene Varianten möglich sind. Was ihnen allen gemeinsam ist, ist die Tatsache, dass sie ganz spezielle Herausforderungen zu meistern haben.

Der getrennt lebende Elternteil als Teil der Patchwork-Familie

Ein wesentlicher Faktor in Patchwork-Familien ist der getrennt lebende Elternteil. Dessen Rolle im System der Patchwork-Familie verursacht oft Unklarheiten und ist schwierig zu definieren. Zweifellos bleibt der ehemalige Partner als getrennt lebender Elternteil stets ein Teil des Gesamtsystems und auf vielfältige Weise präsent. Die gemeinsame Elternschaft verhindert eine vollständige Trennung. Zum einen besteht im Regelfall ein juristisch geregeltes Umgangsrecht mit den Kindern, was sowohl persönlichen als auch z.B. telefonischen Kontakt bedingt. Zum anderen wirkt der getrennt lebende Elternteil indirekt über seine Kinder auf die Patchwork-Familie ein. Diese sprechen häufig über ihn, vermissen ihn an Besuchswochenenden und sehen ihm vielleicht sehr ähnlich. Auch die Mimik und Gestik des Kindes oder seine Art, sich zu äußern, erinnern möglicherweise an ihn. Oft wird versucht, den getrennt lebenden Elternteil ganz bewusst von der Patchwork-Familie auszugrenzen. Er wird als Störfaktor betrachtet, der dem neuen Glück irgendwie im Wege steht, da er an die Vergangenheit erinnert. Schließlich gab es ja schon zuvor eine Familie, die allerdings in ihren Hoffnungen, Wünschen und Sehnsüchten gescheitert ist. Dass eine solche Haltung den betroffenen Kindern massiv schaden kann, liegt auf der Hand. Auch wenn es bisweilen nicht einfach ist, kommt die Patchwork-Familie letztendlich nicht umhin, auch dem getrennt lebenden Elternteil einen Platz in der neuen Familie einzuräumen, da er für die Kinder eine ganz wichtige Funktion erfüllt.

Was macht Patchwork-Familien so besonders?

Scheidungs- und Trennungsraten bei Lebensgemeinschaften sind in den westlichen Industrienationen im Steigen begriffen. Nach dem Scheitern von Beziehungen erfolgt häufig das Eingehen neuer Ehen oder Lebensgemeinschaften. In Österreich handelt es sich mittlerweile bei über 10 Prozent aller Haushalte mit minderjährigen Kindern um Patchwork-Familien und in Deutschland sind es sogar 13 Prozent. Damit ist diese Familienform nach der klassischen Kernfamilie und der Familie mit einem alleinerziehenden Elternteil die dritthäufigste im deutschsprachigen Raum.

Die Formierung eines neuen familiären Verbundes kostet viel Kraft und Energie. Auf dem Weg zu einer erfolgreichen und glücklichen Patchwork-Familie sind gewaltige Hürden zu überwinden und viele Hindernisse zu bewältigen. Dabei gibt es wenige Vorbilder und kaum Unterstützung, zumal diese Familienform noch wenig erforscht ist und auch die Gesellschaft noch keine verlässlichen Handlungs- und Verhaltensmuster parat hat. Durch die Gründung von Patchwork-Familien wird allen Betroffenen die Übernahme neuer Rollen abverlangt, für die Modelle oder gar vorgefertigte Verhaltensrepertoires völlig fehlen. Daher fordert die spezielle Situation von Patchwork-Familien täglich viel Kreativität, Flexibilität, Einfühlungsvermögen und Verständnis ein, wobei streckenweise nur ein Learning by Doing möglich ist, um das neue Lebensprojekt bestmöglich zu meistern.

Nach außen hin unterscheiden sich Kern- und Patchwork-Familien ja nicht wirklich voneinander. Erst bei genauerer Betrachtung lassen sich viele Unterschiede ausmachen. So haben Patchwork-Familien Trennungs- und Verlusterfahrungen zu bewältigen, das Gefühl des Scheiterns aufzuarbeiten, eine gemeinsame Phase der Konsolidierung in der neuen Familie zu durchlaufen und eine ihr eigene Identität zu entwickeln. Bei Kernfamilien gibt es immer zuerst eine mehr oder weniger lange Phase der Zweisamkeit von Partnern. Das Paar hat Zeit, sich zu Beginn einmal ohne Kinder kennen zu lernen, Werte, Vorstellungen und Ideen abzugleichen und sich auf ein Beziehungsprozedere zu einigen, welches für beide passt. Dieses muss dann bei der Geburt des ersten Kindes umgestellt werden, was aber wiederum allein in der Verantwortung und auch Gestaltungsfreiheit der beiden Elternteile liegt. Es ist das gemeinsame Kind, zu dem beide eine natürliche Bindung aufbauen. Dies fehlt im Patchwork-Konstrukt, da von vorneherein zumindest ein Kind zur Familie gehört, das nur mit einem Partner biologisch verbunden ist.

Kinder von Patchwork-Familien gehören mehreren Familienverbünden an. Sie leben entweder immer nur in einer ihrer Familie, zeitweise mit ihr oder halten sich für gewöhnlich beim anderen Elternteil auf und kommen nur zu bestimmten Zeiten für einen klar vereinbarten Zeitraum zu Besuch. Oft liegen die Obsorge und Erziehungsverantwortung gar nicht bei den Erwachsenen in der Patchwork-Familie, sondern bei den anderen Elternteilen der Kinder. Zwischen Eltern und ihren biologischen Kindern besteht seit deren Geburt eine meist enge Bindung, die lange vor der Gründung einer Patchwork-Familie ihren Anfang nahm. Meist gab es vor dieser auch eine Phase, in der ein Elternteil allein mit seinen Kindern lebte. Nicht selten wird die Beziehung zwischen jenem Elternteil, bei dem die Kinder nach einer Trennung leben, und diesen besonders intensiv. Gemeinsam versucht man das Erlebte zu verarbeiten und sich wechselseitig zu stützen. Mit der Gründung einer Patchwork-Familie ändert sich wieder alles, weshalb das Leben im neuen Patchwork-Verband mit den eigenen Kindern und/oder jenen des Partners viel wechselseitiges Verständnis, Toleranz und Einfühlungsvermögen erfordert. Hat der Patchwork-Elternteil bereits selbst Kinder, ergibt sich das Problem, dass die Kinder beider Partner auf einmal Patchwork-Geschwister werden oder bekommen. Neue Personen treten also in das eigene Leben ein, der Lebensraum wird enger und die Kinder müssen ihren Lebensbereich auf einmal teilen – gerade dann, wenn die Wohnverhältnisse vergleichsweise beengt sind. Auch ihre jeweilige Rolle ändert sich gegebenenfalls dadurch. Das bislang älteste Kind wird vielleicht zum Mittleren, die Jüngsten sehen Privilegien gefährdet. Damit müssen Kinder oft erst zurechtzukommen lernen.

Es ist klar bestimmt, wer als Mitglied in einer Kernfamilie gilt. Bei Patchwork-Familien ist das ganz anders. Die Mitgliedschaft wird häufig zugeschrieben und ist eben nicht die Konsequenz einer natürlichen Entwicklung. Alle Mitglieder einer Kernfamilie gehören biologisch und rechtlich ausschließlich dieser an. Patchwork-Familien sind weitaus weniger klar definiert, und die Zugehörigkeit ihrer Mitglieder zu mehreren Familien ist ein wesentliches Merkmal. Wer wo wie dazugehört, ist nicht von vornherein klar und bei vielen Beteiligten eher Aushandlungssache als rechtliche Vorgabe. Patchwork-Eltern haben keine elterlichen Rechte, wohl aber Verpflichtungen gegenüber den Kindern der neuen Partner, und Patchwork-Geschwister sind nicht miteinander verwandt. Patchwork-Kinder haben mehrere Großelternpaare, viele Tanten, Onkel und Cousins. Was Patchwork-Familien allerdings fehlt, sind eine eigene Geschichte, verbindende Traditionen und Rituale sowie eine gewachsene Identität. All dies müssen sie sich erst langsam schaffen – und das unter erschwerten Bedingungen.

Kernfamilien wachsen schrittweise in bestimmte Aufgaben und Anforderungen hinein. Zuerst findet man sich als Paar, dann verständigt man sich über die Erziehung der Kinder. Bei Patchwork-Familien treffen hingegen die Besonderheiten der jeweiligen vorangegangenen familiären Strukturen aufeinander und es gilt nun, daraus eine für alle Beteiligten akzeptable Lebensform zu entwickeln. Dasselbe gilt für die Identität dieser neuen Familie. So verwundert nicht, dass zu Beginn der Zusammenhalt einer Patchwork-Familie viel geringer ist als jener einer Kernfamilie und sich das familiäre Band erst langsam festigt. Patchwork-Familien sind durch ihnen eigene Charakteristiken und Komplexitäten gekennzeichnet. Menschen mit den unterschiedlichsten Vorstellungen, Erwartungen, Wünschen und Bedürfnissen treffen aufeinander und sind plötzlich vor die Aufgabe gestellt, eine Familie zu bilden und gemeinsam zu leben. Dass dies mit den vielfältigsten Komplikationen verbunden sein kann, überrascht nicht. Ganz im Gegenteil.

Haben Patchwork-Eltern neben den Kindern ihrer Partner auch noch gemeinsame Kinder, ergeben sich weitere Herausforderungen. Innerhalb der Patchwork-Familie entsteht auf diese Weise eine Kernfamilie, zu der aber nur die Partner und deren gemeinsame Kinder zählen. Die jeweils anderen eigenen Kinder sind nur Mitglieder der Patchwork-Familie. Das kann absolut ohne Bedeutung für die Lebensrealität der neuen Familie bleiben und eine irrelevante Zuordnung sein. Allerdings besteht durchaus auch die Möglichkeit, dass genau diese Situation einer bestimmten Zugehörigkeit oder ein Fehlen derselben bei Kindern Probleme verursachen kann. Während nämlich das neue gemeinsame Kind die beiden Patchwork-Elternteile direkt miteinander verbindet, schafft es auch ein Subsystem, welchem Halb- und Patchwork-Geschwister nicht angehören, sondern nur seine beiden Eltern und mögliche weitere Kinder, die diese gemeinsam haben. Die anderen Kinder, die auch in der Familie leben oder nur regelmäßig zu Besuch kommen, können sich leicht in eine Außenseiterposition bzw. an den Rand gedrängt sehen.

Patchwork-Familien wurden lange als „minderwertiges Modell“ im Vergleich zu den Kernfamilien angesehen. Man betrachtete sie als problematischer und krisenanfälliger als die als ideal erachtete Kernfamilie. Schließlich entsprachen sie nicht der gesellschaftlichen Norm, sondern wichen in vieler Hinsicht davon ab. Jetzt, wo Patchwork-Familien immer häufiger vorzufinden sind, ist auch deren Akzeptanz gestiegen, obwohl ihre Mitglieder nach wie mit einem gewissen Argwohn betrachtet werden. Wenn man bedenkt, wie hoch Scheidungs- und Trennungsraten unter Lebensgefährten sind, ist es eine bedenkliche Entwicklung, wenn sich Patchwork-Familien nach wie vor stigmatisiert fühlen. Sie sind bisweilen noch immer Sinnbild für das Scheitern von Menschen, das Leid von unschuldigen Kindern und den vermeintlichen Egoismus von Erwachsenen. Lehrer und Lehrerinnen etwa kennen bei den ersten schulischen Problemen eines Kindes oder Jugendlichen sofort mögliche Ursachen: „Ist ja kein Wunder, bei diesen Familienverhältnissen ...“ Deshalb versuchen viele Betroffene nach wie vor nach außen hin den Eindruck einer „ganz normalen Kernfamilie“ zu erwecken, indem sie die Patchwork-Komponente, wenn irgendwie möglich, verschweigen, vertuschen oder in ihrer Existenz ganz verleugnen.

Viele Patchwork-Familien fühlen sich unter großen sozialen Druck gesetzt und haben Angst, Fehler zu machen. Besonders wirksam scheint sich das Klischee von der „bösen Stiefmutter“ zu halten. Die Märchensammlung der Gebrüder Grimm gibt schließlich nachweislichen Aufschluss darüber, wie unbarmherzig, grausam und unmenschlich Stiefmütter sein können. Sie werden als böse, hinterhältige Monster dargestellt, die ihre Stiefkinder hassen, verstoßen und aussetzen. Sogar vor Mord schrecken sie nicht zurück. Die Grausamkeit von Stiefmüttern vergangener Tage, als in vielen Regionen Europas immer wieder Hunger herrschte und Ressourcen knapp waren, ist ein belegtes Faktum. Die Kinder des Mannes aus früheren Beziehungen waren ein weiterer Kostenfaktor für die neue Familie und gefährdeten das Fortkommen der Stiefmutter und deren Nachwuchs. In solchen Überlebenskämpfen wurden die eigenen Kinder zulasten der Stiefkinder bevorzugt. Aus wohlhabenderen Regionen, wo die Existenzen von Familien eher gesichert und die innerfamiliären Verteilungskämpfe seltener waren, liegen wesentlich weniger Berichte über „böse“ Stiefmütter vor.

Existenziell sind heute zumindest in unseren Breiten alle Kinder weitgehend abgesichert. Dies erfordern schon gesetzliche Bestimmungen. Aber auch wenn die Märchen eine längst vergangene Epoche beschreiben, wecken sie auch in der heutigen Zeit noch unsere Emotionen. Das Rollenbild der Patchwork-Mutter ist nach wie vor ein vages und verschwommenes, und noch immer halten sich in der Gesellschaft klischeebehaftete Vorurteile. Nach wie vor erwecken Kinder, die bei „Stiefmüttern“ aufwachsen müssen, unser Mitleid, da man bisweilen noch immer davon ausgeht, dass diese von ihnen „stiefmütterlich“ behandelt werden. Viele betroffene Frauen sehen sich daher oft unter dem Zwang, allen, auch sich selbst gegenüber, zu beweisen, dass sie eben nicht dem schrecklichen Bild der Stiefmutter aus dem Märchen entsprechen, sondern das Kind ihres Partners mögen und auch bereit sind, es nach bestem Wissen und Gewissen zu betreuen und zu versorgen.

Was macht Patchwork-Familien "anders"?

Es gibt (lange) keine gemeinsame Geschichte

Zwei Familien kommen zusammen, die bis dahin vollkommen getrennte Leben führten. Nun sollen diese miteinander verbunden werden und eine neue, gemeinsame familiäre Identität entwickeln.

 

Einer Patchwork-Familie geht das Scheitern einer anderen voraus

Gegenwart und Vergangenheit sind in einer Patchwork-Familie eng miteinander verknüpft – und bleiben es auch. Daher gibt es ständig Einflüsse und Auswirkungen aus dem ehemaligen Leben der Partner und deren Kinder, die das Leben in der neuen Familie positiv, aber auch negativ mitgestalten.

 

Rechtliche Bestimmungen und Patchwork-Realität sind nicht stimmig

Der deutsche ebenso wie der österreichische Gesetzgeber behandelt Patchwork-Eltern eher „stiefmütterlich“. Fast scheint es, als wäre er noch nicht bereit, das reale Leben in einer solchen familiären Konstellation auch entsprechend zu schützen und zu regeln. Patchwork-Väter und -Mütter haben bis heute kaum Rechte, wenn es um die Kinder ihrer Partner geht.

 

Einige Mitglieder von Patchwork-Familien haben meist mehrere Wohnsitze

Selten leben alle Kinder von Patchwork-Paaren gemeinsam mit ihren Elternteilen unter einem Dach. Viele Kinder wohnen beim jeweils anderen biologischen Elternteil. Dann kommen sie nur in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen zu Besuch und haben somit zwei Wohnorte.

 

Kinder gehören mehreren Familien an

Ein biologischer Elternteil lebt nicht im gemeinsamen Haushalt der Patchwork-Familie. Dies bedeutet für die Kinder, dass sie nun auch mehreren Familien angehören, nämlich der neuen der biologischen Mutter und jener des biologischen Vaters. Eine solche Situation bringt auch neue Bezugspersonen ins Leben eines Kindes, kann aber auch viel Konfliktpotential in sich bergen.

 

Eine Patchwork-Familie hat mehr Mitglieder als klassische Kernfamilien

Bei Gründung einer Patchwork-Familie kommen oft zwei bereits bestehende Familien zusammen. Zumindest aus der Perspektive der Kinder bleiben einerseits die Herkunftsfamilien ihrer beiden biologischen Eltern ein wichtiger Teil ihrer Familie, andererseits kommen durch den Patchwork-Elternteil neue Geschwister, Großeltern, Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen hinzu. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass es noch Halbgeschwister gibt.

Wann ist man bereit fur die Gründung einer neuen Familie?

Wie viel Zeit man nun selbst tatsächlich benötigt, um eine Trennung zu bewältigen, lässt sich nie genau vorhersagen. Jeder Mensch ist anders und jede Trennung auch. Die emotionale Lösung von einem einst geliebten Menschen kann sich schlimmstenfalls über mehrere Jahre erstrecken. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass ein und dieselbe Person Trennungen von unterschiedlichen Partnern nicht identisch erlebt. Die Bindungsintensität, die Erziehung, die Lebenserfahrung, die Lebensumstände, die Lebenspläne mit dem Ex-Partner und die Lebensphase, in der man sich gerade befindet, sind von wesentlicher Bedeutung für die Verarbeitung eines Trennungserlebnisses. Inwiefern die Dauer einer Beziehung die Zeit, die für die Bewältigung benötigt wird, beeinflusst, ist nicht ganz geklärt. Man geht davon aus, dass bei sehr kurzen und sehr langen Beziehungen eine Trennung eine geringere Belastung darstellt. Bei sehr kurzen Partnerschaften konnte noch keine allzu tiefe Bindung aufgebaut werden, und in einer sehr langen Beziehung gab es unter Umständen schon über einen längeren Zeitraum einen hohen Grad an Unzufriedenheit und Negativität. War die Beziehung bereits geprägt von Konflikten und mangelnder wechselseitiger Achtung, wird eine Trennung natürlich oft viel positiver gesehen als in dem Fall, da sie völlig unerwartet hereinbrach.

Die Umstände, unter denen eine Trennung erfolgt, beeinflussen ebenfalls ihre Bewältigung. Werden in der Trennungsphase viele bösartige Dinge ausgesprochen, Beleidigungen geäußert und Demütigungen erlebt, entstehen auch viele negative Gefühle, die belasten. Schließlich wird auf diese Weise die gemeinsam verbrachte Zeit abgewertet und die Beziehung in ihrer Gesamtheit mit allen positiven und negativen Facetten verkannt.

Die verschiedenen Verlusterlebnisse

Mit dem Verlust Ihres Ex-Partners sind Ihnen nicht nur ein Vertrauter und Kamerad abhandengekommen, sondern auch gemeinsame Erfahrungen, Unterstützung in finanzieller, intellektueller, sozialer und emotionaler Art und dazu noch Hoffnungen, Pläne und Träume. Diese Verluste können sehr schmerzhaft sein. Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Verlusten: die konkreten und die abstrakten. Konkrete Verluste sind messbar, wie der Verlust des Einkommens oder des Autos. Abstrakte Verluste können nicht quantifiziert werden und umfassen das Abhandenkommen des Selbstwertgefühls, der Zukunftspläne und der Lebensziele.

Durch Ihre Trennung haben Sie wirtschaftliche Verluste erlitten, da nun Ihnen und den Kindern das Einkommen Ihres Ex nicht mehr wie früher zur Verfügung steht und Sie vielleicht aus dem ehemals gemeinsamen Haus ausziehen mussten. Selbst wenn Sie dort verblieben sind, ist nichts mehr, wie es einmal war. Vielleicht büßten Sie auch soziale Kontakte ein, weil einige Ihrer ehemals gemeinsamen Freunde kaum mehr freundschaftliche Beziehungen zu Ihnen pflegen. Hat Ihr Ex das alleinige Sorgerecht, müssen Sie sogar den Verlust des täglichen Kontaktes mit Ihren Kindern betrauern. Möglicherweise sind durch die Trennung auch die Kontakte zur Familie Ihres Ex-Partners abgebrochen. Das könnte vor allen Dingen dann der Fall sein, wenn man in Ihnen die Schuldige am Scheitern der Beziehung des Sohnes sieht. Ihr Ex-Partner war zudem vielleicht lange Ihr engster Vertrauter und Freund und entpuppte sich dann als jemand, der schon über längere Zeit hinweg ein Doppelleben führte. Wenn Sie davon ausgingen, dass Ihre Beziehung ein Leben lang andauern würde, wurden Sie nun eines Besseren belehrt. Möglicherweise fällt es Ihnen daher auch schwer, sich in Ihre neue Rolle als Partnerin und Mutter einer Patchwork-Familie einzufinden.