Peters Reisebericht Nr. 4 - Peter Alles - E-Book

Peters Reisebericht Nr. 4 E-Book

Peter Alles

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Beschreibung

Der Autor schreibt über seine Rundreise durch Island, die ihn an vielen landschaftlich, geschichtlich und kulturell interessanten Stellen vorbeiführte und dabei wertvolle gruppendynamische Erfahrungen sammeln ließ, über die er informativ, unterhaltsam und auf persönliche, humorvolle Weise berichtet. Neben den bekannten Sehenswürdigkeiten wie dem Goldenen Ring, dem Mückensee, großartigen Wasserfällen und Gletschern sowie vulkanisch geprägten Gegenden kam er auch an weniger bekannten, aber trotzdem bedeutsamen Stätten vorbei, über die er einfühlsam berichtet. Er verbindet seine Rundreise mit einem repräsentativen Streifzug durch die isländische klassische und zeitgenössische Literatur, schildert witzige Erlebnisse mit seinen Mitreisenden und reichert seinen Reisebericht mit viel Hintergrundwissen, persönlichen Erfahrungen und Reisetipps sowie vielen Farbfotos an.

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FÜR KIM UND DENNIS

Peter Alles

Peters Reisebericht Nr. 4

Island – Lust- und Literaturreise durch Feuer und Eis

© 2013 Peter Alles

Autor: Peter Alles

Umschlaggestaltung, Illustration: Peter Alles

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN:

978-3-7323-3694-4 (Paperback)

978-3-7323-3695-1 (Hardcover)

978-3-7323-3696-8 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis

Januar 2013

8. Juni 2013 – Anreise

9. Juni 2013 – Paul der McCartney, Grettir der Starke und Troll der Erstarrte

10. Juni 2013 – Frostbeulen

11. Juni 2013 – 300 km durchs Grettirland

12. Juni 2013 – Troll-City, Schwefellöcher und Vulkanasche

13. Juni 2013 – Durch die große Ödnis

14. Juni 2013 – Wald, Wasser und noch mehr Literatur

15. Juni 2013 – An der Ostküste

16. Juni 2013 – Skandal um Laura

17. Juni 2013 – Tag der Unabhängigkeit und der Hexen

18. Juni 2013 – Durch endlose Lavawüsten

19. Juni 2013 – Der Goldene Ring

20. Juni 2013 – Höhepunkte in Reykjavík

21. Juni 2013 – The last day

Herzlichen Dank!

Quellen

Januar 2013

Als ich zum Jahresanfang mal wieder überlegte, was ich von der großen Welt unbedingt noch sehen will, und mir eine Liste erstellte bzw. die vorhandene überarbeitete, stand Island ziemlich weit oben. Von Island hatte ich schon öfters geträumt, warum eigentlich? Was ich bisher an nordischen Ländern gesehen hatte, hat mich immer begeistert, vor allem Norwegen, wo ich schon zweimal gewesen war. Dies ist landschaftlich äußerst abwechslungsreich und reizvoll, und eine wirklich einzigartige Stimmung tritt dann auf, wenn die Tage sehr lang sind. Das wollte ich doch auch einmal in Island genießen. Island stellte ich mir ebenfalls sehr reizvoll und verschiedenartig vor.

Und dann war da natürlich die Neugierde auf ein eigenartiges Land, wenn man rein auf die Fakten schaut. Es ist mit 103.125 km2 fast so groß wie Bayern und Baden-Württemberg zusammen (29% der Fläche Deutschlands), hat mit 320.000 Einwohnern nur ungefähr so viele wie Bielefeld oder Mannheim (3,9‰ der Einwohner Deutschlands). Davon leben wiederum über 60% in der sogenannten Metropolregion Reykjavík, die nur 1% der Fläche Islands ausmacht. Daran kann man ablesen, dass man außerhalb Reykjavíks nur selten auf Leute treffen dürfte. Für Menschen, die die Einsamkeit lieben, also ein attraktives Land.

Aber auch sonst ist es ein eigenartiges, fast schon exotisches Land: Es ist das Land der Trolle und Geysire, der Gletscher (11% der Inseloberfläche ist vergletschert) und Vulkane – Island ist mit 200 Vulkanen die größte Vulkaninsel der Welt. Vor allem aus dem letzten Aspekt ergab sich ein weiterer Neugierpunkt: ich würde gerne mal eine Eruption aus der Nähe sehen. Der heftige Ausbruch des Eyjafjallajökull im April 2010, der zu einer Schließung fast des gesamten europäischen Luftraumes geführt hatte, war ja noch in lebhafter Erinnerung. Sollte nach meiner Ankunft was Ähnliches passieren, würde ich das gerne mitnehmen, denn gegenüber spontanen Urlaubsverlängerungen bin ich grundsätzlich aufgeschlossen. Mein Chef und meine Frau würden da bestimmt Verständnis aufbringen.

Da ich in meinen ersten 57 Lebensjahren noch nicht nach Island gekommen war, war die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten 57 Jahren ein weiteres Mal hinzukommen, vermutlich eher gering. Also war die Zeit jetzt reif für die Insel, wobei ich möglichst viel von Island sehen wollte. Auch wenn die Insel nicht gerade klein ist, war somit eine Rundtour sinnvoll, denn die Landschaften, die man dabei sehen kann, sind schon sehr unterschiedlich.

Außerdem sollte das Preis-Leistungs-Verhältnis des Reiseanbieters – auf eigene Faust und Organisation wollte ich nicht losziehen – stimmen. Schließlich fiel meine Wahl auf Schulz Aktiv Reisen aus Dresden, die eine „13 Tage Wanderrundreise für Naturfreunde“ mit Konditionsanforderung 2 (auf einer Skala bis 5) anboten. Diamir vermittelte die gleiche Reise, die von einem lokalen Reiseveranstalter im Norden Islands durchgeführt wird, zu gleichen Konditionen. Einige meiner späteren Mitreisenden würden bei Diamir, die anderen bei Schulz gebucht haben. Im Januar 2013 war es dann soweit, ich buchte im „Abenteuer-Reisebüro“ Schulz die Rundum-Island-Tour mit Sorglos-Paket für den 8. bis 21. Juni. Die Kurzbeschreibung des Reiseangebots klang verlockend und bewahrheitete sich vollständig:

Lassen Sie sich entführen in die einmalig schöne, raue und für uns Mitteleuropäer manchmal wie eine Mondlandschaft anmutende Natur Islands. Zwischen tiefblauen Seen, sattgrünem Gras, scheinbar endlosen, bemoosten Lavafeldern und tiefschwarzen Sandstränden kann man sich gut vorstellen, dass in diesem Land noch immer Elfen und Trolle leben. Die Wanderrundreise führt Sie durch diese verzauberte Landschaft, einmal rund um die Insel aus Feuer und Eis. Während kurzer, einfacher Wanderungen erhalten Sie einen tiefen Einblick in das Land und seine Bewohner. Unberührte Natur, frische Luft, Gletscher, Lava, Vulkane, isländische Spezialitäten, die fremd klingende Sprache – all das nehmen Sie mit all Ihren Sinnen auf. Abends erholen Sie sich in Gasthäusern oder kleinen, einfachen Hotels. Krönenden Abschluss der Tour bildet ein (optionaler) Besuch in der weltberühmten Blauen Lagune.

Die Beschreibung der 2.000 km langen Rundreise hörte sich gut an. Zur Standardreise von 13 Tagen buchte ich einen Verlängerungstag in Reykjavík. Wenn man schon mal da war …

Außerdem wollte ich nicht – wie angeboten – den Rückflug morgens um 7:25 antreten, sondern zu einer angenehmeren Tageszeit. Deswegen legte ich den Rückflug auf 16:05 mit Ankunft um 21:30 in Frankfurt.

Jetzt musste ich nur noch warten, bis der Termin für die Bildungsund Lustreise endlich da war.

8. Juni 2013 – Anreise

Der Abflug sollte um 14:00 sein, Ankunft nach dreieinhalb Stunden Flug mit der Icelandair um 15:35 Ortszeit. Island ist zur Sommerzeit zwei Stunden zurück, hat selbst aber keine Sommerzeit. Das finde ich sehr sympathisch, dass die Isländer diesen Unfug nicht mitmachen.

Übrigens behauptet Wikipedia zu Island unter dem Stichwort „Zeitzone“:

In Island ist die amtliche Zeit UTC (Universal Time Coordinated), also die Greenwich-Zeit, obwohl es geographisch gesehen eine oder zwei Stunden eher sein müsste. Aus diesem Grund ist in den Sommermonaten im Norden Islands eine sogenannte „unechte Mitternachtssonne“ zu sehen, da der Sonnenuntergang nach Mitternacht liegt.

Man soll nicht alles glauben, was im Internet zu finden ist. Da macht Wikipedia keine Ausnahme.

Da ich für den Flug unbedingt einen Fensterplatz ergattern wollte, startete ich von zuhause schon um 11:00. Unseren Nachbarn Udo konnte ich dazu überreden, mich zum Flughafen zu bringen. Das war billiger als ein Taxi und bequemer als mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Einchecken ging schnell, Fensterplatz war kein Problem und mein Gepäck (ein großer Wanderrucksack) lag deutlich unter der Freigepäckgrenze der Icelandair von 20 kg. Nur bei der Sicherheitskontrolle gab es ein Problem mit meinem Handgepäck, einem kleinen Wanderrucksack, obwohl ich alle entsprechenden Bestimmungen (keine Waffen, kein Rauschgift, keine Flüssigkeitsbehältnisse mit mehr als 100 ml etc.) beachtet hatte, wie ich guten Gewissens glaubte.

Eine nette Dame wollte nach der Durchleuchtung meines Rucksackes unbedingt in diesen hineinsehen, da sie etwas Verbotenes entdeckt zu haben glaubte. Ich räumte also erst die Haupttasche und dann sämtliche Seitentaschen aus, aber sie war nicht zufrieden. Sie behauptete, dass etwas versteckt sein müsse. Und tatsächlich, wir fühlten durch den Stoff etwas Längliches, einer Rohrbombe nicht Unähnliches, konnten es aber nicht greifen. Erst nach einigen Minuten gelang es uns, den Eingang zu einer weiteren Innentasche aufzuspüren, in der eine Sonnenschutzspraydose verbotener Größe zum Vorschein kam – ein Überbleibsel vom letzten Spanienurlaub. Diese musste ich vor Ort entsorgen, da ließ die Dame nicht mit sich reden.

Der Flug mit einer Boeing 757-200 der Icelandair, bestückt mit ca. 200 Passagieren und hübschen Stewardessen in adretten Kostümchen, startete pünktlich erst nach Osten in Richtung Offenbach, dann nach Norden über die östlichen Stadtteile Frankfurts. Interessant finde ich, welcher Blödsinn manchmal auf der elektronischen Landkarte im Sitzmonitor eines Flugzeuges dargestellt wird. Kurz vor Erreichen des Ijsselmeeres passierten wir einen Ort namens Giethoorn zwischen Zwolle und Groningen. Von den letzten beiden Städte hat eigentlich jeder schon mal was gehört, sie waren auf dem Display aber nicht vermerkt. Wohl aber Giethoorn, das mit seinen 2.500 Einwohnern keine Sau kennt. Vermutlich wohnte dort der Landkartenprogrammierer.

Mit Erreichen der Nordsee kam eine dichte Wolkendecke auf, so dass vorerst nichts mehr Nennenswertes zu sehen war. Erst kurz vor der schottischen Küste rissen die Wolken auf und gaben einen tollen Blick auf die azurblaue Nordsee frei. Mithilfe des Sitzmonitors, dem ich natürlich uneingeschränkt vertraute, konnte ich erkennen, dass wir die Ostküste zwischen St. Andrews und Aberdeen überquerten. Später konnte ich anhand eines Fotos, das ich vom Flieger aus gemacht hatte, und Google Maps feststellen, dass wir die Küste ca. 10 km südlich von Montrose in der Grafschaft Angus passierten. Auf der Internetseite des schottischen Tourismusbüros ist zu lesen: Montrose is a great little town to visit, with a pleasant old centre and an interesting museum and art gallery. Nun, von oben sah man nur das “little”, das “great” konnte man höchstens erahnen.

Mein Sitzmonitor lies mich wissen, dass der weitere Flug südlich von Balmoral und Inverness vorbeiging, der nördlichsten City des United Kingdoms und Partnerstadt von Augsburg. Zuerst dachte ich, Balmoral sei einer der vielen berühmten und schweineteuren schottischen Whiskeys, aber später klärte mich Wikipedia darüber auf, dass Balmoral Castle die Sommerresidenz der britischen Königin ist, in der sie sich sommers immer drei Monate lang aufhält (ich bin nun mal kein Kenner der Royals). Der Landsitz, auf dem das Castle steht, ist 243 km2 groß und gehört der britischen Königsfamilie. So eine Datsche hätte ich auch gerne einmal.

Inverness an der Mündung des Ness könnte man daher kennen, dass auf seiner Burg im 11. Jahrhundert König Macbeth regierte, angeblich aber nicht so grausam wie von Shakespeare dargestellt. Auf jeden Fall ist natürlich Loch Ness, ein sehr schmaler, 37 km langer See südlich von Inverness, mit dem „nachgewiesenen“ Seeungeheuer bekannt. Über diesen flogen wir tatsächlich drüber, ich konnte den langgestreckten See, der einer zusammengequetschten griechischen Reisnudel ähnelt, gut erkennen. Nessie zeigte sich jedoch nicht.

Soweit der kleine Ausflug in die schottische Kultur. Bevor wir den Atlantik erreichten, überflogen wir die nördliche Hauptinsel der Äußeren Hebriden. Sowohl die schottische Westküste als auch die Hebriden sahen von oben völlig unbesiedelt und kahl (braun) aus, die ganze Gegend ist sehr bergig und total zerklüftet, mit vielen Fjorden durchzogen. Dazwischen liegen wohl einige hundert mehr oder wenige große Inselchen. Auf den Inneren Hebriden zwischen dem Festland und den Äußeren Hebriden nistet übrigens das inoffizielle Wappentier Islands, der Papageitaucher (oder Puffin). Über den wird später noch berichtet.

Leider fand der Rest des Fluges bis Island über den Wolken statt, aber das Meer dürfte zwischen Schottland und Island auch nicht so spektakulär sein. Wir landeten nach 2.400 km pünktlich um 15:30 Ortszeit bei trübem Wetter auf dem internationalen Flughafen in Keflavik. Dieser trägt den Namen Leifur-Eiríksson-Terminal und ist nach dem Isländer Leifur Eiríksson benannt, der um das Jahr 1000 Amerika (Labrador, Neufundland) entdeckt haben soll.

Die Abfahrt vom Flughafen verzögerte sich bis 16:45, bis alle Teilnehmer unserer Rundreise eingesammelt bzw. eingetrudelt waren, da nicht alle von Frankfurt aus kamen. Nach der Landung und dem „Claimen“ meines Gepäcks hielt ich nach dem Schild „Arinbjörn Jóhannsson“ Ausschau, das der uns empfangende Mitarbeiter der Partneragentur von Schulz Aktiv Reisen in der Hand halten sollte. So stieß ich auf Kassandra1, unserer Reiseführerin, die uns die nächsten zwei Wochen durch Island begleiten würde. Ein paar Mitreisende waren schon eingetroffen, die meisten fehlten noch.

Abb. 1 und 2: Unsere Reiseroute und die isländische Flagge

Die schon Eingetroffenen lümmelten sich gelangweilt in der ungemütlichen kleinen Ankunftshalle herum; Gespräche kamen erst einmal nicht zustande, man kannte sich ja noch nicht. Nach einiger Zeit wurde ich vom mitreisenden Eberhard angesprochen, allerdings in einer völlig unverständlichen Sprache. Seinem mutmaßlichen Satz, den er in meine Richtung äußerte, schleuderte ich den in Hessen gern verwendeten hochdeutschen Fragesatz mit 2 Buchstaben, „Hä?“, entgegen. Wie er sich danach verständlich zu machen versuchte, habe ich vergessen, ich erkannte auf jeden Fall seine Herkunft aus einem östlichen deutschen Freistaat. Ei foarbibbsch! Dieser Verdacht erleichterte mir die Kommunikation deutlich, meistens verstand ich in den nächsten Tagen seine Aussagen schon nach der zweiten Nachfrage. Für einen hochdeutsch sprechenden Hessen ist das Sächsische einfach zu fremdartig.

Meine auditive Unverträglichkeit des Sächsischen (das Thema wird bestimmt von Milan Kundera noch aufgegriffen) ist fast schon genetisch bedingt, als ich 1985 zu einem mehrmonatigen Studienaufenthalt in Prag weilte. In der Zeit sind mir nämlich ständig Sachsen durchs Gehör gelaufen. Richtige Deutsche, also solche aus dem Westen ☺, traf man in dieser Zeit ja eher selten dort an. Der Dialekt dieser östlichen Sprachinsel ist mir damals schon wahnsinnig auf den Keks gegangen, das hat sich bei mir ganz tief eingegraben. (Sorry, ein Hauch von Intoleranz gibt dem Reisebericht ja auch etwas Würze.) Immerhin habe ich Eberhard später zur Versöhnung die Rechte zur Transkription meines Reiseberichts ins Sächsische angeboten, seiner Antwort harre ich mit Spannung entgegen.

Abb. 3: Ein noch nicht veröffentlichter Titel von Kundera

Die Fahrt mit unserem Kleinbus führte uns nach Verlassen des Flughafens durch Reykjanesskagi, der Halbinsel Reykjanes im Südwesten Islands. Diese befindet sich direkt über der Riftzone zwischen der eurasischen und der amerikanischen Kontinentalplatte, die sich mit einer Geschwindigkeit von 2 cm pro Jahr auseinanderbewegen, und liegt auf dem Kamm des Mittelatlantischen Rückens mit seinem aktiven Vulkanismus. Auf Reykjanes befindet sich der heißeste Ort Islands; so wurden unter dem Zentralvulkan Gunnuhver in 1.000 m Tiefe 300°C gemessen.

Auf der kleinen Halbinsel befinden sich zwei von Islands fünf Geothermie-Kraftwerken. Alle Kraftwerke decken ein Viertel des elektrischen Energiebedarfs. Überhaupt wird die geothermale Wärme in Island fast überall zum Heizen und zur Warmwasserbereitung genutzt, 90% der Haushalte werden damit versorgt. Mit Erdwärme und Wasserkraft deckt Island seinen kompletten Strombedarf aus erneuerbaren Quellen. In der Nähe des Svartsengi-Kraftwerks befindet sich das bekannte Bad „Blaue Lagune“ (Bláa Lónið), das von dessen Abwässern gespeist wird.

Reykjanesskagi sah beim Durchfahren wenig prickelnd aus: sehr kahl, fast schwarzer Lavaboden, manchmal mit dickem Moospolster bedeckt, viele kahle Felsen, ab und zu ein paar Gräser und Flechten sowie niedrige Büsche. Eine touristische Kuriosität, die wir allerdings ausließen, stellt die sog. „Brücke zwischen den Kontinenten“ dar, die über eine Spalte zwischen den Kontinentalplatten in der Nähe des Gunnuhver führt.

Von Keflavik fuhren wir bei leichtem Nieselregen und tiefhängenden Wolken (10 m über dem Boden) in Richtung Reykjavík auf Islands einziger Autobahn, die 50 km lang und nur teilweise vierspurig ist. Dabei passierten wir Hafnarfjörður, eine 25.000-Einwohner-Stadt kurz vor der Stadtgrenze von Reykjavík. Hier findet alljährlich im Juni ein großes Wikingerfest statt. Die Stadt gilt als Zentrum des Elfenglaubens, denn im Stadtzentrum gibt es sehr viele Lavahügel, die als Wohnstätte der Elfen gelten. In Hafnarfjörður wohnt Erla Stefánsdóttir, die einen Stadtplan entworfen hat, in dem die Wohnungen der Elfen, Trolle, Zwerge und von anderem verborgenem Volk eingezeichnet sind. Sie soll sogar von ganz Island ein Elfenkataster mit ihren Wohnstätten erstellt haben.

Abb. 4: Islands Elfenbeauftragte (Quelle: www.spiritarchive.org)

Interessant ist der Artikel in „Zeiten Schrift – Ein Kompass in bewegten Zeiten“ (www.zeitenschrift.com) über die Elfenversteherin Erla, aus dem hervorgeht, dass sie hellsehen, ihren Körper verlassen sowie in die Vergangenheit und Zukunft blicken kann. So konnte sie einst überprüfen, ob ihr Angebeteter tatsächlich aus dem jetzigen Leben stammte. Dies war nicht der Fall, mit ihm hatte sie schon vor 800 Jahren in Nordchina eine Beziehung gehabt. Auch ihre jetzigen Kinder hatte sie schon damals mit ihm. Ihre Erkenntnis:

Wenn Leute über Liebe auf den ersten Blick sprechen, glaube ich, dass das nicht immer der erste Blick ist. Die Menschen verlieben sich, weil sie in einem früheren Leben zusammengelebt haben und sich gut kennen. Der erste Blick in diesem Leben weckt die Verbindung wieder auf.

Ich kann also jedem, der meint, seine neue Liebe gefunden zu haben, nur raten, von Erla prüfen zu lassen, ob er ihr nicht schon vor 3.270 Jahren in Mesopotamien begegnet ist. Oder, wenn er vorhat, ein Haus zu bauen, ob dieses nicht etwa auf einem Elfenhügel stehen wird, denn das bringt nur Unglück. Dass dem so ist, dafür hat Erla viele Beispiele gesammelt. Laut www.islanddirekt.com glaubt ein Drittel der Isländer an die Existenz von Elfen. Ich auch.

Auf Elfen und Trolle kommen wir später noch zurück. Die Fahrt ging weiter an Reykjavík und dessen 900 m hohem Hausberg Esja vorbei in nördlicher Richtung durch weitestgehend kahles Land. Island ist nur zu 1% mit Bäumen bedeckt, wobei es sich meistens um Krüppelkiefern, Espen, Weiden und Fichten handelt. Zur Zeit der Landnahme gab es richtige Wälder auf Island (vor allem Birken), die in Folge des Weideland- und Holzbedarfs bei der Besiedlung fast vollständig abgeholzt und nicht wieder aufgeforstet wurden. Dadurch ist der Boden sehr stark der Erosion ausgesetzt.

Um dagegen anzukämpfen, hat man nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkt begonnen, die violett blühenden Lupinen anzupflanzen, die mit ihrem dichten Wurzelwerk den tonarmen und dadurch stark der Windverwehung ausgesetzten Mutter- und Wüstenboden fixieren. Allerdings hat die Lupine zur Verdrängung heimischer Pflanzen geführt, da sie sich sehr aggressiv ausbreitet.

Auf dem Weg nach Norden durchfuhren wir einen 6 km langen Tunnel, der bis in eine Tiefe von 165 m unter Normalnull (130 m unter dem Meeresboden) den Hvalfjörður (Walfjord) unterquert, wodurch sich die zeitraubende, landschaftlich sicherlich lohnende Fjordumfahrung vermeiden lässt. Der Fjord trägt seinen Namen nach einem jungen Mann, der dort lebte. Als er eines Tages mit anderen Männern zur See fuhr, kam er erst nach Monaten als einziger zurück, war völlig verstört und niemand erfuhr, was den Männern zugestoßen war. Wiederum einige Zeit später besuchte ihn eine Elfin mit ihrem Kind, das er gezeugt haben sollte, was er jedoch bestritt. Daraufhin belegte sie ihn mit einem Fluch, wodurch er zu einem walartigen Ungeheuer wurde, das in diesem Fjord sein Unwesen trieb. Als es den Leuten zu bunt wurde, lockten sie den Wal den Glymur, den mit 196 m höchsten Wasserfall Islands, hinauf bis in einen kleinen See, der nun Hvalvatn (Walsee) heißt, da in ihm das Ungeheuer verendete. Interessanterweise haben Archäologen in dem See tatsächlich Walknochen gefunden.

In der kleinen Stadt Borgarnes am Borgarfjörður, die über eine Brücke von Süden aus erreichbar ist, legten wir einen ersten Zwischenstopp auf unserer Fahrt zu dem Hof ein, auf dem wir übernachten würden. Borgarnes gilt als Heimatort des Dichters und Sagahelden Egill Skallagrímsson, der zwischen 910 und 990 lebte. Auf ihn geht die Egils-Saga zurück, die zu den wichtigsten Werken der mittelalterlichen europäischen Literatur gezählt wird und sich in Island großer Beliebtheit erfreut. Inhalt ist das Leben der Vorfahren Egills, seine eigene Geschichte mit Reisen und Kämpfen sowie die weitere Familiengeschichte. Die Saga von Egill wurde erst deutlich später aufgezeichnet, was dem Dichter (Skalde) und Historiker Snorri Sturluson (1179 – 1241) zugeschrieben wird. Dieser lebte in der Nähe von Borgarnes, etwas westlich der Ringstraße, im kleinen Ort Reykholt. Da es unter dem Begriff Edda zwei literarische Werke gibt, von denen nur eines auf Snorri zurückgeht, wird das von Snorri um 1220 verfasste Werk als Snorra-Edda bezeichnet. Im ersten von drei Teilen wird ausführlich die nordische Götterwelt vorgestellt. Das andere Werk entstand um 1270 und ist eine Sammlung von Dichtungen unterschiedlichen Alters und verschiedener (unbekannter) Autoren, es wird daher als Lieder-Edda bezeichnet.

Abb. 5: Glymur-Wasserfall (Quelle: www.offtrailrunning.com)

Abb. 6: Druckausgabe der Snorra-Edda von 1666 (Quelle: www.gottfried.unistra.fr)

Ebenfalls in der Nähe, im Reykholtsdalur, befinden sich Islands wasserreichste Quellen Deildartunguhver. Sie haben einen Ausstoß von 180 Liter/Sek. an 100°C heißem Wasser. Pipelines führen das Wasser bis in das 60 km entfernte Akranes und in das 30 km entfernte Borgarnes und versorgen zahlreiche Weiler und Höfe in der Umgebung. Da viele Isländer Sommerhäuser haben, suchen sie sich natürlich Stellen, wo es eine entsprechende Versorgung mit Warmwasser, vor allem einen „Hot Pot“ gibt, also vorzugsweise in der Nähe solcher heißen Quellen. Daher finden sich in dieser Gegend entsprechend viele Island-Datschen.

In Borgarnes befindet sich das private Museum Landnámssetur, das sehr anschaulich die Geschichte der Besiedelung Islands zeigt. Es wurde 2006 eröffnet. Eine weitere ständige Ausstellung ist Egill Skallagrímsson gewidmet. Audioguides erläutern die Ausstellungen in diversen Sprachen, u.a. auf Deutsch. Museumsleiter ist der Schauspieler und Musiker Kjartan Ragnarsson, Sohn des Bildhauers Ragnar Kjartansson. Im Dachgeschoss des Museums befindet sich ein beliebtes Kleinkunsttheater, wo vor allem Szenen aus den Sagas der Gegend, etwa der Egils-Saga, schauspielerisch umgesetzt oder rezitiert werden, u.a. die Sturlungar-Saga durch den Schriftsteller Einar Kárason. Kassandra, warum hast Du uns das vorenthalten?

Die Weiterfahrt auf der westlichen Ring- oder Nationalstraße Nr. 1 (der westliche Teil der Hringvegur heißt Vesturlandsvegur) führte uns durch das Hochland der Holtavörðuheiði bis zum Hrútafjörður (Widderfjord), einem der längsten Fjorde Islands. Dort wird vor allem Schaf- und Pferdezucht betrieben, es soll mehr Pferde als Einwohner geben. Als Hochland wird in Island eine Gegend bezeichnet, die mindestens 300 m über dem Meeresspiegel liegt, da das Klima bereits völlig anders als in den Küstenregionen ist. Die Heide ist moorig und auf unserer Durchfahrt waren auf den höheren Bergen noch viele Schneefelder zu sehen. Noch bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts galt die Überquerung der Holtavörðuheiði als Heldentat, im Winter war es gar nicht möglich.