Peters Reisebericht Nr. 5 - Peter Alles - E-Book

Peters Reisebericht Nr. 5 E-Book

Peter Alles

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Beschreibung

Der Autor schreibt über seine Rundreise durch Georgien, auf der er viele Städte und Regionen kennenlernt, berühmte Kirchen und Gedenkstätten besucht, die zum UNESCO-Weltkulturerbe und -Weltnaturerbe zählen, und den georgischen Menschen, der Küche und der Weinkultur begegnet. Sein Reisebericht ist sowohl informativ mit viel Hintergrundwissen, persönlichen Erfahrungen und Reisetipps gespickt als auch mit heiteren Begebenheiten und vielen Farbfotos angereichert.

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FÜR DAVID, DEN

Peter Alles

Peters Reisebericht Nr. 5

Georgien – Rundreise in einem Paradies

© 2014 Peter Alles

Autor: Peter Alles Umschlaggestaltung, Illustration: Peter Alles

Verlag: tredition GmbH, Hamburg ISBN: 978-3-7323-3589-3 (Paperback) 978-3-7323-3590-9 (Hardcover) 978-3-7323-3591-6 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

Dezember 2013

7./8. Juni 2014 – თბილისი

9. Juni 2014 – Ein Höhlenkloster in der Wüste

10. Juni – Morgendliche Weinprobe und mehr

11. Juni – Besuch der alten Hauptstadt

12. Juni – Eine un-glaub-liche Höhlenstadt

13. Juni – Borjomi-Nationalpark

14. Juni – Eine abenteuerliche Passfahrt

15. Juni – Im Mtirala-Nationalpark

16. Juni – Gelati und Uplisziche

Exkurs: Die abtrünnigen Provinzen

17. Juni – Okular-Orgasmus der Botaniker

18. Juni – Das georgische Wahrzeichen schlechthin

19. Juni – Dolomiten und Museumsbesuche

20. Juni – Zurück nach თბილისი

21./22. Juni – Georgien ist zu schön, um einfach zurückzureisen

Quellen

Dezember 2013

Eine alte Legende besagt: Als Gott das Land an die Völker verteilte, verspäteten sich die Georgier. Zuerst zürnte der Herr, denn alles Land war bereits verteilt. Doch die Fröhlichkeit, vor allem die Sangeslust, und der Charme der Abgesandten dieses Volkes versöhnten ihn, und er schenkte den Georgiern den paradiesischen Flecken Erde, den er eigentlich sich selbst vorbehalten hatte.

Mal gespannt, ob von der Fröhlichkeit und dem Charme sowie der Attraktivität der Gegend noch was zu spüren ist, dachte ich mir. Auf jeden Fall war mein Interesse am Kaukasus nach dem vor einigen Jahren gescheiterten Plan, eine Bergtour auf den Elbrus mitzumachen, nicht geringer geworden. Während der Vorbereitung zur Georgien-Reise stieß ich auf viele Aspekte, warum die Region zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer sehens- und erlebenswert ist: Gastfreundschaft der Leute, geographische, ethnische und kulturelle Vielfalt, exotisches Essen, leckerer Wein, sehr wechselhafte Geschichte, fruchtbare Landschaften, mildes bis subtropisches Klima, hohe Berge, einzigartige Baudenkmäler, UNESCO-Welterbestätten u.v.m.

Bei der Auswahl meiner Reise hatte ich lange zwischen einer Tour durch Armenien und einer durch Georgien geschwankt. Schließlich entschied ich mich für Georgien, da mir dieses am abwechslungsreichsten und interessantesten erschien, obwohl Armenien in geschichtlicher, geographischer und kultureller Hinsicht mindestens genauso interessant sein dürfte.

Georgien liegt in Transkaukasien, also dem Land jenseits (südlich) des mit zwei Millionen Jahren noch recht jungen Großen Kaukasus. Im Süden bildet der mit 150 Millionen Jahren deutlich ältere Kleine Kaukasus die Grenze zur Türkei, zu Armenien und zu Aserbaidschan. Bei der Vorbereitung stieß ich häufig auf die Bezeichnung „iberisch“ bzw. „Iberien“ für Transkaukasien, was mi ch insofern verwunderte, dass man ja bekanntlich Portugal und Spanien als die iberische Halbinsel bezeichnet. Aber Iberien war ein antiker georgischer Staat im Transkaukasus, dessen Zentrum östlich des Lichi-Gebirges im Tal der Kura lag, also im östlichen Teil des heutigen Georgiens bis hinein in den Westen von Aserbaidschan.

Nach den Einfällen der Kimmerer und Skythen in Kleinasien im 8. und 7. Jh. v. Chr. entstanden vermutlich mehrere kleine Staaten auf dem Gebiet des heutigen Georgiens. Im 6. Jh. v. Chr. bildete sich der Staat Iberien heraus. Dieser lag in direkter Nachbarschaft zum persischen Achämeniden-Reich und unterlag daher noch mehr als der zur gleichen Zeit entstandene Nachbarstaat Kolchis einem starken persischen Einfluss in Politik und Kultur. Die frühe Hauptstadt war möglicherweise Uplisziche (s. den Bericht zum 16. Juni), eine in Innerkartlien gelegene, in Fels gehauene befestigte Stadt, die schon verhältnismäßig früh angelegt worden war.

Der Legende nach soll das georgische Volk von Noahs Urururenkel Karthlos abstammen. Georgien heißt in der Landessprache Sakartwelo (= der Ort, wo die Kartlier leben). Der überwiegende Teil der Urgeorgier siedelte längs des Flusses Mtkwari (russisch: Kura) in Zentralgeorgien und bildete dort die Volksgruppe der Kartlier, die eine eigene Sprache und Kultur entwickelten. In dieser Gegend wurden versteinerte, menschliche Schädel gefunden, die über 1,5 Millionen Jahre alt sind und belegen, dass in dieser Gegend die ersten „Homines erecti“ gelebt haben. Die Kartlier dehnten ihren Einfluss im ersten Jahrtausend n. Chr. nach Westgeorgien aus, so dass die Georgier diese Kultur als ihren Ursprung ansehen und daher ihr Land Sakartwelo (საქართველო) nennen.

Georgien ist mit Abchasien und Südossetien fast so groß wie Bayern oder Irland, ohne die sich als autonom ansehenden Provinzen (18% der Fläche Georgiens) etwas größer als Kroatien. Früher war Georgien die mit Abstand reichste Sowjetrepublik und erlebte nach der Unabhängigkeit den tiefsten wirtschaftlichen Absturz der 15 ehemaligen Sowjetrepubliken (2010 lag das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf weltweit auf Rang 147, Quelle: laenderdaten.de/wirtschaft). So schrumpfte die Bevölkerung von 5,4 Mio. in 1989 auf 4,4 Mio. in 2002 und wächst nun allmählich wieder an. Viele wanderten damals in andere GUS-Staaten, nach Westeuropa oder USA aus. Heute hat Georgien, ohne die abtrünnigen Provinzen (für die nur wenig verlässliche Zahlen vorliegen), wieder 4,7 Millionen Einwohner. Das Durchschnittseinkommen beträgt 600 Lari, ca. 280 € monatlich, mit großen Unterschieden je nach Tätigkeit, Region und Geschlecht. Die Einheitsrente beträgt 100 Lari. Die Arbeitslosigkeit beträgt offiziell 16,5%, allerdings müssen sich Arbeitslose nicht registrieren lassen, da es kein Arbeitslosengeld gibt.

Abb. 1: Transkaukasien vor unserer Zeitrechnung (Quelle: wikipedia.de)

Abb. 2: Georgien in geographischer Hinsicht (Quelle: anna-georgien-qedeli.blogspot.com)

Abb. 3: Verwaltungsgliederung des modernen Georgiens (Quelle: www.bpb.de)

Abb. 4 und 5: Flagge und Wappen Georgiens

Gehört Georgien zu Europa oder zu Asien?

Hierüber sind sich die Gelehrten nicht einig. Die Beantwortung der Frage hängt stark von den Beurteilungskriterien ab. In geologischer Hinsicht besteht die überwiegende Auffassung, dass Georgien zu Asien gehört, da die Grenze durch den Ural, die Manytsch-Niederung nördlich des Kaukasus (hier stoßen die Kontinentalplatten von Europa und Asien zusammen und einst soll eine Verbindung zwischen dem Kaspischen und dem Asowschen bzw. Schwarzen Meer bestanden haben), das Schwarze Meer und die Meeresengen der Dardanellen und des Bosporus gebildet wird.

Andere sehen aus naturgeographischer Hinsicht den Hauptkamm des Großen Kaukasus als Kontinentalgrenze an. Oder man betrachtet es religionsgeschichtlich, dann wird Georgien (und Armenien) zu Europa zugehörig angesehen. Andererseits gehört das Georgische nicht zur indogermanischen Sprachfamilie. Die Georgier selbst betrachten sich wohl überwiegend als Europäer.

Im Dezember 2013 war es dann soweit, ich buchte im „Abenteuer-Reisebüro“ Schulz Aktiv „Wandern und Kultur zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer“ für den Zeitraum 07.-21.06.14 als Reise des Schwierigkeitsgrades 1,5 (von 5) mit „leichten bis mittelschweren Halb- und Ganztageswanderungen bis ca. 6 h täglich“. Die Reise war zwar fast schon ausgebucht, da sich eine größere Gruppe aus Münster-Osnabrück angemeldet hatte, wie ich in Erfahrung bringen konnte (Gott sei Dank nicht aus Sachsen wie im Falle meiner Island-Tour ☺), aber ein Platz war noch frei.

Und, nachdem ich erfahren hatte, dass die schon angemeldeten Teilnehmer nicht mehr taufrisch waren, gab es kein Halten mehr, ich bestätigte bewundernswert mutig meine Anmeldung, da ich unbedingt den frühen Termin für die Reise wahrnehmen wollte. Erstens weil es in den Bergregionen viel interessanter ist, wenn es überall blüht, und zweitens weil es im Juli und August in Tiflis temperaturmäßig kaum auszuhalten sein soll. Und ältere Mitreisende, die ihre Sturm- und Drangzeit schon hinter sich haben, sind ja meist viel abgeklärter und ruhiger als jüngere, also weniger anstrengend, wobei ich mit der Altenbetreuung schon ein paar Erfahrungen habe.

Auf die Reise habe ich mich anhand zweier Reiseführer aus dem Trescher und dem Reise Know-How Verlag sowie der „Gestohlenen Geschichten“ der amerikanisch-britischen Journalistin Wendell Steavenson vorbereitet. Steavenson verbrachte um die Jahrtausendwende zwei Jahre in Georgien, wo sie u.a. Schewardnadse und den adscharischen Provinzfürsten Abaschidse interviewte und Krisengebiete wie Abchasien und die Grenzgebiete zu Tschetschenien in den chewsuretischen Bergen (Schatili, Pankisi-Tal) besuchte. Sie berichtete sehr einfühlsam von ihren Erlebnissen mit georgischen Bekannten und Freunden und den korrupten, chaotischen und ärmlichen Lebensverhältnissen, mit denen sie klar kommen musste. Z.B. gab es in der ganzen Zeit ihres Aufenthaltes ständige Stromausfälle, eigentlich war die Stromversorgung eher die Ausnahme an wenigen Stunden am Tag, manchmal musste sie sogar tagelang gänzlich ohne Strom auskommen, so dass auch in den Wintermonaten, in denen es in Tiflis sehr kalt werden kann, keine Heizung funktionierte und es kein Heißwasser gab. Das Geld, mit dem einige georgische Optimisten ihre Stromrechnungen trotzdem beglichen, ist meist irgendwo folgenlos versickert. Ich kann den Georgiern nur wünschen, dass sich die Stromversorgung seitdem deutlich verbessert hat.

Nach dieser Vorbereitung sah ich der Reise in ein tolles Land zwar erst mit etwas gemischten Gefühlen entgegen, aber schließlich wurde die Vorfreude immer größer und ich konnte die Zeit bis zum Juni kaum abwarten.

7./8. Juni 2014 – თბილისი

Der Flug begann für mich um 18:15 in Frankfurt mit Zwischenlandung in München, wo die komplette Reisegruppe den Flieger nach Tiflis um 21:20 nehmen sollte. Die restlichen Teilnehmer kamen aus Münster/Osnabrück und Düsseldorf. Meinen Aufenthalt im Münchner Flughafen verbrachte ich zunächst im „Pano“, wo ich zwei Warte-Bier zu Weltstadtpreisen genoss und dabei die vorbeigehenden Reisenden auf potentielle Mitreisekandidaten musterte. Doch das ergab zu viele Treffer.

Ich ging dann zum Abflug-Gate und sah ich mich dort nach rentennahen Jahrgängen um. Zu meinem Erstaunen fand ich auch hier viele davon. Nachdem ich glaubte, den richtigen Haufen gefunden zu haben, ging ich auf einige Wartende zu und fragte sie, ob sie aus Münster/Osnabrück kämen, was sie entrüstet von sich wiesen. Nach zwei weiteren Kontaktversuchen beendete ich meine Anbiederungsanstrengungen, schließlich würden wir ja spätestens in Tiflis zueinander kommen. Ich war doch überrascht, wie viele nach Reisegruppe riechende Leute nach Tiflis wollten. Doch dann wurde ich von Jörn1 und anschließend von allen anderen als der fehlende Teilnehmer „meiner“ Schulz-Gruppe – es war noch eine zweite unterwegs – identifiziert. Jörn war der Chef-Organisator des verschworenen Resthaufens meiner Gruppe und hatte den Auftrag, möglichst frühzeitig den Fremdkörper aufzuspüren. So schlimm konnte es aber nicht gewesen sein, denn wir gingen sofort zum Du über, wie sich das für eine seriöse Reisegruppe gehört.

Auch bei der Passkontrolle zuvor war ich schon angenehm aufgefallen: „Cooler Name: Dr. Alles“. Find ich auch. Allerdings erlebe ich meistens was anderes: „Wie heißen Sie?“ „Alles, Peter Alles.“ „Wie?“ „Alles wie nichts.“ „Alles mit einem Ell?“ Ooooooooooh.

Außerdem war am Gate noch eine riesige Horde georgischer Jugendlicher, 90% Mädels im Alter von 13 bis 15 Jahren, vertreten, die einen gigantischen Schnatterlärm erzeugten und die Vorfreude auf einen ruhigen Nachtflug nachhaltig schwinden ließ.

Der Flug verlief trotzdem problemlos und wir landeten nach knapp vier Stunden Flugzeit um 3 Uhr in Tiflis. Georgien ist zur Sommerzeit zwei Stunden zurück und hat selbst keine Uhrumstellung zwischen Sommer- und Winterzeit. Ich finde es sympathisch, dass die Georgier diesen Unfug nicht mitmachen.

Soweit ich das von meinem Fensterplatz aus bei der nächtlichen Uhrzeit beurteilen konnte, verlief die Flugroute in sicherer Entfernung zum aktuellen Schwarzmeer-Krisengebiet, nämlich lange Zeit parallel zur türkischen Küste in Sichtweite, an der sich viele beleuchtete Städtchen wie an einer Perlenkette aufreihten. Um 0:40 deutscher Zeit passierten wir die georgische Küste etwas nördlich vom grell beleuchteten Batumi, das aufgrund seiner charakteristischen Küstenlinie leicht zu identifizieren war. Aha, die Zeiten des häufigen Stromausfalls waren wohl glücklicherweise vorbei.

Über dem Schwarzen Meer lohnte sich der Blick nach oben. Es war ein grandioser Sternenhimmel zu sehen. Nach Erreichen des Festlandes war das allerdings vorbei, der Himmel war wohl eher bewölkt oder die Luft zu diesig.

Auf dem Flug von München nach Tiflis bot die Lufthansa übrigens einen bemerkenswerten Gesundheitsservice, eine „on-the-flightdesinfection“ (meine medizinischen Mitreisenden hinterließen erste Spuren bei mir): Das Essen (Rindfleisch, Reis, Erbsen und Karotten) war so glühend heiß, dass das Öffnen des Aluschälchens länger als der Verzehr seines Inhalts dauerte – am Gaumen bin ich Glühendes gewohnt, nicht jedoch an den Fingern. Da hatte kein Bakterium eine Chance. Als Ausgleich waren der Beilagensalat frostig und das Rhabarberkuchenstückchen (lecker!) noch gefroren. Der Rotwein war vermutlich nicht aus Kachetien, sondern eher von Aldi oder Lidl (lohnt sich!), dennoch gut trinkbar. Aber ich will nicht meckern, schließlich fand der Flug pünktlich statt, wir wurden nicht abgeschossen und das Gepäck kam zeitgleich mit uns an (es geht auch anders, siehe am Ende des Berichts).

Nach der Ankunft auf dem Flughafen, der dortigen Passkontrolle bei missmutig dreinschauenden georgischen Beamten (sorry, ich kann auch nichts dafür, wenn die Lufthansa so blöde Flugzeiten anbietet) und der Wiederbeschaffung des Gepäcks fanden wir bald David Cincadze, unseren deutschsprachigen Reiseleiter. In Georgien heißen 90% …adse oder …idse (Schreibweise mit „s“ oder „z“), was so viel wie Sohn heißt, oder …schwili (= Kind) oder …witsch oder …schew und der klägliche Rest heißt irgendwie anders.

Der anschließende Versuch der Bargeldbeschaffung per ec-Karte am Geldautomaten war erst schwierig, da trotz der Sprachauswahl (Englisch) die Bedienerführung weitestgehend georgisch erfolgte, und blieb dann ergebnislos. Der Vorgang schien korrekt durchzulaufen, Bargeld kam jedoch nicht zum Vorschein. Also musste ich mich an eine Schlange an einem bemannten Wechselschalter anstellen, die zwar kurz war, dafür aber umso zeitaufwändiger abgearbeitet wurde.

Als alle Expeditionsteilnehmer technisch und mental für den Georgien-Aufenthalt gerüstet waren, brachte uns David zu unserem Bus mit Alexander als Fahrer, der uns bis zum Abreisetag unfallfrei durch den georgischen Straßenkampf brachte. Wir fuhren in die Innenstadt und machten dabei schon mal die erste Bekanntschaft mit georgischen Fahrbahnen. Die autobahnähnliche Ausführung der Flughafenanbindung verhinderte nicht, dass die Straße viele große und tiefe Schlaglöcher aufwies, was Alexander zum Slalomfahren mit abrupten Geschwindigkeitsanpassungen animierte. Das Jammern über den Zustand deutscher Straßen nach einem harten Winter kann man nur als auf sehr hohem Niveau bezeichnen.

Das Hotel VIP in der Leselidse-Straße (lt. Google Maps: Kote Afkhazi Straße) erreichten wir um 5:00. Ich bezog mit meinem Schnarchgenossen Marvin ein Zimmer im obersten Stockwerk, das wir über ungleichmäßig hohe Treppenstufen (was Standard in georgischen Treppenhäusern ist) stolpernd erreichten. Als erstes genossen und fotografierten wir den phänomenalen Ausblick auf das morgengrauende Tiflis, vor allem auf die alles überragende Zminda-Sameba-Kathedrale (Dreifaltigkeitskathedrale) auf dem Eliasberg.

Die Zminda-Sameba-Kathedrale war die einzige der vielen Kathedralen, die wir an den Folgetagen nicht besichtigten. Dafür konnten wir fast von jedem Punkt in Tiflis aus einen Blick auf sie werfen, das sollte reichen. Sie ist von 1995 bis 2004 gebaut worden, also noch ziemlich neu, und soll der größte Sakralbau Transkaukasiens sein. Ihre Glocken stammen aus deutscher Produktion. Ihr Bau war aufgrund der enormen wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes nach der Wende höchst umstritten und wurde vom georgischen Geschäftsmann Bidsina Iwanischwili finanziert. Die Kathedrale gilt als „Symbol der nationalen und religiösen Wiedererstehung Georgiens“, ist zusammen mit der Swetizchoweli-Kathedrale in Mzcheta eine der Hauptkirchen der Georgischen Orthodoxen Apostelkirche und Sitz ihres Patriarchen.

Abb. 6 und 7: Zminda-Sameba-Kathedrale bei Nacht und Tag

Allerdings hatten wir vom Zimmer aus auch weniger erbauliche Ausblicke auf die maroden Gebäude und Dächer der umliegenden Häuser. Eine bildliche Wiedergabe erspare ich mir hier.

Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten, legten wir uns für ein paar Stunden aufs Ohr. Mein Kollege sank ohne weitere Hilfsmittel sofort weg, ich brauchte Oropax, allerdings vor allem wegen Tiflis, denn der Straßenlärm ist zur Tages- und Nachtzeit unerträglich. Die Stadt klingt wie eine unablässig wummernde Maschine, übertönt nur vom ständigen Hupen der Autos (ein georgischer Autofahrer betätigt alle 10 Sekunden die Hupe um zu prüfen, ob sie noch intakt ist) und vom verzweifelten Kreischen der Vögel.

Bei dieser Gelegenheit bietet es sich an, ein paar grundsätzliche Informationen über Tiflis loszuwerden. Die erdbebengefährdete Hauptstadt Georgiens hieß von 1845 bis 1936 offiziell Tiflis, der derzeit korrekte Namen ist Tbilisi (თბილისი), manchmal auch in der Schreibweise Tbilissi. Tiflis ist für deutsche Zungen leichter aussprechbar, daher verwende ich meist diese Bezeichnung. Der Name bedeutet „warme Quelle“, von denen es viele in der Nähe gibt. Eine solche soll König Wachtang Gorgassali (446 – 502) entdeckt haben,