Peters Reisebericht Nr. 9 - Peter Alles - E-Book

Peters Reisebericht Nr. 9 E-Book

Peter Alles

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Beschreibung

Auf einer 12-tägigen Rundreise in einer geführten Kleingruppe hat der Autor viele, bekannte und großartige Sehenswürdigkeiten des kleinen, kargen Gebirgslandes besucht. Er hat dabei viele Städte und Regionen kennengelernt, berühmte Gedenkstätten und uralte Kirchen und Klöster besichtigt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen, und ist den armenischen Menschen begegnet, die sich durch außergewöhnliche Gastfreundschaft auszeichnen. Sein Reisebericht ist sowohl informativ mit viel Hintergrundwissen, persönlichen Erfahrungen und Reisetipps gespickt als auch mit heiteren Begebenheiten und vielen Farbfotos angereichert.

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FÜR BARBARA

Peter Alles

Peters Reisebericht Nr. 9

Armenien – ein kleines Gebirgsland mit großartiger Kultur

© 2020 Peter Alles

Autor: Peter Alles

Umschlaggestaltung, Illustration: Peter Alles

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359

Hamburg

ISBN:

978-3-347-01616-3 (Paperback)

978-3-347-01617-0 (Hardcover)

978-3-347-01618-7 (e-Book)

Printed in Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis

20. September 2019, Anreise

21. September 2019, erster Tag in Jerewan

22. September 2019, Jerewan Teil 2 und Etschmiadsin

23. September 2019, Fahrt in den mittleren Süden

24. September 2019, Wanderung und Weinprobe

25. September 2019, Weiterfahrt in die Provinz Sjunik

26. September 2019, Tatev-Kloster und Höhlenstadt

27. September 2019, Fahrt in den Norden

28. September 2019, großer Klostertag

29. September 2019, Rückkehr nach Jerewan

30. September 2019, Felsenkloster und Sonnentempel

1. Oktober 2019, Rückreise

Quellen

20. September 2019, Anreise

Das fing ja gut an. Dass ich meine Anschluss-S-Bahn im Frankfurter Hauptbahnhof um eine Minute verpasst hatte, war nicht ungewöhnlich bei einer Fahrt von Schwalbach zum Flughafen, damit hatte ich gerechnet, das hatte ich einkalkuliert. Auch hatte ich weitere Verzögerungen eingeplant und daher am Vorabend von zu Hause aus bereits eingecheckt, so dass ich entspannt anreisen konnte.

Da konnte mich auch nicht beunruhigen, dass auf der Anzeigetafel der Abflüge im S-Bahnhof des Flughafens alle Flüge außer meinem aufgelistet waren. Das war kein Problem, an der Flughafen-Information im Terminal 1 konnte man mir bestätigen, dass mein Flug stattfinden würde. Und man konnte mir das Abflug-Gate nennen, nämlich D6 im Terminal 2.

Also begab ich mich per SkyLine, dem Schienen-Shuttle, dorthin. In der großen Halle des Bereiches D, wo sich die Aeroflot-Schalter befinden, war die Hölle los. Vor einigen Schaltern schlängelten sich die Wartenden kreuz und quer durch die Halle, so dass man sich ständig irgendwo durchquetschen musste. Die Schlange vor „meinem“ Schalter war zwar viel kürzer, aber das Einchecken und Gepäckaufgeben dauerte unverständlich lange. Obwohl ich nur zehn Flugwillige vor mir hatte, konnte ich erst nach vierzig Minuten meinen Check-In-Ausdruck gegen seriöse Bordkarten eintauschen und meinen Koffer aufgeben.

Reisepass-Kontrolle, automatisiert, und Sicherheitskontrolle gingen trotz der großen Menge an Reisenden relativ zügig vonstatten. Am Gate D6 wurde gerade noch ein anderer Flieger abgefertigt, so dass ich mich in der Nähe niederließ und meiner Reiselektüre widmete. Dies war das „Porträt einer Hoffnung – Die Armenier“ der Herausgeberin Huberta von Voss, einer Journalistin mit ausgezeichneter Kenntnis der jüngeren armenischen Geschichte. In vielen Kurzdarstellungen und Einzelporträts werden unterschiedliche Themen wie armenische Identität, Geschichte, Leben in der Diaspora, Genozid etc. durch meist sehr persönliche Erlebnisberichte beleuchtet. Ein empfehlenswertes Buch für alle, die sich für die Armenier und ihre Gegenwartsgeschichte interessieren.

Daher war ich so vertieft, dass ich die Verlegung des Abflug-Gates gar nicht mitbekam. Erst als ich mich einige Minuten nach dem geplanten Boarding-Beginn zum Gate begab, erfuhr ich vom Wechsel zu D9. Das klang nicht weit entfernt, erforderte aber dank der langen Wege im Frankfurter Flughafen eine zehnminütige Wanderung mit vorübergehendem Verlassen des sicherheitskontrollierten Bereiches. Vor dem Zugang zu D9 staute sich eine lange Schlange, eine Bewegung war nicht zu erkennen.

Da ich seit Wochen Schmerzen im rechten Bein bei längerem Stehen und Gehen verspürte, schaute ich mich nach einer Sitzgelegenheit um. Die gab es in einem gewissen Abstand, von wo man Blickkontakt zum Gate hatte. Also ließ ich mich dort nieder und bewunderte die geduldigen Menschen in der Schlange, die sich lange Zeit keinen Millimeter vorwärtsbewegte. Etwa eine halbe Stunde nach dem geplanten Abflug kam etwas Bewegung auf und die ersten Wartenden durften zur Sicherheitskontrolle vorrücken. Nach weiteren 20 Minuten begab ich mich ans Ende der Schlange und konnte ebenfalls langsam zum Gate und zum Flugzeug vordingen, das wegen der Terminverschiebung weit entfernt auf dem Vorfeld geparkt war.

Wir starteten mit 80-minütiger Verspätung nach Moskau, nachdem der Aeroflot-Pilot seinen Wodka-Rausch ausgeschlafen hatte. Zumindest äußerten einige meiner Mitreisenden diese Vermutung. Ob das der Grund war, dass während des Fluges an die Passagiere kein Wodka ausgeschenkt wurde?

Vorbei an Berlin, Kaliningrad und Vilnius – wovon allerdings nichts zu sehen war, da sich dicke Wolken flächendeckend ausgebreitet hatten – erreichten wir Moskau-Scheremetjewo auf unspektakuläre Weise. 30 Minuten vor dem geplanten Start des Anschlussfluges nach Jerewan konnten wir das Flugzeug verlassen. Das Bodenpersonal war wegen der Verspätung und der langen Schlangen vor der Pass- und Sicherheitskontrolle deutlich hektischer als wir. Schließlich wurden wir an einigen Schlangen vorbeigelotst und durch die Sicherheitskontrolle getrieben, wo wir im Gegensatz zu anderen Fluggästen nur ziemlich oberflächlich kontrolliert wurden. Hauptsache, wir würden wieder schnell verschwinden.

Und wozu das Ganze? Um am Gate für den Weiterflug nach Jerewan feststellen zu dürfen, dass dieser Flug ebenso eine deutliche Verspätung hatte, das Boarding noch gar nicht begonnen hatte und sich eine lange Warteschlange in ohnmächtiger Geduld übte. Auch hier suchte ich mir erst einmal eine Sitzgelegenheit in der Nähe und harrte der Dinge, die kommen mussten.

Von meinem Fensterplatz im Flieger konnte ich noch lange nach dem Start das Lichtermeer im Großraum Moskau bewundern. Es ist unglaublich, wie viele Städte und Straßen noch in mehreren hundert Kilometern Entfernung Licht in den Himmel abstrahlen. Ganz anders in der Kaukasusregion, wo bei Nacht fast absolute Finsternis vorherrscht und erst auf den letzten 50 km vor der Landung in Jerewan vereinzelte Lichtquellen und dann schwach beleuchtete Ortschaften zu erkennen waren. Die Dunkelheit kann natürlich auch an der Uhrzeit gelegen haben, denn wir schwebten gegen ein Uhr nachts auf dem kleinen Flughafen Swartnoz ein.

Da ich nicht wusste, wie die telefonmäßige Erreichbarkeit in Armenien sein wird – später stellte sich heraus, dass sie überall gut war und in fast jedem Hotel oder Gästehaus ein funktionierendes WLAN zur Verfügung stand –, schickte ich nach Verlassen des Fliegers eine knappe SMS nach Hause: „Sind gut gelandet, alles hat hervorragend geklappt.“ Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich ohne mein Gepäck gelandet war.

Ich hatte lange aufs Gepäckband gestarrt. Als es geleert und abgestellt worden war, wurde mir klar, dass der Urlaubsanfang nicht unbeschwert sein würde. Marina, eine Deutsche, mit der ich beim Warten ins Gespräch kam, stellte sich als Mitreisende meiner Rundreisegruppe durch Armenien und Opfer von Gepäckverlust heraus. So begaben wir uns gemeinsam zum Reklamationsschalter, wo wir geduldig unser Anliegen auf Englisch vortrugen. Der nette Mitarbeiter versprach uns, dass das Gepäck kostenfrei bald ins Hotel nachgeliefert werden würde und wir uns getrost dorthin begeben könnten. Wir sollten nur unsere Verlustbestätigung vorweisen.

Damit verzögerte sich die Anreise zum Hotel für diejenigen unserer Gruppe weiter, die ebenfalls in der Nacht gelandet waren, worüber glücklicherweise keine Feindschaften ausbrachen, bevor wir uns überhaupt richtig kennen lernen konnten. Erst danach, nach dem Kennenlernen, gab es seriöse Gründe für Animositäten, da einige Charaktere von der kaum erträglichen Sorte waren.

21. September 2019, erster Tag in Jerewan

Nach dem Spätstück starteten wir zu einem ersten kleinen Spaziergang zum Platz der Republik und zu einer Geldwechselstube im Vorraum eines Supermarktes. Der heutige Unabhängigkeitstag war zwar ein Nationalfeiertag, aber wie immer, d.h. auch an Sonntagen, waren in Jerewan fast alle Geschäfte geöffnet. Am 21. September erinnert man sich an den „Austritt“ aus der Sowjetunion 1991, dem Beginn der zweiten unabhängigen Republik Armenien. Die erste Republik war als Folge des Ersten Weltkrieges am 28. Mai 1918 ausgerufen worden und bestand bis zum 2. Dezember 1920, als armenische Bolschewiki in einem unblutigen Putsch an die Macht gekommen waren und die Armenische Sozialistische Sowjetrepublik (SSR) ausriefen.

Samuel, unser deutschsprachiger armenischer Reiseleiter, machte uns auf dem zentral gelegenen und vor allem in den Abendstunden als Treffpunkt sehr beliebten Platz der Republik mit dessen Entstehungsgeschichte und der Bedeutung der umliegenden Prachtbauten vertraut. Der 14.000 m2 große Platz war 1926 von dem bedeutenden Architekten Alexander Tamanjan geplant worden. Der in Jekaterinodar, dem heutigen Krasnodar, geborene Bankierssohn erhielt seine Ausbildung an der Russischen Kunstakademie in Sankt Petersburg und kam 1923 nach Jerewan, wo er die Neuanlage und den Ausbau der Stadt hauptverantwortlich leitete.

Noch zu Beginn des 19. Jh. hatten niedrige Häuser mit schönen Torbögen und Holzbalkonen, orientalische Flachdachbauten und herrschaftliche Gebäude das Stadtbild der Kleinstadt dominiert. Nachdem Jerewan 1827 zum Kaiserreich Russland gekommen und Sitz der Oblast („Verwaltungsbezirk“) Armenien geworden war, setzte ein starkes Wirtschaftswachstum ein, begleitet von einer Zunahme der politischen Bedeutung der Bezirkshauptstadt. Damit ging einher, dass viele alte Häuser durch neue europäischen Stils ersetzt wurden, was das Stadtbild noch chaotischer ausfallen ließ. Trotzdem hatte Jerewan 1890 erst 12.500 Einwohner.

Ein weiterer Entwicklungsschub setzte ein, als Jerewan 1920 zur Hauptstadt der Armenischen SSR wurde. Schließlich wurde unter Leitung Tamanjans das Stadtbild radikal verändert. Er stellte einen Generalplan für die Stadtentwicklung auf, ließ viele historische Gebäude wie Kirchen, Moscheen, die persische Festung, Bäder, Bazare und Karawansereien abreisen und breite, lange Boulevards anlegen. Er gestaltete nicht nur den Platz der Republik mit dem Historischen Museum, dem Postamt und den Regierungsgebäuden, sondern auch das Jerewaner Opernhaus. Außerdem war er verantwortlich für die Entwicklung der Städte Gjumri und Etschmiadsin.

Abb. 1: Historisches Museum am Platz der Republik

Abb. 2: Die Jerewaner Oper

Um 1970 wurde, allerdings mit Eingemeindungen, die Millionengrenze der Einwohnerzahl überschritten. Dies war zu Zeiten der Sowjetunion die Rechtfertigung für den Bau einer Metro, kleinere Städte durften keine U-Bahn bauen. Die Jerewaner Metro wurde 1981 eröffnet, besteht heute aus einer 12 km langen Linie mit 10 Stationen und soll zukünftig verlängert und um zwei Linien erweitert werden. Seit dem Ende der Sowjetunion befindet sie sich jedoch wirtschaftlich in der Krise, einerseits durch die Konkurrenz des neu entstandenen verzweigten Liniennetzes privater Kleinbusunternehmen („Marschrutkas“), andererseits durch die allgemein zurückgegangene Mobilität aufgrund Arbeitslosigkeit und Verarmung.

Der Austritt aus der Sowjetunion 1991, knapp drei Jahre nach dem verheerenden Erdbeben im Norden Armeniens, hatte zu einem gewaltigen Einbruch der armenischen Wirtschaft geführt, von dem sich das Land nur langsam erholte. Der wichtigste Absatzmarkt der starken Industrie (Chemie, Elektronik, Maschinenbau etc.) war weggebrochen, die Umstellung von der Zentralverwaltungswirtschaft auf eine liberale Marktwirtschaft brachte bis dahin unbekannte Probleme und der Konflikt um Bergkarabach mit Aserbaidschan führte zur zusätzlichen Schwächung des Landes. Erst 1997 begann die Wirtschaft wieder zu wachsen mit teils zweistelligen Raten zu Beginn des neuen Jahrtausends.

***

Nach dieser ersten Besichtigungstour schwangen wir uns in den bereitstehenden Bus und Sergej, unser Fahrer während der gesamten Rundreise, brachte uns zur Mittagszeit zu einem „Duduk-Meister“ im Süden der Hauptstadt. Seine Werkstatt mit einem wunderschönen Garten lag etwas versteckt hinter anderen Häusern abseits einer vielbefahrenen Ausfallstraße, so dass man sich in einem kleinen Paradies wähnte.

Die Duduk, manchmal auch der oder das Duduk, ist Armeniens Nationalinstrument. Sie zu blasen kostet Kraft, wobei ihre Ausdrucksmöglichkeit von weichen samtigen oder klagenden Klängen bis zu durchdringenden Signaltönen reicht. Sie spielt eine zentrale Rolle in der armenischen Volksmusik und Kammermusik. Sie ist unter verschiedenen Namen in der ganzen Region verbreitet: z.B. duduki in Georgien, mey in der Türkei sowie balaban in Aserbaidschan und im Iran.

Die armenische Duduk wird aus Aprikosenholz gefertigt. Das Holz dieses „heiligen Baumes“ wird nur hierfür verwendet, niemals als Brenn- oder Bauholz. Das Instrument ist ohne Rohrblatt je nach Grundton etwa 25 bis 40 Zentimeter lang. Das Auffälligste ist das extrem große Doppelrohrblatt, das bis zu zehn Zentimeter lang und drei Zentimeter breit ist. Es wird aus einem Schilfrohrabschnitt, bevorzugt vom Ufer des Aras, gefertigt. Das Instrument besitzt sieben oder acht vorderständige Grifflöcher und ein rückwärtiges Daumenloch.