Philosophie der Bildung und Erziehung - Roland Reichenbach - E-Book

Philosophie der Bildung und Erziehung E-Book

Roland Reichenbach

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  • Herausgeber: Kohlhammer
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2007
Beschreibung

Erziehung- und Bildungsphilosophie gibt keine Antworten auf konkrete pädagogische Probleme. Aber sie stellt Perspektiven, Begriffe und Deutungen bereit, die es ermöglichen, sich im pädagogischen Denken und Nachdenken zu orientieren. Dieser Einführungsband vermittelt aus zehn philosophischen Perspektiven Einsichten in Grundfragen von Erziehung und Bildung. Diese Denktraditionen werden exemplarisch anhand eines Protagonisten, einer historischen Skizze und einer zentralen Metapher sowie hinsichtlich ihrer politisch-sozialen Bedeutung umrissen.

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Seitenzahl: 383

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Erziehung- und Bildungsphilosophie gibt keine Antworten auf konkrete pädagogische Probleme. Aber sie stellt Perspektiven, Begriffe und Deutungen bereit, die es ermöglichen, sich im pädagogischen Denken und Nachdenken zu orientieren. Dieser Einführungsband vermittelt aus zehn philosophischen Perspektiven Einsichten in Grundfragen von Erziehung und Bildung. Diese Denktraditionen werden exemplarisch anhand eines Protagonisten, einer historischen Skizze und einer zentralen Metapher sowie hinsichtlich ihrer politisch-sozialen Bedeutung umrissen.

Prof. Dr. Roland Reichenbach lehrt an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Allgemeine und Systematische Erziehungswissenschaft.

Roland Reichenbach

Philosophie der Bildung und Erziehung

Eine Einführung

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrofilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Alle Rechte vorbehalten © 2007 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Umschlag: Data Images GmbH Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany

ISBN 978-3-17-019606-3

E-Book-Formate

pdf:

978-3-17-022848-1

epub:

978-3-17-027710-6

mobi:

978-3-17-027711-3

All movements go too far

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung

Einleitend: Zehn »Ismen«

1 Platonischer Idealismus und die Frage nach dem Preis des Guten

1.1 Mit verdorbenen Augen wiedergekehrt

1.2 Biographische Skizze: Platon und seine Zeit1

1.3 Die Lichtmetapher und das Halbdunkel der Diskretion

1.4 Monismus, Idealismus, Harmonismus

1.5 Die Höhe der Ideale – zur Wirksamkeit des pädagogisches Idealismus

2 Aristotelischer Realismus und die Lehre der Vielfalt

2.1 Biographische Skizze: »Ein echter Lehrer, kein inspirierter Philosoph«

2.2 Die Strebensethik und die Metapher der goldenen Mitte

2.3 Realismus und Vielfalt

2.3.1 Form und Stoff

2.3.2 Zuviel des Guten?

2.4 Der Siegeszug der erziehungswissenschaftlichen Realisten – und die ungelösten Probleme

3 Jean-Jacques Rousseau und die Kultur der Natürlichkeit

3.1 Biographische Skizze: Alles Große ist zweideutig

3.2 Eine Regierungsform für Götter12

3.3 Die Kernmetapher und der Erfolg des Authentizitätsideals

3.3.1 Das Spiel verdirbt

3.3.2 Kern und Schale14

3.4 Émile – erzogen werden ohne es zu merken?

3.5 Naturalistisches Denken in der Pädagogik

4 Immanuel Kant und die Pflicht zur Freiheit

4.1 Aufklärung und die Transformation der Fortschrittsmetapher

4.2 Ein »spinöser Junggeselle«? Biographische Skizze

4.3 Der kategorische Imperativ

4.4 Autonomiepädagogik und das »krumme Holz« des Menschen

5 Der Deutsche Idealismus und Bildung als Glück und Unglück

5.1 Die Sehnsucht der deutschen Idealisten

5.2 Ganzheit als Metapher

5.2.1 Das Ganze als Produkt der Einbildungskraft

5.2.2 Zwei Beispiele für schwaches Ganzheitsdenken

5.3 »The German Bildung«: Ein »akademischer Pflegefall«?

6 John Dewey und die pragmatische Erziehungsphilosophie

6.1 Unterschiede, die keine Unterschiede bewirken, sind keine Unterschiede

6.2 Zum Leben und Werk John Deweys

6.3 Schule als embryonale Gesellschaft33

6.4 Vorrang des Praktischen? Zur Metapher des Instruments

7 Die existenzialistische Erziehungsphilosophie

7.1 »Menschen in finsteren Zeiten« – biographische Situierungen

7.2 Über Sein, Seiendes, Dasein und Existenz

7.2.1 Die Diktatur des Man

7.2.2 Existenz und Existenzerhellung

7.3 Ko-existierende Freiheiten

7.3.1 Sich selber Rätsel sein

7.3.2 Beratung und Entschluss

8 Die analytische Erziehungsphilosophie38

8.1 »Analyse« als Metapher

8.2 R.S. Peters und I. Scheffler zur Analytischen Erziehungsphilosophie

8.3 Biographische Skizze: Ludwig Wittgenstein

8.4 Das Erbe der Analytischen Erziehungsphilosophie

9 Sokrates und die skeptische Pädagogik der Gegenwart

9.1 Der Straßenphilosoph Sokrates: biographische Skizze

9.2 Vom Unwissen zum Nichtwissen

9.3 Pädagogische Windeier: Über den Wert von Skepsis und Zweifel

9.3.1 Der transzendentalkritisch-skeptische Ansatz der Pädagogik

9.3.2 Nur destruktiv? Über die Grenzen einer nichtaffirmativen Pädagogik

9.4 Selbsterkenntnis als Sorge um sich

10 Postmoderne und postpostmoderne Pädagogik

10.1 Den Meta-Erzählungen keinen Glauben mehr schenken

10.2 Inseln, Monaden – Verflechtungen, Nomaden

10.3 Der gebrauchte Elektroherd oder Pädagogik der Gleichgültigkeit?

10.4 Postmoderne Bildung: Der Meister des Selbst und die Sprachspielerin

Schlussbemerkungen

Literaturhinweise

Vorbemerkung

Entstanden ist das vorliegende Einführungsbuch im Rahmen der Vorlesungen zur Erziehungsphilosophie, die ich seit 2002 an der Westfälischen Wilhelms-Universität halte. Man hört manchmal, dass es klassische Themen der Erziehungs- und Bildungsphilosophie im Augenblick relativ schwer hätten, u.a. da sich das funktionalistische und ökonomische Denken in fast allen Wissens- und Lebensbereichen in einer Weise habe ausbreiten können, die nicht nur erstaunlich, sondern auch erschreckend sei. Wohl sind auch funktionalistische und ökonomische Deutungen des Lebens und der Welt von fundamentaler Bedeutung und deshalb sicher nicht einfach abzulehnen. Dann wieder ist aber dafür zu sorgen, dass auch andere Deutungsmuster und Perspektiven lebendig bleiben oder gegebenenfalls wieder zu ihrem Recht kommen, damit die Diskurse im akademischen und praktischen Leben der Pädagogik möglichst vielfältig sind und nicht beispielsweise funktionalistisch oder ökonomisch vereinseitigen. Diese Gefahr scheint mir allerdings nicht so groß zu sein, wie gemeinhin befürchtet wird. Jeder Versuch, im politischen, religiösen und vor allem auch im wissenschaftlichen Bereich nur eine oder nur einige wenige Perspektiven zuzulassen, ist bisher grandios gescheitert. Und es gibt m. E. keine guten Gründe für die Annahme, dass sich dies definitiv ändern würde. Gegen »monomythomanische Intermezzi« – sagen wir: einseitige Zwischenspiele –, die man natürlich auch im Feld der Bildungswissenschaften erlebt, kann man sich ja ironisch vergleichgültigen oder sie einfach stoisch ertragen – wenn man das kann. Eine andere Möglichkeit besteht darin, das ungeliebte, aber vielleicht mächtige Spiel nicht mitzuspielen und dafür andere Spiele zu spielen, die man für bedeutsamer hält. Das möchte ich hiermit vorschlagen.

Es hat mich in den letzten Jahren immer wieder gefreut zu sehen, wie viele Studierende, Lehrende und – auf unterschiedlichste Weise – pädagogisch tätige Menschen sich für erziehungsphilosophische und bildungsphilosophische Fragen und Positionen interessieren. Ich teile die pessimistischen Diagnosen also nicht im Geringsten. Dass man mit dem erziehungsphilosophischen Interesse aber nicht zum Mainstream (der Erziehungswissenschaft) gehört, liegt quasi in der Natur der Sache. Auf der anderen Seite ist es nicht einmal sicher, ob es diesen Mainstream überhaupt gibt. Dann möchte man ja u. U. noch weniger dazu gehören.

Bruce Maxwell hat das Kapitel zur Analytischen Erziehungsphilosophie – als Erstautor – federführend gestaltet. Für seine Unterstützung danke ich ihm herzlich. Iris Pichl danke ich für das sorgfältige Korrekturlesen des Manuskripts. Bei Prof. Jochen Kade habe ich mich für die kritische inhaltliche Durchsicht und für Veränderungsvorschläge zu bedanken. Schließlich danke ich vor allem auch Herrn Dr. Klaus-Peter Burkarth für seine so freundliche wie professionelle und unkomplizierte Unterstützung von Seiten des Kohlhammer Verlags.

Einleitend: Zehn »Ismen«

Für eine Einführung in die Erziehungs- und Bildungsphilosophie den »X-ismus«- bzw. »X-ismen«-Ansatz zu wählen, bedarf der Erklärung. Insbesondere in den USA war und ist dieser Ansatz auch für einführende Überblickswerke zur Erziehungsphilosophie populär, doch die Lektüre gestaltet sich regelmäßig relativ mühsam, um nicht zu sagen langweilig, und erscheint auch inhaltlich nicht sehr überzeugend. Die Autoren versuchen in der Regel, ein bestimmtes Raster über die verschiedenen Perspektiven bzw. »Ismen« zu legen und hoffen damit eine hilfreiche Systematik zu etablieren, mit welcher klare (und lernbare) Aussagen und Vergleiche möglich sind. Eine solche »Systematik« könnte beispielsweise sein, jedes Kapitel zu einem Ismus wie folgt zu gestalten (vgl. Gutek 1997 oder Ozmon & Craver 2003):

1.

Begründer / Gründungsväter des Ismus XY

2.

Zeitgenössische Formen des Ismus XY

3.

Implikationen des Ismus XY für den pädagogischen Bereich:

3.1

Ziele der Erziehung

3.2

Methoden und Curriculum

3.3

Rolle der Lehrperson

Eine andere, auch nicht sehr überzeugende Möglichkeit der Systematisierung besteht darin, eine kleine Zahl von Ismen – z.B. Idealismus, Realismus, Pragmatismus und Existenzialismus (vgl. Samuelson & Markowitz 1987) – kurz vorzustellen und dann auf alle möglichen, pädagogisch bedeutsamen Thematiken anzuwenden, z.B. die Regeln des sozialen Verhaltens in der Schule, die Gestaltung des Unterrichts, die Inhalte der Lehrbücher, pädagogische Beratungsmodelle oder die Lehrer/innenbildung. Am Kapitel- bzw. Buchende finden sich in solchen Veröffentlichungen dann – z.B. nebst einem nützlichen Glossar – auch die Fragen zur Überprüfung dieses scheinbar klar definierten Wissens (z.B. als »multiple choice«-Test). So formulieren z.B. Samuelson und Markowitz (1987) am Schluss ihrer Einführung 126 Fragen mit je vier Auswahlantworten. Exemplarisch sei hier die 109. Frage wiedergegeben:

»The philosophy of idealism can be traced to such theorists as

Dewey and Lewin

Thorndike and Skinner

Plato and Saint Augustine

Rogers and Green« (S. 169).

Die richtige Antwort lautet »C«. Wenn der Stimulus »Platon« dargeboten wird, sollte im Gehirn des Lernenden also die Assoziation »Idealismus« aktiviert werden. Beim Stimulus »Dewey« hingegen sollte besser »Pragmatismus« aufleuchten. So weit, so gut: Dewey war sicher kein Gründungsvater des Idealismus, aber war er nicht auch in mancher Hinsicht dennoch Idealist? Und Carl Rogers: ist nicht seine Metaphysik des Selbst mindestens so idealistisch wie Platons Idee des Guten? Kurz: ein kritischer Blick in die Ismus-Bücher lässt am Ende meist nicht mehr sehr viel Gutes übrig. Der Ismus-Ansatz erscheint aus mehreren Gründen prekär:

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