Pilger und Mörder, Tödliche Brautnacht & Giftpilze - Robert Gordian - E-Book
SONDERANGEBOT

Pilger und Mörder, Tödliche Brautnacht & Giftpilze E-Book

Robert Gordian

0,0
9,99 €
6,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mord, Versuchung und Intrigen im 8. Jahrhundert: Drei spannende Fälle für die Kommissare Odo und Lupus! PILGER UND MÖRDER: Das Frankenreich im späten 8. Jahrhundert. Odo und Lupus, Kommissare Karls des Großen, sollen einen Bischof aufsuchen, dessen Lebenswandel wenig gottgefällig zu sein scheint. Doch sie kommen zu spät: Der Würdenträger ist ermordet worden! Verdächtigt wird ein jüdischer Kaufmann, der am zuvor am Tatort gesehen wurde. Während Odo sich einer gefährlichen Liebschaft widmet, kommen Lupus Zweifel an der Schuld des Angeklagten – und mit seinen Ermittlungen löst er eine Lawine aus … TÖDLICHE BRAUTNACHT: Eine finstere Bande sorgt im heidnischen Wendenland mit Mord und Menschenhandel für Unruhen – gelenkt und gedeckt von fränkischen Würdenträgern und sächsischen Stammesführern! Kriegsgefahr liegt in der Luft. Als auch noch eine junge Baut entführt wird, müssen Odo und Lupus alles aufs Spiel setzen, um eine Katastrophe zu verhindern … GIFTPILZE: Auf dem Rückweg von einer Friedensmission stoßen Odo und Lupus auf eine Intrige, in deren Mittelpunkt die Äbtissin Engeltrudis unermüdlich ihre Fäden spinnt. Lupus spürt vom ersten Moment an die Gefahr, die von der skrupellosen Frau ausgeht … und muss entsetzt mit ansehen, wie Odo ihr Werkzeug zu werden droht! Dieser packende Sammelband enthält die Bände 5 bis 7 der historischen Spannungs-Reihe »Odo und Lupus, Kommissare Karls des Großen« von Robert Gordian, deren Einzelbände unabhängig voneinander gelesen werden können. Fans von Oliver Pötzsch und Ellis Peters werden begeistert sein! In Band 8, der fesselnden Fortsetzung, FAMILIENFEHDE, werden die Kommissare Odo & Lupus in brisante politische Intrigen verwickelt – denn die Nachfolge Karls des Großen selbst ist in Gefahr …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 743

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

PILGER UND MÖRDER: Das Frankenreich im späten 8. Jahrhundert. Odo und Lupus, Kommissare Karls des Großen, sollen einen Bischof aufsuchen, dessen Lebenswandel wenig gottgefällig zu sein scheint. Doch sie kommen zu spät: Der Würdenträger ist ermordet worden! Verdächtigt wird ein jüdischer Kaufmann, der zuvor am Tatort gesehen wurde. Während Odo sich einer gefährlichen Liebschaft widmet, kommen Lupus Zweifel an der Schuld des Angeklagten – und mit seinen Ermittlungen löst er eine Lawine aus …

TÖDLICHE BRAUTNACHT: Eine finstere Bande sorgt im heidnischen Wendenland mit Mord und Menschenhandel für Unruhen – gelenkt und gedeckt von fränkischen Würdenträgern und sächsischen Stammesführern! Kriegsgefahr liegt in der Luft. Als auch noch eine junge Baut entführt wird, müssen Odo und Lupus alles aufs Spiel setzen, um eine Katastrophe zu verhindern …

GIFTPILZE: Auf dem Rückweg von einer Friedensmission stoßen Odo und Lupus auf eine Intrige, in deren Mittelpunkt die Äbtissin Engeltrudis unermüdlich ihre Fäden spinnt. Lupus spürt vom ersten Moment an die Gefahr, die von der skrupellosen Frau ausgeht … und muss entsetzt mit ansehen, wie Odo ihr Werkzeug zu werden droht!

Über den Autor:

Robert Gordian, geboren 1938 in Oebisfelde, studierte Journalistik und Geschichte und arbeitete als Fernsehredakteur, Theaterdramaturg, Hörspiel- und TV-Autor, vorwiegend mit historischen Themen. Seit den neunziger Jahren verfasst er historische Romane und Erzählungen. Robert Gordian lebt in Eichwalde, einem Vorort Berlins. Bei dotbooks erschienen seine historischen Romane rund um Odo und Lupus, die Kommissare Karls des Großen:

»Demetrias Rache«

»Saxnot stirbt nie«

»Pater Diabolus«

»Die Witwe«

»Pilger und Mörder«

»Tödliche Brautnacht«

»Giftpilze«

»Familienfehde«

***

Sammelband-Originalausgabe April 2024

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Die Originalausgabe von »Pilger und Mörder« erschien erstmals 1997 bei Bleicher; Copyright © 1997 Bleicher Verlag, Gerlingen. Copyright © der Neuausgabe 2013 dotbooks GmbH, München.

Die Originalausgabe von »Tödliche Brautnacht« erschien erstmals 2008 bei KBV; Copyright © 2008 KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH, Hillesheim. Copyright © der Neuausgabe 2013 dotbooks GmbH, München.

Die Originalausgabe von »Giftpilze« erschien erstmals 2016 bei dotbooks; Copyright © 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: dotbooks GmbH, München.

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (lj)

ISBN 978-3-98952-145-2

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Sind Sie auf der Suche nach attraktiven Preisschnäppchen, spannenden Neuerscheinungen und Gewinnspielen, bei denen Sie sich auf kostenlose eBooks freuen können? Dann melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an: www.dotbooks.de/newsletter (Unkomplizierte Kündigung-per-Klick jederzeit möglich.)

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Pilger und Mörder, Tödliche Brautnacht & Giftpilze« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.instagram.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Robert Gordian

Pilger und Mörder, Tödliche Brautnacht & Giftpilze

Drei Krimis in einem eBook

dotbooks.

Pilger und Mörder

Das Frankenreich im späten 8. Jahrhundert. Zunächst sieht alles so aus, als wäre es nur ein harmloser Auftrag für Odo und Lupus. Die Kommissare Karls des Großen sollen einen Bischof aufsuchen, dessen Lebenswandel wenig gottgefällig zu sein scheint. Doch sie kommen zu spät: Der Würdenträger ist ermordet worden. Verdächtigt wird ein jüdischer Kaufmann, der bereits so gut wie verurteilt ist. Während Odo sich einer gefährlichen Liebschaft widmet, kommen Lupus Zweifel an der Schuld des Angeklagten – und mit seinen Ermittlungen löst er eine Lawine aus …

Kapitel 1

Dem edlen Volbertus, Prior im Kloster N., sendet sein Vetter Lupus einen aus treuem Herzen kommenden Heilgruß!

Du schreibst mir, mein Lieber, dass du gerade von einer Wallfahrt nach Rom zurückgekehrt bist. So war es also auch Dir vergönnt, die Stadt zu sehen, wo unser Heiliger Vater Hadrian waltet und wo, wie es heißt, Petrus und Paulus, die Apostel des Herrn, und so viele andere das Martyrium erlitten. Ich freue mich, dass deine fromme Seele ein so erquickendes Bad nehmen durfte, erleichtert aber bin ich, weil dieselbe und auch dein Leib keinen Schaden erlitten.

Erinnerst Du Dich noch, wie es mir erging, als ich seinerzeit als Pilger in Rom weilte? Gottloses Gesindel misshandelte mich und raubte mich aus, und ich musste als nackter Bettler, vor den Türen der Kirchen liegend, die Hand ausstrecken. Vielleicht war das eine Prüfung, die der Herr mir auferlegte, und ich muss dafür dankbar sein. Damals war mir jedoch nicht nach Dank zumute. Vielmehr fluchte ich und zürnte ihm, und mehrere Male erlag ich Satans Versuchungen. So verprügelte ich einen Kanoniker, und einmal stahl ich sogar eine goldene Monstranz, die man mir aber wieder abjagte. Als frommer Pilger begann ich, und ich endete als Dieb und Raufbold!

Nun war ich zu jener Zeit noch sehr jung, in einem Alter, da man die ganze Welt herausfordern möchte. Du tatest recht daran, lieber Volbertus, die römische Pilgerfahrt erst im vorgeschrittenen Alter anzutreten. Gefestigt im Glauben, wie Du bist, konnte Dir Satan mit seinen Höllenkünsten nichts mehr anhaben. Ein junger Mönch dagegen, der plötzlich die schützenden Mauern des Klosters verlässt, erliegt allzu leicht den Lockungen des sündigen Lebens. Er ist zu schwach, um sich der hundert Arme zu erwehren, die ihn dorthin ziehen, wo es Geld, Wein, Frauen, Bequemlichkeiten und Vergnügungen gibt. Auch für mich begann damals das Unheil in einer römischen Schänke, wo ich, die Regel des heiligen Benedikt sträflich missachtend, zuviel getrunken hatte.

Noch stärker gefährdet sind auf solchen Pilgerfahrten naturgemäß die Gottgeweihten des weiblichen Geschlechts. Oft ist ihre Tugend ein dünnes Bäumchen, das schon beim ersten Sturm geknickt wird. Wie viele Bräute Christi landeten auf dem Weg nach Rom oder auch dortselbst in Lusthäusern! Wie viele wurden ihrem himmlischen Bräutigam für immer untreu! Eindringlich empfahl unser heiliger Bonifatius dem Erzbischof von Canterbury, eine Synode möge den Weibspersonen und verschleierten Frauen die häufigen Reisen nach Rom verbieten. »Denn viele«, klagte der heilige Mann, »gehen dabei sittlich zugrunde, und wenige kehren unverletzt zurück.«

Auch der Herr Karl, unser großer König, hat befohlen, die Ordensfrauen besser zu überwachen und das Huren und Umherschweifen zu untersagen. Wir Königsboten haben sogar den besonderen Auftrag, den Bischöfen, Äbten und Äbtissinnen diesbezüglich strenge Weisungen zu erteilen.

Wie notwendig und richtig das ist, erfuhren wir erst wieder vor kurzem, auf unserer diesjährigen Reise durch mehrere linksrheinische Grafschaften. Ich werde dir auf diesen Blättern einen ganz ungewöhnlichen Mordfall schildern, in den wir dabei verwickelt wurden und der die benannten Zustände grell beleuchtet. Da Du auf Deiner eigenen Pilgerreise, wie Du anmerkst, manches Absonderliche gesehen und gehört hast, wirst Du dem, was ich mitteile, Glauben schenken, auch wenn es noch so unglaubhaft klingt. Manchmal aber wirst Du von der Lektüre aufsehen und einen Seufzer zum Himmel schicken.

Dies vorausschickend, lieber Volbertus, habe ich noch eine besondere Bitte. Ich weiß, dass Du meine Berichte gern Brüdern Deines Vertrauens zu lesen gibst. Sei diesmal besonders streng bei der Auswahl! Vor allem jüngere Brüder könnten durch die Lektüre verwirrt werden, da sie das, was an einzelnen Orten geschieht, mangels persönlicher Erfahrung leicht unzulässig verallgemeinern würden. Andere wieder, die Strengen und Unduldsamen, könnten Deine und meine Absicht missverstehen, mit solchem Lesestoff auch zu belehren und zu warnen. Vermeide also diese Gefahren!

Aus Vorsicht habe ich, wie immer, in meiner Erzählung die Namen der Orte und Personen geändert. Nur dass wir diesmal wieder in den neustrischen Comitaten tätig waren, kann offen mitgeteilt werden. Es wäre ja ohnehin schon nach wenigen Zeilen zu erraten. Vermutlich wird Dir auch gleich der richtige Name des Bischofs Pappolus einfallen, denn die Kunde von seinem gewaltsamen Ende ist sicher auch bis zu Euch gedrungen. Ich halte mich dennoch an die mir selbst gestellte Regel, das Amtsgeheimnis zumindest der Form nach zu wahren.

Es war Anfang Mai, als wir eines Vormittags – die Glocken läuteten gerade zur Terz – das Tor der bedeutenden Stadt erreichten, deren kupfergedeckte Türme und Hausdächer uns schon seit dem frühen Morgen entgegen geleuchtet hatten. Sie ist der Hauptort des Comitats, das wir als Erstes von dreien auf unserer diesjährigen Reise besuchten. Wie die meisten größeren Städte zwischen Rhein und Loire steht auch diese unter einer Art Doppelherrschaft, die sich der Comes und der Bischof teilen.

Den Comes kannten wir schon. Er hieß Magnulf und war jener alte, knochenmorsche Lebemann, der uns so schmählich im Stich ließ, als wir den Pater Diabolus und seine Mönchsbande jagten. In letzter Zeit hatte der Fiskus kaum noch Steuern und Bußgelder von ihm empfangen, und so wünschte der Herr Kämmerer dringend, wir möchten ihm einmal die Taschen ausklopfen. Ich gestehe, dass uns dieser Auftrag mit Genugtuung erfüllte, denn der edle Magnulf hatte uns damals – in Form eines Beschwerdebriefs an den Herrn König – mit vollen Händen Dreck hinterher geworfen. Nachsicht unsererseits hatte er also nicht zu erwarten. Wir freuten uns schon auf das bestürzte Gesicht des alten Wüstlings bei unserer Ankunft, von der wir ihn absichtlich nicht im Voraus benachrichtigt hatten.

Was den Bischof betraf, so war auch er bei Hof nicht gut angeschrieben. Der Herr Erzkaplan hatte mich seinetwegen zu sich gerufen und mir eine strenge Überprüfung seiner Amtsführung nahegelegt. Es hieß, dieser Pappolus lebe mit einer aus Italien stammenden Kebse, lasse sich die Weihe von Priestern teuer bezahlen und leihe sogar auf Zins. Außerdem predige er nicht nach den kanonischen Texten und erfinde Namen von Engeln, die kirchlich nicht autorisiert seien. Über dies alles sollte ich nun von ihm Rechenschaft fordern.

Nach den ersten Worten, die wir mit einem der Torwächter wechselten, wusste ich allerdings schon, dass sich dieser Teil meines Auftrags erledigt hatte.

»Er ist tot, Vater«, sagte nämlich der Mann, als ich ihn fragte, ob wir den Bischof in der Stadt antreffen würden.

»Tot?«, rief ich. »Aber er war doch noch nicht sehr alt! Ist er an einer Krankheit gestorben?«

»Umgebracht wurde er.«

»Was sagst du da? Wann und wo ist das geschehen?«

»Wann? Vor zwei Tagen. Und wie? Mit einem Messer. In seinem eigenen Haus. Beim Nachtmahl.«

»Und kennt man den Mörder?«

»Man kennt ihn.«

»Wer ist es?«

»Ein Jude. Nennt sich Tobias. Einer aus dem Vicus da unten, der Kaufmannssiedlung.«

»Und wurde der Jude gefasst?«, fragte Odo, mein Amtsgefährte.

»Gefasst und eingesperrt. Gleich nach der Tat. Und gerade jetzt steht er vor seinem Richter, dem Comes.«

»Wie? Gerade jetzt? Wo tagt das Gericht?«

»Folgt der Hauptstraße bis zum Alten Forum der Römer. Dann haltet Euch links. Dort ist es, gleich unter den Säulen, neben der Kirche.«

Natürlich verloren wir keine Zeit. Es war sozusagen ein trauriger Glücksfall, dass wir auf diese Weise gleich Gelegenheit bekamen, an einer Gerichtsversammlung teilzunehmen. Als Kommissare des Königs der Franken sind wir ja hauptsächlich ausgezogen, um die Rechtsverhältnisse zu überprüfen, wo es die meisten Mängel und Missbräuche gibt. Hinzu kam hier, dass das Opfer ein Großer war, ein Bischof unserer heiligen Kirche, gegen den ein Ungläubiger die frevelnde Hand erhoben hatte. Wahrhaftig, das ging uns an!

Mit Getöse, unter Hufegetrappel und Waffengeklirr, hielten wir Einzug. Vorn ritt Odo auf seinem schlanken Grauschimmel Impetus. Die Nase kühn erhoben, schwarzhaarig, schnurrbärtig, das Schwert an der Seite, mit wehendem leuchtendrotem Mantel gab er das passende äußere Bild zu unserem Anspruch, Stellvertreter des Königs zu sein. Klein, rund und etwas weniger eindrucksvoll in meiner Mönchskutte, hielt ich, heftig mit Schenkeln und Waden arbeitend, auf meinem Eselshengst Grisel den Anschluss. Die vier Getreuen unseres Wachtrupps folgten: Helko, der starke blonde Sachse als Anführer; Fulk, der schon graue, doch immer noch Achtung gebietende Eisenfresser mit der flammenden Narbe über der Stirn; die beiden anderen strammen, behelmten, über und über mit Lanzen, Beilen, Schwertern und Dolchen beladenen Männer. Ganz hinten hockte auf unserem Gepäckwagen Rouhfaz, unser Diener und Schreiber, dünn wie ein Faden und kahl wie ein Wurm, schreiend und mit der Gerte sein Pferd peitschend, um nicht zurückzufallen. In einer gewaltigen Staubwolke, die zwischen den Resten des seit dem Rückzug der letzten Cäsaren nicht mehr erneuerten Straßenpflasters aufstieg, preschten wir über die Hauptstraße.

Unser Ritt wurde jäh gestoppt, als wir das Alte Forum erreichten. Es unterbricht die Straße, welche die ganze Stadt durchschneidet, etwa auf halber Länge. Mir war schon aufgefallen, dass unterwegs nur wenige Bewohner der Stadt von unserem geräuschvollen Einzug Kenntnis genommen hatten. Eigentlich waren es nur ein paar Mägde, die vom Brunnen kamen und kreischend sich und den Inhalt ihrer Krüge in Sicherheit brachten. Sonst hatten uns nur Hunde und Spatzen begrüßt.

Die Erklärung lag darin, dass sich fast die gesamte Bevölkerung auf dem Platz drängte, wo die Gerichtsversammlung stattfand. Die Menge stand Kopf an Kopf, und es war völlig unmöglich, für unseren Trupp eine Gasse frei zu bekommen. Notgedrungen saßen wir ab. Ich schlug vor, dass Odo und ich versuchten, zu Fuß bis zu der Kolonnade vorzudringen, wo sich das Hauptgeschehen abspielte.

Mein Freund war einverstanden. Wir übergaben den anderen unsere Reittiere und befahlen ihnen, auf uns zu warten. Mit einem barschen »Platz gemacht – Abgesandte des Königs!« stieß Odo vor. Ich folgte, die Ellbogen kräftig gebrauchend, in seinem Rücken, und wir begannen, uns zwischen Schultern, Bäuchen und Lenden, die uns nur widerstrebend Raum gaben, hindurch zu zwängen. So gelangten wir immerhin bis zur Mitte des Forums. Jetzt kamen wir auch mit Knüffen und Rippenstößen nicht weiter. Doch konnte man hier alles sehen und hören, und wir beschlossen, stehen zu bleiben und uns erst einmal einen Eindruck zu verschaffen.

Eine Gerichtsversammlung in den galloromanischen Teilen des Reiches, noch dazu auf einem städtischen Platz, hat nicht viel Ähnlichkeit mit den altväterlichen Ritualen auf germanischen Dinghügeln, von denen ich schon mehrmals berichtet habe. Hier wird das Recht nicht unter Eichen und Linden gesucht und man hockt nicht im Gras zwischen Kuhfladen. Wie einst der römische Prokurator hatte der Comes Magnulf unter dem Dach der Kolonnade vor seinem Amtsgebäude Platz genommen. Um seinen Prunksessel drängten Schöffen, Schreiber, Amtsdiener. Auch seine Vasallen und Gefolgsleute waren um ihn versammelt. Man sah Priester und Mönche unter den Säulen und sogar Frauen. Wer hier ein Amt ausübte, zu den Prozessparteien gehörte, dingpflichtig war oder nur aus Neugier herumstand, war schwer auszumachen. Es gab auch keinen Sarg zu Füßen des Richters, nicht einmal ein Leibzeichen des Toten schien vorhanden zu sein. (Später erfuhren wir, dass der Bischof bereits am Vortag beerdigt worden war.) Alles in allem ging es hier also eher römisch als fränkisch zu.

Das Publikum auf dem grünen Dinghügel besteht gewöhnlich nur aus adeligen und freien Männern – hier zwischen den Häusern aus Holz und Stein war alles vertreten: Edelleute und Bauern, Kaufherren, Handwerker unsicheren Standes, Mauren, Juden, vornehme Damen und grobe Marktweiber, Knechte und Bettler. Nebenan auf dem Dach der Bischofskirche hatten sich ein paar Kinder Vorzugsplätze gesichert.

Seit wir den Platz betreten hatten, war eine scharfe, erregte, eifernde Stimme zu hören. Ringsum lauschte ihr alles mit offenen Mündern. Wir verstanden jetzt auch den Sinn der Worte und entdeckten den Mann, der sie ausstieß.

Es war ein kleiner Kerl im Priesterhabit mit einem geröteten, karottenförmigen Schädel, aus dem ein spitzes Kinn und eine noch spitzere Nase hervorstachen. Auch seine Ohren waren spitz wie die eines Ziegenbocks. Er stand drei Schritte neben dem Richterstuhl, wandte sich aber mehr an die Menge als an den Comes. Grimassierend und mit den kurzen Armen rudernd rief er:

»Und warum morden sie, frage ich euch? Die Antwort ist: Weil sie schon immer gemordet haben! Sie müssen morden, sie können nicht anders, die Schurken! Spricht nicht schon die Apostelgeschichte von Verrätern und Mördern? Lehrt nicht bereits der heilige Cyprian, sie hätten den Teufel zum Erzeuger? Begingen sie nicht, wie unser Kirchenvater Origenes feststellt, das abscheulichste Verbrechen gegen den Retter des ganzen Menschengeschlechts, unsern Herrn Jesus Christus? So wie gewisse Tiere schädliches Gift besitzen, lehrt der große Johannes Chrysostomus, ebenso sind sie wie ihre Väter voller Mordlust! Und hört erst einmal, was uns der heilige Augustinus sagt. Er findet kaum Worte für ihre Schändlichkeit. Er sagt, sie sind sauer wie Essig … bitter wie Galle …eine triefäugige Bande … aufgewühlter Dreck …«

»Genug, genug!«, fuhr jetzt der Comes mit seiner uns wohlbekannten knarrenden Stimme dazwischen. »Das reicht, Sallustus. Wir wollen hier nicht das Zeugnis des heiligen Augustinus, sondern dein eigenes hören. Komm endlich zur Sache!«

»Aber ich bin ja bei der Sache, Herr!«, krähte der Kleine. »Wenn dieser Satansknecht, dieser stinkende Auswurf unseren heiligen Bischof Pappolus, eine unvergängliche Zierde der Christenheit, umbrachte, so geschah es aus unersättlichem Blutdurst, aus Mordgier! Diese Gottesmörder gieren nach Christenblut Schon der heilige Ephraim nannte sie …«

»Hast du nicht gehört, Sallustus, was der Comes gesagt hat?«, rief einer der Herren, die neben dem Richterstuhl standen. »Spitz deine Ohren, wenn sie denn noch nicht spitz genug sind!«

Unter den Säulen wurde gelacht und auch in der Menge erhob sich Heiterkeit.

»Sie unterhalten sich anscheinend prächtig«, bemerkte Odo, wobei er einen Blick rundum warf. »Wo steckt er eigentlich, der stinkende Auswurf, der Satansknecht?«

Ja, wo? Es war gar nicht so leicht, den Angeklagten unter den zahlreichen vornehm gewandeten Männern, die den Richterstuhl umstanden, auszumachen.

»Der Graubart dort muss es sein, der wie ein Orientale gekleidet ist«, vermutete ich.

Es war ein rundlicher Mann um die vierzig, in einer langen Tunika, über der er einen ebenso langen, pelzverbrämten Mantel trug. Zwei lebhafte dunkle Augen waren fast alles, was der gelockte Patriarchenbart von seinem Gesicht preisgab.

»Die Anklage hast du im Namen des Presbyteriums vorgebracht«, sagte der Comes ungeduldig. »Nun aber wollen wir wissen, Sallustus, was vorgestern Abend geschah. Was habt ihr beobachtet … du und die anderen Zeugen?«

Der kleine Priester, der beleidigt geschwiegen und seinen Blick zum Himmel gerichtet hatte, als erwartete er von dort oben Lob und Bestätigung, wandte sich seufzend wieder dem Comes zu,

»Wenn es sein muss, will ich noch einmal alles berichten. Der gründlichen Aufklärung halber und damit der Verbrecher gebührend bestraft wird. Es war so. Wir hatten den heiligen Jakobus, den Bruder des Herrn, mit einer Messe geehrt. Darauf begab sich der edle Bischof nach Hause, denn es war Zeit für sein Nachtmahl. Ich ging derweil in den Vicus hinunter zum Kaufmann Brachio, der am Durchfall darnieder lag und das heilige Chrisma verlangte. Ich gab ihm natürlich nur Katechumenenöl, wie es Vorschrift ist.«

»Pappolus setzte sich also zum Mal.«

»Das tat er und sein Koch trug ihm auf, dieser Griffo. Hier ist er …«

Sallustus schob einen plumpen, kraushaarigen Burschen nach vorn, der aufgeregt stotterte: »Ja, ich … ich trug ihm das Nachtmahl auf. »Zuerst Fisch … dann Hase mit Bohnenkraut … als Hauptgericht Eber … hinterher Honiggebäck. Aber das hat er … hat er … hat er nicht angerührt.«

»Er kam nicht dazu, sein einfaches Mahl zu beenden!«, rief Sallustus. »Denn als er gerade beim Hasen war, klopfte es roh und brutal an die Haustür. Der Türhüter öffnete … der hier, Teut!«

Hinter einer der Säulen trat ein blonder Koloss im groben Kittel hervor, der mit Donnerbass sagte:

»Ich hab ihm die Tür geöffnet, ja!«

»Zeig mal auf ihn, damit alle es glauben«, sagte Sallustus. »War’s der da?«

»Der war’s. Wer denn sonst?« Der Türhüter machte eine Handbewegung in Richtung des Graubarts. »Der Jude da … Tobias.«

»Der kam schon zum zweiten Mal an diesem Tag. Hab ich Recht?«

»Zum zweiten Mal, ja.«

»Lästig und aufdringlich sind sie. Schmeißfliegen! Hundertmal kann man sie fortjagen …«

»Beim ersten Mal war ja der Herr nicht zu Hause«, sagte der Türhüter. »Also kam er noch einmal wieder, ja.«

»Du ließest ihn also eintreten. Führtest ihn in das Speisezimmer.«

»Das war nicht nötig. Er kannte sich aus. War schon öfter im Hause, ja.«

»Das heißt, du kümmertest dich nicht mehr um ihn. Gingst sogar in die Schänke.«

»Der Herr erlaubte es, ja.«

»Gewöhnlich verschlossest du aber die Haustür.«

»Immer verschloss ich sie, ja. Der Herr hatte selbst einen Schlüssel, ja.«

»Aber diesmal hast du sie offen gelassen. Damit der Jude hinaus gehen konnte, ohne dass sich der ehrwürdige Vater bemühen musste.«

»Daran kann ich mich nicht …«

»Du ließest sie offen! Ich selber habe es später festgestellt.«

»Weiter, weiter, Sallustus!«, knarrte der Comes. »Tobias ging also in das Zimmer, wo Pappolus speiste. War noch jemand dort?«

»Der Koch, der aus- und einging und auftrug … und die da, Ihr kennt sie ja … Romilda.«

Ein junges Weib mit feurigen Augen und blitzenden Zähnen, in eine unziemlich kurze Tunika gezwängt, erhob sich von den Stufen.

»Verflucht«, knurrte Odo, »die hielt sich der heilige Mann wohl gegen die Anfechtung. Um seine Widerstandskraft zu prüfen.«

Ich dachte mir gleich, dass es die aus Italien stammende Kebse war.

»Du warst also auch im Zimmer«, sagte der Comes. »Warst den Bischof zu Diensten, hattest zu tun …«

»Alle Hände voll, Herr«, sagte die Schöne in dem singenden Tonfall ihrer Heimat. »Füße waschen … den Rücken kraulen … Läuse absammeln …«

Unter den Zuhörern wurde gelacht. Der Comes drohte mit seinem Richterstab. »Ruhe! Das wollen wir nicht wissen. Erzähle uns, was du gesehen und gehört hast. Was redeten Pappolus und der Jude?«

Romilda legte den Kopf auf die Seite und schien nachzudenken.

»Ach, nichts Besonderes! Was ältere Männer so reden. Nörgeleien. Dass das Frühjahr so spät begonnen habe … und dass die Häuser im Vicus abgebrannt sind, weil so heftiger Sturm war …«

»Aber sie stritten doch.«

»Zuerst nur ein bisschen. Pappolus … ich meine, der ehrwürdige Vater, beklagte sich, weil der Vogel gestorben war, den ihm Tobias verkauft hatte. Er sagte, der Vogel war krank, aber Tobias sagte: Der hat wohl Zugluft bekommen. Der ehrwürdige Vater war aber der Meinung, er sei betrogen worden. Da sagte Tobias, er habe ihn vorher gewarnt und ihm gesagt, dass Papageien empfindlich sind. Der ehrwürdige Vater war ärgerlich, aber nicht sehr. Er beruhigte sich bald wieder. Ich fand es langweilig und ging in den Garten hinaus. Am liebsten hätte ich mich schlafen gelegt. Aber das konnte ich ja nicht.«

»Warum nicht?«

»Na, ich musste doch warten, bis Tobias fort war. Um Pappo … ich meine, dem ehrwürdigen Vater die Pantoffeln und das Gebetbuch zu bringen.«

Dabei legte die Schamlose eine Hand auf die Hüfte und als wieder einige lachten, lachte sie mit und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.

Der Comes verlor einen Augenblick lang die Fassung und glotzte sie lüstern an. Da schob Sallustus sie unwirsch beiseite und sagte:

»Wie schon der heilige Athanasius wusste, irren die Juden stets von der Wahrheit ab! Er hatte uns keineswegs darauf hingewiesen, dass der Vogel bald eingehen würde. Kein Wunder, dass sich der ehrwürdige Vater aufregte. Statt von den Mühen des Tages auszuruhen und in der Stille sein Brot zu brechen, musste er sich die verlogenen Ausflüchte dieses Gottesleugners anhören. Um ihn zum Schweigen zu bringen, bot er ihm sogar an, sich zu ihm zu Tisch zu setzen und zuzulangen. Stimmt das, Griffo?«

»Das stimmt, aber …«

»Aber man isst keinen Hasen, man isst kein Schwein … weil der eine ein Wiederkäuer, doch kein Paarzeher ist, das andere aber ein Paarzeher, doch kein Wiederkäuer. Und man ärgert sich über den heiligen Bischof, weil der das alles mit Genuss verzehrt und trotzdem in Gottes Gnade ist!. Immer mehr gerät man in Zorn …«

»Schon gut, Sallustus!«, knarrte der Comes. »Schweig jetzt, du warst ja gar nicht zugegen. Wer war überhaupt noch dabei? Der Koch?«

»Nur … nur bis zum Honiggebäck, dann bin ich … bin ich schlafen gegangen«, stotterte Griffo.

»Aber als du in deiner Kammer warst, hast du noch Streit gehört.«

»Ja, sie … sie schrien … schrien sich an, und einmal … einmal hat es gepoltert.«

»Und du … als du im Garten warst …hast du es auch gehört?«, fragte der Comes Romilda.

»Ja, es war schlimm. Ich saß dort auf einer Bank und wollte den Abend genießen. Doch daraus wurde nichts.«

»Hast du verstanden, was sie sagten?«

»Nein …«

»Welcher von den beiden schrie am lautesten?«

»Tobias natürlich. Pappo … ich meine, der ehrwürdige Vater wehrte sich nur, so gut er konnte.«

»Und auch das Poltern hast du gehört?«

»Ja, und ich hatte schreckliche Angst. Was sollte ich tun? Ich war ja allein.«

Mir entging nicht, dass Griffo ihr einen spöttischen Blick zuwarf. Romilda nahm aber davon keine Notiz. Obwohl sie ihre Angst beschwor, lächelte sie und zog dabei immer wieder die Tunika glatt. Das eitle Geschöpf genoss es, dort oben zu stehen, als Zeugin in einem Mordprozess, und von der Menge begafft zu werden.

»Nun denn, so wollen wir jetzt den Tobias selbst fragen«, entschied der Comes. »Komm her und gib Antwort! Warum gingst du gleich zweimal an diesem Tag zum Bischof Pappolus? Was war dein Anliegen?«

Der Jude hatte bis jetzt die Verhandlung mit der Beherrschung eines stoischen Philosophen verfolgt. Nun trat er gemessen zwei Schritte vor und verneigte sich gegen den Comes.

»Erlaubt, Herr Graf«, sagte er mit einer hohen Stimme, die in seltsamem Gegensatz zu seiner schwergewichtigen Erscheinung stand, »es war die Not, die mich zu ihm führte. Die Schiffe liegen unten am Fluss, für uns Kaufleute ist es höchste Zeit. Das Eis schmolz dieses Jahr spät, wir sind im Verzug. Die Segler im Hafen von Marseille werden nicht auf uns warten. Wie aber, edler, gütiger Herr, soll ich aus Ägypten und Arabien neue Waren herbei schaffen, wenn ich nicht pralle Beutel voll Geld mit mir bringen? Werden sie mir dort feine Tücher, Glas, Gewürze und Duftstoffe verkaufen – alles, was die Edlen und ihre Damen hier schätzen und lieben –, wenn ich nicht habe, was sie dafür begehren: Denare, Solidi, Mancusen, Silber und Gold? Doch leider … ich habe mehr Schuldbelege als Geld. Vieles, was ich im Herbst geliefert habe, ist noch nicht bezahlt. Dabei bin ich den ganzen Winter lang herum gelaufen, bin vor einigen Herren – Ihr wisst es – sogar auf die Knie gefallen. Seht … hier ist aufgeschrieben, was mir der edle Herr Pappolus schuldig war …«

Der Jude zog ein zusammengerolltes Pergament aus der Tasche, löste das Bändchen und hielt das Blatt dem Comes unter die Augen.

»Zwanzig Solidi für Seidengewänder … fünfunddreißig für Tafelgeschirr … zehn für einen Teppich … hier habt Ihr ein Schwert, ein Kohlebecken, einen zwölfarmigen Leuchter, den seltenen Vogel, acht Fässer septimanischen Wein …«

»Und für das alles war er dir noch die Bezahlung schuldig?«, fragte Herr Magnus in ungläubigem Tonfall.

»Für alles!«, bestätigte Tobias. »Es sind genau zweihundertfünfzehn Solidi. Er sagte mir jedes Mal, er warte noch auf die Einkünfte aus seinen burgundischen Gütern. Ich drängte, ich mahnte. Die Zeit der Ausfahrt kam näher. Vor zwei Tagen ging ich noch einmal hin, doch er war nicht zu Hause. Da versuchte ich es am selben Abend ein zweites Mal …«

»Und du wurdest empfangen und konntest dein Anliegen vorbringen«, sagte der Comes und starrte den Juden düster an. »Aber statt dies demütig und achtungsvoll zu tun, verlorst du die Beherrschung!«

»Ich habe ihn nicht getötet, Herr!«, rief der Kaufmann. »Warum hätte ich so etwas tun sollen?«

»Du bekamst doch auch diesmal kein Geld.«

»Aber was hätte es für einen Sinn gehabt …«

»Gestehe, dass du sehr zornig wurdest! Romilda und der Koch haben gehört, wie du schriest und schimpftest.«

»Ich habe gebeten und gefleht!«

»Vielleicht auch ein bisschen gedroht?«

»Gedroht? Wie hätte ich einem so mächtigen Herrn denn drohen können? Ich habe ihm nur gesagt, ich könne nun nicht mehr länger warten … müsse mein Anliegen vor den Richter bringen … vor Euch, den Vertreter des Königs. Der Herr König, Beschützer der Kaufleute und auch der Leute meines Volkes, sagte ich, werde mir zu meinem Recht verhelfen.«

»Und was antwortete dir der edle Pappolus?«

Tobias zögerte einen Augenblick. Ich hatte den Eindruck, es sei ihm peinlich, die Antwort des Bischofs wiederzugeben.

»Nun? Nun?«

»Er hatte schon sehr viel Wein getrunken. Vielleicht war es auch nicht ganz ernst gemeint.«

»Was sagte er?«

»Er sagte, was immer ich unternehme … er werde mir überhaupt nichts bezahlen.«

»Nichts?«

»Er sei zu der Ansicht gekommen, sagte er, dass es gerecht sei, wenn ein Jude einem Bischof seine Ware umsonst gebe. Er wolle deshalb die zweihundertfünfzehn Solidi als Wergeld betrachten.«

»Als Wergeld?«

»Für den Tod des christlichen Heilands. Zu zahlen an dessen legitime Nachkommen, die Herren der Kirche.«

»Doch damit warst du nicht einverstanden.«

»Wie konnte ich! War denn das ausgemacht? Soll ich, ein unbescholtener Kaufmann, Wergeld zahlen für einen Mann, der vor mehr als sieben Jahrhunderten getötet wurde?«

Diese – wie man zugeben muss – berechtigte Frage – erregte unter den Zuhörern auf dem Platz wieder Heiterkeit. Da die hohe und eher schwache Stimme des Tobias nur die in der Nähe Stehenden erreichte, gaben sie die Worte nach hinten weiter, wo man sie wiederum weitersagte, und so setzte sich das Gelächter wellenförmig über den ganzen Platz fort.

Sallustus schrie etwas in die Menge, aber der Comes schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab. Er wandte sich wieder an den Juden.

»Du beharrtest also auf deiner Forderung.«

»Konnte ich anders, Herr?«

»Nun wurdest du aber allmählich wütend.«

»Nicht ich. Herr Pappolus wurde wütend. Er warf mir sogar die Knochen seines Mahls an den Kopf. Davon war das Gepolter zu hören.«

»Da suchtest du dich zu wehren und erwischtest das Messer.«

»Nein! Ich wich nach der Tür zurück, denn ich sah ein, dass ich nichts mehr erreichen würde. Ich wollte gehen.«

»Doch du bliebst!«

»Er rief mich zurück. Herr Pappolus war mal Regen, mal Sonne. Plötzlich sprach er wieder ganz sanft zu mir. Er sagte: ›Du tust mir leid, Jude, weil du verdammt bist. Deshalb will ich barmherzig sein und auf das Wergeld für unsern Herrn Jesus verzichten. Nicht von mir gehen sollst du auch, ohne zuvor eine milde Gabe empfangen zu haben‹. Bei diesen Worten goss er den letzten Tropfen Wein aus der Kanne in seinen Becher, schob mir die Kanne zu und sagte: ›Nimm sie‹ und aus den geleerten Schüsseln nahm er drei Löffel und sagte: ›Auch die. Nimm sie hin und verschwinde!‹«

»Du behauptest noch immer, dass er dir selbst die silberne Kanne und die drei goldenen Löffel gab, die wir bei dir gefunden haben?«

»Ja, denn es war so.«

Der kleine Priester rief »Lüge!« und stieß ein höhnisches Lachen aus.

»Ich vermute, Tobias«, sagte der Comes, »du hattest jetzt nur noch eines im Sinn: diese ›Geschenke‹ rasch fortzubringen.«

»Sollte ich zögern? Es war dies zwar nur ein Bruchteil dessen, was mir zustand, aber immerhin mehr als nichts. Ich selbst hatte ihm diese Stücke verkauft, aber schon vor längerer Zeit. So nahm ich sie jetzt anstelle des Geldes.«

»Aber um sicher zu gehen, dass er es sich nicht anders überlegte, ergriffst du ein Messer und stießest es ihm in den Rücken.«

»Nein, nein!«, rief der Jude. »Warum denn? So war es nicht! Ich zog mich zurück, habe ihn nicht angerührt. Zuvor nahm ich aber noch einen Griffel und einen Kodex, der da herum lag, und schrieb eine Quittung.«

»Das hast du dir hinterher ausgedacht. Man hätte den Kodex finden müssen.«

»Jemand muss ihn entwendet haben.«

»Ha!«, schrie Sallustus. »Beschuldigst du mich, Jude?«

»Ich beschuldige niemanden, nur einen mir Unbekannten.«

»Ich habe keinen Kodex, dafür aber einen Leichnam gefunden!«

»Das kann ich mir nicht erklären.«

»Und warum hattest du es plötzlich so eilig?«, fragte der Comes.

»Er hatte doch zu mir gesagt: ›Verschwinde!‹ Jetzt winkte er wieder, ich solle gehen. Solange ich bei ihm war, hatte er gegessen und getrunken … nun war er schläfrig geworden. Sein Kopf sank ihm auf die Brust. Ich verbeugte mich also und trat hinaus in die Halle. Als ich aber die Tür öffnen wollte, bemerkte ich, dass sie verschlossen war.«

»Sie war offen!«, fuhr wieder Sallustus dazwischen. »Und hätte er ein reines Gewissen gehabt, wäre er durch die Tür hinaus auf das Forum gegangen und hätte den heiligen Bischof gepriesen … für seine Güte und seine Großzügigkeit. Was aber tat er statt dessen? Er schlich davon! Er verdrückte sich durch die Hinterpforte. Er floh!«

Tobias gab heftige Zeichen des Widerspruchs, setzte auch zu einer Entgegnung an, aber der kleine Priester war jetzt im Schwung. Seine Stimme erhob sich wie eine Kriegstrompete über das Gezirp einer Grille.

»Ich sage Euch jetzt, wie es wirklich war, Herr Graf. Der Herr Bischof hat endlich genug von dem lästigen Gast und fordert ihn auf zu verschwinden. Vielleicht sagt er: ›Komm morgen noch einmal wieder!‹ Vielleicht aber auch nur: ›Geh zur Hölle!‹ Doch der Jude hat sich nun einmal vorgenommen, nicht von der Stelle zu weichen. Er drängt, er droht, er wird unverschämt. Der edle Herr Pappolus sieht sich nach Hilfe um. Er ist allein, keiner der Hausgenossen ist bei ihm. In seiner Verzweiflung nimmt er die ersten besten Wurfgeschosse, die abgenagten Knochen des Bratens. Mit dem Ruf »Weiche, Satanas!« schleudert er sie nach seinem Bedränger. Der aber denkt auch jetzt nicht daran zu weichen. Sein gieriger Blick hat längst die Kostbarkeiten auf dem Tisch des Bischofs erspäht: eine silberne Kanne und goldene Löffel. Sein Entschluss ist gefasst – er greift zu. Der heilige Mann will ihn daran hindern. Da packt der Unhold das Messer und sticht ihn kaltblütig nieder. Jetzt heißt es. Nur fort! Natürlich nicht durch die Haustür. Noch ist es hell, der Platz ist belebt. Man könnte auf ihn aufmerksam werden: wie er davonschleicht, unsteten Blickes, das Raubgut unter dem Mantel versteckt. Zu seinem Glück weiß er im Hause Bescheid. Es gibt eine Gartenpforte, die auf die schmale, stille Gasse hinaus führt. Er eilt durch den Garten, entriegelt die Pforte, tritt auf die Gasse hinaus. Da erstarrt er plötzlich zur Salzsäule. Jemand kommt ihm entgegen – ich selbst bin es! Ich kehre gerade von meinem Kranken zurück, habe den kürzesten Weg durch die Gasse genommen. Trotz des Schrecks bewahrt er mit Hilfe des Teufels die Ruhe. Grüßt und buckelt, drückt sich an mir vorbei und macht, dass er fort kommt. Natürlich packt mich sofort der Argwohn. Ich trete durch die offen gebliebene Gartenpforte. Da ich mich frage, warum sich der Jude durch den Hinterausgang davon stiehlt, eile ich durch die Halle nach der Haustür – und siehe da! Sie ist unverschlossen! Eine schreckliche Ahnung steigt in mir hoch. Die Tür des Speisezimmers ist angelehnt. Ich trete ein. Welch ein Anblick! Der Tisch verwüstet, der ehrwürdige Vater zusammengesunken auf einem Stuhl, das Messer im Rücken, blutüberströmt …«

Sallustus griff sich ans Herz, verdrehte die Augen und wankte. Aber Teut, der hinter ihm stand, packte ihn mit einer Faust am Gewand und hinderte ihn, in Ohnmacht zu fallen.

Tobias benutzte den günstigen Augenblick, um wieder das Wort zu nehmen.

»Aber so war es nicht, Herr Graf! Als ich fortging, war der edle Herr noch am Leben. Und was die Haustür betrifft – sie war verschlossen! Ich ging noch einmal ins Speisezimmer zurück, um Herrn Pappolus zu bitten, dass man mir öffne … aber er war schon fest eingeschlafen. Da kam ich auf den Gedanken, durch den Garten … über die Gasse …«

»Die Tür war offen!«, schrie Sallustus. »Dieser friesische Trunkenbold von Türsteher hatte sie aus Versehen offen gelassen. Wenn Ihr nur zehnmal Luft holt, Herr, braucht Ihr genau die Zeit die ich brauchte, um von der Gartenpforte, wo ich den Juden fliehen sah, in die Halle und an die Tür zu gelangen. Sollte der angeblich nur schlafende Bischof, der Einzige, der noch einen Schlüssel besaß, sich inzwischen erhoben – zur Tür begeben – diese aufgeschlossen und Luft geschöpft – den Schlüssel zurück an den Gürtel gehängt – sich wieder ins Speisezimmer verfügt – und sich dort ein Messer genommen und selbst in den Rücken gestoßen haben? Wollt Ihr an einen solchen Teufelsspuk glauben? Wollt Ihr Euch das von einem weismachen lassen, der zu dem Volk von Lügnern gehört? Zu Leuten, die der heilige Hilarius von Poitiers ein Schlangengezücht und Knechte der Sünde nannte? Die der heilige Augustinus als neunundneunzigmal schlechter als jeden anderen Menschen bezeichnet und die …«

»Aber ich habe es nicht getan!« Die helle Stimme des Tobias wurde jetzt schrill. »Wenn ich so schlecht sein soll, dann beweist es doch! Heißt es nicht auch bei euch Christen, man solle nicht leichtfertig falsches Zeugnis reden? Dieser da redet falsches Zeugnis! Hat er gesehen, wie ich mordete? Waren nicht noch andere im Haus, die es tun konnten? Und konnte er es nicht selber tun, als er hinein ging und Herrn Pappolus friedlich schlummernd auf seinem Stuhl sah? Vielleicht hatte er einen Grund …«

Weiter kam er nicht. Sallustus stieß einen Entrüstungsschrei aus und wollte sich auf ihn stürzen. Teut, Griffo und zwei Schöffen hatten Mühe, ihn zurück zu halten. Auch andere Herren unter den Säulen empörten sich über den Angeklagten, der sich erfrechte, von der Verteidigung zum Angriff überzugehen. Einige riefen, es sei nun genug, man wisse alles und der Comes solle das Urteil verkünden.

Die Menge auf dem Platz enthielt sich dagegen einer klaren Parteinahme. Dieses Stadtvolk hat einen frischen, scharfen Verstand und ein loses Mundwerk. Um uns herum, sogar über unsere Köpfe und Schultern hinweg wurden lautstark Ansichten ausgetauscht und die verschiedensten Vermutungen geäußert. Dabei bekamen wir eine Ahnung, dass dieser Fall ein paar Untiefen hatte, um die man in der Verhandlung sorgsam herum geschifft war.

»Glaubst du wirklich, dass es der Jude war?«

»Eigentlich kann er’s nicht gewesen sein.«

»Stimmt, dazu ist er viel zu schlau. Der weiß, eine geschlachtete Kuh gibt keine Milch mehr.«

»Vielleicht war’s tatsächlich Sallustus. Der ist doch ganz wild darauf, Bischof zu werden.«

»Ach, der denkt doch, er schafft es mit Beten und Kniebeugen.«

»Meiner Meinung nach war es der Koch. Irgendwo hatte er sich versteckt , und als der Jude gegangen war …«

»Es heißt ja, der Bischof wollte ihn fortjagen. Er soll stehlen wie eine Elster … alles, was glänzt …«

»Den Griffo fortjagen? Das hätte Pappolus nie gewagt!«

»Warum denn nicht?«

»Denk mal an seinen Neffen!«

»Na, das könnte auch die Romilda gewesen sein. Die hat doch sogar schon einen Erzbischof auf dem Gewissen.«

»Den hatte sie totgehurt, das war leichter.«

»Wenn die Mutter des armen Jungen noch hier wäre, hätte sie einige schon zum Teufel geschickt.«

»Ja, Pappolus wusste, warum er Fausta ins Kloster steckte.«

»Es heißt, dass sie freiwillig ging. Aber aus Wut!«

Vielleicht kommt sie zurück. Jetzt, wo er hin ist …«

»Dann bleibt der Kebse nur das Kirchenasyl.«

»Teut sagt, einen Wasserfall hätte die um den Alten geheult.«

»Und was ist mit Teut? War der wirklich die ganze Zeit in der Schänke?«

»War er. Wir haben gewürfelt, bis Griffo ihn holte. Teut ist ein ehrlicher alter Friese.«

»Denk daran, dass die Friesen den heiligen Bonifatius umgebracht haben.«

»Ja, weil er ihre Gemütlichkeit störte. Teut würde eher dem Sallustus den Hals umdrehen. Fromme Eiferer kann der nicht leiden.«

»Was habt ihr nur gegen Sallustus? Ich fand es richtig, wie er’s dem Juden gegeben hat.«

»Tobias ist gar nicht übel. Er hat nur einen einzigen Fehler. Er will nicht glauben, dass Gott gegen salisches Recht verstoßen und mit einer Jungfrau einen Sohn gezeugt hat!«

»Du glaubst es wohl auch nicht, du Heidenlümmel?«

»Halt’s Maul! Mich legst du nicht rein, bin ordentlich getauft.«

So also redete dieses freche Stadtvolk und scherte sich nicht einmal um meine Mönchskutte.

Inzwischen war unter den Säulen die Ordnung einigermaßen wiederhergestellt. Der Comes hatte jedoch keine Lust, mit einer Verhandlung fortzufahren, die vielleicht noch unerfreuliche Überraschungen an den Tag gebracht hätte. Wir sahen ihn schon mit den Schöffen reden. Auch Sallustus und andere Geistliche, wohl Chorherren der Bischofskirche, drängten zur Beratung. Odo neigte sich zu mir.

»Freust du dich auch schon, Vater? Gleich werden wir ihn erwischen.«

»Meinst du Magnulf? Wobei erwischen?«

»Einem Willkürurteil aus Habgier.«

»Schon möglich. Aber sollten wir das nicht lieber verhindern? Noch ist Zeit dazu.«

»Warum? Nichts ist vergnüglicher als einen Gauner auf frischer Tat zu ertappen.«

»Aber wenn erst ein Unschuldiger verurteilt ist …«

»Nun, ganz unschuldig ist er ja nicht. Gestohlen hat er auf jeden Fall.«

»Davon bin ich nicht überzeugt.«

»Hast du je von einem Bischof gehört, der Gold und Silber verschenkte?«

»Er war betrunken.«

»So betrunken kann ein Bischof nicht sein.«

»Als Gläubiger hielt sich dieser Tobias …«

»… zu einem kleinen Diebstahl berechtigt. Gleich wird er sehen, was er davon hat. Jetzt hat er die großen Diebe am Hals. Pass auf!«

Der Comes schwenkte seinen Richterstab, und als Ruhe eintrat, verkündete er mit heftig knarrender Stimme das Urteil. Es lautete wie folgt:

Wegen erwiesenen und grausamen Mordes an der geheiligten Person des Bischofs Pappolus habe Tobias, Sohn des Ezechiel, Jude und Handelsmann als Buße ein Wergeld von eintausendzweihundert Solidi zu zahlen. Diese Summe sei vollständig bis zum Ablauf einer Woche, vom Tage der Urteilsverkündung gerechnet, durch die Verwandten des Verurteilten beim Comes Magnulf zu hinterlegen. So lange sei Tobias in Haft zu halten. Erfolge die Zahlung nicht pünktlich, werde die Haft verlängert, das Wergeld aber um wöchentlich sechzig Solidi erhöht. Nach zehn Wochen werde, falls nicht die ganze bis dahin aufgelaufene Summe entrichtet sei, der gesamte Besitz der Familie des Verurteilten eingezogen. Dieser habe, sobald seine Schuld gesühnt sei, mit seinem Anhang die Stadt und das Comitat zu verlassen.

»So nimmt die Gerechtigkeit ihren Lauf«, schloss der Comes. »Ich danke Gott, weil er mir geholfen hat, die Wahrheit zu finden. Geht jetzt nach Hause, Leute!«

»Na also«, sagte Odo und strich sich zufrieden den Schnurrbart. »Jetzt haben wir ihn!«

Kapitel 2

Nach den letzten Worten des Comes erhob sich Lärm und ein heftiges Schieben und Stoßen begann. Die Versammlung löste sich auf. Alle hatten es plötzlich eilig und jeder strebte in eine andere Richtung.

Um den Comes scharte sich gleich ein Kreis Getreuer. Man wechselte, wie es schien, Scherzworte, denn jeden Augenblick brach ein Gelächter los. Niemand hörte auf das Jammergeschrei des Juden, der immer wieder seine Unschuld beteuerte. An den Bettelstab sei er gebracht, heulte Tobias. Er rief einen Mann in der Menge mit Namen, wohl einen Schiffsherrn, und flehte, dieser möge noch eine Woche mit dem Auslaufen warten. Der Mann gab eine grobe Antwort und wandte den Rücken. Schließlich wurde der Jude, protestierend und hoffnungslos Widerstand leistend, von zwei Bewaffneten fortgeschleppt.

Wir kehrten zurück zu unseren Leuten, die am Eingang des Alten Forums gewartet hatten. Ein Haufen Neugieriger, in der Mehrzahl Knechte und Bettler, begaffte uns, unsere Tiere und unsere Ausrüstung aus sicherem Abstand. Man hielt uns wohl für Verwandte des Pappolus, denn einer schrie, wir sollten vom Erbe etwas den Armen geben, die der Bischof immer vergessen habe. Der Pöbel johlte Beifall dazu.

Odo befahl aufzusitzen und wir ritten über den nun fast menschenleeren Platz zum Amtsgebäude des Comes. Mittlerweile hatten sich Magnulf und seine Edlen nach drinnen begeben. Hinter einer der weit geöffneten hohen Türen ertönte ihr fröhliches Stimmengewirr.

Wir ließen Rouhfaz an den Stufen der Kolonnade als Wache zurück. Zu sechst traten wir in die Halle ein – vorn Odo und ich, dann hinter uns Helko, Fulk und die beiden anderen Männer unseres Wachtrupps.

Die Gesellschaft hatte schon Platz genommen und die Becher wurden geschwungen. Bei unserem Eintritt ahmte gerade einer mit fistelnder Stimme das Wehgeschrei des verurteilten Juden nach. Er wunderte sich, dass er keinen Lacherfolg hatte, und als er merkte, dass alle sich nach der Tür wandten, blickte er sich empört zu uns um.

»Heil!«, sagte Odo. »Hoffentlich stören wir nicht, Vermutlich feiern die Herren den Sieg der Gerechtigkeit.«

Die Stille, die jetzt eintrat, war sofort feindselig. Selbst die unempfindlichsten Ohren konnten den schneidend spöttischen Ton, in dem mein Amtsgefährte gesprochen hatte, nicht überhört haben.

Odo durchmaß mit großen Schritten die Halle und trat in die Mitte der Männer, die sich nach und nach von ihren Bänken erhoben.

»Ein wahres Glück, wenn ein Bischof ermordet wird«, fuhr er fort, »und eine Quelle des reinsten Entzückens, wenn sich ein Mörder wie dieser findet. Wie viel wart Ihr ihm schuldig, mein würdiger Herr? Fünfzig Solidi? Hundert? Zweihundert? Und du, mein hoffnungsvoller junger Held? Hast du vielleicht den juwelenverzierten Dolch, der da an deinem Gürtel steckt, noch nicht bezahlt? Oder das silberbeschlagene Zaumzeug deines Pferdes, die brokatene Satteldecke? Hat der Jude etwa auch dich belästigt, indem er vor dir auf Knien rutschte und nach seinem Geld schrie? Gepriesen sei Gott in seiner Allmacht und Güte! Er nahm euch zwar euern geliebten Seelenhirten, doch sorgte er väterlich für Trost, indem er euch gleichzeitig eure Schulden nahm. Und dabei könnt ihr euch noch eurer Schlauheit rühmen! Denn indem ihr den Kerl nicht bezahlt habt, setzt ihr ihn außer Stand, das Wergeld zu hinterlegen – mit der Folge, dass ihr ihn eines Tages wie einen Hund davonjagen könnt. Was kann ein Hund noch von euch fordern? Alle Gaukler und Verwandlungskünstler der Welt würden vor Neid erblassen, wenn sie erführen, wie hier aus Gläubigern Schuldner werden. Eintausendzweihundert Solidi! Euer Comes, der edle Magnulf, hat gleich dreihundert mehr verlangt, als ihm nach dem Gesetz der Franken für einen getöteten Bischof zustehen. Ein kühnes Urteil! Ganz abgesehen von den sechzig Solidi Verzugszins pro Woche, wovon man nirgendwo etwas in den Gesetzbüchern oder Kapitularien findet. Triumph der Weisheit! Denn was nicht gesetzlich erhoben ist, muss man auch nicht dem König geben – der nimmt nur gesetzlich erhobenes Bußgeld. Und weil ihm darüber hinaus nichts zusteht, bekommt er von euch schon lange nichts mehr. Er wundert sich ein bisschen darüber, aber wir können ihn jetzt aufklären. Wir werden ihm sagen, dass seine Justiz ein fleißiger Esel ist, der Goldstücke scheißt … wenn auch nicht gerade in seine Schatztruhe. Genug! Nun, habe ich nicht zu euerm Ruhm schöne Worte gefunden? Das hat mich wahrhaftig erschöpft, mir ist davon ganz übel geworden. Ihr erlaubt wohl, dass ich mich mit einem Trunk stärke!«

Und Odo füllte sich selbst einen Becher mit Wein, nahm erst einen kleinen Schluck, den er kennerisch schmeckte, und goss dann den ganzen Rest in die Kehle hinab.

Fast alle im Saal waren aufgesprungen. Während der Rede meines Amtsgefährten waren sie vor Verblüffung stumm geblieben, mit empört geöffneten Mündern, als hätten sie einen Krampf der Kinnbacken, was man auch Maulsperre nennt. Jetzt aber wurden wütende Reden laut.

»Wer ist dieser Unverschämte?«

»Wo kommt er her? Wer hat ihn gerufen?«

»Was redet er da vom König?«

»Werft den Ehrabschneider hinaus!«

»Nein! Erst soll er tanzen … zur Musik meiner Klinge!«

Vergebens suchten einige, die sich wohl an unseren früheren Besuch erinnerten, die Hitzköpfe zu beruhigen. Mehrere zogen die Schwerter. Der junge Mann, den Odo angesprochen hatte, ein Lockenkopf mit einem hübschen, doch blöden Gesicht, zerschmetterte mit einem Schlag seiner Klinge den Krug, aus dem mein Freund sich gerade nachschenken wollte. Der Wein schwappte über den Tisch und bildete auf dem Fußboden eine Pfütze.

»Das nenne ich Dummheit und Verschwendung!«, rief Odo und stieß einen Seufzer aus. »Viel Arbeit für uns. Wo beginnen? Am besten bei diesem Grünling, dem man das Sparen beibringen muss!«

Er zog blitzschnell das Schwert, und ehe der junge Fant in Stellung gehen konnte, war ihm das seinige aus der Hand geschlagen. Es flog hoch bis an die Decke. Als es herab kam, die Spitze voraus, blieb es zitternd im Holz des Tisches stecken. Der junge Mann aber, der vor Schreck zurück fuhr, rutschte aus und setzte sich in die Weinpfütze.

Wieder erhob sich empörtes Geschrei. Immer mehr Schwerter wurden aus den Scheiden gerissen. Ich wollte vortreten, um zu sprechen und zu verhindern, dass Odos gewagter Begrüßungsangriff nicht wieder gut zu machende Ausmaße annahm. Helko jedoch hielt mich am Arm fest. Er bedeutete mir mit einem Blick, dass es besser sei, jetzt nicht einzugreifen. Odo musste die Meute selber bändigen. Unsere Männer hatten die Hand am Schwertgriff, doch keiner zog blank.

»Meine Herren«, sagte Odo und ließ seinen Blick über die Speerspitzen gleiten, die ihm entgegen starrten, »ich sehe mit Genugtuung, dass sich hier einige schlagen wollen. Das übertrifft meine Erwartungen, denn im Allgemeinen sind Leute, die betrügen und das Recht beugen, die die Unschuld verfolgen und sich an fremdem Gut bereichern, erbärmliche Feiglinge. Umso besser! Mein Schwert ist geschärft und mein Arm ist bereit. Nur leider hat unser Herr König, der mich als missus, seinen Boten, hierher gesandt hat – gemeinsam mit dem Diakon Lupus, den ihr dort an der Tür seht, einem berühmten Rechtsgelehrten – … unser Herr König hat mir nahe gelegt, nicht gleich zu viele von euch totzuschlagen. Denn er hat Hoffnung, dass ihr noch einmal vernünftig werdet, was ich selber freilich bezweifle. Nur einen von euch darf ich auf meine Klinge spießen, den Schlimmsten und Frechsten! Das hat mir der König ausdrücklich zugestanden. Und so schwer es mir fällt, ich werde mich darauf beschränken. Das Bürschlein dort, das den Wein mit dem Hintern schlürft, zählen wir nicht. Es mache sich also ein anderer bereit! Wie gesagt, es muss einer sein, der einem Königsboten und damit dem König selbst von ganzem Herzen die Pest an den Hals wünscht. Ihn darf ich unbedenklich wie eine Wurst behandeln, in Scheiben schneiden und den Hunden zum Fraß geben. Nun? Wer tritt vor? Wer ist der Schlimmste, Gemeinste und Schamloseste von euch Betrügern und Rechtsbrechern? Kein Freiwilliger? Jetzt enttäuscht ihr mich …«

Nach und nach waren die Schwerter unter den Mänteln verschwunden. Die Schultern, die Arme und, wie mir schien, selbst die Schnurrbärte hingen auf einmal ergeben herab. Niemand wollte ein Gegner des Königs sein und sich mit seinem Vertreter schlagen. Odo lachte und fügte hinzu:

»Nun, ich warte! Ihr könnt ja losen. Inzwischen wird wohl der edle Magnus noch Wein kommen lassen … als Willkommenstrunk für meine Gefährten!«

Erst jetzt bemerkte ich hier den Comes. Zweifellos hatte er uns gleich wiedererkannt und sich bei unserem forschen Auftritt, der ihm nichts Gutes verhieß, in eine rückwärtige Stellung begeben. Nun trat er mit schiefem Grinsen hervor, steifbeinig, krumm, wie damals auf seinen Elfenbeinstock gestützt. Aus der Nähe glich dieser alte Wüstling einem morschen Pfahl, den der nächste Sturm umwerfen musste. Noch immer schwärzte und ölte er aber den Bart und wie damals klirrten und rasselten an ihm die zahlreichen Ketten und Reife.

»Heil und Willkommen!«, knarrte er. »Ein überraschendes Wiedersehen! Alte Bekannte! Ich konnte mich aber nicht gleich erinnern. Doch dann fiel mir ein … Herr Odo von Reims, kühner Held und wackerer Zecher. Auch Herr Lupus ist wieder dabei, ein bedeutender Mann, den ich schätze. Diese Herren verstehen, sich Achtung zu verschaffen … haben uns einen tüchtigen Schreck eingejagt. Voller Angriff mit Witz und Feuer! So etwas kann jede Festung erschüttern!«

»Umso mehr, wenn die Mauern schon brüchig sind!«, erwiderte Odo und lachte schallend.

Der Comes entschloss sich mit zu lachen und ließ ein heiseres Krächzen hören.

Nun hielten es auch die anderen für das Beste, in diese Heiterkeit einzustimmen. Grobe Worte war man gewöhnt und dass man das Schwert zog, war ebenso fast ein alltäglicher Vorgang. Ein Mann im Rang eines Königsboten konnte sich wohl erlauben, ein paar kleinen Vasallen, Dorfoberhäuptern und Gutsbesitzern etwas Pfeffer in die Suppe zu streuen. Dies mochte sein üblicher Auftritt sein, die Sprache war die des Königs selbst, der sich vor seinen Untertanen nicht zurückhalten musste. Sie wussten ja, dass sie Gauner waren, nur hatte es sie überrascht, das so deutlich gesagt zu bekommen. Doch da es der Comes nicht übel nahm, taten auch sie lieber so, als habe der hohe Gast sich nur einen Scherz erlaubt.

Es erhob sich also ein großes Gelächter, und diejenigen, die vorher die Schwerter gezückt hatten, waren jetzt die Vergnügtesten. Als sie uns von Herrn Magnulf einzeln vorgestellt wurden, gab es keinen, der sich nicht tief verneigte und freundlich grinste.

Auch Odos Zorn war erst einmal verraucht. Er leerte den zweiten Becher, der ihm beflissen dargereicht wurde, und raunte mir zu:

»Das genügt für den Anfang, Vater, meinst du nicht auch? Sonst machen wir diese Schufte noch misstrauisch.«

Das war natürlich längst geschehen, auch wenn die allgemeine Fröhlichkeit zunächst darüber hinweg täuschte.

Schon kurze Zeit später fanden die Ersten Vorwände, sich zu verdrücken. Nach und nach leerte sich die Halle.

Anfangs hatte der Comes vermutet, wir seien auch diesmal nur auf der Durchreise. Er hatte geglaubt, davon zu kommen, indem er uns ein Nachtquartier, ein üppiges Mahl und ein paar Vergnügungen bot. Vielleicht hatte er auch schon überlegt, welche Geschenke den ungünstigen Eindruck mildern konnten, den seine Prozessführung auf uns gemacht hatte. Es ist betrüblich, doch leider Tatsache, dass viele Amtspersonen sich ihren Gerechtigkeitssinn und Pflichteifer auf diese Art abkaufen lassen. Als der Comes nun aber hörte, dass wir mit einem Mandat für seine Grafschaft kamen, und uns mindestens sechs Wochen hier aufhalten würden, begriff er sogleich, dass die Sache ernst war. Sein munterer Redefluss stockte und man sah ihm an, dass er hastig bedachte, was jetzt zu tun sei.

Nicht anders erging es seinem Gefolge. Die Nachricht sprach sich schnell herum – mit der schon berichteten Wirkung. Es gab nur wenige unter den edlen Herren, die jetzt nicht ein dringendes Geschäft rief. Man konnte erraten, welcher Art dieses war.

Der Vicarius, dessen Gemahlin angeblich in den Wehen lag, würde vielleicht zu einer Brücke eilen, um dort den Posten aufzuheben, der ihm ein unerlaubtes pontaticum eintrieb. Ein von plötzlichem Bauchgrimmen geplagter Steuereinnehmer würde rasch ein paar Zelte und Buden abreißen, und einen Markt verschwinden lassen, dessen Zoll er allein einstrich. Der Gutsherr, der sich um zwei entlaufene Unfreie sorgte, würde möglicherweise zum Spaten greifen und die Truhe vergraben, in der sich die von seinen Hufebauern erpressten Geschenke befanden.

In kurzen Abständen hörten wir die Herren draußen davon galoppieren, und bald waren wir mit dem Comes und einigen wenigen seiner Vasallen allein.

Aber auch wir mussten unsere Maßnahmen treffen. Die offensichtliche Unruhe unserer Gastgeber durfte uns nicht leichtsinnig machen. Odos zorniges Dreinschlagen bei unserer Ankunft, noch unter dem Eindruck des Willkürurteils, hatte zwar nicht seine Wirkung verfehlt, doch fraglich war, ob diese anhielt. Das meiste, was mein Freund vorgebracht hatte, beruhte auf Annahmen. Ich fand, dass er viel zu unvorsichtig gewesen war. Es erschien mir jetzt geradezu als ein Fehler, so rasch und offen Partei genommen zu haben. Waren wir besser als die anderen Gerichtsherren, die fahrlässig und ohne gründliche Prüfung ihre Urteile fällten? Gewiss, wir konnten die Nachlässigkeit der Zeugenbefragung und die Höhe und Härte des Urteils beanstanden, in der Hauptsache aber, der Frage der Schuld, hatten wir keine andere Lösung. Wenn der Jude tatsächlich der Mörder war, wurde auch alles andere unerheblich. Der flammende Zorn der Christen des Comitats über die Tötung ihres Bischofs rechtfertigte die äußerste Strenge. Und konnte man sich dem Argument widersetzen, dass Ungläubige etwas weniger Anspruch auf die Milde des christlichen Rechts haben?

Während Odo dem fast verstummten Comes umständlich und mit Genuss erzählte, wie wir damals auch ohne seine Amtshilfe der Mönchsbande habhaft geworden waren, dachte ich nach. Das Ergebnis war, dass nur der Beweis der Unschuld des Kaufmanns unsere Glaubwürdigkeit erhalten konnte. Sonst waren wir nur lärmende Wichtigtuer, über die man im Stillen lachen konnte. Und denen man früher oder später vorwerfen würde, dass ein Irrtum im Allgemeinen Geschwister hat. Odos Ungeduld, es dem Comes Magnulf zu zeigen, hatte uns in eine schwierige Lage gebracht.

Wenn Beweise für die Unschuld des Juden vorhanden waren, musste man sie im Hause des Bischofs suchen. Ich warf deshalb die Frage auf, wo wir Quartier beziehen würden. Wie zu erwarten, bot uns der Comes sein Haus an, allerdings sichtlich ohne Begeisterung. Da gab ich listig zu bedenken, dass die Beherbergung von Königsboten an Orten mit geteilter Autorität geteilte Pflicht der Autoritäten sei, des Bischofs ebenso wie des Comes. Zwar sei nun der Bischof infolge der Abberufung in die ewige Seligkeit nicht mehr gegenwärtig, doch sei die Quartierpflicht damit nicht aufgehoben, weil sie das Amt, nicht die Person betreffe und auch für Zwischenzeiten gelte, in denen das Amt nicht besetzt sei.

Dazu nickte der Comes eifrig und sagte, dass infolge besagter Abberufung im Hause des Bischofs mehrere schöne Räume frei seien, bestens geeignet für hohe Gäste, so als habe der edle Pappolus sich eigens hinweg begeben, damit jene in seinem Hause alle Bequemlichkeiten fänden. Wir beantworteten diesen eigenartigen Scherz nur mit mattem Gelächter, und der Comes beeilte sich, weitere Vorzüge des bischöflichen Hauses zu benennen: die Nähe der Kirche für die Andacht; die Beschaulichkeit des Gartens; die Sicherheit hinter den steinernen Mauern; schließlich drei vorzügliche Diener: den zuverlässigen Türhüter Teut, den kunst- und erfindungsreichen Koch Griffo, nicht zuletzt die Romilda, erfreulich anzusehen und vielseitig dienstbar. Dabei kniff der alte Lüstling bedeutsam ein Auge zu. Ich brauche wohl kaum zu bemerken, dass Odo nicht erst überzeugt werden musste, sondern gleich ungeduldig zum Aufbruch drängte.

Es wurde beschlossen, dass außer ihm und mir auch Helko und Rouhfaz im Hause des Bischofs wohnen, die anderen drei aber beim Comes Quartier nehmen sollten. Dies begründeten wir mit einer Vorschrift, die wir rasch eigens dazu erfanden. Natürlich sollten Fulk und die beiden anderen Männer ein wachsames Auge auf Magnulf und die Vorgänge in seinem Hause haben.

So glaubte ich, dass alles bestens geordnet war. Wäre ich weniger schlau gewesen! Noch ahnte ich nicht, was ich uns – vor allem meinem Freund Odo – damit erspart hätte.

Kapitel 3

Zwischen zwei Doppelsäulen, die den Eingang flankierten, betraten wir das Haus des Entseelten.

Die Tür stand halb offen. Niemand empfing uns. Der Türhüter war nicht auf seinem Posten.

Von einem schmalen Vestibül führten drei Stufen hinauf in die Halle. Dies war ein großer, kahler Raum mit einem schönen, wenn auch schon etwas schadhaften Mosaikfußboden und Marmorbänken an den Wänden. Über die schmale Terrasse gelangte man in einen verwilderten Garten. Hühner und Gänse, die ungehindert von dort herein spazierten, ergriffen bei unserem Eintritt die Flucht. Ein paar arg beschädigte Bildwerke, wohl noch aus römischer Zeit, standen in einer Ecke herum. Ein kleines Kreuz, das neben einer geschlossenen Tür hing, war alles, was daran erinnerte, dass wir uns im Haus eines Bischofs befanden.

Es war diese Tür, hinter der wir Stimmen vernahmen. Ein heftiger Wortwechsel war im Gange. Ein Mann und eine Frau – wir ahnten gleich, um wen es sich handelte – schrien gegeneinander an, sodass die verzerrten Stimmen sich mischten und, da auch die Tür ihre Reden dämpfte, kaum etwas zu verstehen war. Wir hörten nur einzelne Worte und Rufe wie »Dieb!« – »Hure!« – »Lass los, du Verbrecher!« – »Verrecken sollst du!« Die Begleitmusik war ein Rumoren und Poltern.

Odo und ich tauschten einen Blick und schritten rasch auf die Tür zu. Mein Freund stieß sie auf und wir blickten auf eine abstoßende Szene.

Griffo, der Koch, hatte Romilda am Hals gepackt und würgte sie. Kehlige Laute ausstoßend, presste sie einen silbernen Handspiegel an sich, den sie offenbar nicht hergeben wollte. Die dritte Person im Raum war der Türsteher Teut, der Griffo von hinten umklammert hielt und von der Dienerin wegzerren wollte. Die drei nahmen uns zunächst nicht wahr. Würgend, schreiend, stöhnend, schiebend und stoßend bewegten sie sich als ein menschliches Knäuel hin und her. Endlich rief Odo:

»Schluss damit!«

Erschrocken warfen sie die Köpfe herum und fuhren auseinander. Wir befanden uns zweifellos in dem Speisezimmer, in dem Bischof Pappolus ermordet worden war. Ein wuchtiger Tisch beherrschte den Raum. Teppiche bedeckten Wände und Fußboden. Ein Schrank mit Geschirr und Hausrat stand offen. Auch eine Truhe in der Ecke war aufgeklappt. Auf einem hohen geschnitzten Stuhl lag ein zur Hälfte gefüllter Sack, aus dem wir edles Metall schimmern sahen. Unter dem Stuhl war ein dunkler Fleck auf dem Teppich, der unübersehbar an die Bluttat erinnerte.

»Hier befehlen von jetzt an die Vertreter des Königs!«, donnerte Odo, die Fäuste in die Seiten gestemmt. »Und wer es wagt, zu lärmen, zu stehlen und zu würgen, wird auf der Stelle aufgeknüpft! Willst du der Erste sein, Schurke?« fuhr er gegen den Koch los. »Was treibst du? Warum greifst du sie an? Rede! Lass hören!«

»Sie … sie soll das hergeben … es gehört mir!«, stotterte Griffo.

»Herr!«

Romilda war mit zwei Schritten bei Odo und warf sich ihm an die Brust.

»Ich bitte Euch, schützt mich vor diesem Unhold! Er stiehlt, was ihm in die Hände fällt und will sich davonmachen. Auch was mir der Bischof versprochen hat, will er …«

»Mir hat er’s versprochen!«, schrie der Koch.

»Er lügt!«