Planetenroman 59 + 60: Im Bann des Kometen / Geiseln der Sterne - Falk-Ingo Klee - E-Book

Planetenroman 59 + 60: Im Bann des Kometen / Geiseln der Sterne E-Book

Falk-Ingo Klee

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Beschreibung

Die Geschichte der Menschheit ist eng mit der Person Perry Rhodan verknüpft. Oft steht er an den Mittelpunkten galaktischen Geschehens und muss seine Fertigkeiten zum Wohle seines Volkes einsetzen. So auch hier: Der Notruf eines Forschungskreuzers veranlasst Perry Rhodan, mit seinem Flaggschiff MARCO POLO nach dem Rechten zu sehen. Dabei werden die Terraner in einen Weltraumkrieg verwickelt, dessen Kontrahenten keine Gnade kennen ... Während des Wahlkampfs besucht Perry Rhodan auch den Planeten Fido IV. Ausgerechnet auf der Vergnügungswelt geschieht das Unfassbare: Der Großadministrator gerät in die Gewalt von Entführern ...   Diese beiden Romane bilden die einzigen Beiträge von Falk-Ingo Klee zu den PERRY RHODAN-Planetenromanen. Wir drucken sie hier zum ersten Mal seit ihrer Erstveröffentlichung nach.

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Band 59/60

Im Bann des Kometen

Geiseln der Sterne

Falk-Ingo Klee

Unser Mann im All

Die Geschichte der Menschheit ist eng mit der Person Perry Rhodan verknüpft. Oft steht er an den Mittelpunkten galaktischen Geschehens und muss seine Fertigkeiten zum Wohle seines Volkes einsetzen. So auch hier:

Der Notruf eines Forschungskreuzers veranlasst Perry Rhodan, mit seinem Flaggschiff MARCO POLO nach dem Rechten zu sehen. Dabei werden die Terraner in einen Weltraumkrieg verwickelt, dessen Kontrahenten keine Gnade kennen ...

Während des Wahlkampfs besucht Perry Rhodan auch den Planeten Fido IV. Ausgerechnet auf der Vergnügungswelt geschieht das Unfassbare: Der Großadministrator gerät in die Gewalt von Entführern ...

Inhaltsverzeichnis

Erstes Buch

Im Bann des Kometen

Zweites Buch

Im Bann des Kometen

Wahlkampf im Solaren Imperium

Das »späte« Solare Imperium mag kein »idealer Staat« im Sinne utopischer Philosophien gewesen sein. Es war aber auch weit entfernt von den zahlreichen Negativbeispielen der menschlichen Geschichte. Es verstand sich schon seit seiner Gründung am 1. Januar 1990 stets als starke, wehrhafte Demokratie, wenngleich sein Demokratieverständnis keineswegs das einzig denkbare darstellte: So verfügten weder das Volk selbst (wie in einer direkten Demokratie) noch das Parlament (wie in einer parlamentarischen Demokratie) in wesentlichen Bereichen über nennenswerte direkte Macht, sondern diese stand einer – gewählten – kleinen Gruppe von Personen zu. Diese wurden aber durch eine Reihe von Kontrollmechanismen an die Wünsche der Bürger gebunden.

Umso mehr Bedeutung kam dem Posten des Großadministrators zu, der alle sechs Jahre in direkter Personenwahl bestimmt wurde. Entsprechend darf es nicht verwundern, dass sich auch ein ausgewiesener »Tatmensch« wie Perry Rhodan in regelmäßigen Abständen um seine Wiederwahl Gedanken machen und in den Wahlkampf ziehen musste. Für ihn kam erschwerend hinzu, dass er sich nie des Apparats einer eigenen Partei bediente, sondern sich stets auf einer sehr inhomogene Menge von Anhängern verließ, die der Volksmund als Rhodanisten bezeichnete und die den verschiedensten politischen Strömungen angehörte.

In der Zeit der vorgezogenen Neuwahlen nach der Schwarmkrise am 1. August 3444 waren zum ersten Mal seit der Wahlreform vom 30. April 2930, also seit 500 Jahren, wieder alle Bürger des Solaren Imperiums wahlberechtigt – etwa eine Billion Menschen. Davor war aufgrund der Zersplitterung des Imperiums durch die Anti-Terranische Koalition und den Abfall weiterer Kolonialwelten das Wahlrecht nur den Einwohnern des Solsystems gewährt, die als einzig legitimer Rechtsnachfolger des Imperiums angesehen wurden.

Das Wahljahr 3444 wurde in jeder Hinsicht zu einer Belastungsprobe. Die Ereignisse um die »Altmutanten« ließen Perry Rhodan wenig Zeit für einen Wahlkampf, der es ihm erlaubt hätte, sich mit den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen bezüglich Fehlverhaltens während der Schwarmkrise auseinanderzusetzen.

Für die Wahlen zum Großadministrator stellten sich annähernd drei Dutzend Kandidaten zur Wahl, davon vier Frauen. Die meisten Kandidaten waren von vornherein chancenlos, das Favoritenfeld verkürzte sich schon bald auf vier Personen: Munisho Aerce, seit den planetaren Wahlen vom Januar Regierende Obfrau von Plophos, Merytot Bowarote, seit den Januar-Wahlen Administrator von Terra, wobei er diese Wahlen vor allem dank der Unterstützung Perry Rhodans und der Rhodanisten gewinnen konnte, Bount Terhera, der als Mann der harten Linie galt, und der Amtsinhaber, Perry Rhodan, dessen Anhänger ihn in ihren Kampagnen aufgrund seiner fast 1500-jährigen Erfahrung rühmten und die mehr oder weniger offen ein »weiter so« forderten.

Trotz eines fast ausgebliebenen Wahlkampfes wurde Perry Rhodan am 1. August mit einer fast 80-prozentigen Mehrheit wiedergewählt. Es gilt allgemein als gesichert, dass ein auf ihn verübtes Attentat am Wahltag, das von einer nicht gefassten Verschwörergruppe vorgeblich im Auftrag Bount Terheras ausgeübt wurde, ihm an diesem Tag die Wiederwahl sicherte. Auch in den Wahlen der Jahre 3450 und 3456 wurde Rhodan mit großen Mehrheiten bestätigt, wobei die jeweiligen Wahlkämpfe deutlich ruhiger waren.

Zu weiteren Wahlen kam es aufgrund der Versetzung der Erde in den Mahlstrom der Sterne im Jahr 3460 nicht mehr. Formal erlosch das Solare Imperium mit dem Zusammentritt der verfassungsgebenden Versammlung des Neuen Einsteinschen Imperiums (NEI) auf Gäa im Jahre 3499.

1.

Tausende von Lichtjahren von Terra entfernt, abseits der üblichen Routen, bewegte sich ein einsamer Raumer durch das unendliche All. Seine Kugelform ließ erkennen, dass er irdischer Konstruktion war.

Das einhundert Meter durchmessende Schiff war vom Typ her ein Leichter Kreuzer, der jedoch für seine besondere Aufgabe entsprechend umgebaut worden war. Zwar verfügte es, wie seine militärischen Pendants auch, über sechs NUG-Triebwerke und zwei Kompakt-Waringer, die ihm eine Reichweite von drei Millionen Lichtjahren verliehen, doch seine Bewaffnung war auf eine Transformkanone in der unteren Polkuppel reduziert worden. Dafür hatte man das technische Instrumentarium um einige spezielle Anlagen erweitert.

Das Vermessungsschiff mit dem Eigennamen GUIDE war in einem Sektor unterwegs, der nur sporadisch angeflogen wurde und von dem entsprechend wenig Informationen vorlagen. Die GUIDE sollte nun Daten sammeln und Sonnensysteme katalogisieren, um auf dieser Basis exakte Sternenkataloge anzufertigen. Dementsprechend bestand die sechzigköpfige Besatzung vornehmlich aus Männern und Frauen, die sich mit Astronomie, Astrophysik, Mathematik und tangierenden Wissenschaften beschäftigten.

Kommandant des Forschungskreuzers war der vierundsechzigjährige Valante Menaras, ein kleiner, quirliger Südeuropäer im Rang eines Captains. Er besaß zwar auch eine spezielle Vorbildung, die ihn befähigte, »astronomisch« zu denken, doch seine Hauptaufgabe bestand in der Führung des Raumschiffs.

Im Augenblick hielt die GUIDE auf einen Stern zu, der 2,7 Lichtjahre entfernt und in den Kartentanks nicht verzeichnet war. Wie erste Messungen ergeben hatten, handelte es sich bei dem Gestirn um einen G-Typ, der von zwölf Planeten umkreist wurde. Aufgrund der Fernortung konnte man davon ausgehen, dass sich drei Planeten, deren Durchmesser zwischen denen von Mars und Erde schwankte, in der Ökosphäre befanden. Es war also durchaus möglich, dass man auf intelligentes Leben traf.

Das bestätigte sich, als die Funkzentrale meldete, einfach lichtschnelle Sendungen empfangen zu haben, deren Ursprung eindeutig in dem betreffenden System zu finden war; allerdings gelang es nicht, sie zu entschlüsseln.

Gleich darauf gab die Ortungsabteilung durch, Impulse aufgefangen zu haben, die unzweideutig energetischer Natur waren und keinesfalls eine natürliche Ursache haben konnten.

Menaras' Gesicht verdüsterte sich. Verärgert schaltete er eine Verbindung zur Ortungsabteilung.

»Was soll der Unsinn?«, rief er ärgerlich. »Ich will brauchbare Daten haben und keine vagen Aussagen.«

»Die überlichtschnellen Taster sind ausgefallen«, gab ein Techniker zurück. »Wir sind bemüht, den Fehler zu finden und den Defekt zu beheben.«

»Sauber«, schnaubte der Captain und schaltete ab. »Ein Forschungskreuzer mit ausgefallenen Ortungsanlagen hat den gleichen Wert wie ein Kampfrobot ohne Waffen.«

»Nun regen Sie sich doch nicht auf, Captain, schließlich läuft uns das Sonnensystem nicht davon.«

»Ich verbitte mir Ihre dummen Bemerkungen, Helton.«

Leutnant Friis Helton-Nuth, ein hagerer Australier und zwei Köpfe größer als der Captain, war Menaras' Stellvertreter. Die barsche Zurechtweisung ließ ihn zusammenzucken.

»Was gedenken Sie zu tun, Sir?«

»Jedenfalls werde ich nicht warten, bis wir schwarz werden. Wer weiß, wie lange unsere findigen Spezialisten brauchen, um das Ding wieder in Betrieb nehmen zu können.«

Nachdenklich betrachtete Helton-Nuth die eingespielten Daten auf dem Schirm.

»Es sieht so aus, als hätten dort gewaltige Explosionen stattgefunden – vielleicht eine Raumschlacht.« Unbehaglich kratzte er sich am Kopf. »Wir sollten vorsichtig sein.«

»Warum, Helton, glauben Sie, bin ich Kommandant dieses Raumers geworden?« Der Captain fuchtelte aufgeregt mit seinen Händen herum. »Vielleicht, weil ich ein Heißsporn bin?«

»Nein, aber ...«

»Reden Sie mir nicht ungefragt dazwischen, Helton. Also: Man hat mir diesen Posten anvertraut, weil ich ein zuverlässiger und verantwortungsbewusster Mann bin. Ich verstehe es, strategisch zu denken und unnötige Risiken zu meiden. Das, Helton, ist mir von all meinen Vorgesetzten bescheinigt worden, und steht auch so in meiner Personalakte.«

»Ich weiß, Captain, Sie erwähnen es bei jeder Gelegenheit.«

»Ihr Zynismus ist völlig unangebracht«, wies Menaras den Jüngeren erneut zurecht. »Wenn Sie mich und meine Beurteilung kennen, wie Sie behaupten, was ist dann in Sie gefahren, mich belehren zu wollen?«

Friis Helton-Nuth machte ein sauertöpfisches Gesicht.

»Es war nicht meine Absicht, Sie zu bevormunden, Captain.« Geschraubt setzte er hinzu: »Ich habe mir lediglich erlaubt, auf einen merkwürdigen Tatbestand hinzuweisen und meine Meinung dazu zu sagen.«

Valante Menaras baute sich vor dem hageren Terraner auf und blickte ihn streng an.

»Sind Ihre Worte als eine Art Entschuldigung zu verstehen, Helton?«

»Wenn Sie es so wollen – ja, Captain.«

»Manchmal denke ich, dass Sie nicht Fisch und nicht Fleisch sind, Leutnant, dennoch nehme ich Ihre Entschuldigung an.«

»Danke, Sir«, sagte Helton-Nuth griesgrämig. »Ist es Ihnen recht, wenn ich die Daten ausblende?«

»Natürlich«, lautete die gönnerhafte Antwort. »Schließlich sind sie fast drei Jahre alt.«

»Wieso?«, fragte der sommersprossige Australier irritiert. »Wir haben sie doch erst vor ein paar Minuten empfangen.«

»Helton, nicht einfach so dahinplappern, sondern erst mal die kleinen grauen Zellen in Bewegung setzen.«

»Ich verstehe, Captain.« Der Leutnant wirkte zerknirscht. »Die Impulse, die wir geortet haben, sind ja nur lichtschnell, und wir sind von der Quelle dieser Impulse noch zweikommasieben Lichtjahre entfernt.«

Menaras rieb sich die Hände. Es bereitete ihm immer wieder ein geradezu diebisches Vergnügen, seinen Untergebenen zu beweisen, wie überlegen er ihnen in seinen Augen war. Diese Manie rührte vor allem daher, dass er mit seinen einhundertneunundsechzig Zentimetern Körpergröße alles andere als Gardemaß besaß. Ein Ertruser, mit dem er zusammen auf der Raumakademie gewesen war, hatte ihn sogar einmal scherzhaft als Siganesen bezeichnet, worauf Menaras dem Umweltangepassten empfohlen hatte, sich operativ verkleinern zu lassen, damit er seine »lange Leitung« verlöre. Zum Glück für den Terraner hatte der Ertruser darauf verzichtet, diese boshafte Bemerkung »körperlich« zu ahnden.

Nun, wo er seinen Spaß gehabt hatte, wurde der Kommandant der GUIDE übergangslos wieder ernst. Er ließ sich in seinem Sessel nieder und schaltete die Rundrufanlage ein.

»Wir führen jetzt einen kurzen Linearflug durch. Es ist zu vermuten, dass in dem nach seinem Entdecker Mono genannten Sonnensystem Lebewesen existieren, die möglicherweise über Raumschiffe verfügen. Ich ordne daher Alarmstufe 1 an. Ende.«

Der Captain schaltete ab und lehnte sich zurück.

»Na, Helton, sind Sie mit mir zufrieden?«, fragte er spöttisch.

»Ja, nur eine kleine Einschränkung möchte ich machen. Der Astronom, der den Stern als erster entdeckte, heißt nicht Mono, sondern Monopoulidis.«

»Jetzt lassen Sie mich gefälligst mit diesen Haarspaltereien zufrieden, Helton, ich habe zu tun. Und Sie sollten sich auch endlich um die Dinge kümmern, für die man Sie bezahlt.«

Verbissen machte sich der Leutnant an seinem Schaltpult zu schaffen. Menaras vermerkte es mit Wohlwollen und wandte sich dem Piloten zu.

»Unsere Wissenschaftler können nur optimal arbeiten, wenn sie detaillierte Messungen anstellen können. Dem steht als Priorität die Sicherheit dieses Schiffes gegenüber. Es ist denkbar, dass in dem System eine bewaffnete Auseinandersetzung stattgefunden hat, aber Raumschlachten dauern nicht drei Jahre. Ich glaube, es ist ein vertretbarer Kompromiss, wenn wir eine Lichtstunde Abstand halten. Damit befinden wir uns noch knapp eine halbe Astronomische Einheit jenseits der äußersten Planetenbahn.«

Der Pilot nickte zustimmend. Auf eine solch kurze Distanz war ein derart präzises Flugmanöver durchaus durchführbar. Mit flinken Fingern gab er die erforderlichen Daten in die Speicher des Autopiloten ein.

Mit neunzig Prozent LG bewegte sich die GUIDE durch das Einstein-Universum. Ohne sonderlichen Energieaufwand wechselte sie in das übergeordnete Kontinuum über und fiel wenige Sekunden später in den Normalraum zurück. Automatisch wurde sie mit hohen Werten abgebremst, gleichzeitig bauten sich ihre Schirmfelder auf.

Noch bevor sich die Terraner über das gelungene Manöver freuen konnten, gellten Alarmsirenen durch das Schiff. Der Forschungskreuzer war inmitten eines Chaos materialisiert. Der Weltraum schien zu brennen. Gluthelle Energiebahnen rasten durch die Schwärze des Alls und ließen die Sonne verblassen. Mindestens zweihundert Raumschiffe lieferten sich einen erbitterten Kampf. Das Gros befand sich in Höhe der äußersten Planetenbahn.

»Bei allen Raumgeistern«, entfuhr es Menaras. »Da sind wir ja in etwas Schönes hineingeraten.«

Die Ortungszentrale meldete sich.

»Ja?«

»Die Taster sind wieder einsatzbereit.«

»Blödmann«, brummte der Captain und unterbrach die Verbindung. »Draußen ist der Teufel los, und der Kerl faselt etwas von seinen dämlichen Tastern.«

»Was sollen wir tun, Captain? Beobachten?«

»Nein, die Gegend ist mir zu heiß, Helton. Wir verschwinden wieder, sobald wir einige Grobdaten haben. Schließlich ist die GUIDE kein Schlachtschiff.«

Mit gemischten Gefühlen betrachtete der Kommandant die hereinkommenden Bilder. Noch ließen sie die Flotten aus keilförmigen Schiffen und an Katamarane erinnernde Doppelrumpfraumer unbehelligt, aber wetten, dass es so bliebe, wollte er nicht.

Beide Schiffstypen hatten in etwa das Volumen eines Leichten Kreuzers und schienen sich ziemlich ebenbürtig zu sein. Nur einmal wurde registriert, dass der Schutzschirm eines Doppelrumpfraumers zusammenbrach. Mit einem materialzermürbenden Manöver zog er sich hinter die eigenen Reihen zurück.

Menaras rief in der Astronomischen Abteilung an.

»Was ist, seid ihr endlich fertig?«

»Noch ein paar Minuten, Sir. Die starken Entladungen verfälschen einige Messdaten, so dass wir Mehrfachortungen durchführen müssen.«

»Wenn der GUIDE etwas passiert, reiße ich Ihnen persönlich den Kopf ab, Schmidt. Sie haben noch zweihundert Sekunden, dann setzen wir uns ab.«

»Sie sind auf uns aufmerksam geworden, Captain!«, rief Helton-Nuth.

Alarmiert blickte der Kommandant zum Schirm. Gut ein Dutzend Schiffe des keilförmigen Typs nahmen Fahrt auf und hielten eindeutig auf den terranischen Forschungskreuzer zu.

»Na, los, Mann, worauf warten Sie denn noch?«, herrschte Menaras den Piloten an. »Wir ziehen uns zurück. Geben Sie alles, was Sie haben, auf die Triebwerke.«

»Gewiss, Sir!«

Da die Verbindung zur Astronomischen Abteilung noch nicht unterbrochen worden war, hatten die Wissenschaftler mithören können.

»Aber die zweihundert Sekunden sind noch nicht um«, beschwerte sich Vincent Schmidt.

»Das kümmert mich im Moment einen Dreck«, schnauzte Menaras. »Jetzt geht es um die GUIDE – und um sonst nichts!«

»Soll ich einen Warnschuss abfeuern lassen?«

»Sind Sie von Sinnen, Helton? Wir unterlassen jede Provokation.«

Der Captain hatte kaum ausgesprochen, als es bei den Keilschiffen aufblitzte. Mehrere Treffer erschütterten den Forschungskreuzer, doch die Schirme hielten.

»Was ist denn, Mac? Warum sind wir noch nicht hier weg?«

»Es geht nicht schneller, Sir.«

Der Pilot deutete auf seine Instrumente. Die Anzeigen hatten teilweise die Höchstmarken schon überschritten, Batterien von Lämpchen blinkten in bedrohlichem Rot. Das Heulen der überlasteten Aggregate drang bis in die Zentrale.

Die Angreifer drittelten sich und führten eine Zangenbewegung aus. Sechs, sieben Schiffe begannen, gleichzeitig im Takt zu feuern. Wie gebannt blickte der Captain auf den Schirm, seine schweißnassen Hände verkrampften sich.

Mehrere Salven trafen die GUIDE. Das Schiff wurde durchgerüttelt, schien sich aufzubäumen. Die Schirmfelder flackerten und drohten, instabil zu werden. Das Wimmern von Alarmsirenen erfüllte den Raumer, Sicherheitsschotte knallten zu.

»Wir müssen im Linearraum sein, bevor sie uns von drei Seiten unter Feuer nehmen«, stieß Menaras gepresst hervor. »Helton, Einsatz der Transformkanone.«

Der Leutnant gab den Befehl weiter. Gleich darauf verließ ein Geschoss mit einem Abstrahlkaliber von tausend Gigatonnen das Geschütz, wurde entmaterialisiert und erreichte mit Überlichtgeschwindigkeit sein Ziel. Dort wurde es wiederverstofflicht und explodierte. Wo sich eben noch ein Keilschiff befunden hatte, entstand eine Miniatursonne, die mit rasender Geschwindigkeit expandierte.

Die Gegenseite blieb davon unbeeindruckt. Zwar waren ihre Raumer deutlich zurückgefallen, doch das hinderte sie nicht daran, aus allen Rohren zu schießen. Unvorstellbare Energien wurden freigesetzt. Ruckartig stiegen die Werte für die Belastung der Defensivsysteme auf einhundertsechzig Prozent – die Schirme brachen zusammen.

Friis Helton-Nuth stöhnte auf. Noch sieben Sekunden bis zum Überwechseln in den Rettung versprechenden Linearraum, sieben lächerliche Sekunden, die in einer Situation wie dieser zur Ewigkeit werden konnten und über Leben und Tod entschieden. Mit einer Beschleunigung von 800 km/sec2 raste die GUIDE aus dem System heraus und versuchte, ihren Verfolgern zu entkommen.

»Notruf absetzen!«, krächzte Menaras.

Sein gebräuntes Gesicht war kalkig weiß. Wie erstarrt saß er in seinem Sessel. Wenn die GUIDE jetzt noch einen Treffer erhielt, war es aus, und um die Raumanzüge anzulegen, reichte die Zeit nicht mehr. Hatte er versagt? War er zu leichtsinnig gewesen?

Noch fünf Sekunden. Der Hilferuf des terranischen Forschungsraumers ging über die Hyperfunkantennen hinaus. Ein weiteres Keilschiff wurde vernichtet.

Nur noch vier Sekunden. Nur noch? Immer noch. Pico- und Nanosekunden waren auf einmal Größen, die der Verstand förmlich messen konnte. Im Rund der Zentrale herrschte ein Höllenlärm, aber niemand registrierte das Tosen der Meiler.

Noch drei Sekunden. Wieder blitzte es drüben auf, eine Wand aus Feuer schob sich auf die GUIDE zu, dann hüllte sie eine wabernde Lohe ein. Die Filter vor den Optiken vermochten es nicht, die Helligkeit auf ein erträgliches Maß abzumildern. Valante Menaras schrie gellend auf ...

2.

Perry Rhodan hatte sich zusammen mit Reginald Bull in einen kleinen Konferenzraum zurückgezogen, wie es sie zu Dutzenden an Bord der restaurierten MARCO POLO gab.

Man schrieb auf der Erde das Jahr 3449, genauer gesagt den 14. April 3449. Es war eine Zeit des Friedens und des Aufbaus. Seit den Ereignissen mit den Paramags und dem WABE 1000 genannten PEW-Meteoriten sowie Rhodans Sieg über Marschall Bount Terhera waren mittlerweile fast fünf Jahre vergangen. Noch waren nicht alle Spuren der Verdummungskatastrophe beseitigt, die der Einbruch des Schwarms vor rund zehn Jahren verursacht hatte, aber es ging deutlich bergauf. Der Großadministrator hatte Zeit, sich um sein Staatsamt zu kümmern, und das tat er auch. Zusammen mit Bull und einigen Vertrauten, darunter Gucky und Ras Tschubai, hatte er New Hongkong besucht und befand sich nun mit der MARCO POLO auf dem Rückflug zur Erde.

»Ob einhunderttausend Wählerstimmen den Aufwand gelohnt haben?«, fragte Bull spöttisch. »Oder denkst du an Sand-Importe von diesem Wüstenplaneten nach Terra?«

»So stellt sich die Frage wohl nicht.« Rhodan blickte sein Gegenüber ernst an. »Gewiss, New Hongkong ist für uns wirtschaftlich nicht interessant, aber von strategischer Bedeutung. Und was die Wähler betrifft, mein Lieber, da bist du auf dem berühmten Holzweg, denn es gibt Welten, die mir diesbezüglich nützlicher sind. Nein, es geht mir darum, den Leuten zu zeigen, dass sie zu Terra gehören, dass sie Menschen sind wie wir, dass wir sie nicht vergessen haben. Was wären wir ohne die Kolonialplaneten?«

»Nun gut, aber diese langweilige Besichtigungswoche hätten wir besser nutzen können. In einem guten Jahr sind Neuwahlen für das Amt des Großadministrators, und du hast nichts anderes zu tun, als durch Sandgänge zu kriechen und dir etwas über den Anbau von Wüstenspringmäusen anzuhören.«

»Wüstenspringmais«, korrigierte Rhodan und lachte.

»Das habe ich doch gesagt.«

»Nein, du hast von ›Wüstenspringmäusen‹ gesprochen.«

»Da siehst du, wie konfus mich diese Ödwelt gemacht hat«, beklagte sich Bull. »Wäre ich nur zu Hause geblieben!«

»Du übertreibst wie immer. So schlimm war es doch nun wirklich nicht.«

Das Interkomgerät sprach an und unterbrach das Geplänkel der beiden Männer. Als Rhodan auf Empfang ging, stabilisierte sich das Bild von Oberst Elas Korom-Khan, den Kommandanten der MARCO POLO, auf dem Schirm.

»Ja, was gibt es?«

»Ich störe Sie nur ungern, Sir, aber ich dachte, es würde Sie interessieren.« Der braunhäutige Terraner wirkte kühl und gelassen wie immer. »Bei einem Orientierungsaustritt aus dem Hyperraum vor drei Minuten haben wir verzerrte Hilferufe eines terranischen Raumers empfangen. Es handelt sich dabei um die GUIDE, einen Forschungskreuzer.«

»Gab er seine Position durch?«

»Nein, aber wir konnten den Standort grob anpeilen. Der Sektor ist so gut wie unbekannt.«

»Haben Sie versucht, mit der GUIDE Kontakt zu bekommen?«

»Ja, aber vergeblich. Die Sendung brach schon ab, als wir noch auf Empfang waren.«

»Entfernung?«

»Eintausendeinhundertvier Lichtjahre mit einer Toleranz von plus/minus einem Prozent«, gab der Emotionaut ebenso knapp zurück.

»Wir sehen nach. Vielleicht können wir dem in Not geratenen Schiff noch beistehen oder zumindest der Besatzung helfen.«

»In Ordnung, Sir. Ich werde alles veranlassen.«

»Vergessen Sie nicht, Terra zu informieren, dass wir später als geplant ankommen werden.«

»Ja, Sir.«

Der Schirm wurde dunkel. Korom-Khan hatte die Verbindung getrennt.

»Eine merkwürdige Sache, findest du nicht auch?«

Reginald Bull nickte.

»Kennst du die GUIDE?«

»Das wäre zuviel gesagt.« Der Aktivatorträger fuhr sich durch das kurzgeschnittene Haar. »Ich weiß nur, dass es sich um eins der Kartographenschiffe handelt – du weißt doch, diese umgebauten Leichten Kreuzer.«

»Ja, das ist mir bekannt.« Rhodan erhob sich aus seinem Sessel und ging auf und ab. »Was mag da nur vorgefallen sein? Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kommandant sich auf einen Kampf eingelassen hat, denn das widerspräche nicht nur den Vorschriften, sondern wäre auch unverantwortlich.«

»Vielleicht hat der gute Commander sich auf die Güte seiner Schirmfelder und der Transformkanone verlassen und die Gefahr ein wenig unterschätzt.«

»Nein, Bully, diese Antwort befriedigt mich nicht. Es muss etwas anderes gewesen sein, vielleicht eine Gefahr, die für den Schiffsführer als solche nicht erkennbar war.«

»Und wie stellst du dir so eine Gefahr vor?«

»Ich weiß es nicht, aber wir werden es herausfinden«, sagte Rhodan entschlossen.

Gemeinsam hatten sich Rhodan und Bull in die Zentrale begeben. Die ersten Daten der Fernortung liefen ein. Anders als bei der GUIDE, die durch den Ausfall der überlichtschnellen Taster gehandikapt war, bekam man an Bord der MARCO POLO sofort brauchbare Daten. Die Auswertung nahm nur ein paar Sekunden in Anspruch, dann stand fest, dass in dem Zwölf-Planeten-System eine Raumschlacht tobte.

»Und in dieses Getümmel soll sich ein Forschungskreuzer gestürzt haben? Das kann ich einfach nicht glauben.« Die grauen Augen des Großadministrators blickten Korom-Khan forschend an. »Sind Sie sicher, dass der Hilferuf der GUIDE von hier kam?«

»Absolut sicher, Sir. Wir befinden uns hier in einem extrem sternenarmen Sektor der Milchstraße. Die nächsten Sonnen sind 15,4 bzw. 14,9 Lichtjahre entfernt. Das bedeutet selbst unter Berücksichtigung des Unsicherheitsfaktors bei der Peilung, dass die Sendung aus diesem System gekommen sein muss.«

Man wusste inzwischen aus den Speichern einiges über die GUIDE, ihren Auftrag und die Besatzung.

»Dann muss Menaras vollkommen verrückt gewesen sein«, gab Bull seiner Meinung Ausdruck, und er tat das wie immer unverblümt. »Oder kann er andere Informationen gehabt haben als wir?«

»Das ist schwerlich denkbar.« Der schwarzhaarige, aus Asien stammende Kommandant des gewaltigen Kugelraumers nahm eine Folie zur Hand. »Wie unsere Messungen ergeben haben, dauert die Auseinandersetzung in diesem Gebiet schon mindestens mehrere Tage an. Wenn Sie detaillierte Auskünfte wollen, kann ich den Chef der Ortung ...«

»Schon gut, Oberst.« Rhodan winkte ab. »Haben Sie eine Spur der GUIDE entdeckt?«

»Nein. Natürlich sind unsere Auswertungen noch nicht abgeschlossen, aber ich fürchte, wir müssen davon ausgehen, dass sie nicht mehr existiert. Es wurden gewisse Strahlungen angemessen, darunter Protonen und Anti-Protonen, wie sie in der Natur nicht vorkommen, wohl aber für NUG-Triebwerke typisch sind, wenn sie außer Kontrolle geraten.«

»Haben Sie noch weitere Informationen?«

»Nein, Sir.«

»Danke, Oberst.«

Während Elas Korom-Khan an seinen Platz zurückkehrte, nahm Perry Rhodan seinen alten Kampfgefährten zur Seite.

»Es scheint außer Zweifel zu stehen, dass die GUIDE vernichtet wurde und es keine Überlebenden gibt, denn es konnten keine Notsignale auf der dafür freigehaltenen Frequenz empfangen werden.«

»Da gebe ich dir recht.« Bull ballte die Fäuste. »Aber das verspreche ich dir: Sobald wir wieder auf Terra sind, werde ich mir den Kerl vorknöpfen, der einem Verrückten wie diesem Menaras das Kommando über die GUIDE übertragen hat.«

»Vielleicht tust du dem Captain unrecht«, meinte der Aktivatorträger nachdenklich.

Der rothaarige Terraner bekam große Augen.

»Wie meinst du das?«

»Nun, die GUIDE war ein Forschungsraumer und besaß demzufolge Instrumente, die sie befähigten, ihre Aufgabe optimal zu erfüllen. Was diesen Teil der Ausrüstung betrifft, dürfte sie der MARCO POLO in nichts nachgestanden haben.«

»Worauf willst du hinaus?«

»Menaras muss den gleichen Wissensstand gehabt haben wie wir, davon ist auch Korom-Khan überzeugt.«

»Das ist ja dieser Wahnsinn, den ich nicht verstehe«, ereiferte sich Bull. »Nicht einmal der Kommandant eines Schweren Kreuzers würde es wagen, dorthin zu fliegen, doch die GUIDE, die nur eine Transformkanone besitzt, traut sich das zu.«

»Und eben das ist merkwürdig. Wäre es nicht denkbar, dass Menaras beeinflusst wurde?«

Reginald Bull schnappte nach Luft. »Wenn das zutrifft, brauchen wir Gucky. Ich hole ihn gleich.«

Bevor er sich in Bewegung setzen konnte, materialisierte der Mausbiber neben ihm.

»Man rief nach mir?«

»Gib zu, dass du uns schon wieder telepathisch belauscht hast«, knurrte Bull.

»Nicht die Spur«, verkündete Gucky treuherzig. »Ich kam nur, weil man nach dem Retter der Galaxis rief.«

»Gut, dann rette mich.«

»Aber Bully, niemand kann dir etwas tun, wenn ich bei dir bin. Außerdem ging es doch gar nicht um dich, sondern um einen gewissen Meteoriten, der beeinflusst worden sein soll.«

»Jetzt hast du dich selbst verraten. Von dem, was du gesagt hast, wissen nur Perry und ich.«

»Bist du sicher?«

»Ja, und außerdem war nicht von einem Meteoriten die Rede, sondern von Menaras«, grollte der Terraner, während Rhodan Mühe hatte, seine Heiterkeit zu verbergen.

»Das beweist meine Unschuld. Einem fähigen Telepathen wie mir bereitet es keine Mühe, auch Namen richtig zu erfassen. Wenn das nicht der Fall war, muss mir jemand etwas zugeflüstert haben, das ich falsch verstanden habe.«

»Willst du etwa behaupten, dass es hier in der Zentrale jemanden gibt, der dir Informationen zuträgt?«

»Wäre das so abwegig?«

»Ja, denn ein Telepath bekommt ohnehin alles mit, was er wissen will. Soll ich dir mal etwas sagen? Wahrscheinlich habe ich im Eifer des Gefechts vergessen, meine Gedanken abzuschirmen, und du hast mich geistig belauscht.«

»Und wie erklärst du dir dann, dass ich nicht den richtigen Namen gewusst habe?«, erkundigte sich das Pelzwesen vom Planeten Tramp.

»Weil du wahrscheinlich wieder Möhren geknabbert hast und dadurch unaufmerksam warst.«

Anklagend deutete der Mausbiber auf Reginald Bull. »Und so etwas will mein Freund sein. Perry, was sagst du dazu?«

»Nun, ich denke, die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte.« Rhodan lächelte. »Bully hat wieder einmal telepathisch verständlich gedacht, und du, Gucky, hast das geespert, warst aber gleichzeitig durch dein Lieblingsgemüse abgelenkt. Stimmt's?«

»Wenn ich es recht bedenke, könnte es so gewesen sein«, gestand der Mutant.

»Und warum hast du das nicht gleich zugegeben?«, brauste Reginald Bull auf.

»Auch ein Mausbiber hat seine Ehre«, tat Gucky beleidigt. »Und wenn du nicht gleich aufhörst, den wilden Mann zu spielen, lass ich dich zur Belustigung aller unter der Decke schweben.«

»Untersteh dich!«

»Perry, soll ich?«

»Nein, Gucky, für Scherze gleich welcher Art ist im Augenblick nicht der richtige Moment.« Rhodan strich dem Kleinen sanft über den Kopf. »Du weißt, was vorgefallen ist?«

»Ja.«

»Dann weißt du, dass wir deine Hilfe brauchen?«

Der Mausbiber ließ seinen Nagezahn aufblitzen. Ernsthaft sagte er:

»Ich weiß, was euch beschäftigt, aber eure Gedanken gehen in die falsche Richtung. Es ist unvorstellbar, dass Menaras beeinflusst wurde, denn die Wesen in dem vor uns liegenden System kennen weder Mutanten noch eine parapsychische Begabung.«

»Darin bist du dir absolut sicher?«

»Absolut sicher, Perry.«

»Dann ist Menaras' Verhalten wirklich mehr als merkwürdig, denn das persönliche Piktogramm weist ihn als verantwortungsbewussten Mann aus, der unnötigen Risiken aus dem Weg geht.« Die Gestalt Rhodans straffte sich. »Wir werden der Sache auf den Grund gehen. Irgendwie habe ich das unbestimmte Gefühl, dass da etwas nicht stimmt. Vielleicht wurde die GUIDE in eine Falle gelockt.«

»Was hast du vor?«, erkundigte sich Bull.

»Wir werden mit der MARCO POLO in das Gebiet fliegen und uns ein wenig umsehen.«

Bully hob mit einer theatralischen Bewegung beide Hände. »Und wie ich dich kenne, sind wir wieder einmal der Köder.«

Der Mausbiber grinste. »Du unterschätzt Perry wahrscheinlich wieder, Bully. Er tarnt sich als Karotte, dabei ist er in Wirklichkeit ich.«

»Frage einen Mausbiber, und du bekommst Gemüsesalat zur Antwort«, sagte Reginald Bull in gespielter Verzweiflung. »Wann starten wir?«

»Gleich.«

Der Großadministrator winkte Korom-Khan zu sich heran und erteilte ihm seine Instruktionen.

»Verstanden, Sir.«

»Gibt es neue Erkenntnisse über die GUIDE oder Messungsergebnisse, die bisher noch nicht vorlagen und bei der bevorstehenden Aktion von Bedeutung sein könnten?«

»Nein, Sir.«

»Gut, dann geben Sie Ihre Befehle, Oberst.«

Der braunhäutige Terraner, schlank und 1,79 Meter groß; eilte an seinen Platz zurück. Mit der ihm eigenen ruhigen Sprechweise erteilte er seine Anordnungen. Wie immer funktionierte das Zusammenspiel von Mensch und Technik hervorragend, Lebewesen und Maschinen bildeten eine homogene Einheit.

Bevor der 2. Kosmonautische Offizier, Oberstleutnant Mentro Kosum, sich die SERT-Haube über den Kopf stülpte, ließ er sich noch zu einem seiner berühmt-berüchtigten Knittelverse hinreißen.

»Niemand tut uns dort erwarten, wo wir sogleich dahinnen starten, denn wir dulden es mitnichten, einen Terra-Raumer zu vernichten.«

Reginald Bull verzog das Gesicht, als hätte er Essig getrunken. »Diese Reime verursachen ja direkt Zahnschmerzen«, beklagte er sich.

»Er hat berühmte Vorbilder. Sowohl Goethe als auch Schiller haben in ›Faust‹ und ›Wallenstein‹ Knittelverse verwendet«, entgegnete Rhodan.

»Nun gut, aber bestimmt nicht von solch minderer Qualität. Die beiden waren Dichter, doch er ist Emotionaut.«

Rhodan gab keine Antwort. Seine Gedanken beschäftigten sich bereits damit, was sie in dem System erwartete, das die Astronomen der GUIDE kurz Mono genannt hatten und das die Speicher der MARCO POLO als Guide aufgenommen worden war.

Trotz aller Daten, die per Fernortung und Hypertaster ermittelt worden waren, wusste er nicht, was die MARCO POLO dort erwartete. Gewiss, es war ermittelt worden, dass dort eine Raumschlacht stattfand, es gab drei Planeten, die sich in der Ökosphäre befanden und von den zwei bewohnt waren. Man wusste, dass die dort lebenden Intelligenzen über eine Technik verfügten, die der der Terraner nicht viel nachzustehen schien, aber das erklärte alles noch nicht die Reaktion der GUIDE. Warum hatte sie sich in ein Gebiet vorgewagt, das ihr zum Verhängnis geworden war? Warum hatte sie sich in einen Sektor begeben, in dem gekämpft wurde?

So sehr er sich auch den Kopf darüber zerbrach, er fand keine plausible Erklärung.

Der Flug durch den Linearraum, jene neutrale Zone zwischen der vierten und fünften Dimension, die Geschwindigkeiten von viertausendfacher bis zur millionenfachen Lichtgeschwindigkeit ermöglichte, nahm eine kaum messbare Zeit in Anspruch. Knapp zwei Lichtminuten von der äußersten Planetenbahn entfernt fiel die MARCO POLO in das Normaluniversum zurück.

Sofort bauten sich ihre Schutzschirme auf, Taster und Ortungsanlagen begannen zu arbeiten. An Bord des Ultraträgerschlachtschiffs der TRÄGER-Klasse machte man die gleichen Beobachtungen wie die Besatzung der GUIDE, doch anders als der Forschungskreuzer war der terranische Gigant eine waffenstarrende Festung, dessen HÜ- und Paratronschirme zudem ein Vielfaches der Belastung aushielten, wie das bei einer Einhundert-Meter-Einheit der Fall war.

Ungeachtet der tobenden Raumschlacht, die das All noch über die Bahn des zwölften Planeten hinaus in ein Energiegewitter verwandelte, drang die gewaltige Kugel in das System ein. Da ihr Ziel, die Sonne Guide, noch nahezu achtzig Astronomische Einheiten entfernt war, bremste sie nicht mit Maximalwerten ab.

Quasi »über« die kämpfenden Parteien hinweg zog die MARCO POLO ihre Bahn und hielt auf die inneren Planeten zu. Anfangs hatte es den Anschein, als würde man den irdischen Raumer unbehelligt lassen, vielleicht aufgrund seiner Größe sogar fürchten, doch dann formierte sich eine Flotte aus etwa fünfzig Keilschiffen und Doppelrumpfraumern und nahm seine Verfolgung auf, während die restlichen Einheiten sich weiterhin erbittert bekämpften.

»Irgendwie finde ich verrückt, was die da tun«, platzte Bull heraus.

»Ich bin nicht deiner Meinung, wenngleich wir durch ihr Verhalten einige interessante Aufschlüsse gewinnen«, entgegnete Rhodan.

»Vielleicht hast du die Güte, mir das zu erklären.«

»Wir haben es hier mit zwei Völkern zu tun, die sich bekämpfen, was sich schon allein aus den unterschiedlichen Schiffstypen erklärt.«

»Na, und? So schlau bin ich auch.«

»Nun haben sie eine gemeinsame Flotte gebildet, die auf die MARCO POLO angesetzt wurde. Sie sind eine Art Zweckbündnis eingegangen, was beweist, dass hier kein Volk seine Heimat gegen fremde Aggressoren verteidigt, sondern dass beide in diesem System beheimatet sind und lediglich um die Herrschaft streiten. Das erklärt auch, warum sie sich weiterhin bekriegen und nur einen Teil ihrer Raumflotte mit der Verfolgung beauftragt haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie versuchen werden, die MARCO POLO zu vernichten.«

»Ihre Schiffe sind im Vergleich zu unserem Winzlinge.«

»Darauf möchte ich mich nicht verlassen. Denke an das alte Sprichwort: Viele Hunde sind des Hasen Tod.«

»Die MARCO POLO ist kein Hase«, schnaubte Reginald Bull.

»Die Intelligenzen hier scheinen anderer Meinung zu sein. Sie lassen unsere auf mathematischer Basis fußenden Funksendungen unbeantwortet. Leider gelang es uns bisher nicht, ihre Sprache zu analysieren.«

»Wenn du mit deiner Ansicht recht hast, dass sich hier zwei Völker bekriegen, die beide im Guide-System leben – und das scheint zweifellos der Fall zu sein – dann verstehe ich nicht, warum niemand Verbindung zu uns sucht. Wir wären doch mit der MARCO POLO ein Verbündeter par excellence, um einer Seite zur Macht zu verhelfen.«

»Würdest du, bezogen auf Terra, auch so denken?«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Stell dir vor, wir hätten Krieg mit den Marsianern, und da würde ein Raumschiff auftauchen, dessen Besatzung uns verspricht, uns zum Sieg zu verhelfen. Was würdest du davon halten?«

»Ich wäre skeptisch, denn sie täten es sicherlich nicht ganz uneigennützig.« Bully kratzte sich verlegen am rechten Ohr. »So gesehen, ist es kein Wunder, dass sie sich lieber zusammentun, als Kontakt zu uns zu suchen.«

Mittlerweile hatte die MARCO POLO die Bahn des neunten Planeten passiert. Während Guide 11 und 12 öde Gesteinsbrocken von nicht mehr als fünftausend Kilometer Durchmesser waren, entpuppten sich die folgenden Welten als Gasriesen von jupiterähnlichem Typ, deren Dichte zwischen 0,68 und 2,14 schwankte. Guide 5 war dagegen wieder von »normalen« Proportionen und übertraf mit einer Dichte von 4,02 geringfügig Pluto und Mars, zeigte sich anhand der angestellten Messungen mit einer durchschnittlichen Temperatur von minus 79 Grad C aber nicht weniger lebensfeindlich. Das traf auch auf den innersten und sonnennächsten Planeten zu, dessen Werte nur unwesentlich von denen Merkurs abwichen.

Nur Guide 2, 3 und 4 befanden sich in der Ökosphäre. Sie entsprachen in dieser Reihenfolge, was Durchmesser und Masse betraf, Terra, Mars und Venus. Während die Planeten 2 und 4 über große, kontinentale Landmassen verfügten, war der Globus dazwischen eine Wasserwelt, die reich war an tätigen Vulkanen; von den zahllosen Inseln war keine größer als Madagaskar.

Besiedelt waren die Planeten Guide 2 und Guide 4, das belegten die angestellten Messungen eindeutig. Mehrere Sonden waren ausgeschleust worden, die der MARCO POLO vorauseilten. Ihr Ziel waren die beiden besagten Planeten, und sie sollten nicht nur genaueste Analysen anstellen, sondern waren auch mit Hochleistungsoptiken bestückt, die selbst aus großer Höhe noch gestochen scharfe Bilder lieferten.

Von ihrem Platz aus konnten Rhodan und Bull alle Daten verfolgen, die auch dem Kommandanten des Kugelraumers zugänglich gemacht wurden. Sie bekamen daher unmittelbar mit, wie einige der fremden Raumer das Feuer auf den Giganten eröffneten. Da die MARCO POLO abbremste, sie dagegen beschleunigten, hatte sich der Abstand zusehends verringert.

Die Salven trafen, doch die Schirmfeldbelastung war alles andere als besorgniserregend; sie stieg nicht einmal über zehn Prozent.

»Von wegen Hase«, meinte Bully und rieb sich vergnügt die Hände. »Unser Schiff ist eher eine Art Wolf im Schafspelz.«

»Sollen wir Gegenmaßnahmen ergreifen, Sir?«, erkundigte sich Korom-Khan.

»Nein, wir verhalten uns vorerst defensiv. Vielleicht gelingt es uns doch noch, eine friedliche Verständigung zu erreichen.«

»Da bin ich aber sehr skeptisch«, brummte Bull. »Sie greifen erneut an.«

Perry Rhodan warf nur einen kurzen Blick auf den Schirm, dann blickte er wieder auf und winkte. Er hatte Ras Tschubai erspäht, der die Zentrale betreten hatte. Der dunkelhäutige Teleporter nickte verstehend und näherte sich mit raschen Schritten.

»Gucky hat mich informiert, dass wir noch einen Abstecher machen, weil ein Forschungskreuzer verschollen ist«, sagte der Mutant anstelle einer Begrüßung und ließ sich in einem Sessel nieder. Er deutete auf den Bildschirm. »Unsere Mission scheint nach Ärger auszusehen.«

»Halb so schlimm«, meinte der rothaarige Terraner.

Rhodan aber sah die Sache ein wenig anders und berichtete mit knappen Worten, was man wusste und zu wissen glaubte.

»Es ist also sicher, dass die GUIDE vernichtet wurde und niemand überlebt hat?«

»Ja. Wir haben weder Notrufe auf der Helmfunkfrequenz empfangen, noch hat Gucky etwas espern können. Die Besatzung des Forschungskreuzers ist tot.« Das Gesicht des Aktivatorträgers war maskenhaft starr. »Und wir müssen davon ausgehen, dass die hier lebenden Intelligenzen dafür verantwortlich sind.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Vermessungsschiff irgendwelche Wesen provoziert. Was mag da vorgefallen sein?«

»Um das zu ergründen, sind wir hier.«

Die Verfolger hatten weiter aufgeholt und teilten sich, wobei sie sich nicht nur zu mehreren Angriffskeilen formierten, sondern auch eine räumliche Staffelung vollzogen, also höhenversetzt flogen. Allen Einheiten wurde so ermöglicht, gleichzeitig zu schießen und zudem mehrere Bereiche zugleich unter Punktfeuer zu nehmen.

Auf der MARCO POLO erkannte man die Absicht der Fremden. Die Emotionauten reagierten blitzschnell, doch das Ausweichmanöver gelang nur unvollkommen. Dutzende von Energiefingern griffen nach dem terranischen Großraumer und trieben die Schirmfeldbelastung auf knapp sechzig Prozent. Das war zwar nicht bedrohlich, doch da es sich nicht ausschließlich um Volltreffer gehandelt hatte und die Planetarier über weit mehr Schiffe verfügten, als sie jetzt eingesetzt hatten, konnte die Lage für den Giganten durchaus brenzlig werden.

»Sir, ich schlage vor, wenigstens einen Warnschuss abzugeben.« Elas Korom-Khan sagte das gelassen wie immer. »Wir sollten der Gegenseite zeigen, dass wir nicht wehrlos sind.«

Der Großadministrator überlegte nicht lange.

»Das Manöver eben hat gezeigt, dass die anderen einiges von Taktik und Strategie verstehen, also wahrscheinlich militärisch orientiert sind. In diesem Fall verstehen sie demnach eine Gegenreaktion wohl besser als Funkbotschaften. Oberst, geben Sie dem Feuerleitoffizier Anweisung, zehn Transformkanonen gleichzeitig feuern zu lassen – allerdings nur Warnschüsse.«

Während der Kommandant den Befehl weitergab, bemerkte Bull: »Perry, du bist und bleibst ein unverbesserlicher Optimist. Glaubst du wirklich immer noch, mit diesen schießwütigen Wesen friedlichen Kontakt aufnehmen zu können?«

»Warum nicht? Oft beruht alles nur auf einem Missverständnis oder einer unterschiedlichen Mentalität. Wir sind ja auch mit anderen Völkern zurechtgekommen und leben jetzt mit denen, die uns einst als Feinde betrachteten, in friedlicher Koexistenz. Denk nur an die Blues.«

Die Optiken zeigten, dass hinter der MARCO POLO, bezogen auf ihre Flugrichtung, mehrere künstliche Sonnen entstanden, deren Leuchtkraft die Keilschiffe und Doppelrumpfraumer für Sekunden unsichtbar machte. Die Taster zeigten an, dass die Flotte der im Verhältnis zur MARCO POLO kleinen Flugkörper auseinanderstob wie eine Herde aufgescheuchter Tiere.

»Diese Demonstration zeigt den anderen, welche Macht wir haben, beweist aber gleichzeitig, dass wir sie nicht einsetzen wollen und auf eine friedliche Verständigung aus sind.«

Reginald Bull wiegte bedenklich den Kopf, zuckte dann aber erschreckt zusammen, als Gucky plötzlich direkt vor seinem Sitz materialisierte.

»Zum Donnerwetter, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass ich solche Überraschungen nicht mag!«, schnauzte der Terraner. »Eines Tages wird mich noch der Schlag treffen.«

»Davor wird dich dein Zellaktivator bewahren«, sagte der Mausbiber mit unschuldigem Augenaufschlag. »Aber wenn du so empfindlich bist, werde ich in Zukunft jede Teleportation über die Rundspruchanlage ankündigen.«

»Keine schlechte Idee.« Tschubai grinste. »Dann können sich alle darauf einrichten, wenn du auf Gemüseraub gehst.«

Rhodan achtete nicht auf das Geplänkel, sondern verfolgte konzentriert die eingespielten Ortungsdaten. Bei einem Keilschiff, das sich zu weit vorgewagt hatte, war infolge der gewaltigen Energiefreisetzung durch die MARCO POLO der Schutzschirm zusammengebrochen.

»Das ist die Gelegenheit für uns, um einige Informationen zu bekommen. Oberst, Traktorstrahlen einsetzen, Ras, fertigmachen zum Überwechseln. Wir holen einen der Fremden zu uns an Bord.«

Während die unsichtbaren Strahlen auf den kleinen Raumer zurasten und ihn in eine Art Fesselfeld hüllten, streifte der Teleporter bereits seinen Raumanzug über.

»Warum soll ausgerechnet Ras springen?«, maulte der Mausbiber.

»Weil du hier wichtiger bist. Du sollst ihn gedanklich überwachen, damit wir sofort wissen, wenn er in Schwierigkeiten geraten sollte. Dann kannst du immer noch eingreifen.«

Gucky gab keine Antwort, er wirkte auf einmal entrückt. Mit seinen Psi-Kräften sondierte er die Gedanken der Fremden. Angst und Zorn beherrschten die Individuen auf dem festsitzenden Schiff, aber auch Hoffnung – und Hass. Zwanzig, dreißig Bewusstseine hatte er abgetastet, dann stieß er auf eins, das intensiver war in seiner Ausstrahlung. Der erfahrene Mutant erfasste sofort, dass dieses Wesen eine bevorzugte Stellung haben musste, vielleicht sogar der Kommandant war. Konzentriert esperte er, dann wusste er Bescheid und zog sich geistig zurück.

Rhodan war nicht entgangen, dass der Mausbiber seine Parasinne eingesetzt hatte, denn er kannte den Kleinen lange genug, um gewisse Veränderungen – auch in der Körperhaltung – richtig zu deuten.

»Was hast du in Erfahrung bringen können?«

Gucky sagte es ihm, dann wandte er sich an den Afrikaner, der mit einem letzten Check seines Raumanzugs beschäftigt war.

»Die Zentrale befindet sich im Bug des Keilschiffs in der obersten Ebene.« So gut es ging, erklärte er Ras, was er den Gedanken der Fremden über die Räumlichkeiten entnommen hatte, dann setzte er hinzu: »Du musst dich beeilen. Sie haben die anderen Schiffe um Hilfe gebeten. Wenn sie nicht freikommen, sind sie aufgrund ihrer Mentalität eher bereit, ihr Schiff selbst zu vernichten, als in unsere Hände zu fallen.«

Der dunkelhäutige Mann schloss den Raumhelm, deutete das Victory-Zeichen an und entmaterialisierte.

Besorgt blickte der Aktivatorträger auf den Bildschirm. Deutlich war zu erkennen, dass der andere Raumer versuchte, sich aus der energetischen Fessel zu lösen; er schüttelte sich, gleißende Strahlenbahnen verließen die Düsen der Triebwerke.

Die anderen Einheiten kehrten zurück und formierten sich erneut, dann eröffneten sie wieder das Feuer auf die MARCO POLO. Energiegewitter von unvorstellbaren Ausmaßen tobten durch die gestaffelten Schirmfelder, die allerdings ebenso problemlos wie zuvor damit fertig wurden.

»Hoffentlich schafft Ras es.« Das Unbehagen in Rhodans Stimme war nicht zu überhören. »Rassen mit einer solchen Kamikaze-Mentalität, wie Gucky sie erwähnte, sind nur schwer auszurechnen.«

»Der Kleine wird schon auf ihn aufpassen, Perry.«

Der Mausbiber hörte es nicht. Er war geistig bei Tschubai.

Der Teleporter rematerialisierte in einem spärlich erleuchteten Gang. Sofort zog er seinen Paralysator, verzichtete jedoch darauf, den Individualschirm zu aktivieren. Er sah sich um. Der von seinem Querschnitt her trapezförmige Korridor war leer, in gewissen Abständen zweigten gleichartige Flure ab, allerdings nur nach einer Seite. Demnach musste er sich direkt in den äußersten Sektoren aufhalten. Aus Sicherheitsgründen hatte er nicht direkt den spitzen Bug angepeilt, sondern war etwas weiter nach hinten gesprungen.

Linker Hand, kaum zwanzig Schritte entfernt, befanden sich irisierende Markierungen an der Wand. Sie waren in Augenhöhe angebracht, also mussten die Fremden etwa so groß sein wie Terraner, waren vielleicht sogar Humanoide.

Lautlos wie ein Schemen hastete Ras darauf zu und studierte sie, doch sie waren zu fremdartig, um ihm einen Hinweis zu geben. Er musste sich demnach auf das verlassen, was Gucky in Erfahrung gebracht hatte, doch in welche Richtung sollte er sich orientieren?

Er zuckte zusammen, als eine plärrende Stimme in einem fremden Idiom über ihm erklang, doch zu seiner Erleichterung handelte es sich nur um einen an der Decke befestigten Lautsprecher. Die Durchsage dauerte nur wenige Sekunden, dann herrschte wieder jene nervenzermürbende Stille, wie sie in einer fremden Umgebung besonders eindringlich empfunden wurde. Nur unterschwellig drangen die Geräusche der technischen Maschinerie an sein Ohr.

Die Sprache der Fremden war kurz und abgehackt, klang fast wie das Bellen eines Hundes. Ästheten schienen sie auch nicht zu sein, denn der Gang war unverkleidet und in tristem Grau gehalten. Obwohl die Anzuginstrumente anzeigten, dass die Atmosphäre hier im Schiff atembar war, verzichtete Tschubai darauf, den Helm zurückzuklappen und die Anzugversorgung abzuschalten. Wenn er gezwungen war, blind zu teleportieren, und dabei versehentlich im All landete, war sein Schicksal besiegelt; aus verständlichen Gründen wollte er dieses Risiko nicht eingehen.

Aufs Geratewohl wandte der Mutant sich nach rechts. Da der Flur sich nach innen krümmte, war nicht zu erkennen, wo er hinführte. Mit angespannten Sinnen, jederzeit bereit, sofort seine übernatürlichen Kräfte einzusetzen, folgte er dem Gang.

Er endete direkt vor einem trapezförmigen Schott. Vorsichtig näherte Tschubai sich dem verschlossenen Durchlass, doch nichts tat sich. Anders als auf terranischen Schiffen schien es hier keine Automatiken zu geben, die seine Annäherung registrierten oder darauf ansprachen. Mutiger geworden, machte er einige Schritte vorwärts, weiter auf das Schott zu.

Im gleichen Augenblick erkannte der Terraner, dass es sehr wohl eine Überwachungsanlage gab. Links und rechts neben dem Trapez glimmten graue Lichter auf, wieder begann eine Lautsprecherstimme zu plärren.

Innerlich stieß er eine Verwünschung aus. Wenn es auch eine optische Kontrolle gab, war es mehr als wahrscheinlich, dass man nun wusste, dass sich ein Fremder an Bord befand. Er musste es riskieren, sich einfach zu versetzen, um so das Überraschungsmoment wieder auf seiner Seite zu haben.

Ras Tschubai konzentrierte sich auf einen Punkt, der zehn Meter jenseits des Schottes lag und sprang. Er rematerialisierte auf einem Instrumentenpult.

Mit einem Blick erfasste er, dass er sein Ziel gefunden hatte und in der Zentrale des Keilschiffs gelandet war. Zwar war alles unbekannt und fremdartig, aber die Anhäufung von Technik und Bildschirmen bewies ihm, dass er recht hatte.

Sechs, acht Fremde hielten sich in dem trapezförmigen Raum auf. Sie waren humanoid, besaßen zwei Arme, die in vierfingrigen Händen endeten, und zwei relativ kurze Extremitäten, mittels deren sie sich fortbewegten. Die Köpfe mit den schwarzen Knopfaugen drängten unwillkürlich den Vergleich mit irdischen Seehunden auf, wenngleich der typische Bart dieser Tiere fehlte und die Gesichter der Planetarier unbehaart und fast rosafarbig waren. Die kegelförmigen Körper wurden durch schlicht wirkende, dunkelgraue Uniformen verhüllt, denen nur einige bunte Markierungen auf den Ärmeln ein paar farbige Akzente gaben. All das erfasste Ras in Bruchteilen von Sekunden.

Die Wesen waren wie erstarrt, als der Teleporter so unvermittelt direkt unter ihnen auftauchte, praktisch aus dem Nichts heraus. Unfähig, sich zu rühren, saßen und standen sie einfach da wie Statuen.

Ras Tschubai nutzte die Verwirrung und war mit einem mächtigen Sprung bei demjenigen, den er aufgrund der farbenprächtigsten Abzeichen für den Kommandanten hielt. Er ergriff dessen Arm und konzentrierte sich. Bevor die anderen wussten, wie ihnen geschah, war der Terraner mitsamt seinem Gefangenen verschwunden.

Perry Rhodan war die Erleichterung deutlich anzusehen, als der Mutant unversehrt wieder in der Zentrale der MARCO POLO auftauchte. Dass er einen Fremden mitbrachte, bewertete er zwar positiv, doch seine vorrangige Sorge galt dem dunkelhäutigen Terraner.

»Sind Sie in Ordnung, Ras?«

»Ich denke schon.« Der Teleporter grinste. »Oder weise ich Einschusslöcher auf?«

»Er ist schon wieder ganz der alte«, freute sich Bully. »Du siehst, Perry, du hast dich umsonst gesorgt.«

»Schließlich war es ja auch nur ein Kinderspiel, was Ras getan hat«, meinte Gucky. »Einen so leichten Einsatz schaffe ich selbst mit verbundenen Augen.«

Tschubai übergab den Planetarier in die Obhut eines rasch herbeigeeilten Mannes, der den Fremden aus der Zentrale führte, und ließ sich neben den beiden Aktivatorträgern in einen Sessel sinken.

»Es war wirklich leichter, als ich gedacht hatte. Besser hätte es für mich gar nicht laufen können.« Er berichtete kurz, was er erlebt hatte, dann sagte er scherzend: »Nur unseren Technikern muss ich eine Rüge verpassen. Ich habe mir blaue Flecken an den Schultern geholt, weil sie die Strukturlücke so eng geschaltet haben.«

»Darüber habe ich mich auch schon immer beschwert, aber meinst du, jemand täte etwas dagegen?«, beklagte sich Gucky mit unbewegter Miene. »Wir sind halt nur Mutanten und kein Großadministrator.«

Rhodan lächelte. »Ich werde mit dem zuständigen Ingenieur sprechen. Vielleicht ist es ihm möglich, Strukturlücken mit einem Girlandenbogen zu versehen.«

Mittlerweile war das Keilschiff aus dem Traktorstrahl entlassen worden; es setzte sich rasch hinter die eigenen Linien ab, während der restliche Verband weiter ungestüm angriff. Die MARCO POLO befand sich noch nicht ganz in Höhe der Bahn von Guide 5, als die Ortungsabteilung den Anflug weiterer Keilschiffe und Doppelrumpfraumer meldete. Sie waren von ihren Heimatwelten aus gestartet und hatten offensichtlich die Aufgabe, die gemischte Flotte zu verstärken und dafür zu sorgen, dass sich der terranische Raumer von den bewohnten Planeten fernhielt. Siebenundfünfzig Einheiten hielten auf den Koloss zu, neunundvierzig verfolgten ihn. Das war ein Aufgebot, das durchaus in der Lage war, das Schlachtschiff zu vernichten.

»Oberst, Kursänderung. Wir weichen aus und ziehen uns in den Schutz von Guide zurück. Lassen Sie mit allen verfügbaren Waffen Sperrfeuer schießen.«

»Das halte ich nicht für klug, Perry. Die andere Seite wird uns das als Schwäche auslegen.«

»Bully, wir sind keine Eroberer, sondern in friedlicher Mission unterwegs.«

»Sie sind kriegerisch. Wenn wir uns zurückziehen, sind wir in ihren Augen Feiglinge – und denen gibt man keine Informationen. Warum zeigen wir ihnen nicht, wie stark wir wirklich sind? Lasse die Beiboote ausschleusen und biete ihnen Paroli – das ist eine Sprache, die sie verstehen.«

Bull sah, dass sein alter Freund einen Einwand vorbringen wollte, deshalb fuhr er rasch fort: »Du weißt, dass ich kein Militarist bin, und nichts liegt mir ferner, als durch bloße Kraftmeierei den Tod von unzähligen Lebewesen in Kauf zu nehmen, aber ein Rückzug ist psychologisch falsch. Unsere Leichten Kreuzer dürften ihren Schiffen ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen sein. Lass sie einsetzen – sie brauchen nicht darauf ausgehen, zu vernichten, es reicht, die anderen kampfunfähig zu machen. Das wird sie zwar nicht das Fürchten lehren, aber sie werden uns den nötigen Respekt zollen und anerkennen, dass wir sie geschont haben. Das ist eine Basis, auf der man sich dann friedlich verständigen kann.«

»Was du vorbringst, klingt vernünftig, aber du hast nicht bedacht, dass die Planetarier sich keinerlei Hemmungen auferlegen werden. Unsere Leute werden also ständig vor der Wahl stehen, zu sterben oder töten zu müssen, um selbst zu überleben. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich auszumalen, wozu das führt – trotz aller guten Vorsätze. Und zu so einem sinnlosen Gemetzel gebe ich mich nicht her.« Rhodan sprach nicht lauter als sonst, aber man merkte ihm an, dass er von dem ehrlich überzeugt war, was er sagte. »Versetze dich einmal in die anderen. Für sie sind wir Fremde, sie dagegen sind hier beheimatet. Das dürfen wir bei all unseren Überlegungen nicht vergessen.«

»Gut, aber sie haben die GUIDE vernichtet«, entgegnete Reginald Bull heftig. »Ich weiß nicht, aus welchen Gründen, aber sie hatte keine Chance.«

»Ich bin nicht weniger betroffen darüber als du, aber Emotionen bringen uns in dieser Sache nicht weiter. Was wir brauchen, sind Fakten, keine Gefühlsduseleien. Das mag hart klingen, aber so ist nun einmal die Realität.«

»Du hast wohl recht. Wahrscheinlich war ich wieder einmal zu impulsiv.«

»Kein Grund, sich dessen zu schämen. Es zeigt, dass du trotz deines biblischen Alters noch Mensch geblieben bist.«

»Alter, du verstehst es, auf deine Mitbürger einzugehen.« Der sommersprossige Mann grinste. »Meine Stimme bei der nächsten Wahl zum Großadministrator hast du jedenfalls jetzt schon sicher.«

»Ich schwanke da noch«, meldete sich Gucky zu Wort. »Ich vermisse in Perrys Wahlprogramm die Parole ›Karotten für alle‹.«

»Damit wäre die Ära Rhodan wohl auch zu Ende«, konterte der dunkelhäutige Mutant. »Vegetarier sind dünn gesät.«

»Deine Biologiekenntnisse sind sehr dürftig, Ras. Vegetarier werden nicht gesät, sondern pflanzen sich ganz natürlich fort.«

»Eben – sie pflanzen sich fort.«

Rhodan hatte das Intermezzo nicht verfolgt und widmete seine Aufmerksamkeit ebenso wie Bull den Anzeigen. Angesichts der bedrohlich wirkenden gegnerischen Flotte hatte er für Späße gleich welcher Art im Augenblick kein Verständnis.