Pulverfass Kaukasus - Manfred Quiring - E-Book

Pulverfass Kaukasus E-Book

Manfred Quiring

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Beschreibung

Der Kaukasus bleibt ein unruhiges Konfliktfeld. Nach sechs Kriegen in den letzten 25 Jahren sind in jüngster Zeit wieder neue Kämpfe aufgeflammt. In der zersplitterten Region, deren Fläche nur wenig größer als die Bundesrepublik ist, leben mehr als 50 verschiedene Völker mit unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Interessen, verschiedenen Religionen und Kulturen. Neben den Territorialstreitigkeiten zwischen den einzelnen Staaten und Gebieten hat Russland die politischen Auseinandersetzungen immer wieder mit angeheizt, betrachtet Moskau das Gebiet doch als seine Einflusssphäre. Inzwischen fällt auch der Schatten des IS auf diese Region am Rande Europas. Manfred Quiring, mehr als 20 Jahre lang Korrespondent für die Berliner Zeitung und Die Welt in der Sowjetunion, Russland und der GUS, hat den Gebirgszug und die angrenzenden Gebiete immer wieder bereist und die Konflikte zum Teil persönlich miterlebt.

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Manfred Quiring

Pulverfass Kaukasus

Manfred Quiring

Pulverfass Kaukasus

Nationale Konflikte und islamistische Gefahren am Rande Europas

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

2., aktualisierte und erweiterte Auflage, März 2016

entspricht der 2. Druckauflage von März 2016

© Christoph Links Verlag, 2009

Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel.: (030) 44 02 32-0

Internet: www.christoph-links-verlag.de; [email protected]

Umschlaggestaltung: Eugen Lempp, Ch. Links Verlag, unter Verwendung eines Fotos von russischen Spezialkräften in Tschetschenien (picture-alliance/dpa)

Karte: Christopher Volle, Freiburg

ISBN 978-3-86284-326-8

Inhalt

Karte

Vorwort zur zweiten Auflage

Einleitung

Die Geschichte der russischen Eroberungen im Kaukasus

Perser, Türken, Russen

Imam Schamil, der »Löwe von Dagestan«

General Alexej Jermolow

Georgien, die kaukasische Perle am Schwarzen Meer

Die Geschichte eines Konfliktes

Georgiens glücklose Präsidenten

Demokratischer Wechsel, neue Verwerfungen

Zweifelhaftes Comeback eines Gescheiterten

Abchasiens Träume von der Unabhängigkeit

Südossetien spricht mit russischem Akzent

Aserbaidschan, das heilige Land des ewigen Feuers

Der Ölreichtum des Kaspischen Meeres

Der Alijew-Clan: Gaidar, der Vater

Der Alijew-Clan: Ilham, der Sohn

Der südliche Gaskorridor und sein Preis

Der Konflikt um Berg-Karabach

»Wir sind bereit zu kämpfen«

Armenien, der älteste christliche Staat der Welt

Der Genozid und Deutschlands Anteil

Berg-Karabach – die armenische Sicht

Erfolglose Fußball-Diplomatie

Der schwierige Freund Russland

Russlands muslimischer Nordkaukasus

Der islamistische Untergrund – das Emirat

Der Schatten des Islamischen Staates

Adat und Schariat

Dagestan, das Land der Berge

Bei Salafisten in den Bergen

Der Dichter, der sich schämte: Rassul Gamsatow

Die Wainachen: Tschetschenen und Inguschen

Dudajew, Tschetscheniens erster Präsident

Der Erste Tschetschenienkrieg (1994–1996)

Der Zweite Tschetschenienkrieg (1999–2001)

Der Kadyrow-Clan und die relative Stabilisierung

Ein Tschetschene mit großen Ambitionen

Inguschetien - Ärger mit dem wainachischen Bruder

Nordossetien

Gergijew – der berühmteste der Osseten

Geschichte eines Volkes am Schnittpunkt der Kulturen

Beslan, eine Wunde, die nicht heilt

Tscherkessien

Kabardino-Balkarien

Karatschaj-Tscherkessien

Die Republik Adygeja

Stawropol, Krasnodar und die Kosaken

Stawropol

Krasnodar und Sotschi

Die Kosaken werden wieder gebraucht

Kaukasier und ihre Eigenheiten

Anhang

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Basisdaten südkaukasische Republiken

Basisdaten Nordkaukasus

Die Sprachen im Kaukasus

Angaben zum Autor

Vorwort zur zweiten Auflage

Sechs Jahre nach Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches bleibt die traurige Feststellung: Die Lunte glimmt noch immer im Kaukasus. In Berg-Karabach, dem Zankapfel zwischen Aserbaidschan und Armenien, wird regelmäßig und zunehmend heftiger geschossen. Auch schwere Waffen kommen zum Einsatz. Gleichzeitig haben sich zahlreiche, in die Vergangenheit reichende Probleme – Beispiel Dagestan, der islamistische Untergrund im Norden – eher zugespitzt als abgebaut.

Auch im weiteren Umfeld der Kaukasus-Region, insbesondere in der Ukraine und im Nahen Osten, haben sich Veränderungen vollzogen, die die Bedeutung dieses ebenso brisanten wie interessanten Fleckchens Erde für Europa in ganz neuer Weise definieren. So geriet der Kaukasus, bisher Austragungsort eines vorwiegend regionalen, mit terroristischen Mitteln geführten Untergrundkampfes gegen die russische Vorherrschaft, ins Blickfeld der Terrororganisation »Islamischer Staat« (IS). Die bisher unter dem Begriff »Kaukasisches Emirat« agierenden Gruppierungen haben die alten Struktur aufgegeben und die Führungsrolle des IS auch im Kaukasus anerkannt, indem sie dem IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi die Treue schworen. Ob das mehr ist als ein verbales Manöver, ob der IS dem kaukasischen Untergrund tatsächlich neue Kräfte und Ressourcen zuwachsen lässt, ist vorläufig noch offen. Aber die Option, dass der IS künftig eine neue Basis, ein neues Schlachtfeld vor den Toren Europas eröffnet, ist real.

Inzwischen hat sich der Nordkaukasus zu einem Exporteur islamistischer Kräfte entwickelt. Sie spielen eine bedeutende Rolle innerhalb des Islamischen Staates, teils als gnadenlose Kämpfer, teils als brutale Anführer von IS-Gruppierungen. Mit Abu Omar al Shishani hat es ein aus dem Pankisi-Tal (Georgien) stammender Tschetschene sogar in die Führung des IS geschafft. In Russland geht jetzt die Furcht um, diese im Kampf geschulten Islamisten könnten eines Tages wieder in ihre kaukasische Heimat zurückkehren und dort die Auseinandersetzungen befeuern. Seit Moskaus Luftwaffe nun auch in Syrien Stellungen des IS, aber auch der Assad-Opposition und Dörfer von im 19. Jahrhundert vertriebenen Kaukasiern bombardiert, hat dieses Problem zusätzlich an Brisanz gewonnen.

Dabei waren die russischen Sicherheitsdienste zeitweilig erleichtert über den Abzug der kaukasischen Islamisten in den Nahen Osten, beförderten ihn inoffiziell wohl auch. Hatten sie doch für ungestörte Olympische Spiele in Sotschi im Februar 2014, dem Lieblings-Propagandaprojekt von Präsident Wladimir Putin, zu sorgen. Die Spiele wurden ein Erfolg. Sotschi beeindruckte mit neuen Sportstätten und einer komplett neuen Infrastruktur, obendrein gewann Russland auch noch die Nationenwertung.

Dieser internationale Prestigeerfolg wurde von der Kreml-Mannschaft allerdings umgehend wieder zunichtegemacht. Noch in Sotschi fiel die Entscheidung über die Annexion der Krim, dem ein hybrider Krieg gegen die Ukraine im Osten des Landes folgte. Das Verhältnis zu den westlichen Ländern wurde nachhaltig gestört. Innerhalb Russlands dagegen erlebte der Kremlchef einen bis dahin nie gekannten Popularitätsschub.

Die Annahme, dass das Verhalten des russischen Präsidenten nicht, wie von so genannten Putin-Verstehern behauptet, eine Reaktion auf westliches Fehlverhalten ist, sondern sich vor allem daran orientiert, was der Kreml für sein ureigenes Interesse hält, wurde so ein weiteres Mal erhärtet. Tatsächlich muss Putins Politik in erster Linie aus den inneren Verhältnissen Russlands, aus seinen Zielen im eigenen Lande erklärt werden. Priorität hat dabei der Machterhalt im Umfeld einer künstlich aufgeputschten nationalistischen Stimmung in Russland. Ansehen im Ausland wird zwar gern entgegengenommen, ist aber nicht von entscheidender Bedeutung für Putins Entscheidungen.

Diese Maxime bestimmte auch den Beschluss des Kremls von 2008, die zu Georgien gehörenden Provinzen Abchasien und Südossetien als eigenständige Staaten anzuerkennen. Daran hält Russland trotz internationaler Proteste bis heute fest. Georgien besteht indes weiterhin auf Wiedereingliederung der abtrünnigen Gebiete. Immer wieder kommt es an den Grenzen zu Spannungen, auch wenn die Nachfolger des damaligen Präsidenten Saakaschwili eifrig betonen, sie setzten ausschließlich auf friedliche Mittel in diesem Prozess.

Zunehmende Bedeutung gewinnt der Kaukasus auch für die Energieversorgung der Europäer. Aserbaidschan, ein autoritär verwaltetes Land, bietet sich als Lieferant von Energieträgern an und hat zunächst Südeuropa im Visier. Präsident Alijew versucht, die Lücke zu nutzen, die sich nach dem Scheitern der Pipeline-Projekte Nabucco und South Stream von Russland nach Westeuropa aufgetan hat.

Blickt man auf die zahlreichen, auf sehr unterschiedlichen Ebenen angesiedelten kaukasischen Verwerfungen mit europäischen Augen, drängt sich der Schluss auf: Der explosive Kaukasus rückt näher an Europa heran.

Einleitung

Jeden Tag, den Zeus werden ließ, kam der Adler Ethon. Langsam kreisend senkte er sich auf sein Opfer. Er hatte keine Eile, der Gefangene konnte nicht fliehen und sich nicht dagegen wehren, dass der Raubvogel ein Stück von seiner Leber fraß, jeden Tag. Denn er war angekettet. Und immer wieder wuchs die Leber nach. Der Gefangene war der unsterbliche Titanensohn Prometheus. Zeus, der oberste aller Götter, hatte ihn zu der Jahrhunderte währenden Qual verurteilt, weil er des Göttervaters Gebot missachtet und den Menschen das Feuer gebracht hatte. Erst nach langer Zeit, so will es die griechische Mythologie, wurde Prometheus vom Helden Herakles befreit. Der Ort von Prometheus’ Leiden: der Kaukasus.

Schon für die alten Griechen war das Gebirge zwischen dem Kaspischen und dem Schwarzen Meer eine natürliche Grenze zwischen dem asiatischen Osten, wo die Steppenvölker lebten, und dem zivilisierten Westen. Die teilweise über 5000 Meter hohen Berge – der Elbrus ist mit 5642 Metern der höchste – markierten in der Antike das Ende der Welt im Norden. An seiner Südflanke am Schwarzen Meer lag das Land Kolchis, in dem der Sage nach Jason mit seinen Argonauten das Goldene Vlies raubte, unterstützt von der Königstochter Medea.

Das Goldene Vlies existierte tatsächlich. Schon der römische Geschichtsschreiber Appian berichtete im 2. Jahrhundert, dass die Flüsse des Kaukasus noch reichlich Goldstaub führten: »Die einheimischen Bewohner halten dichtwollige Schafsfelle ins Wasser, in denen sich der Goldsand fängt.«1

Der Große Kaukasus zieht sich über 1100 Kilometer vom Nordostufer des Schwarzen Meeres bis zur Halbinsel Apscheron am Kaspischen Meer, auf der die aserbaidschanische Hauptstadt Baku liegt. Die Gebirgskette ist durchschnittlich rund 100, an einigen Stellen bis zu 180 Kilometer breit. Wer bei guter Sicht beim Überfliegen der Berge das atemberaubende Panorama genießen kann, erkennt die tiefe Zerklüftung, die das Passieren der Bergkette auf dem Landwege auch heute noch zu einer Herausforderung macht.

Etwa 46 verschiedene Völker – insgesamt 30 Millionen Menschen – sind in diesem grandiosen, zum Teil sehr unwirtlichen Gebirgsmassiv zu Hause, das eine Fläche von 440 000 Quadratkilometern einnimmt. Zwischen 40 und 50 Sprachen, nicht gerechnet die zahlreichen Dialekte, werden hier gesprochen. »Berg der Sprachen« soll der arabische Geograf Al-Masudi den Kaukasus im 10. Jahrhundert genannt haben, und bei Plinius d. Ä. findet sich, dass die Römer in Dioskurias (heute Suchumi) 130 Dolmetscher benötigten.

Der Kaukasus stellte ein in der Welt in dieser Kompaktheit wohl einmaliges Rückzugsgebiet für Völker dar, die in den Ebenen Eurasiens und den Hochebenen Anatoliens und Irans von anderen Völkerschaften verdrängt worden waren. Hier, in den schwer zugänglichen Tälern und auf den leicht zu verteidigenden Höhen, fühlten die Menschen sich sicher vor ihren Verfolgern. Doch diese Höhenzüge erschwerten gleichzeitig auch den Kontakt zwischen den Stämmen, eine Voraussetzung für die Entwicklung von vielen Dialekten und Subdialekten.

Die Kammlinie des Großen Kaukasus trennt zwei Welten. Im Norden liegen die islamisch geprägten, zur Russischen Föderation gehörenden autonomen Republiken Dagestan, Tschetschenien, Inguschetien, Nordossetien, Kabardino-Balkarien, Karatschai-Tscherkessien und Adygeja.

Im Süden, dem sogenannten Transkaukasus, bilden das muslimische Aserbaidschan und die christlichen Staaten Georgien und Armenien eine Landbrücke zwischen dem Kaspischen und dem Schwarzen Meer. Sie war seit alters auch immer eine Transitverbindung zwischen dem Orient und dem Okzident, ein Zweig der Seidenstraße führte hier entlang. Sie ist es heute in weit stärkerem Maße, denn von den Erdöl- und Erdgasfeldern am und im Kaspischen Meer führen Rohrleitungen über Georgien in die Türkei, von wo aus die flüssigen und gasförmigen Kohlenwasserstoffe weiter nach Europa gelangen. In dem Maße, wie Russland in jüngster Zeit versucht, sich als Rohstoffweltmacht aufzustellen und die Kontrolle über Förderung und Transport der immer begehrter werdenden Brennstoffe zu erlangen, wächst die Konkurrenz mit westlichen Förder- und Transportkonzernen und damit auch das konfrontative Potenzial.

Russland hat daneben mit der Tatsache zu kämpfen, dass große Teile der früher zur Sowjetunion gehörenden Staaten als Puffer gegenüber der vermeintlich feindlichen westlichen Welt verloren zu gehen drohen. Seit die osteuropäischen und baltischen Staaten Mitglieder der Nato wurden, die Ukraine und Georgien sich in dieser Richtung bewegen, schrillen in Moskau die Alarmglocken. Ex-Präsident Dmitri Medwedjew, wie auch der aktuelle Kremlchef Putin haben unmissverständlich deutlich gemacht, dass die einstigen Sowjetrepubliken zu den Gebieten gehören, in denen Moskau »privilegierte Interessen« verfolgt, in die also weder die Europäer, geschweige denn die Amerikaner vordringen dürften. Was die unter die »privilegierte Obhut« Russlands gestellten Staaten selbst dazu sagen, interessiert den nördlichen Nachbarn der Kaukasus-Region weniger. Auch vor diesem Hintergrund erneut aufbrechender Ost-West-Gegensätze ist der jüngste Georgien-Konflikt zu sehen.

1982 reiste ich zum ersten Mal in diese für mich völlig fremde Welt, zunächst nach Dagestan. Ich besuchte die Hauptstadt Machatschkala, hatte ein wunderbares Treffen mit dem inzwischen leider verstorbenen Volksdichter Rassul Gamsatow, stattete der alten Hafenstadt Derbent mit ihrer Festung Naryn-Kala einen Besuch ab und wurde oben in den kaukasischen Bergen von den Silberschmieden von Kubatschi zum Adlertanz gebeten.

Es ist ein faszinierendes Erlebnis, die überwältigende Freundlichkeit und Gastlichkeit im Kaukasus zu erleben, auch wenn ich sie schon mal unter den wachsamen Augen eines 15-jährigen, mit einer Kalaschnikow bewaffneten Tschetschenen genießen und mir anhören musste: »Alter Mann, was willst du hier im Krieg? Du solltest zu Hause mit deinen Enkeln spielen.«

Faszinierend ist die kulturelle Vielfalt, wie ich sie in den vergangenen fast 30 Jahren auf zahlreichen Reisen in den Nord- und Südkaukasus erlebte. Schriftsteller wie der Abchase Fasil Iskander, der Bakuer Essad Bey alias Lew Nussimbaum oder der Georgier Nodar Dumbadse haben es ebenso zur Weltgeltung gebracht wie der Ausnahmedirigent Waleri Gergijew, der Ossete. Wer georgische Volksmusik mag, kommt an Hamlet Gonaschwili, dem »Gott«, wie die Musiker ihn dort nennen, nicht vorbei. Und für Jazzfans gehört die Aserbaidschanerin Aziza Mustafa Zadeh zur allerersten Wahl.

Dennoch bleibt der Kaukasus heute immer auch noch der Ort potenzieller militärischer Konflikte. Die Bürgerkriege in Georgien und Aserbaidschan Anfang der 90er-Jahre, die beiden Tschetschenien-Kriege, die ich alle aus der Nähe verfolgt habe, hinterließen – wie auch das Flüchtlingselend in Inguschetien oder die Geiselnahme von Budjonnowsk und Beslan – tiefe Spuren in der Gesellschaft. Mit dem russisch-georgischen Fünftagekrieg im Sommer 2008 wurde der georgisch-abchasisch-südossetische Konflikt keineswegs gelöst. Andere, wie das Karabach-Problem, drohen wieder aufzubrechen. Im Nordkaukasus sieht sich Russland mit zentrifugalen, von nationalistischen und islamistischen Gruppen beförderten Kräften konfrontiert. Der Kaukasus, auch als Schutz des »weichen Unterbauchs« der Russischen Föderation gedacht, kann dieser Funktion immer weniger gerecht werden. Die Lunte glimmt gleich an mehreren Stellen.

Eine Anmerkung am Rande: Als Bezeichnung für die georgische Hauptstadt habe ich durchgängig Tbilissi gewählt. Das ist nicht etwa der sowjetische, sondern der georgische Name der Stadt. Das üblicherweise benutzte Tiflis, was sich zugegebener Weise einfacher ausspricht, ist die Bezeichnung, die die persischen Eroberer seinerzeit der Stadt gegeben hatten. Bei weiteren Eigennamen kann es zu Differenzen mit anderen Varianten kommen. Ich bin, da ich der kaukasischen Sprachen nicht mächtig bin, von der dort noch immer existierenden Lingua Franca, dem Russischen, ausgegangen und habe auf dieser Grundlage Ortsbezeichnungen und Eigennamen ins Deutsche transkribiert.

Wenn Textstellen als Zitate oder wörtliche Rede gekennzeichnet sind und über keine Quellenangaben verfügen, stammen sie aus Gesprächen, die ich selbst geführt habe.

Die Geschichte der russischen Eroberungen im Kaukasus

Perser, Türken, Russen

Das Gebirgsmassiv des Kaukasus weckte schon sehr früh Begehrlichkeiten unter den Großmächten der Antike. Das betraf vor allem seine strategische Lage. Wie ein Riegel verhinderte die Gebirgskette mit ihren nur schwer zugänglichen Pässen das Vordringen der wilden Steppenvölker nach Süden – nach Persien und ins Oströmische Reich. Selbst heute, im 21. Jahrhundert, führen nur zwei brauchbare Straßen durch die Berge und verbinden Nord- und Südkaukasus. Das ist einmal die von Russland im 19. Jahrhundert gebaute sogenannte Georgische Heerstraße. Sie führt von Wladikawkas (russ. für »Beherrscher des Kaukasus«) in Nordossetien über den Gebirgskamm hinunter in die georgische Hauptstadt Tbilissi und weiter nach Jerewan. Die zweite Straßenverbindung, die einzige, die ganzjährig befahrbar ist, entstand zu sowjetischer Zeit. Sie führt von Wladikawkas durch den 3600 Meter langen Roki-Tunnel nach Zchinwali in Südossetien und spielte beim russisch-georgischen Krieg im August 2008 eine entscheidende Rolle.

Den geografischen Besonderheiten des Kaukasus verdankten die Perser in der Spätantike eine erquickliche Zusatzeinnahme. Sie wurden von Ostrom mit seiner Hauptstadt Byzanz, dem späteren Konstantinopel, dafür bezahlt, dass sie die Gebirgspässe besetzten und weder Hunnen noch andere gefährliche Völkerschaften durchließen.

Der oströmische Einfluss führte zur Christianisierung Armeniens und Georgiens bereits im 4. Jahrhundert, worauf beide Länder bis heute sehr stolz sind. Sie bewahrten sich ihren Glauben auch unter dem Druck der persischen und türkischen Eroberer. Im 16. Jahrhundert eroberten die Osmanen den Kaukasus weitgehend, der Islam wurde – abgesehen von Georgien und Armenien – zur vorherrschenden Religion. Das persische Reich hielt allerdings noch einige Gebiete im Südosten bis zur Niederlage im Krieg mit Russland von 1804 bis 1813.

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