Raumschiff Promet - Die Abenteuer der Shalyn Shan 02: Der ewige Feind - Achim Mehnert - E-Book

Raumschiff Promet - Die Abenteuer der Shalyn Shan 02: Der ewige Feind E-Book

Achim Mehnert

0,0

Beschreibung

SShalyn Shan schöpft durch die empfangene Botschaft ihres tot geglaubten Mannes neue Hoffnung. Die Promet V nimmt die Spur auf. Sie führt nach Katai.Viele Lichtjahre entfernt ist Peet Orell weiter Gefangener des Suchers Irk.Achtung:Die Print-Ausgabe unserer Shalyn Shan-Reihe ist nur noch exklusiv in unserem Shop erhältlich.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 154

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Achim Mehnert

DER EWIGE FEIND

In dieser Reihe bisher erschienen:

01  Der Virenplanet von E.C. Tubb

02  Die Tochter des Pfauen von Matthias Falke & Y.F. Yenn

03  Welt der Kraken von Matthias Falke & Y.F. Yenn

04  Der Schwarm aus Stahl von Matthias Falke

05  In den Grauzonen von Matthias Falke & S.H.A. Parzzival

06  Der stählerne Krieg von S.H.A. Parzzival

07  Die schwarze Pagode von Matthias Falke & S.H.A. Parzzival

08  Planet der schwarzen Raumer von Matthias Falke & S.H.A. Parzzival

09  Das Orakel von Chron von Achim Mehnert

10  Notruf aus Katai von Achim Mehnert

11  Tod eines Cyborgs von Achim Mehnert

12  Der ewige Feind von Achim Mehnert

13  Welt in Flammen

Achim Mehnert

Der ewige Feind

RAUMSCHIFF PROMET

© 2015 by BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Titelbildgestaltung: Mark Freier

Satz: Winfried Brand

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-95719-462-6

VORGESCHICHTE

Anfang August 2108. Die Suuk II landet auf Bankor. An Bord befinden sich Peet Orell, Vivien Raid, die Moraner Arn und Junici Borul, Shalyn Shans Ehemann Jörn Callaghan sowie dreiunddreißig weitere Terraner. Alle folgen einem mysteriösen Gedankenbefehl, der sie zu einem Transmittertor führt. Die sogenannte Bankor-Gruppe folgt dem Ruf der Agaren und geht durch den Transmitter. Danach läuft alles aus dem Ruder. Alle Terraner werden auf den Planeten Draster verschlagen und in die Auseinandersetzungen zwischen Lidan und Walida verwickelt.

Jörn Callaghan und Szer Ekka werden von den Clantho-Priestern dem Orakel von Chron, deren Heiligtum, geopfert. Man stößt sie in das Relikt hinein, in dem sie aufgelöst werden. Tatsächlich handelt es sich bei dem Orakel um ein Chronoskop, eines jener geheimnisvollen Artefakte, denen Shalyn Shan schon früher begegnet ist.

Irk, der Sucher aus Zeit und Raum, ist mit seinem zylinderförmigen Raumschiff Zeiter seit langer Zeit auf der Jagd nach den Chronoskopen. Wo immer er sie in der Galaxis findet, zerstört er sie, so auch auf Draster. Dabei begegnen sich Irk und Peet Orell. Irk, der Einsamkeit überdrüssig, entführt Orell, um einen Gesprächspartner zu haben. Der Terraner wird von Draster verschleppt, ohne den Kameraden einen Hinweis auf seinen Verbleib hinterlassen zu können.

Callaghan und Ekka werden auf einer ihnen fremden Welt von einem weiteren Chronoskop ausgespuckt. Der Nachthimmel ist sternenlos. Dies kann nicht das normale Universum sein. Sie erfahren, dass die hoch entwickelten Bewohner des Planeten, Kalar genannt, ihn für die einzige Welt halten. Nur der Philosoph Denfuch propagiert die These, dass es dort draußen ein Weltall voller Sonnen und Planeten geben müsse. Er ist im Besitz der einzigen hypercomtauglichen Anlage. Es gelingt ihnen, Comkontakt zu dem Voldok-Ra O’piin L’uu herzustellen. Ihnen wird klar, dass sie auf einer von der AVATARA gebannten Welt hinter einem Parakon-Schleier der Alatiden gestrandet sind. Von hier ist keine Flucht möglich. O’piin L’uu verspricht, die Erde über ihren Aufenthaltsort zu informieren. Die Kalaren halten sich die Helferlein, eine Armee von willfährigen Arbeitssklaven, die alle niederen Tätigkeiten verrichten.

Der Zeiter fliegt einen Raumbereich an, wo Irk und die Recheneinheit Trin ein weiteres Chronoskop vermuten. Orell kennt diese Region des Weltraums. Es handelt sich um den Katai-Sektor, in dem die Völkergemeinschaft AVATARA beheimatet ist.

Shalyn Shan und ihre Besatzung unternehmen mit der neuen Promet V einen Testflug. Dabei aktivieren sie durch den Einsatz des Dekametro ungewollt ein im interstellaren Leerraum platziertes Chronoskop, das als Tor in einen bestimmten Bereich des Parakons dient. Dort befindet sich eine gigantische Raumstation, die Arche. Bei der Erkundung begegnen sie dem Humanoiden Charlo, der mit seinem Roboter Habbalin auf die Rückkehr seines Herrn Jedrul wartet. Shalyn Shan entdeckt eine Flotte halborganischer Raumschiffe, kleine, wendige und kampfstarke Einmannjäger, sowie Aufzuchtanlagen für eine Klon-Armee. Charlo, der die Besatzung der Promet für Verbündete von Jedruls Erzfeind Trin hält, greift das Schiff an. Der hoffnungslos unterlegenen Promet gelingt die Flucht, doch der schwer verletzte Cy stürzt in einen Abgrund und kann nicht mehr gerettet werden.

Auf Kalar erheben sich die Helferlein gegen ihre Unterdrücker. Sie verschleppen Callaghan, Ekka und Denfuch und strömen aus den unterirdischen Fabrikanlagen an die Planetenoberfläche.

Shalyn Shan erhält die Botschaft und macht sich mit der Promet unverzüglich auf den Weg nach Katai, um nach ihrem Mann zu suchen, der mit der Bankor-Gruppe vor gut einem Jahr verschollen ist. Sie ahnt nicht, dass für Callaghan und seine Begleiter hingegen nur zwei Wochen verstrichen sind.

1.

Cy fiel. Tiefer und tiefer ging es hinab. Alles drehte sich rasend schnell um ihn. Trotz seiner hoch gezüchteten Fähigkeiten war seine Wahrnehmung eingeschränkt. Ihm war schwindelig, und er empfand Schmerzen. Ohne sein aus Duranplast bestehendes Exoskelett und ohne die Cyborgimplantete, die die meisten seiner inneren Organe, Knochen und Sehnen ersetzten, wären die Verletzungen, die ihm Charlos Roboter beigebracht hatte, wahrscheinlich tödlich verlaufen. Doch ihm war eine Gnadenfrist vergönnt.

Tödlich! Der Gedanke löste eine Assoziation aus. Cy stürzte in den Tod. Die Erkenntnis pflanzte sich durch sämtliche Synapsen seines Gehirns fort und sie brachte ihn in die Wirklichkeit zurück. Er kämpfte gegen die Schwärze an, die seinen Geist einhüllte. Cy erinnerte sich, was ihm widerfahren war und wo er sich befand. Er erhaschte bruchstückhafte Ausschnitte des gewaltigen Schachts, in den ihn der Kegelroboter geworfen hatte, schlingernd auf ihn eindringende Bruchstücke von Bildern, die keinen Sinn zu ergeben schienen. Es waren die Ebenen der Station im Hyperraum, an denen vorbei er stürzte. Wie tief war der Schacht? Wie viel Zeit blieb ihm noch, bis er am Grund zerschellte? Jede Sekunde konnte die letzte sein. Mit äußerster Willenskraft griff er nach seinem Gürtel. Er tastete nach dem Auslöser für den Antigrav, um seinen freien Fall abzufangen. Seine Hände wollten ihm kaum gehorchen. Die Finger waren kalt und klamm. Sein Verstand wisperte, dass er sich das nur einbildete. Dennoch gelang es ihm nicht, die Schaltung vorzunehmen. Er war zu schwach, um den Kontakt zu betätigen.

„Shalyn“, krächzte er, um auf sich aufmerksam zu machen. Er war nicht sicher, ob er das Wort hervorbrachte. Wenn ja, war seine Stimme viel zu leise, um von seiner Armbandcom übertragen zu werden.

Erneut versuchte er, seinen Antigravgürtel zu aktivieren. Sein ganzer Körper zitterte wie im Fieberwahn, die Schmerzen drohten ihn zu übermannen. Er stellte seine erfolglosen Bemühungen ein. Sie waren aussichtslos. Cy kam sich vor wie ein fallender Stein, zur Handlungsunfähigkeit verurteilt. Doch er war nicht bereit, sich in sein Schicksal zu ergeben. Zu stark war der Lebenswille in ihm. Der Funke loderte und wurde zu einer gierigen Fackel. Endlich gelang es ihm, seine Finger zu krümmen. Er spürte die Bedienungselemente seines Gürtels und drückte sie wahllos.

Nichts geschah. Waren die Systeme seiner Kombi gestört? Oder bildete er sich nur ein, Einfluss auf sie zu nehmen? Alles war so verschwommen, dass er es nicht entscheiden konnte. Seine Hilflosigkeit war verstörend. All die körperlichen Aufwertungen, die er erfahren hatte, halfen ihm nicht. Er stürzte und war nicht in der Lage, seinen Sturz abzubremsen. Wozu war er ein mit übermenschlichen Kräften ausgestatteter Cyborg, wenn er sich im Moment größter Gefahr nicht selbst helfen konnte? Die Frage bildete sich im hintersten Winkel seines Verstandes. Seine Gedanken geisterten zwischen Wachen und Träumen umher. Es ermüdete ihn, sie überhaupt noch zu verfolgen.

Ein düsterer Schatten legte sich auf sein Gemüt. Cy erkannte, dass der Schatten real war. Etwas befand sich in seiner unmittelbaren Nähe. Das Wesen dieser Erscheinung blieb ihm verborgen, bis er wie durch schwarzes Eis einen schlanken Körper gewahrte. Der Anblick war vertraut, doch es gelang Cy nicht, ihn einzuordnen. Die Schmerzen wurden übermächtig. Er glaubte sich stöhnen zu hören, was vermutlich nur Einbildung war. Seine Sinne schwanden. Er stemmte sich dagegen, weil er nicht im Zustand der Bewusstlosigkeit sterben wollte. Er hatte das Recht, sein Ende bewusst mitzuerleben. Bevor er von Ohnmacht umfangen wurde, spürte er eine Berührung, die einen belebenden Impuls beinhaltete. Der Schatten war ihm jetzt nahe. Er schickte sich an, den Cyborg zu verschlingen.

Etwas Lebendiges streifte Cy, hüllte ihn ein. Er wurde von Wärme umfangen. Es war, als würde er in den Mutterleib zurückkehren. Dann versank er in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

*

Shalyn Shan war mit ihrem Tropfenschiff entkommen. Um nichts anderes drehten sich Charlos Gedanken in dem Medotank, in dem er hermetisch von der Außenwelt abgeschlossen war. Seine Verletzungen heilten beeindruckend schnell, und sein physischer Zustand besserte sich binnen weniger Stunden. Eines jedoch vermochte das Wunderwerk der Medizin nicht zu bewerkstelligen. Auf Charlos angeknackste Psyche hatte es so wenig Einfluss wie auf die Ängste, die er durchlebte. Die Fremden waren entkommen, und er fürchtete, dass sie auf dem Weg zu Trin waren, um ihm zu verraten, wo Jedruls geheime Arche zu finden war. Sollte das geschehen, würde Trin sofort alles in seiner Macht Stehende unternehmen, um die Station zu vernichten.

Und Jedrul, das war das Fatale an der Lage, blieb an einem unbekannten Ort im Universum verschollen. Er hatte keine Ahnung, was geschah. Selbst wenn er Kenntnis von den Ereignissen erlangt hätte, hätte das nicht zwangsläufig seine Rückkehr bedeutet. Vielleicht hinderten ihn die Umstände daran, sich um seine Bastion im Hyperraum zu kümmern. Vielleicht war er in andere Kämpfe verwickelt und hatte seinen Vertrauten längst vergessen.

Zum ersten Mal kam Charlo auf die Idee, der große Jedrul würde womöglich nie mehr zurückkommen. Bei der Vorstellung befiel ihn eine eisige Lähmung. Er versuchte sie mit Macht zu verdrängen, doch sie wollte nicht vergehen. „Kalt! Es ist kalt. Temperatur erhöhen.“

Der Medotank kam der Aufforderung nicht nach. Stattdessen drang ein zischendes Geräusch an Charlos Ohren. Der Behälter öffnete sich. Licht flutete sein Inneres. Der kräftig gebaute, zwei Meter große Humanoide mit der kupferfarbenen Haut zog seine ausladenden Schultern zusammen und entstieg dem Tank. Ihn fröstelte es. Habbalin schwebte auf seinem Prallfeld zwischen den Kontrolleinrichtungen der Heilkammer.

„Warum unterbrichst du den Prozess?“

„Das habe ich nicht.“ Die peitschenartigen Handlungsarme des Kegelroboters, der Charlo an Körpergröße nicht nachstand, hingen inaktiv am Körper herunter. „Die Medoeinheit hat deine Gesundheit diagnostiziert. Du bist vollends wiederhergestellt, Herr.“

„Was weiß die Medoeinheit schon?“, brummte Charlo missgelaunt. Sie hatte keine Ahnung von seiner psychischen Verfassung. „Hast du nach Cyberjohn gesucht?“

„Nein, Herr, aus welchem Grund hätte ich das tun sollen? Er ist tot.“

„Bist du sicher?“

„Er ist ohne Bewusstsein in den Abgrund gestürzt. Er kann nicht überlebt haben – wenn er nicht ohnehin schon tot war.“

Charlo zweifelte nicht daran. Er griff nach seinen Kleidungsstücken und legte sie an, die gebauschte Hose, das Hemd und die ärmellose Weste. Er stieg in die weichen Stiefel, band den Gürtel mit den Intarsien und seinen Ausrüstungsgegenständen um und strich seine langen, wallenden Haare nach hinten. Erst danach setzte er die von feinen silbrigen Äderchen durchzogene Neurokappe auf, die sich der Schädelform ihres Trägers automatisch anpasste.

„Ich will trotzdem, dass du nach der Leiche suchst. Vielleicht ergibt Cyberjohns Untersuchung Hinweise darauf, welchem Volk er angehörte.“

„Keinem uns bekannten“, antwortete der Kegel.

Nein, natürlich nicht. Das wäre weder Habbalin noch mir entgangen. Charlo überging den Einwand des Roboters. Er musste eine Entscheidung treffen, die von weit reichender Bedeutung war.

„Ich sehe unsere Sicherheit bedroht“, sagte er spontan.

„Durch die fremden Raumfahrer? Ich halte sie für keine Bedrohung. Sie haben überhaupt nicht begriffen, was hier geschieht. Sie wussten weder von Trin noch von Jedrul.“

„Das haben sie behauptet.“

„Ich glaube ihnen.“

Charlo horchte auf. Glauben und Vertrauen waren keine Wesensmerkmale seines Roboters. Habbalin hatte während Charlos Jahrtausende andauerndem Schlaf in der Tat neue Züge entwickelt. So hatte er vor dem Auftauchen der Fremden sogar Neugier gezeigt. Charlo war unschlüssig, ob diese Veränderungen Anlass zur Besorgnis gaben.

„Sie haben die Passage benutzt, um zu uns zu gelangen. Das kann nicht durch Zufall geschehen sein. Von allein hätten sie die Arche nicht gefunden. Sie waren im Besitz der Impulse zum Öffnen des Tores. Hast du dafür eine Erklärung?“

„Nein, Herr“, gestand Habbalin. „Außer dir und mir kennt allein Jedrul die Impulsfolge. Das würde bedeuten, dass der hohe Herr sie den Fremden anvertraut hat.“

„Aber daran glaubst du nicht?“

„Nein, Herr, denn sie hätten keinen Grund gehabt, uns das zu verschweigen. Jedrul ist ihnen unbekannt.“

Charlo war geneigt, dem Roboter zuzustimmen. Umso verzwickter war die Lage. Es war keine logische Erklärung denkbar, und das weckte Charlos Misstrauen erst recht. Er durfte nicht ignorieren, was geschehen war. Er musste Maßnahmen in die Wege leiten, um allen Eventualitäten vorzubeugen.

„Ich werde die Geister in die Aktionskörper transferieren“, entschied er. „Ich werde sie aufwecken.“

Habbalin kommentierte die Ankündigung nicht. Er glitt auf seinem Prallfeld davon, um nach Cyberjohns Leiche zu suchen.

*

Als er wieder zu sich kam, war er von rötlichem Metall eingehüllt. Es umgab ihn warm und weich wie ein schützender Kokon. Cy sah, obwohl seine Augen geschlossen waren. Das geschmeidige Material bedeckte seinen Körper, seine Hände, seinen Kopf. Es barg sein Gesicht, versiegelte Ohren und Nase und drang sogar in seinen Mund ein.

Cy geriet in Panik. Unwillkürlich schnappte er nach Luft, um der Erstickung zu begegnen. Er wollte mit den Armen rudern, um sich aus der ungewohnten Lage zu befreien, doch die rötliche Substanz hinderte ihn daran. Sie dämpfte und verlangsamte seine Bewegungen und hielt ihn in der waagerechten Position, die er einnahm. Das Atmen hingegen bereitete ihm keine Schwierigkeiten. Cys Lungen füllten sich mit Luft, und sein Intellekt gewann die Oberhand über die Empfindungen. Er zwang sich zur Ruhe, als er begriff, dass ihm keine unmittelbare Gefahr drohte. „Hört mich jemand?“, fragte er.

Das Biogewebe zog sich blitzschnell aus seinem Mund zurück. Die Worte kamen ihm deutlich über die Lippen. Kaum dass er sie ausgesprochen hatte, wusste er, dass sie niemanden erreichten. Schlagartig begriff er, wo er sich aufhielt. Er steckte in einem der kleinen Jäger, die er und seine Kameraden bei ihrer Expedition durch die Hyperraumstation gesehen hatten. Zwei dieser Jäger hatten sie verfolgt. Der eine hatte schließlich die PROMET angegriffen und ihr einen erbitterten Kampf geliefert, während der andere scheinbar führungslos und ohne Antrieb in den Raumschacht abgedriftet war. Cy war sicher, von diesem zweiten Jäger aufgenommen worden zu sein. Über die Gründe konnte er nur spekulieren. Wahrscheinlich hatte ihn das wendige, kleine Schiff gefangen genommen, um ihn zu Charlo zu bringen. Er erinnerte sich an ihre Theorie, die zum Teil aus biologischem Material bestehenden Fahrzeuge betreffend. Offenbar stimmte sie. Die schlanken Raumfahrzeuge nahmen potentielle Piloten direkt in ihrem Gewebe auf und gingen eine gewisse Verbindung mit ihnen ein. Das setzte semiintelligente Fähigkeiten voraus. Erst jetzt registrierte Cy, dass die Biomasse auch die Cyberbuchsen in seinen Schläfen besetzte.

Seine Augen waren immer noch geschlossen. Trotzdem nahm er optische Eindrücke auf. Primär galt das für das rötliche Material, in das er gebettet war. Als er sich auf die Umgebung des Jägers konzentrierte, gewahrte er sie ebenfalls. Der schlanke Flugkörper schwebte in dem Raumschacht, nicht weit von einer der Stationsebenen entfernt. Die Jäger versorgten ihre Piloten also mit Informationen, wahrscheinlich nicht nur auf visueller Ebene. Es schien Cy, als läge er in einem transparenten Fahrzeug.

„Fahrt aufnehmen.“ Cy dachte an eine bestimmte Richtung, und der Jäger gehorchte. Schlingernd setzte er sich in Bewegung. Er beschleunigte, schoss in Richtung auf die Station davon und brach plötzlich aus seinem Kurs aus. Cy verlangsamte die Geschwindigkeit, bis beinahe wieder der Stillstand erreicht war. Das hätte leicht ins Auge gehen können.

Er verharrte an Ort und Stelle und rekapitulierte das Geschehen. Die zweite Anordnung hatte er nicht ausgesprochen. Sie war seinen Gedanken entsprungen, und doch hatte der Jäger umgehend darauf reagiert. Akustische Befehle waren also nicht nötig, um ihn zu steuern. Cy nahm an, dass der Informationsfluss von seinem Gehirn an die wie auch immer gearteten Bordsysteme über seine Cyberbuchsen erfolgt war war. Er glaubte nicht, dass die eigentlichen Piloten gleich ihm mit solchen Implantaten ausgerüstet waren. Er hatte die humanoiden Wesen gesehen, die in Bassins heranwuchsen. Er ging davon aus, dass das Gewebe, aus dem sie gezüchtet wurden, mit dem der Jäger kompatibel war und es einen unmittelbaren Datenfluss zwischen Fahrzeug und Pilot gab.

Bevor er abermals auf die Steuerung zugriff, konzentrierte er sich auf seinen Körper. Er empfand eine gewisse Mattheit und einen Nachhall der Schmerzen, die ihn gequält hatten, aber sie waren nicht so schlimm wie vor seinem Sturz. Es ging ihm deutlich besser. Sein Körper hatte sich regeneriert. Dafür konnte nur die Biomasse des Jägers verantwortlich sein. Er fragte sich, wieviel Zeit seit seinem Sturz vergangen war. Er kam nicht an seine Armbandcom heran, um einen Blick auf die Zeitanzeige zu werfen.

„Wie lange halte ich mich an Bord auf?“, fragte er, obwohl er davon ausging, dass eine gedankliche Anfrage genügt hätte, um gehört zu werden.

Die Bordsysteme gaben keine Auskunft.

Cy hatte eine Idee. „Existiert eine Aufzeichnung über den Raumkampf mit dem fremden Schiff? Wenn ja, abspielen.“

Die Szene vor seinem geistigen Auge änderte sich. An die Stelle des leeren Raumschachtes trat die PROMET. Sie entfernte sich mit hoher Geschwindigkeit, verfolgt von einem feuernden Jäger, in dem Cy Charlo vermutete. Die PROMET raste auf einen schwarzen Spiegel zu, der von waberndem Rot eingefasst war. Sie tauchte in das Chronoskop ein und verschwand aus dem Hyperraum in den Normalraum. Ihr war die Flucht vor der Vernichtung gelungen. Cy atmete erleichtert auf. Anscheinend hatte sich sein Hinweis mit der Einschaltung des Dekametros als richtig erwiesen. Noch etwas anderes bewies die Flucht der PROMET. Die Besatzung hielt ihn für tot. Shalyn Shan hätte niemanden aus ihrer Crew im Stich gelassen. Das bedeutete, dass er im Hyperraum gefangen war. Ihm fehlten die technischen Möglichkeiten, einen Übergang in den Einsteinraum zu schaffen. Andererseits wurden die Jäger sicher nicht fürs Parakon gebaut. Schließlich gab es im Hyperraum keinen Gegner. Charlo besaß die Möglichkeit, aus diesem Kontinuum in den Normalraum zu gelangen, also war er es, an den Cy sich halten musste.

Er konzentrierte sich und beschleunigte den Jäger mit geringen Werten. Mit mäßiger Geschwindigkeit führte er eine Reihe von Tests durch. Die Systeme setzten seine Anweisungen anstandslos in Flugmanöver um. Er gewöhnte sich rasch an diese Art der Steuerung. Das Schiff akzeptierte ihn als Piloten. Bei der Systemprogrammierung war offenbar nicht einkalkuliert worden, dass es jemals unter unbefugte Kontrolle geraten könne. Woher hätte sie an diesem Ort auch kommen sollen? Cy nahm den Schwachpunkt dankbar zur Kenntnis. Er hatte ihm nicht nur das Leben gerettet, sondern konnte sich in Zukunft als unschätzbarer Faktor erweisen.