Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 20: Das Attentat - Achim Mehnert - E-Book

Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 20: Das Attentat E-Book

Achim Mehnert

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Beschreibung

Es ist die Promet II, die Tod und Chaos nach Suuk bringt. Ein blutiger Terroranschlag soll den Ruf der außerirdischen Freunde der HTO auf Terra beschädigen.Währenddessen beschwört ein Medizinmann die Essenz des Kosmos herauf.Die Printausgabe umfasst 144 Buchseiten.

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Achim MehnertDAS ATTENTAT

In dieser Reihe bisher erschienen

5001 Christian Montillon Aufbruch

5002 Oliver Müller Sprung ins Ungewisse

5003 Vanessa Busse Dunkle Energie

5004 Vanessa Busse Angriff aus dem Nichts

5005 Oliver Müller Gefangene der Doppelsonne

5006 Achim Mehnert Das Vermächtnis der Moraner

5007 Rainer Schorm Jedermanns Feind

5008 H. W. Stein & Oliver Müller Die Sklavenwelt

5009 Achim Mehnert Todesdrohung Schwarzer Raumer

5010 Vanessa Busse Entscheidung Risiko

5011 Ben B. Black Zegastos Kinder

5012 Michael Edelbrock Fremde Seelen

5013 Achim Mehnert Böser Zwilling

5014 Achim Mehnert Sternentod

5015 Achim Mehnert Das Ende der Promet

5016 Achim Mehnert Tötet Harry T. Orell!

5017 Achim Mehnert Das galaktische Archiv

5018 H. W. Stein Der Tod und das Leben

5019 Achim Mehnert Die Delegation

5020 Achim Mehnert Das Attentat

5021 Achim Mehnert Flucht aus der Terrorstadt

5022 Achim Mehnert Die Tragödie von Gij

Achim Mehnert

Das Attentat

RAUMSCHIFF PROMETBand 20

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2019 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannExposé: Gerd Lange und Markus MüllerTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-580-7Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Outer Space, 25.11.2090

Die Promet II fiel aus dem Parakon, und Peet Orell starrte auf den Rundumschirm. Draußen, jenseits der Schiffshülle, war alles still und friedlich. Die Panoramaaussicht bot die Schwärze des Weltalls und Myriaden darin eingebetteter Lichtpünktchen – keinen Verfolger, keinen Schwarzen Raumer.

Peet lauschte auf seinen Herzschlag, dessen ­Rhythmus ebenso wie der seines Pulses kaum erhöhte Aktivität zeigte. Alles war viel zu schnell gegangen, als dass ihm Zeit geblieben wäre, Angst zu verspüren. Der Adrenalinschub beim Auftauchen des düsteren Schiffsgiganten der Zyklops hatte ein Übriges dazu beigetragen, sich blitzschnell auf die Kommandantenaufgabe zu konzentrieren und alles andere aus seinen Gedanken auszuklammern.

Flucht vor dem unheimlichen Gegner und die Rettung der Promet vor der Zerstörung.

Erst jetzt nahm Peet das Stöhnen mehrerer Menschen wahr. Es stammte nicht von seinen Gefährten, stellte er mit einem Blick durch die Zentrale fest. Jörn Callaghan und Vivien Raid waren an die Belastung bei vergleichsweise kurzen Transitionen gewöhnt, die beiden Moraner Arn und Junici Borul sowieso. Anders verhielt es sich mit den Angehörigen der Delegation, die sich an Bord der Promet aufhielt. Die Vertreter der verschiedenen politischen Machtblöcke der Erde besaßen keine Raumfahrterfahrung. Für sie war dies hier der erste interstellare Flug, und entsprechend setzten ihnen die ­schmerzhaften Begleiterscheinungen zu, die jeder Sprung durchs ­Parakon zwangsläufig mit sich brachte.

Man gewöhnt sich an alles, dachte Peet. Sie hatten ja unbedingt noch einen Ausflug ins Ungewisse machen wollen – in ein unbekanntes Sonnensystem, das selbst der Promet-Besatzung fremd war. Das haben sie nun davon.

„Alles in Ordnung bei den Damen und Herren?“, erkundigte er sich pflichtschuldig. Immer die Etikette wahren, der Diplomatie Genüge tun. Schließlich war die Idee, mit den Politikern durchs Weltall zu schippern, auf seinem Mist gewachsen.

Elena Kankova nickte wortlos. Lediglich ein Zucken ihrer Mundwinkel ließ erahnen, dass die russische Außenministerin noch mit der soeben erlebten Schmerzattacke zu kämpfen hatte. Die Kanadierin Theodora Flint schluckte krampfhaft und wischte sich einen Schweißfilm von der Stirn, der im künstlichen Licht der Zentrale schimmerte wie ein dünner Regenbogen, während der das Freie Frankreich vertretende Androgyn Serge Bonet sich das Gesicht puderte, wie es seine Art war.

„Alles in Ordnung?“, wiederholte Ronald Austin polternd. „Was soll denn in Ordnung sein? Ich fühle mich ziemlich beschissen, und damit meine ich nicht, dass mir die eben durchgeführten Transitionen den Magen buchstäblich zusammengezogen haben ...“

„Sie selbst waren ganz wild auf diesen letzten Ausflug, Mister Secretary“, erinnerte Vivien den Texaner an dessen ausdrückliches Verlangen.

„... sondern ich rede von diesem schwarzen Raumschiff“, überging der Staatsminister der vierundfünfzig Vereinigten Staaten von Amerika den Einwurf der Jüngsten an Bord. „Was sagten Sie, wie heißen diese unbekannten Bestien? Zyklops oder so ähnlich?“

„Zyklops, ganz recht“, bestätigte Jörn, wobei er seine Pfeife aus der Tasche zog und sie nachdenklich in der Hand wiegte. „Eben jene Zyklops, die die Heimatwelt der Moraner verwüstet haben.“

Austin warf Arn und Junici nacheinander kurze Blicke zu. „Ja, verstanden. Ich glaube, das haben wir alle. Ich werde verhindern, dass dieses Schicksal auch die Erde ereilt, und ich gehe davon aus, dass die hier Anwesenden meine Ansicht teilen. Wir müssen die Menschheit so schnell wie möglich vor der drohenden Gefahr warnen. Also, Mister Orell, bitte Kurs setzen und ab nach Hause!“

„Ich bin sicher, dass alle hier Ihnen zustimmen, Mister Secretary of the State.“ Tomasz Kronjevc hatte sich bisher zurückgehalten und dem Gespräch mit ausdrucks­loser Miene gelauscht. Der grauhaarige Direktor von Terra States, zugleich Leiter der TST-Ressorts Wirtschaft und Spionage, stellte auch nun eine fast distanziert wirkende Gelassenheit zur Schau. „Wir sollten jedoch nicht übereilt handeln und durch Unbedachtheit möglicherweise eine Massenpanik auslösen.“

„Eine Massenpanik?“ Austin brach in schallendes Gelächter aus. „Die kommt von ganz allein, spätestens wenn einer dieser Schwarzen Raumer über Terra steht.“

Kronjevc konterte den Lachanfall des Texaners mit einem kalten Lächeln. „Bisher haben diese sogenannten Zyklops noch gar keine Ahnung von der Existenz der Erde, sonst wären sie längst im Solsystem aufgetaucht. Oder sehe ich das falsch?“

„Nein.“ Peet, der sich angesprochen fühlte, schüttelte den Kopf. Er hielt Kronjevc für einen undurchschau­baren Charakter. Er traute dem Grauhaarigen nicht, und er mochte ihn nicht, doch eins stand fest: Dieser Mann war ein sachlicher Analytiker, der sich nicht von Gefühlen lenken ließ, sondern jederzeit zielgerichtet kalkulierte. „Wüssten die Zyklops von uns, hätten sie längst angeklopft.“

„Sehr malerisch ausgedrückt.“ Austin warf in gespielter Verzweiflung die Arme in die Luft, doch weiter kam er nicht. Bevor er noch etwas anfügen konnte, öffnete sich das Schott, und Edith Brown betrat die Zentrale.

„Edith?“, empfing Theodora Flint ihre Mitarbeiterin. „Was wollen Sie hier? Wieso kümmert sich Doktor Ridgers nicht um Sie? Ich dachte, Sie ruhen sich in der Medostation aus.“

„Das habe ich zur Genüge getan. Die Untätigkeit dort bringt mich um.“ Die zierliche Frau Anfang Dreißig rang mit den Händen. „Verzeihung, Miss Flint, die Bemerkung war wohl unangebracht.“

Das traf in der Tat zu, ging es Peet durch den Kopf. Denn Edith Brown war krank, todkrank sogar. Sie litt unter chronischer Leukämie ohne die Aussicht auf Heilung. Ihr blieb nicht mehr viel Zeit, daran ließ Doc Ridgers keinen Zweifel. Diese Tatsache war keinem so klar wie der Betroffenen selbst, und sie gab sich keinen Illusionen hin. Vielleicht würde sie das Ende dieser Reise schon nicht mehr erleben, doch sie hatte sich strikt geweigert, vor dem Abschluss der Mission zurück zur Erde gebracht zu werden. Die Mission war wichtig für die Menschheit, und Edith wollte ihren Beitrag dazu leisten, sogar wenn dies, wie sie selbst es ausdrückte, das Letzte war, war sie in ihrem Leben tat. Peet bewunderte die sterbenskranke Frau für ihren Einsatzwillen.

„Ich will nicht von den Geschehnissen abgeschnitten werden“, versetzte Edith Brown. „Ich habe in der Medo­station zwar halbwegs mitbekommen, was vor sich geht, aber ich möchte es aus der Nähe miterleben, genau wie jeder andere von Ihnen. Keine Sorge, mir geht es besser, und darüber will ich nicht diskutieren. Ich bitte, dies zu respektieren.“

Tatsächlich machte sie einen kräftigeren Eindruck als ein paar Stunden zuvor. Arn erhob sich aus seinem Kontur­sessel, von denen neun Stück zur Verfügung standen, und bot der Kranken Platz an. Mit einem dankbaren Nicken machte sie es sich darin bequem. Der Moraner selbst klappte einen der Notsitze herunter und nahm darauf Platz.

„Zurück zu den Schwarzen Raumern“, griff Austin den ursprünglichen Gesprächsfaden wieder auf. „Schön und gut, dass die Zyklops bisher nichts von der Erde wissen, aber wir dürfen nicht davon ausgehen, dass dieser Zustand dauerhaft Bestand haben wird. Es wäre nicht nur naiv, sondern fahrlässig, keine präventiven Maßnahmen zu ergreifen.“

„Und wie sollen die aussehen?“, wollte Vivien wissen.

Der Texaner zuckte mit den Schultern. „Zunächst einmal müssen wir umgehend die Weltregierung über die Gefahr in Kenntnis setzen. Ausschließlich die Regierung, nicht die Bevölkerung. Damit verhindern wir eine Massenpanik, zumindest fürs erste. Würde die Bedrohung durch die Schwarzen Raumer ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangen, wäre das Wasser auf die Mühlen der Extremisten von Terra den Terranern, die dieser Tage überall von sich reden machen.“

Die von Austin angesprochene Befürchtung ließ sich nicht von der Hand weisen, dachte Peet. Terra den ­Terranern, hervorgegangen aus der dubiosen Vereinigung Kanada den Kanadiern, die sich anfangs nur gegen die übermäßige Einwanderung aus Mexiko nach Nord­amerika gestellt hatte, führte einen populistischen Kreuzzug gegen die vermeintlich gefährlichen Invasoren aus den Tiefen des Weltraums. Den TdT-Aktivisten und ihren Sympathisanten war es egal, ob es sich dabei um Moraner, kleine grüne Männchen oder sonstige Außerirdische handelte. Nicht auszudenken, dass die Aufwiegler von den Schwarzen Raumern erfuhren. Der Zulauf zu ihrer illegalen Organisation würde sprunghaft in die Höhe schnellen.

„Irgendwann wird etwas durchsickern, und dann haben wir den Salat.“ Jörns Bemerkung riss Peet aus seinen Überlegungen. Der leidenschaftliche Pfeifenraucher hatte sich entschieden, seine Pfeife anzuzünden. Das Aroma zog durch die Zentrale der Promet II, der Dunstabzug schluckte den Rauch. „Aber natürlich haben Sie recht, Mister Secretary. Wir müssen die Weltregierung schnellstmöglich in Kenntnis setzen.“

„Worauf warten wir dann noch?“, drängte Austin.

„Was ist mit Miss Su Xho?“, stellte Edith Brown eine Gegenfrage.

„Diese Chinesin, die mit der Moran nach Suuk kam?“

„Ganz recht.“ Edith Brown fasste Peet ins Auge. „Sie schienen sich für Miss Xho verantwortlich zu fühlen, Mister Orell.“

Der Konzernerbe zuckte innerlich zusammen. An die junge Exogeologin hatte er im Zuge der Flucht vor dem Schwarzen Raumer gar nicht mehr gedacht. Es stimmte, Su Xho saß auf Suuk fest. Eigentlich war geplant gewesen, dass Captain Worner die Chinesin wieder mit zur Erde nehmen würde, wenn sie diesen Wunsch hegte. Doch die Moran würde zunächst Riddle anfliegen. Vielleicht hatte Su Xho keine Lust, solange zu warten. Eigentlich konnte Peet das reichlich egal sein, schließlich hatte die Chinesin alles unternommen, um einer zweifelhaften Vision zu folgen und nach Suuk zu gelangen. Es gab also keinen Grund für sie, sich zu beklagen. Andererseits hatte er, Peet, ihr die Möglichkeit gegeben, ihr Ziel zu erreichen. Sie hatte ihn schön um den Finger gewickelt, gestand er sich im Nachhinein ein. Er begann, seine Entscheidung zu bedauern. Er hätte die Bitte der jungen Frau rundweg ablehnen sollen, statt sich auf diesen Unsinn einzulassen. Das hatte er nun von seiner Gutmütigkeit.

„Wir können Su Xho nicht gegen ihren Willen auf Suuk zurücklassen, Peet“, überlegte Vivien laut. „Du erwähntest, dass sich irgendetwas Unerklärliches zwischen ihr und dem Medizinmann Korak abspielte, als sich die Beiden begegneten. Vielleicht ist sie in Gefahr.“

„Unsinn!“, polterte Austin unmissverständlich. „Die Erde läuft der forschen jungen Dame schon nicht weg, uns hingegen der Frieden möglicherweise schon. Ich appelliere an Sie, Mister Orell, den Heimflug anzuordnen.“

„Ganz meine Meinung“, schaltete sich Serge Bonet mit heller Stimme in das Gespräch ein. „Ich bin sicher, Miss Xho geht es gut. Um sie können Sie sich später immer noch kümmern, Mister Orell.“

Peet sah sich unvermittelt in die Ecke gedrängt, denn Edith Brown hatte recht. Er fühlte sich tatsächlich ein wenig für Su Xho verantwortlich. Andererseits betonte gerade er ständig die von den Zyklops ausgehende Gefahr, die nicht ernst genug genommen werden konnte. Er warf Tomasz Kronjevc einen unauffälligen Seitenblick zu. Der ergraute TST-Direktor blieb die Gelassenheit in Person. Sein Gesicht glich einer wächsernen Maske. Er verriet durch kein Muskelzucken, was er dachte. Theodora Flint verhielt sich abwartend, ebenso wie Elena Kankova. Dafür erhielt Peet Unterstützung von unerwarteter Seite.

Edith Brown räusperte sich vernehmlich. „Ich lehne es ab, Mister Orell die Pistole auf die Brust zu setzen. Wir sollten wirklich nach Su Xho schauen.“

„Das sagen ausgerechnet Sie, Edith?“, wunderte sich Theodora Flint. „Von uns allen müssen Sie am ­dringendsten zur Erde gelangen, damit sich Ihre Ärzte um Sie kümmern können.“

„Was, wie alle Anwesenden wissen, nicht zur Besserung meines Gesundheitszustandes beitragen wird.“ Die zierliche Frau sprach mit fester Stimme. Sie klang entschlossen. „Hingegen ist es geboten, sich um Su Xho zu sorgen, denn wie es ihr geht, wissen wir nicht. Finden Sie nicht auch, Miss Flint?“

„Nun, wenn Sie dieser Meinung sind, schließe ich mich ihr gerne an, Edith“, versicherte die Kanadierin.

Edith Brown wandte sich an den Texaner. „Der Umweg über Suuk kostet uns nur wenig Zeit, Mister Secretary. Wenn ich diese Zeit aufbringen kann, können Sie es gewiss auch.“

Ronald Austin schürzte die Lippen. Offenbar lag ihm eine Entgegnung auf der Zunge, doch er behielt sie für sich. Mit ihrem Appell hatte die todgeweihte Frau ihm den Wind aus den Segeln genommen. Er sah ein, dass weitere Einwände ihn als herzlos dastehen lassen würden.

„Einverstanden“, murmelte er. „Ich wappne mich mit Geduld, Mister Orell. Fliegen wir also nach Suuk.“

„Ach ja?“ Serge Bonet wedelte aufgeregt mit den Händen. „Wir anderen werden wohl nicht gefragt? Ich bin jedenfalls dagegen, wertvolle Zeit zu vertrödeln. Was kümmern wir uns noch länger um diese Su Xho? Sie ist dort, wo sie hinwollte. Damit ist das Thema für mich erledigt. Wenn sie auf Suuk festsitzt, ihr ­Problem.“

Edith Brown maß den Androgyn mit einem strengen Blick. „Eine etwas engstirnige Sichtweise. Schämen Sie sich denn gar nicht?“

„Mich schämen?“ Serge Bonets helle Stimme wurde unversehens schrill. „Weil diese Frau einem Hirngespinst nachläuft und uns von wesentlichen Dingen abhält?“

„Zum Glück entscheiden nicht Sie allein, was wesentlich ist und was nicht.“

„Und Sie haben hier eigentlich gar nichts zu melden“, konterte Bonet. „Sie sind eine Gehilfin, mehr nicht. Außerdem werden Sie ohnehin bald ...“

Der Franzose führte den Satz nicht zu Ende. Trotzdem war allen klar, was er hatte sagen wollen. Außerdem werden Sie ohnehin bald sterben. Edith Browns Wangen zuckten. Die Bemerkung hatte sie schwer getroffen.

„Mäßigen Sie sich“, bat Peet, mühsam beherrscht.

„Ja, schon gut“, lenkte Bonet ein. „Mir scheint nur, hier haben alle einen Narren an der jungen Dame gefressen, besonders die Männer in unserer Runde.“

„Als einen solchen kann man Sie ganz bestimmt nicht bezeichnen“, brachte Edith Brown tonlos hervor. „Weder als Mann noch als Frau. Vielleicht als etwas Sächliches, ein Ding.“

Für einen Moment herrschte gelähmtes Schweigen. Serge Bonet verzog das Gesicht. Peet hatte den Eindruck, dass der Franzose noch etwas blasser wurde, als von ihm gewohnt, und das lag nicht an dem Puder auf seinen Wangen und der Stirn.

„Es reicht jetzt!“, schritt der Kommandant der Promet ein. Nicht zum ersten Mal stellte er fest, dass unter den Delegierten alles andere als eitel Sonnenschein herrschte. Allerdings, räumte er gedanklich ein, hatte sich seit dem Start von der Erde noch keiner von ihnen so sehr im Ton vergriffen wie Serge Bonet und Edith Brown soeben. Politiker! Peet seufzte still in sich hinein. „Ich bitte Sie eindringlich, und das gilt für Sie alle: Reißen Sie sich zusammen! Auf meinem Schiff dulde ich keine persönlichen Beleidigungen. Gerade nach dem Auftauchen des Schwarzen Raumers können Sie sich keine Misstöne untereinander erlauben. Sie müssen Persönliches hintenanstellen und an einem Strang ziehen.“

„Mister Orell hat völlig recht“, erhob Tomasz Kronjevc die Stimme. „Angesichts der wohl größten Gefahr, die der Erde jemals drohte, können Sie sich keine kleinkarierten Animositäten erlauben. Ich bin mir sicher, Sie alle sind sich ihrer Verantwortung für die Menschheit bewusst. Nur zeigen Sie es auch.“

Abermals trat sekundenlang Stille ein. Die Worte des TST-Direktors zeigten Wirkung. Die aufgeladene Atmosphäre begann sich zu entspannen. Serge Bonet winkte ab, ohne Edith Brown einen Blick zu gönnen. Die kranke Frau presste die Lippen zu zwei blutleeren Strichen aufeinander.

„Meinetwegen fliegen Sie doch, wohin Sie wollen“, schnaubte der Franzose. Er wuchtete sich aus dem Kontursessel in die Höhe und stapfte aus der Zentrale.

Unter den Delegierten zeichneten sich Risse ab, fürchtete Peet, die sich so schnell nicht wieder würden kitten lassen. In Abstimmung mit Astronavigator Szer Ekka im Astro-Lab und mit Pino Takkalainen im Triebwerkraum legte er einen Kurs fest, während Arn die Sprungdaten für eine Transition zu der Dunkelstelle ermittelte, in der die Halo-Sonne mit ihren sieben Planeten lag, unter ihnen Suuk.

*

Suuk, 25.11.2090

„Warte eine kurze Weile“, hauchte Korak. „Gedulde dich. Ich werde gleich wieder bei dir sein.“

Der Medizinmann der Suuks saß im Schneidersitz auf dem Boden. Seine Hände ruhten auf den Oberschenkeln, sein Körper zeigte keine Regung. Er wirkte, als hätte er sich soeben in Trance versetzt. Vielleicht stimmte das sogar, denn obwohl Su Xho drei Meter vor ihm stand, nahm er sie nun nicht mehr wahr. Er schien geradewegs durch sie hindurchzuschauen, den Blick auf einen imaginären Punkt in der kargen Behausung gerichtet. Su Xho öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch sie schreckte davor zurück. Womöglich störte sie Korak in seiner Konzentration.

Sie wich weiter zurück, bis sie den vorderen Teil der Behausung ihres Gastgebers – kaum mehr als eine Hütte, wenn auch aus festen Elementen gefertigt – in ihrer Gesamtheit überschauen konnte. In den Raumecken und an den Wänden reihten sich Trommeln in verschiedenen Größen, manche klein und schlicht und ohne den geringsten Zierrat, andere groß, kunstvoll bemalt und mit Lederbändern und bunten Accessoires versehen. Der Rest verdiente keine besondere Erwähnung, denn die spartanische Einrichtung zeugte von der Bescheidenheit ihres Bewohners. Tisch und Stühle, eine Schlafgelegenheit und ein paar Regale, in denen Gegenstände des täglichen Lebens lagerten, mehr besaß der Medizinmann offenbar nicht. Der aus Bejing in Jap-Asien stammenden Chinesin, die bis vor Kurzem in einem schicken Apartment auf Terra gelebt hatte, mutete dieser Lebensstil geradezu primitiv an. Sie lächelte.

„Es kommt nicht auf das Äußere an, nicht auf den Schein.“ Diese erste Lektion hatte Korak ihr gleich nach dem Abflug der Promet II mit auf den Weg gegeben. „Du wirst lernen, die Dinge hinter den Dingen zu sehen – sofern du diejenige bist, auf die ich gewartet habe und für die ich dich halte.“