Rayan - Im Auge des Sturms - Indira Jackson - E-Book

Rayan - Im Auge des Sturms E-Book

Indira Jackson

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Beschreibung

In letzter Sekunde gelingt es Hanif, das Leben seines Freundes Rayan zu retten, der den eiskalten Killern in München hilflos ausgeliefert war. Um seinen Begleitern anschließend die Flucht zu ermöglichen, stellt sich der Sohn der Wüste alleine den Behörden in der bayerischen Landeshauptstadt. Doch der Anschlag hat letztendlich einen positiven Aspekt: Endlich haben sie den ersten handfesten Hinweis auf die Hintermänner – den Namen des Auftraggebers! Aber die vermeintlich schnelle Lösung stellt sich erneut als Sackgasse heraus. Kann Rayan gemeinsam mit seinen Freunden in Amerika doch noch das Rätsel lösen und somit ein für alle Mal die ständige Bedrohung seines Lebens beenden? Dann stürzt sein Flugzeug in einem Sandsturm ab. Waren es wirklich die Naturgewalten oder eine erneute hinterhältige Tat des Feindes? In den Wirren des Unglücks werden Rayan und Carina getrennt. Während die werdende Mutter nach einigen Tagen gerettet wird, bleibt Rayan verschollen. Der Scheich kennt die Wüste wie kein anderer, aber wieso meldet er sich selbst nach Wochen bei keinem seiner Freunde? Für sie gibt es am Ende nur eine Erklärung: Er hat den Absturz nicht überlebt. Während ganz Zarifa um ihren Anführer trauert, befindet sich dieser in einer ganz neuen Bedrängnis – wird es dem Herrscher der Tarmanen gelingen, sich selbst zu befreien?

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Indira Jackson

Rayan - Im Auge des Sturms

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

02.02.2015 - München - Showdown

02.02.2015 - München - Schnell weg vom Tatort

2005 - In der Wüste weit vor Alessia - Ein Verfolger

02.02.2015 - München: Englischer Garten - Fehlende Sprachkenntnisse?

02.02.2015 - München - Eilige Abreise

2005 - In der Wüste weit vor Alessia - Ein gebrochenes Wort

02.02.2015 - München: Polizeirevier - Das Verhör

2005 - In der Wüste weit vor Alessia - Ein unhöflicher Gast

02.02.2015 - München: Polizeirevier - Die Wahrheit

2005 - In der Wüste weit vor Alessia - Auf dem Weg zurück

02.02.2015 - München: Weg zum Flughafen - Die Wiedergutmachung

2005 - Zurück in Alessia - Späte Erkenntnis

02.02.2015 - München: Flughafenhotel - Eine weitere Einladung

2005 - Alessia - Versuch der Wiedergutmachung

02.02.2015 - München: Flughafenhotel - Keine schwere Entscheidung

November 2005 - Alessia - Ein völlig neues Leben

02.02.2015 - München: Flughafenhotel - Reizvolle Überbrückung

November 2005 - Alessia - Sackgasse

02.02.2015 - München: Flughafenhotel - Der Abschied

05.02.2015 - Hummers Haus in Alessia - Terminplanungen

November 2005 - Alessia - Unendliche Sturheit

Anfang März 2015 - Hummers Haus in Alessia - Stolz und Unnahbarkeit

November 2005 - Alessia - Nachdrückliche Überzeugung

Anfang März 2015 - Hummers Haus in Alessia - Keine gute Voraussetzung

April 2006 - Harvard - Mitten im Studium

Anfang März 2015 - Hummers Haus in Alessia - Vergeben und Vergessen?

August 2006 - Harvard - Befriedigung der Neugier

Anfang März 2015 - Hummers Haus in Alessia - Über Zwänge und Riten

August 2006 - Charlotte - Der Beginn einer Freundschaft

Anfang März 2015 - Alessia: Flughafen Privatmaschinen - Drei-Tage-Trip?

13.03.2015 - Irgendwo in der Wüste - Einsames Erwachen

13.03.2015 - Einige Kilometer entfernt - Unangenehmes Erwachen

13. März 2015 - Charlotte - Eine schlechte Nachricht

13.03.2015 - Irgendwo in der Wüste - Vorbereitungen zum Überleben

13.03.2015 - Einige Kilometer entfernt - Eine schwache Hoffnung

14.03.2015 - Irgendwo in der Wüste - Eine doch nicht so abwegige Idee

13.-14.03.2015 - Einige Kilometer entfernt - Immer in Richtung Westen

15.03.2015 - Irgendwo in der Wüste - Freund oder Feind

16.03.2015 - Einige Kilometer entfernt - Im letzten Moment

18. März 2015 - Mitten in der Wüste - Es geht langsam aufwärts

19. März 2015 - Oase des fremden Fürsten - Versuchter Diebstahl?

19.-22. März 2015 - Mitten in der Wüste - Nur eine kurze Freude

19. März 2015 - Oase des fremden Fürsten - Kennenlernen unter widrigen Umständen

März 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Gefangen!

19. März 2015 - Oase des fremden Fürsten - Durchschaut

März 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Ein sadistischer Aufpasser

März 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Die Audienz

März 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Eine Erinnerung aus der fernen Vergangenheit

25. März 2015 - Außerhalb von Washington - Ein vier Jahre altes Rätsel

März 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Vorbereitung für die Zukunft

25. März 2015 - Außerhalb von Washington - Ein Verdacht wird Gewissheit

Ende März 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Entschluss für die Zukunft

25. März 2015 - Außerhalb von Washington - Eine spontane Reise

Ende März 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Fremde Besucher

28.03.2015 - Hummers Haus in Alessia - Weitere Nachforschungen:

Ende März 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Befragung am Abend

29.03.2015 - Am Flugzeugwrack - Zurück in die Vergangenheit

Ende März 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Freund oder Spion?

29.03.2015 - Am Flugzeugwrack - Bestätigung einer Vermutung

Ende März 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Fluchtgedanken

03. April 2015 - Oase von Fürst Harun Said - Eine schlechte Nachricht

Anfang April 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Hilfreiche Verstärkung

04. April 2015 - Oase von Fürst Said - Eine ungewisse Zukunft

02. April 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Es wird ernst

03. April 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Ein neuer Plan

07.04.2015 - In Hummers Haus in Alessia - Mäusejagd

03./04. April 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Die Flucht

08.04.2015 - Alessia - Zusammensetzen des Puzzles erfordert Geduld

04. April 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Blinde Wut

08.04.2015 - Alessia - Überraschender Besuch

04. April 2015 - Im Lager von Miskah Khalid - Alarmzustand

08.04.2015 - Alessia - Schützt Naivität vor Strafe?

04. April 2015 - Die offene Wüste - Davongekommen

06.04.2015 - Zarifa - Die Nachfolgeregelung

08.04.2015 - Alessia - Quid pro Quo

Anfang April 2015 - Die offene Wüste - Kampf ums Überleben

07.04.2015 - Zarifa - Lange vergangen, aber nicht vergessen

Mitte April 2015 - Oase von Farah - Scheideweg

08.04.2015 - Tal von Zarifa - Scheich Hanif

Anfang April - Tal von Zarifa - Unter neuer Herrschaft

Ende April 2015 - Oase von Farah - Erneut auf der Flucht

Anfang Mai - Tal von Zarifa - Aller Anfang ist schwer

Ende April 2015 - Irgendwo in der Wüste - Rückkehr nach Zarifa

Ende Mai 2015 - Bergwelt von Zarifa - Unverhofftes Wiedersehen

Einige Tage vorher: 17.05.2015 - Tal von Zarifa - Ein Ereignis kündigt sich an

Ende Mai 2015 - Bergwelt von Zarifa - Vertauschte Rollen

Einige Tage vorher: 17.05.2015 - Tal von Zarifa - Endspurt

Ende Mai 2015 - Bergwelt von Zarifa - Erste Schritte zurück ins Leben

Einige Tage vorher: 18.05.2015 - Tal von Zarifa - Sheila

Ende Mai 2015 - Bergwelt von Zarifa - Pläne zur Rückkehr

Ende Mai 2015 - Tal von Zarifa - Auf heimlichen Pfaden

Ende Mai 2015 - Tal von Zarifa - Gibt es eine Medizin?

Ende Mai 2015 - Tal von Zarifa - Zu Hause sein ist die beste Medizin

Ende Mai 2015 - Tal von Zarifa - Ein neues Leben und andere Neuigkeiten

Ende Mai 2015 - Tal von Zarifa - Verlobt und auch verliebt?

Ende Mai 2015 - Tal von Zarifa - Ein ernstes Gespräch

Anfang Juni 2015 - In der Wüste vor Zarifa - Kein Höflichkeitsbesuch

Zwei Tage zuvor - Zarifa - Eine Einladung: Rayan

Anfang Juni 2015 - Auf dem Weg zu Khalid - Bedingungen der Kapitulation

Zwei Tage zuvor - Zarifa - Eine Einladung: Carina

Anfang Juni 2015 - Vor Khalids Lager - Die Unterwerfung

Zwei Tage zuvor - Zarifa - Naturschönheiten

Anfang Juni 2015 - in Miskah Khalids Lager - Die Befreiung

Zwei Tage zuvor - Zarifa - Die erste Annäherung

Anfang Juni 2015 - In Miskah Khalids Lager - Die Vergeltung

Zwei Tage zuvor - Zarifa - Der erste Schritt zur Versöhnung

Anfang Juni 2015 - In Miskah Khalids Lager - Die Bestrafung

Anfang Juni 2015 - Einige Kilometer vor Khalids Lager - Die Verhandlung

Zwei Tage zuvor - Zarifa - Vor der Versöhnung kommt …?

Anfang Juni 2015 - Einige Kilometer vor Khalids Lager - Die Auswahl

Zwei Tage zuvor - Zarifa - Die Aussprache

Anfang Juni 2015 - Einige Kilometer vor Khalids Lager - Der Zweikampf

Anfang Juni 2015 - Einige Kilometer vor Khalids Lager - Zahltag

Anfang Juni 2015 - In Miskah Khalids Lager - Die Warnung

Anfang Juni 2015 - In der Oase von Farah - Zurück zur Normalität

Anfang Juni 2015 - In der Oase von Farah - Ein unmoralisches Angebot

Prolog für Teil Vier „Rayan - Der Stich des Skorpions“

Namensverzeichnis:

Weitere Bücher der Rayan – Reihe

Impressum neobooks

Vorwort

[email protected]

Irrtum vorbehalten. Alle Rechte bleiben bei der Autorin.

Die Namen, Personen und auch die meisten Orte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten zu realen Personen oder Ereignissen sind rein zufällig und keinesfalls beabsichtigt.

An meine treuen Fans,

als ich „Rayan – Sohn der Wüste“ geschrieben habe, sollte es eigentlich ein einzelnes Buch werden.

Dann kam mir auf einmal die Idee für den zweiten Teil und es stand fest: Es muss eine Trilogie werden. Und siehe da? Beim Schreiben des dritten Teiles passte auf einmal nicht mehr alles hinein und mir kamen schon wieder neue Einfälle!

Also: ich verspreche Euch, mich zukünftig mit Aussagen über die Anzahl meiner Bücher im Vorfeld zurückzuhalten - denn offenbar kann man nie vorhersehen, wohin einen die Geschichte noch führt.

Diesmal möchte ich mich vor allem bei „Venanzio“ für die tollen Covers bedanken.

Zudem noch bei meinem Mann, Oli + Eva und Frank. Viel Spaß beim (erneuten) Eintauchen in Rayans Welt!

Eure Indira

PS: Denkt wie bei den letzten Büchern an ein genaues Lesen der Kapitelüberschriften, damit ihr wisst an welchem Tag, in welchem Jahr oder an welchem Ort ihr euch gerade befindet!

02.02.2015 - München - Showdown

In diesem Moment gab Rayan alle Hoffnungen für sich auf. Die Zeit war einfach zu knapp.

Stattdessen überlegte er, was er tun könnte, um zumindest das Überleben von Tahsin und Carina sicherzustellen, aber auch dazu fiel ihm nichts ein.

Die Männer hatten sich taktisch geschickt platziert: Einer hielt seinen Sohn fest, eine Pistole an dessen Schläfe, der Zweite hielt Carina in der gleichen Weise umschlungen. Der dritte Mann, welcher der Anführer zu sein schien, mit dem er telefoniert hatte, stand ein Stück entfernt, ebenfalls eine Waffe in der Hand.

Fast überrascht fragte sich Rayan, ob es diese Pistole sein würde, die ihn tötete?

Reumütig dachte er an seine Wüste – er hatte immer gehofft, einmal dort zu sterben und begraben zu werden, nicht hier im kalten und grauen München.

Nebenbei registrierte er die Kälte des Bodens und die Feuchtigkeit des nassen Grases, die durch seine Hosenbeine drang. Wie gerne hätte er jetzt stattdessen heißen Sand unter seinen Knien gespürt.

Dann hatte der Mann seine finale Position erreicht. Er stand nun etwas mehr als zwei Schritte seitlich von Rayan. Selbst wenn dieser sich auf ihn hätte werfen wollen, aus der knienden Position hätte er keine Chance gehabt, rechtzeitig hochzukommen.

Dann hob der Anführer den Arm mit der Waffe. Er zielte genau auf Rayans Kopf und sein Gesicht verriet, dass die Zeit der Spielchen abgelaufen war, jetzt war er wie eine Maschine, die nur eines kannte: die finale Kugel abzufeuern.

In Sekundenbruchteilen würde sie den Lauf verlassen, mit einer Geschwindigkeit von 450 Metern in der Sekunde in Rayans Gehirn eindringen und ihn sofort töten.

Er würde nicht einmal mehr merken, dass sein Oberkörper auf den Boden sackte.

„Schöne Grüße von Senator Johnston B. Deering“, flüsterte der Killer heiser, dann krümmte sich sein Finger um den Abzug.

Rayan erwartete fast ein wenig neugierig den Einschlag. Würde er einen Schmerz spüren? Oder würde die Welt einfach in Dunkelheit versinken?

Doch statt des „Plopp“, das Rayan aus eigener Erfahrung von schallgedämpften Waffen her kannte, vernahm er ein undefinierbares Geräusch. Die anderen hatten es auch gehört und alle fünf sahen gemeinsam auf den Anführer der Attentäter.

Sekundenbruchteile lang konnte Rayans Gehirn nicht verarbeiten, was er da sah. Zu sehr hatte er sich auf seine eigenen letzten Sekunden, seinen Tod, konzentriert.

Der Blick des Mannes hatte einen überraschten Ausdruck angenommen. An seiner linken Schläfe schien etwas Rotes zu hängen.

Dann vernahmen sie nochmals das eigenartige Geräusch.

Aufgrund seines jahrelangen Trainings war Rayan der Erste, der die Situation erfasste. Er erkannte, dass das Rote Blut war – das Blut des Mörders selbst.

Und just in dem Moment, als dieser begann, langsam zu Boden zu sinken, war auch an seinem Hals ein roter Fleck zu erkennen, wo ihn die zweite Kugel getroffen hatte.

Dass es nur einen Schützen in der Nähe geben konnte, der mit solch einer Präzision sein Ziel traf, war Rayan klar: Hanif.

Alles musste nun schnell gehen – er hatte keine Zeit, Erleichterung zu empfinden, denn noch war die Gefahr nicht gebannt. Blitzartig flog er mit einer Art Hechtsprung förmlich auf den Mann zu. Er war der Einzige, der gewusst hatte, dass Jassim und Hanif auf dem Weg hierher waren, wohingegen die anderen Täter der Meinung waren, alleine zu sein. Was für Rayan die Erkenntnis, was da gerade vor sich ging, natürlich erleichterte. Er machte sich nicht die Mühe, dem sterbenden Mann die Waffe zu entreißen, sondern legte seine Hände über die des Anderen. Er suchte sein Ziel und traf den Mann, der Tahsin bedrohte, mitten ins Gesicht, noch bevor dieser begriffen hatte, dass sich die Situation gedreht hatte und nicht mehr sie die Angreifer waren.

Hanif streckte mit einem weiteren gezielten Schuss aus seinem M40A3 Scharfschützengewehr den Mann nieder, der Carina bedrohte.

Rayan prüfte, ob der Anführer wirklich tot war, indem er den Puls an dessen Halsschlagader fühlte: Nichts. Erst dann eilte er hinüber zu den anderen beiden Männern.

Um kein Risiko einzugehen, schoss er beiden kurzerhand nochmals in den Kopf, dann wischte er von der Waffe sorgfältig seine Fingerabdrücke ab und warf sie in den See.

Vermutlich würde die Polizei sie ohnehin finden, doch das war dann nicht mehr sein Problem. Ärgerlicher war der Verlust seiner eigenen Waffe, die der Angreifer vorher ebenfalls ins Wasser befördert hatte. So schnell würde er die nicht wiedersehen, denn als Beweismittel würden die Kriminalbeamten sie zunächst einmal sicherstellen. Wenn sie sie überhaupt fänden.

Er sah, dass Tahsin zitterte und nahm ihn beruhigend in den Arm. Er hielt ihn eine ganze Zeit lang fest und murmelte beruhigende Worte ins Ohr des Jungen. Der weinte und stammelte immer wieder: „Es tut mir leid. Das wollte ich nicht.“ Rayan versicherte ihm, dass jetzt alles gut sei, niemand außer den Angreifern sei zu Schaden gekommen. Und dies seien die einzigen Schuldigen, die nun ihre Strafe bekommen hatten. Erst nach einigen Minuten ließ das Zittern nach.

Hanif und Jassim waren inzwischen auch herangekommen und aus den Augenwinkeln sah er, dass Hanif sich um Carina kümmerte.

Pragmatisch wie immer erinnerte Jassim trocken: „Wir müssen uns beeilen. Ich habe gesehen, dass eine Frau alles beobachtet und telefoniert hat. Sie hat mit Sicherheit die Polizei gerufen.

Doch erst als Tahsin versicherte, dass er in Ordnung sei, ließ Rayan ihn los. Er wechselte schlagartig in einen Status der höchsten Konzentration. An was mussten sie jetzt denken?

Innerhalb von Sekunden entwickelte er einen Plan.

Er holte aus dem Koffer von Hanifs Gewehr einige Beutel, Papier und ein Stempelkissen sowie eine kleine Schere hervor. Tahsin hatte inzwischen beschützend Carina in den Arm genommen. Beide beobachteten erstaunt, wie Rayan von einem Toten zum anderen ging, Proben von Haaren abschnitt, sowie die Fingerabdrücke der Leichen nahm.

Danach zog er das Gewehrreinigungsset hervor und rieb sich damit die Finger ab – er wollte die Schmauchspuren entfernen. Sicher war sicher und je weniger die Polizei wusste, umso besser.

Er schickte Jassim, um ihm sein Sakko zu holen, in dem sich noch immer sein Handy befand.

Sie konnten in der Ferne bereits Sirenen hören, da packte Rayan die kleinen Tütchen mit den Proben in den Koffer.

„Hört zu: Ihr müsst hier ganz schnell verschwinden, denn euch werden sie verhaften. Mir kann aufgrund meiner Immunität nichts passieren. Euch dagegen schon. Wenn ihr erst einmal in den Händen der Polizei wärt, müssten wir uns auf langwierige Prozesse gefasst machen. Dazu habe ich weder Lust, noch haben wir die Zeit dafür.“ Er hielt kurz inne und sah einen nach dem anderen mit festem Blick an, bis auf Carina, die er weiterhin ignorierte. Es fiel ihm schwer, doch war sein Stolz größer als seine Sorge. Und Tahsin kümmerte sich rührend um sie.

„Ihr werdet also mit dem Jet fliegen. Ich werde sie so lange wie ich kann beschäftigen und von euch ablenken, bis ihr abgeflogen seid.“

Er schrieb eine Nummer auf einen Zettel. „Sobald ihr euch im Flugzeug befindet, die Startfreigabe habt und zur Startbahn rollt – und keine Sekunde früher! – rufst du Hanif“, er schaute Hanif eindringlich an, „diese Telefonnummer an. Das ist ein wichtiger Kontakt im Innenministerium, der innerhalb kürzester Zeit für meine Freilassung sorgen wird.“

Dann wandte er sich Jassim zu. Er drückte ihm sein Handy sowie seine komplette Brieftasche inklusive Papiere in die Hand. „Du, Jassim, wirst zusammen mit Tahsin am Flughafen für mich einen Flug buchen, heute Abend geht ein Linienflug nach Dubai. Und reserviert mir ein Zimmer im Hotel am Flughafen, damit ich mich vorher etwas ausruhen und frischmachen kann. An der Rezeption hinterlegt ihr auch meine sämtlichen Papiere, Geldbörse und das Handy. Ich rufe euch dann an, sobald ich alles erhalten habe.“

Alle vier schauten ihn zweifelnd an, doch Rayan ließ sich nicht beirren.

„In Alessia angekommen, werdet ihr die Muster in den Beuteln im Koffer, sowie die Fingerabdrücke im Krankenhaus bei Doktor Murat Ibn Abdul Aziz abgeben. Der wird sie analysieren. Die Ergebnisse, sobald er welche vorliegen hat, gebt ihr Cho, der weiß, was damit zu tun ist.“

Keiner rührte sich, doch die Sirenen kamen unaufhaltsam näher. Rayan zog den Autoschlüssel aus der Hosentasche und drückte ihn Jassim in die Hand. „Fahrt schon! Beeilt euch!“ Sein Tonfall ließ keinen Widerspruch zu.

Hanif und Jassim tauschten einen Blick, zuckten mit den Schultern und wandten sich zum Gehen. Dabei fiel sein Blick auf Carina und er ergänzte: „Und die Frau nehmt ihr mit nach Alessia. Auch hinter ihr sind die Attentäter her, wenn sie hier alleine bleibt, ist sie so gut wie tot.“

02.02.2015 - München - Schnell weg vom Tatort

Carina öffnete den Mund, um zu protestieren, seit wann war sie „die Frau?“ Doch sie wusste, dass das wieder nur eine von Rayans kleinen Gemeinheiten war und versuchte sich nicht aufzuregen. Auch sie hatte keine große Lust auf intensiveren Kontakt zur Kriminalpolizei, die in einem mehrfachen Mord ermitteln würde und so ging sie ohne Kommentar freiwillig mit.

Sie hatten keinerlei Probleme auf dem leeren Parkplatz beim Seehaus den Passat zu finden, genau, wie Rayan es beschrieben hatte und fuhren ungehindert auf die Hauptstraße. Nur wenige Sekunden später sahen sie im Rückspiegel mehrere Polizeiwagen heranfahren.

„Das war knapp, wir hätten keine zehn Sekunden später dran sein dürfen“, seufzte Tahsin erleichtert. Er wirkte nun keineswegs mehr geschockt, sondern eher ein wenig fasziniert über dieses „Abenteuer“.

Carina schüttelte den Kopf. Sie hätte auf diese Aufregung gerne verzichten können. „Jungs, hört zu! Ihr könnt sagen, was ihr wollt, aber ich komme nur mit, wenn wir kurz bei meiner Wohnung vorbeifahren. Ich möchte einige persönliche Dinge mitnehmen und sichergehen, dass alles in Ordnung ist.“

Natürlich war keiner der Männer damit einverstanden, aber Carina wäre nicht sie selbst, wenn es ihr nicht mit ihrer Beharrlichkeit gelungen wäre, sie umzustimmen. Von Drohungen, dass sie am Flughafen einen Aufstand machen würde, bis hin zu tatsächlich vernünftigen Argumenten, dass sie keinerlei Geld oder Papiere mithatte, spielte sie alle Register.

Schließlich bekam sie ihren Willen.

Jassim, der seit ihrer Rückkehr von dem Wochenende in Spanien ohnehin nicht gut auf sie zu sprechen war, murmelte fluchend vor sich hin. Es klang, als verwünsche er die Frauen im Allgemeinen und Carina im Besonderen.

Hanif dagegen tröstete sich damit, dass es ihnen ja auch nicht anders erging als ihrem Herrn, der auch schon vergeblich versucht hatte, diese Frau von ihrem Starrsinn abzubringen. Was nach seinem Wissen meistens nicht gelungen war. Warum sollte es ihnen dann besser ergehen?

2005 - In der Wüste weit vor Alessia - Ein Verfolger

Scheich Rayan und der Bandit Mahmoud saßen sich eine ganze Zeit lang schweigend gegenüber. Ab und zu tauschten sie Belanglosigkeiten aus, um ein wenig höfliche Konversation zu betreiben. Einer der Tarmanen reichte ihnen Tee. Ansonsten zog sich die Zeit wie Kaugummi dahin.

Nach etwa zwei Stunden klingelte Rayans Handy und er erhob sich, um das Telefonat ein Stück entfernt entgegen zu nehmen. Er selbst sagte nur wenig, hörte aber einige Minuten aufmerksam zu und beendete dann das Gespräch. Seine Miene verriet nichts darüber, welche Art von Nachricht er soeben erhalten hatte.

Mahmoud, der eher der Generation angehörte, denen moderne Technik fremd war, hatte entgeistert geschaut, als er das Klingeln gehört hatte. Was war das für ein ungewohntes Geräusch hier mitten in der Einöde? Natürlich kannte er Mobiltelefone an sich. Jedoch wäre er niemals auf die Idee gekommen, hier mitten in der Einöde eines zu gebrauchen. Ihm war nicht klar, dass heutzutage weite Teile der Wüsten inzwischen besser mit einem Funknetz ausgestattet sind, als so mancher Ort in Süddeutschland.

Als Rayan wieder in den Schatten des Zeltes trat, wechselte er einen Blick mit Ibrahim. Das war das vereinbarte Zeichen.

Im selben Moment, wo die Hand des Scheichs sein Messer mitten in Mahmouds Herz fuhr, sodass dieser noch nicht einmal mehr röcheln konnte, kümmerte sich Ibrahim um den Leibwächter des Banditen. Er schnitt ihm mit einer schnellen Bewegung die Kehle durch.

Die anderen Männer rechneten nicht mit einer so plötzlichen Veränderung der Situation und waren völlig überrumpelt. Diejenigen, die sich wehrten, wurden von den Tarmanen getötet, die restlichen entwaffnet.

Einer von Rayans Männern hatte sich bereits vor dem Eintreffen der Mädchenhändler außerhalb des Lagers in sicherer Entfernung verschanzt. Er war den beiden Reitern Mahmouds in erheblichem Abstand unauffällig gefolgt. Erst als er sich sicher war, dass sie tatsächlich in ihr eigenes Lager geritten und einen Mann, auf den Taibs Beschreibung passte, dort abgeholt hatten, hatte er Rayan mit dem Anruf entsprechend informiert. Die Beschreibung, die der Kundschafter über den schlechten Zustand des Gefangenen gegeben hatte, hatte das Schicksal des Fürsten besiegelt. Nun mussten sie nur noch die beiden Reiter abfangen, bevor diese bemerkten, dass ihr Anführer bereits tot war.

Rayan und Ibrahim hatten im Vorfeld alle Alternativen abgewogen. Doch die Chance, dass Mahmoud eine List plante, erschien ihnen durchaus real.

Außerdem hatte der Scheich Leila Vergeltung für den Mord an Sara versprochen. Ein Versprechen, das er nun ohne jegliche Gewissensbisse erfüllt hatte.

Bereits einige hundert Meter, bevor die ausgesandten Reiter etwa zwei Stunden später wieder das Lager erreichten, lauerten einige von Rayans Krieger ihnen auf. Sie wehrten sich erbittert, obwohl die Tarmanen ihnen versicherten, dass es besser wäre, sich zu ergeben und starben daraufhin an gezielten Treffern durch die überlegenen Waffen der Männer des Scheichs.

Der Mann namens Taib schien kaum zu verstehen, was um ihn herum vorging. Er war verwundet, stark geschwächt und kaum ansprechbar. Keine guten Chancen, ihn so noch lebend bis Alessia zurückzubringen.

Rayan ließ daher das Lager kurzerhand entsprechend befestigen und für Taib in einem der Zelte eine Lagerstätte einrichten. Der war dort noch nicht einmal ganz angekommen, als er erneut bewusstlos wurde.

Ismael, ein Tarmane, der für die ärztliche Versorgung zuständig war, kümmerte sich sofort um ihn. Offenbar hatten sich die Banditen nicht viel darum geschert, ob Taib lebte oder starb.

Er war völlig ausgetrocknet, seinen Körper zierten zahlreiche blaue Flecke und Abschürfungen. Es schien, als hätte Mahmoud seine schlechte Laune an ihm abreagiert. Vor allem war er offenbar mehrfach ausgepeitscht worden, denn die Haut auf seinem Rücken war an vielen Stellen mit rötlich-bläulichen Striemen versehen. Zudem hatten sich bereits einige davon heftig entzündet. Anscheinend hatte sich niemand die Mühe gemacht, diese Wunden zu versorgen. Viel länger hätte Taib diese Behandlung nicht mehr überlebt.

Nachdenklich starrte Rayan auf Taibs Rücken und seine eigene Vergangenheit stand ihm wieder vor Augen. Ibrahim, der vor so vielen Jahren Zeuge der Misshandlungen seines Herrn geworden war, verstand, was in ihm vorging. Rayans Leben hatte damals an einem seidenen Faden gehangen. Doch zumindest hatte Rayan keine Entzündungen erlitten, da sich seine Großmutter bereits kurz nach der Bestrafung um ihn hatte kümmern können.

Ismael hatte allerdings heutzutage erheblich bessere Mittel zu seiner Verfügung. Er reinigte die Wunden gründlich, verabreichte dann dem Verletzten etwas gegen seine Schmerzen und trug Salbe mit antibiotischer Wirkung auf. Zusätzlich brachte er ihn dazu, einige Tabletten einzunehmen. Es hatte Rayan anfangs einige Überzeugungskraft gekostet, bis die „Heiler“ die modernen Medikamente anerkannt hatten. Doch hatten sie an den Erfolgen von Doktor Scott in Zarifa gesehen, zu was die Medizin heutzutage fähig war. Ismael wich dem Doktor regelmäßig kaum von der Seite, wenn er in ihrem Tal war und sog dessen Wissen förmlich in sich auf.

Er informierte seinen Scheich, dass sie einige Tage hier an Ort und Stelle würden verbleiben müssen, denn das Wichtigste für den Patienten war nun Ruhe, damit die Medikamente ihre Wirkung entfalten konnten.

Rayan nutzte die Zeit, um die Gegend ausführlich zu erkunden. Er liebte die Wüste, deren Geheimnisse er wie kein Zweiter verstand. Manchmal sagte man ihm nach, dass er mit ihr sprach und noch wichtiger: Dass sie ihm auch antwortete.

Vor allem hielt er Ausschau nach Anzeichen, ob die Männer Mahmouds einen Racheakt planten. Von den zwanzig Männern, die bei ihrem Treffen dabei gewesen waren, waren acht den Auseinandersetzungen zum Opfer gefallen. Die verbleibenden Zwölf hatte Rayan laufen lassen. Zwar hatten sie ihm als Dank, dass er ihnen das Leben schenkte, versprochen, nicht mehr zurückzukehren. Doch hielten die Tarmanen die Ehre der Banditen für wenig vertrauenswürdig und hatten daher berechtigten Zweifel an der Aufrichtigkeit ihrer Zusagen.

Allen wäre deshalb ein sofortiger Abzug aus der Region am liebsten gewesen. Das hätte Taib jedoch mit einiger Wahrscheinlichkeit das Leben gekostet. Der Ritt vom Lager der Banditen hierher hatte ihm die letzten Kräfte geraubt.

Ibrahim hatte daher eine Verdopplung der Wachen angeordnet.

Als Rayan am fünften Tag von einem seiner üblichen Kontrollritte abends ins Lager kam, war Taib zum ersten Mal für kurze Zeit ansprechbar.

Verständlicherweise war er entsprechend misstrauisch. Er hatte keinen seiner Retter jemals zuvor gesehen. Warum sollten diese so viele Mühen auf sich nehmen, um ihm, einem Straßenjungen, beizustehen?

Weder kannte er Rayan, noch dessen Vergangenheit und aufgrund der Misshandlungen der letzten Wochen war er entsprechend verunsichert. Er zweifelte daher an der Aufrichtigkeit der Tarmanen und an Rayans ehrlichem Wunsch, ihm zu helfen.

02.02.2015 - München: Englischer Garten - Fehlende Sprachkenntnisse?

Rayan beobachtete mit undurchdringlicher Miene das Herannahen der Polizisten. Vorsichtshalber hob er die Arme, denn er wollte nicht riskieren, dass sich einer der Beamten bedroht fühlte und auf ihn schoss.

Kurz darauf kamen zusätzlich die Beamten der Kriminalpolizei.

Ein kräftiger Mann mit schwarzen, etwas wirr aussehenden Haaren trat auf ihn zu. Schon von weitem musterte er Rayan kritisch und der Scheich überlegte, wie er wohl auf sein Gegenüber wirken würde: seine nassen Hosenbeine und Knie, keine Jacke, nur sein ebenfalls feuchtes Sakko, das Hemd blutbespritzt. Vermutlich kein sonderlich vertrauenerweckender Anblick, was durch den lauernden Blick des anderen bestätigt wurde. Trotzdem sagte er mit kontrollierter Stimme, der man keinerlei Emotionen entnehmen konnte: „Ich bin Kriminalhauptkommissar Weber. Wer sind Sie und was ist hier passiert?“

Natürlich hatte er Deutsch gesprochen, schließlich war man hier in München und selbstverständlich konnte Rayan jedes Wort bestens verstehen. Trotzdem versuchte er, so gut es ging fragend auszusehen und antwortete auf Arabisch: „Ich verstehe Sie leider nicht. Ich spreche Ihre Sprache nicht.“

Er sah sofort an der Reaktion des Kommissars, dass sein Plan aufgehen würde – denn der verstand kein Wort von dem, was er gesagt hatte. Stattdessen fluchte er und versuchte es jetzt auf Englisch. Doch wiederum zuckte Rayan die Achseln, öffnete die Arme in einer Geste, die unterstreichen sollte, dass er hilflos sei und wiederholte seine arabischen Worte.

„Verdammte Scheiße! Wir brauchen hier einen Dolmetscher! Ist hier ein Beamter, der Arabisch spricht?“, maulte Weber in die Runde.

Erleichtert stellte Rayan fest, dass alle Anwesenden die Köpfe schüttelten. Das Spiel diente lediglich dazu, Zeit zu gewinnen, bis Hanif und die anderen sicher in der Luft waren. Denn er baute darauf, dass man keine Großfahndung starten würde, solange ein Verdächtiger vor Ort war.

Langsam begann Rayan, ernsthaft zu frieren. Er vermutete, dass dies auch zum Teil daher kam, dass nun die Anspannung nachließ. Und die Feuchtigkeit seines Anzuges trug auch nicht dazu bei, dass er sich besser fühlte.

Weber schien sein wachsendes Unbehagen zu bemerken, denn er deutete ihm mit einer Handbewegung an, er solle ihm zum inzwischen eingetroffenen Einsatzbus folgen. Zunächst durchsuchte einer der Beamten unter der strengen Aufsicht des Kommissars den Verdächtigen, doch in dessen Taschen fand sich nichts: kein Geldbeutel, kein Handy und schon gar keine Ausweise. Dann organisierte er ihm eine Decke und bot Rayan einen heißen Kaffee an, den dieser gerne entgegennahm.

Dabei sprach der Kommissar kein Wort, was ungewöhnlich war, denn normalerweise unterstrichen die Menschen ihre Gesten mit Worten, für den Fall, dass er doch einige Brocken Deutsch verstehen könnte. Nicht so Weber – er schien sich nicht mit Überflüssigem aufzuhalten. Doch permanent hielt er Rayan kritisch im Blick. Keine einzige von dessen Bewegungen entging ihm. Ahnte er, dass der Scheich sich nur verstellte?

Kommissar Weber machte Rayan klar, dass er einsteigen solle. Im Inneren des Buses war ein ausklappbarer Tisch und Weber deutete ihm durch Zeichen an, dass er sich hinsetzen könne. Dankbar kam Rayan dieser Bitte nach – der VW war beheizt und ein willkommener Zufluchtsort vor der Kälte draußen. Der Kommissar nahm ihm gegenüber Platz und legte ihm seinen Ausweis vor die Nase. Als Rayan neugierig die Papiere musterte, deutete Weber auf seinen Namen, dann auf sich selbst.

Als Nächstes legte er einen Block und Kugelschreiber vor Rayan auf den Tisch und forderte ihn gestikulierend auf, seinen Namen auf dem Papier niederzuschreiben.

Rayan, der damit schon gerechnet hatte, musste sich bemühen, ein Grinsen zu unterdrücken. Dann schreib er mit ausdrucksloser Miene in arabischen Schriftzeichen und so undeutlich, wie er konnte, seinen vollen Namen dorthin.

Mit erwartungsvoller Miene wartete der Kommissar, bis er fertig war und zog anschließend das Papier zu sich hinüber - doch als er sah, dass er natürlich nicht einen Buchstaben lesen konnte – fluchte er wieder lauthals und schlug auf den Tisch. Offenbar war Geduld nicht seine Stärke. Er öffnete die Schiebetür und rief dann ärgerlich erneut nach dem sogenannten Eildolmetscherdienst, ein Büro, dessen Hilfe sich die Polizei regelmäßig in derartigen Fällen bedient.

Jemand antwortete, dass die ihre beiden Angestellten für die arabische Sprache gerade im Einsatz hätten und wohl erst in etwa einer Stunde hier sein könnten. Aber man hätte bereits eine Kollegin angerufen, die in Riad geboren war, jedoch seit vielen Jahren in Deutschland lebte, die auf dem Weg war. Sie war nicht von der Kripo, sondern von der Verkehrsüberwachung, aber die Einzige, die man sonst auf die Schnelle hatte auftreiben können.

Weber grummelte: „Wenn sie Arabisch spricht und uns hier helfen kann, ist mir egal, aus welcher Abteilung sie kommt.“

So verrannen die Minuten. Weber blieb eisern auf seinem Platz gegenüber Rayan sitzen und ließ ihn nicht aus den Augen. Offenbar wollte er ihn nervös machen. Ihm war anzusehen, dass seine ohnehin nicht großzügig bemessene Geduld zu Ende ging.

Doch Rayan hatte bereits viel bedrohlichere Vernehmungen durchgestanden und ertrug den misstrauischen Blick des Kommissars ruhig und ohne sich jegliche Emotionen anmerken zu lassen. Schließlich wollte er den Mann nicht noch zusätzlich provozieren. Gelassen hielt er seine Augen auf die hohen Bäume am Rande des Sees gerichtet, die in dieser Jahreszeit einen eher trostlosen Eindruck machten. Er versuchte sich abzulenken, indem er sich vorstellte, wie es hier wohl im Sommer aussehen mochte. Sicher würden sie dann reichlichen Schatten spenden.

Dann wandte er seine Gedanken wieder ihrem Zeitplan zu. Innerlich rechnete er nach: Um 12 Uhr 20 waren die Anderen aufgebrochen. Auf der „Swatch“ des Kommissars, die dieser erfreulicherweise ziemlich offen an demjenigen Arm trug, den er auf dem Tisch aufgestützt hatte, konnte Rayan sehen, dass es mittlerweile fast 13 Uhr war. Um möglichst wenig von sich preiszugeben, hatte er Jassim vorhin zusammen mit seinen Ausweisen auch seine Armbanduhr - eine „Classique Tourbillon extraflach“ von Breguet - ausgehändigt. Die Erklärung, wie er sich eine Uhr im Wert von fast 140000 Euro leisten konnte, wäre zu kompliziert geworden.

40 Minuten also – noch lange nicht genug Zeit. Doch er wusste schon, wie er weitere Minuten herausschlagen konnte. Beinahe hätte er gegrinst, doch er zwang sich, weiterhin ausdruckslos vor sich hinzuschauen.

Als die angekündigte „Dolmetscherin“ endlich eintraf, war es fast 13 Uhr 30. Über eine Stunde! Würden Hanif, Tahsin und die anderen schon am Flughafen sein?

Weber stieg aus, befahl einem der Beamten stattdessen zu dem Verdächtigen einzusteigen und ihn nicht aus den Augen zu lassen. Dann schloss er die Bustür hinter sich, damit Rayan nicht hören konnte, was sie sagten. Ein umsichtiger Mann! Obwohl er inzwischen annehmen konnte, dass der Scheich kein Wort von dem würde verstehen können, was er der Beamtin erklärte, ging er kein Risiko ein. Das bestätigte Rayans Verdacht, dass Weber nicht vollends überzeugt war und ahnte, dass ihr Verdächtiger ihnen lediglich etwas vormachte.

Der Scheich nutzte die Gelegenheit, die Frau unauffällig durch das Fenster zu mustern. Ihre arabische Abstammung konnte sie nicht leugnen, mit rehbraunen Augen, dunkelbraunen, fast schwarzen Haaren und einem dunklen Teint. Sie war etwas größer als Weber und schlank, aber mit den richtigen Proportionen. Ihre Bewegungen waren grazil und von einer Eleganz, die Rayan sofort anzog. Unter anderen Umständen hätte er mit ihr geflirtet, aber im Moment war dies leider nicht möglich, wie er sich bedauernd in Erinnerung rief. Eher das Gegenteil würde der Fall sein.

Er vermutete, dass der Kommissar sich vorstellte, denn er zeigte ihr seinen Ausweis. Anhand der Gesten war zu erkennen, dass er ihr in groben Zügen schilderte, was sie hier vorgefunden hatten.

Einen Moment beobachteten beide die Techniker der Spurensicherung, die sich um die Leichen kümmerten.

Kurz bevor sie in den Bus einstiegen und sich zu Rayan gesellten, war er noch schnell einen verstohlenen Blick auf die Armbanduhr seines Aufpassers – 13 Uhr 36.

„Vorhin musste ich Zeit schinden, um mein Leben zu retten. Jetzt, um die anderen vor Schwierigkeiten zu bewahren, weil sie mich gerettet haben – was für ein beschissener Tag!“, schoss es ihm durch den Kopf. Doch natürlich behielt er weiterhin sein Pokerface bei.

Bis zu dem Moment, als die Frau sich neben den Kommissar an den Tisch setzte. Sofort bemühte sich Rayan, so feindselig zu schauen, wie er konnte.

Offenbar erfolgreich, denn beide Beamten bemerkten die Veränderung in seinem Ausdruck sofort. Ihre Reaktion daraufhin war jedoch recht unterschiedlich. Während der Frau die Röte ins Gesicht schoss und sie ein verlegenes Gesicht machte, schien der Kommissar dagegen kurz davor zu sein, endgültig seine Beherrschung zu verlieren.

Dass es die Frau sichtlich Überwindung kostete, ihn trotz seiner offenen Ablehnung mit ruhiger Stimme auf Arabisch anzusprechen, tat Rayan leid, ließ sich aber nicht ändern.

„Mein Name ist Miriam Abdullah. Und ich muss Sie nun zuerst Ihrer Rechte belehren: Gegen Sie wird wegen des Verdachts des Totschlags oder Mordes zu Lasten der Männer da draußen ermittelt. Es steht Ihnen nach dem Gesetz frei, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor Ihrer Vernehmung, einen von Ihnen zu wählenden Verteidiger zu befragen. Sie können zu Ihrer Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und die Bestellung eines Pflichtverteidigers beanspruchen.“ Nach diesem langen Satz hielt Sie inne und schaute den Kommissar fragend an, als wolle sie sich versichern, dass sie alles richtig gemacht hatte. Doch dieser hatte natürlich kein Wort von dem arabischen verstanden. Also winkte er nun ungeduldig mit der Hand sie solle fortfahren.

„Würden Sie mir nun freundlicherweise Ihren Namen verraten?“, sagte sie sanft. Sie hatte eine melodische Stimme, die gut zu ihren anmutigen Bewegungen passte.

Rayan antwortete nichts. Er sah sie auch nicht an, sondern blickte weiterhin auf Weber.

Miriam seufzte, genau das hatte sie vermutet. Trotzdem versuchte sie es erneut: „Hören Sie – ich möchte Ihnen helfen. Wenn Sie uns Ihren Namen sagen und beschreiben, was hier passiert ist, können Sie schneller wieder gehen. Ansonsten müssen wir Sie mit aufs Revier nehmen.“

Doch Rayan blickte stumm weiterhin geradeaus. Er hasste eigentlich die arrogante Art mancher seiner Landsmänner den Frauen gegenüber. Seine Mutter hatte ihn anders erzogen. Aber in diesem Fall fiel ihm nichts ein, wie er sonst noch Zeit hätte schinden können. Und das Wohl seines Sohnes und der anderen drei war ihm wichtiger als die verletzten Gefühle einer Fremden.

Miriam wandte sich an Weber: „Tut mir leid, es scheint, dass er nicht mit mir reden will. Manche … hmm … Männer bei uns sind so.“ Und sie wurde wieder etwas rot, was Rayan ausgesprochen attraktiv fand. Innerlich musste er lächeln über das „hmm“ und stellte sich vor, welches Wort sie da wohl ausgelassen hatte.

„Der Typ verarscht uns doch! Mir platzt hier langsam der Kragen!“, schrie Weber nun seinen Unmut von sich. Er holte lautstark Luft, was ihm zu helfen schien, sich wieder zu beruhigen, dann zog er den Zettel mit Rayans Namen heran.

„Können Sie zumindest lesen, was da steht?“

Die Beamtin nahm den Zettel und versuchte Rayans Handschrift zu entziffern. Sie schrieb den Namen für Weber lesbar auf. Interessiert stellte Rayan fest, dass sie außer seinem Vornamen, die anderen Namen nicht korrekt hatte entziffern können. Prima!

Weber griff zu seinem Telefon und rief irgendwen an, den er dann fragte, ob man unter diesem Namen Einträge finden konnte. Wieder behielt er Rayan dabei scharf im Auge. Offenbar war das Ergebnis negativ, denn frustriert klappte er sein Mobiltelefon wieder zu. „Kein Wunder“, freute sich Rayan. Er wusste genau, dass es aufgrund seines Status keine Informationen über ihn im System geben würde. Er hatte trotzdem unleserlich geschrieben, um kein Risiko einzugehen. Sein Name war gerade hier in München nicht unbekannt und immer wieder einmal in der Presse zu lesen.

Seine sture Haltung ärgerte den Kommissar sichtlich. Zwar war es keine Seltenheit, dass ein Verdächtiger schwieg, davon ließ er sich als alter Hase normalerweise nicht mehr aus der Ruhe bringen. Aber ein untrüglicher Instinkt sage ihm, dass Rayan ihnen etwas vormachte. Und das mit einer Arroganz, als wäre er etwas Besseres.

Auf einmal machte der Kommissar eine Bewegung, als wolle er über den Tisch auf Rayan losspringen, doch Miriam hielt ihn am Arm zurück: „Was tun Sie denn?“, rief sie erschrocken. „Sie werden sich doch wohl nicht provozieren lassen?“

Das brachte den wütenden Mann wieder zur Besinnung: „Schon gut, dann fahren wir jetzt zum Revier. Auch wenn er nicht mit Ihnen spricht, wird er wohl hören, was Sie sagen. Sagen Sie ihm bitte, dass er vorläufig festgenommen ist und wir ihn zur Vernehmung mitnehmen.“

Miriam wiederholte die Worte des Kommissars auf Arabisch. Dann machte der Kommissar Rayan mit ihrer Hilfe klar, dass er aussteigen und in einem Streifenwagen mitfahren solle.

Rayan atmet auf. Bis zur Polizeiwache würden sie gut eine halbe Stunde brauchen, je nach Verkehr vielleicht sogar länger.

02.02.2015 - München - Eilige Abreise

Überraschenderweise schaffte Carina es, sich an die vereinbarten fünfzehn Minuten zu halten und kam mit einer kleinen Reisetasche schnell wieder zum Vorschein, die Tahsin für sie trug, der sie nach oben in die Wohnung begleitet hatte.

Sie hatte es sogar noch geschafft, ihren Ersatzschlüssel zusammen mit einem kleinen Brief bei ihrer Nachbarin einzuwerfen, in dem sie diese bat, sich um ihre Post und ihren Kühlschrank zu kümmern. Dann setzte sie sich zufrieden neben Tahsin hinten ins Auto. Auf ihre Freundin im Apartment nebenan konnte sie sich verlassen.

Jassim und Hanif hatte in der Zwischenzeit wie auf Kohlen gesessen und die Umgebung genau im Auge behalten. Die Erleichterung bei der Rückkehr der beiden war ihnen deutlich anzusehen.

„Was habt ihr denn? War doch gar nicht so schlimm?“, fragte Carina harmlos, was Tahsin zu einem Lachanfall verleitete. Hanif musste daraufhin ebenfalls kurz lächeln. Lediglich Jassim konnte nichts Lustiges an ihrer Situation finden. Trotz Rayans Versicherung, dass er schon klarkomme, machte er sich Sorgen um seinen Herrn. Und mit jeder Minute, die sie später abflogen, verzögerte sich auch die Nachricht an den Mann, der Rayan auf freien Fuß setzen sollte.

Während sie auf Carina warteten, hatten sie dem Piloten die Abflugzeit bestätigt, sowie vier Passagiere angekündigt. Er würde sie an der Sicherheitskontrolle erwarten.

Den Koffer mit dem Gewehr aus dem Flugzeug zu bekommen, war einfach gewesen, denn beim Aussteigen und Verlassen des Sicherheitsbereiches gab es keine Kontrollen des Handgepäcks.

Der Pilot hatte Hanif auf dessen Bitte hin, den Koffer an sein Ankunftsgate gebracht, bevor sie sich vor der Türe ein Taxi gesucht hatten.

Jassim hatte beinahe noch einen Streit mit einem anderen Reisenden gehabt, weil sie sich an der Warteschlange für Taxis schlichtweg vorgedrängelt hatten. Sie wussten, dass Minuten entscheidend sein konnten. Doch Jassims eindrucksvolle Erscheinung hatte den Ausschlag gegeben, dass der Mann nicht auf seinem Vorrecht für das nächste Taxi bestanden hatte. Es gab ja schließlich noch weitere wartende Fahrzeuge.

Jetzt allerdings den Koffer wieder ins Flugzeug zu bekommen, schien ein Ding der Unmöglichkeit. Aber eine Lösung war schnell gefunden: sie packten kurzerhand die Proben alle in Carinas Reisetasche, die zwar angewidert ihr Gesicht verzog, jedoch nicht weiter protestierte, weil sie selbst ja auch die Notwendigkeit einsah.

Dann gaben sie den Gewehrkoffer samt Inhalt zusammen mit Rayans Wertgegenständen im Hotel ab. Er hatte einen Diplomatenausweis, sein Gepäck war für Kontrollen tabu.

Sie unterschrieben gestresst die Bestätigung der Mietwagenfirma, dass das Fahrzeug NICHT wieder vollgetankt worden war – als hätten sie keine anderen Probleme! Und erneut musste Hanif den aufgebrachten Jassim zurückhalten, einen Streit mit dem Mitarbeiter anzufangen, der offenbar der Meinung war, den Lack des VW besonders gründlich auf eventuelle Kratzer in Augenschein zu nehmen. Dann waren sie endlich an der Sicherheitskontrolle, wo der Pilot sie schon ungeduldig erwartete.

Innerhalb von zwanzig Minuten hatten sie das Terminal hinter sich gelassen und befanden sich sicher an Bord. Alle vier sanken erleichtert in die Ledersitze und schnallten sich an.

Als sich daraufhin das Flugzeug in Bewegung setzte, hob Hanif den Hörer des im Flugzeug eingebauten Telefons ab. Dann wählte er, wie durch Rayan angeordnet, die Handynummer, die er auf dem Zettel aufgeschrieben hatte. Der Reiterführer sprach im Gegensatz zu Jassim Englisch, weshalb ihm die Aufgabe des Anrufs zugefallen war.

Einen Moment lang hatte Hanif Angst, es würde niemand antworten, doch bereits nach dem dritten Klingeln wurde sein Anruf entgegengenommen.

Nachdem er sein Anliegen erklärt und von Rayans Verhaftung erzählt hatte, war es einen Moment still an der anderen Leitung. Dann fragte der Mann: „Das ist ein Witz, oder?“

Als Hanif dies höflich, aber mit Nachdruck von sich wies und gemäß Rayans Vorgaben darauf hinwies, dass diese Telefonnummer schließlich in keinem Telefonbuch zu finden sei, bekam er als Antwort lediglich einige Worte auf Deutsch, die er als Fluch interpretierte, dann wurde aufgelegt. Ein wenig verunsichert sah Hanif das Handy weiter an. Hatte er alles richtig gemacht?

Jassim, der ausnahmsweise nicht die Rolle des Copiloten einnahm, denn Rayan war ja ohne ihn mit einer Zwei-Mann-Besatzung in München angekommen, zuckte die Achseln, lehnte sich entspannt zurück und schloss die Augen, um zu schlafen. Sie hatten alles genau nach Plan durchgeführt, wie Rayan es ihnen aufgetragen hatte, mehr konnten sie nicht tun. Es lag nicht in seinem Charakter, sich jetzt noch weitere Gedanken zu machen. Sie würden schon sehen, was weiter passierte.

Tahsin dagegen fragte ungeduldig: „Und was machen wir jetzt?“ Hanif lächelte ihm beruhigend zu: „Jetzt warten wir. Mehr können wir nicht mehr für ihn tun. Dein Vater hat uns ja versichert, dass er uns anrufen wird, sobald er im Hotel ist und sein Telefon wieder hat.“ Er sagte es mit mehr Zuversicht, als er selbst verspürte, denn auch in ihm blieb ein Restzweifel bestehen.

Er sah auf die Uhr und begann zu rechnen. Etwa um 12 Uhr 20 waren sie am Seehaus aufgebrochen. Das war auch die Zeit, als die Polizei dort eingetroffen war. Jetzt war es 15 Uhr.

Also zweieinhalb Stunden plus die Zeit, die der mysteriöse Kontaktmann noch benötigen würde, um Rayan herauszuholen. Hanif schätzte, dass sie noch mindestens eine Stunde auf Rayans Anruf warten mussten, trotzdem starrten sie zu dritt – mit Ausnahme von Jassim - in diesem Moment wie gebannt das Telefon an der Wand des Learjet an, als könnten sie den Anruf herbeizaubern.

Hanif grübelte, wie es ihrem Herrn in dieser Zeit wohl ergangen sein mochte. In einem arabischen Gefängnis konnte diese Zeit sehr lang und durchaus unangenehm werden. Aber er wusste, dass in Deutschland wohl eher moderatere Befragungsmethoden zu erwarten waren. Vermutlich machte sich Rayan gerade ein Spaß aus seiner Situation – das hoffte Hanif zumindest.

2005 - In der Wüste weit vor Alessia - Ein gebrochenes Wort

Am nächsten Tag im Morgengrauen griffen die Männer Mahmouds an. Entgegen ihren Versprechungen waren sie nicht bereit, den Tod ihres Anführers hinzunehmen.

Etwa fünfzehn Mann näherten sich, als es noch fast dunkel war. Wie Schatten glitten sie geduckt heran. Sie hofften, die Tarmanen einkesseln und vom Rand der Senke aus abschießen zu können.

Doch die Wachposten waren auf der Hut. Rayans Männer gelang es, den Spieß umzudrehen: Flach auf dem Rand der Kuppe liegend, nahmen sie ihrerseits die herannahenden Banditen ins Visier.

Es war Ibrahim, der das Zeichen zum Angriff gab. Mit ihren hochmodernen, gut gepflegten Waffen hatten sie auf Mahmouds Männer angelegt und eröffneten nun zeitgleich das Feuer.

Fast die Hälfte überlebte die erste Salve nicht. Als vier weitere Banditen ihr Leben aushauchten, flohen die anderen in panischer Unordnung.

Auf Seiten der Tarmanen dagegen gab es lediglich zwei Verletzte. Einer hatte einen glatten Durchschuss in die Schulter eingefangen, ein weiterer einen Streifschuss am Kopf.

Ismael versorgte die Verwundeten, während sich der Rest der Männer darum kümmerte, die Leichen der Feinde zu begraben.

Drei von Mahmouds Männern waren verwundet zurückgeblieben, doch sie konnten nun mit keiner Gnade mehr rechnen. Ihnen war einmal das Leben geschenkt worden, jetzt wurden sie bedenkenlos mit einem Kopfschuss ins Jenseits befördert.

Taib hatte in seinem Zelt bereits das Schlimmste befürchtet. Er hatte um eine Waffe gebeten, um sich im Zweifelsfalle verteidigen zu können. Doch in seinem Zustand war ihm auch noch ein anderer Punkt durch den Kopf gegangen: Er wollte keinesfalls nochmals in die Hände der Angreifer fallen. Lieber hätte er sich selbst hingerichtet, als noch einmal Ähnliches durchmachen zu müssen.

Rayan hatte seiner Bitte entsprochen und ihm eine Pistole zukommen lassen. Er ahnte, was in ihm vorging.

Entsprechend erleichtert war Taib über den reibungslosen Verlauf des Kampfes. Die Tarmanen hatten ihm somit zum zweiten Mal das Leben gerettet. Auch begriff er nun, dass diese, nur um ihm zu helfen und seinem angeschlagenen Zustand Rechnung zu tragen, ihrer aller Leben riskiert hatten.

02.02.2015 - München: Polizeirevier - Das Verhör

Es war bereits 14 Uhr 15, als sie endlich ankamen. Man verfrachtete Rayan in einen Vernehmungsraum und ließ ihn warten. Der Kommissar nannte das „schmoren lassen“, Rayan nannte es zufrieden „Zeitgewinn“.

Er überlegte, wie lange es wohl noch dauern würde, bis Hanif endlich bei seinem Freund vom Innenministerium anrufen würde. Langsam verging ihm die Lust an diesem Spiel, aber er zwang sich zur Ruhe.

Erst eine halbe Stunde später trat die Beamtin Miriam in das kleine Zimmer.

„Ist es wirklich so furchtbar, mit mir zu sprechen?“, versuchte sie es erneut. „Ich will Ihnen doch nur helfen.“

Weber kam in den Raum mit einem Becher Kaffee, doch anstatt ihn Rayan anzubieten, trank er ihn selber. „Wie albern“, dachte sich Rayan und diesmal machte er sich keine Mühe, sein Grinsen zu unterdrücken. Er war inzwischen gelangweilt und wollte sich die Zeit verkürzen, indem er den Mann ein wenig provozierte.

Und prompt funktionierte dies besser als erhofft, denn der polterte an die Frau gewendet los: „Fragen Sie ihn, warum er auf einmal so blöd grinst!“

Als Miriam etwas höflicher die Frage in Arabisch wiederholte, lächelte Rayan erneut. Trotzdem gab er keine Antwort. Das Versteckspiel machte ihm mittlerweile Spaß.

Als er gerade wieder darüber nachgedacht hatte, wie weit er es wohl noch treiben musste, bis endlich der erlösende Anruf kam, riss endgültig der Geduldsfaden des Kommissars. Offenbar hatte sich Rayan sein Vergnügen zu sehr anmerken lassen.

Auf einmal fast knurrend fragte er den Scheich: „Ach so, du findest das alles amüsant, ja? Warte nur, ich bringe dich für Jahre in den Knast wegen dreifachen Mordes - mal schauen, ob du dann immer noch grinsen kannst.“ Mit einer Geschwindigkeit, die Rayan dem Kommissar nicht zugetraut hätte, haute dieser mit der Faust vor ihm auf den Tisch. Einen Moment lang dachte Rayan wirklich, er würde ihn schlagen, doch der Kriminalbeamte hatte sich im Griff.

Als er dann jedoch erneut nur herablassend grinste, stützte Weber sich mit beiden flachen Händen vor ihm auf die Tischplatte. Er kam mit seinem Gesicht ganz nahe an Rayan heran und zischte bedrohlich: „Dich arroganten Kerl kriege ich auch noch klein!“ Dabei war seine Aussprache so feucht, dass es sich nicht vermeiden ließ, dass einige Tröpfchen seines Speichels in Rayans Gesicht landeten. Der Kommissar, der lediglich hoffte, seinen Verdächtigen zu beeindrucken, bemerkte nicht, welche Grenze er damit, eigentlich aus Versehen, überschritt.

Rayan spürte verblüfft den Speichel auf seiner Wange. Schlagartig war für ihn der spaßige Teil vorbei und er empfand diese Behandlung als Demütigung, was seinen Stolz regte.

Er fühlte, wie heiße Wut in ihm hochstieg, die er nur mit Mühe bezwingen konnte. Doch bevor er sich wieder beruhigen konnte, traf ihn ein weiterer Redeschwall, inklusiver feuchter Aussprache. Diesmal hatte Rayan es zwar kommen sehen, doch verhindern konnte er ihn aufgrund seiner am Tisch befestigten Handschellen nicht.

Seine Augen verengten sich. Wie üblich, wenn er wütend wurde, wurde das Blau in ihnen eine ganze Nuance dunkler. „Vorsicht Kommissar - Sie haben keine Ahnung, mit wem Sie sich anlegen! Der letzte Mann, der es gewagt hat, mir zu drohen, fand sich mit herausgeschnittener Zuge mitten in der Wüste wieder …“, sagte er hasserfüllt auf Arabisch. Obwohl der Kommissar seine Worte nicht verstanden haben konnte, zuckte er zurück. Rayans Körperhaltung strahlte nun unbändigen Stolz aus. Auch ohne weitere Erklärung war ihm klar geworden, dass dieser Mann Macht hatte. Hier saß jemand, der es gewohnt war, Befehle zu erteilen. Und der wenig Spaß verstand, wenn diese missachtet wurden.

Einen Moment lang war der Kommissar über die Veränderung in seinem Verdächtigen überrascht. Wen hatte er da nur vor sich? Und vor allem: War er zu weit gegangen?

Miriam war blass geworden. Leise und mit zitternder Stimme übersetzte sie die Worte des Scheichs. Auch ihr war spätestens jetzt klar, dass hier kein gewöhnlicher Mann saß. Sie erklärte ihm, dass sein Verhalten gerade eine schwere Beleidigung gewesen war.

Doch der Kommissar hatte viele Jahre Berufserfahrung und bereits einiges gesehen in seinem Leben. So leicht ließ er sich also nicht einschüchtern. Im Gegenteil: Rayans Drohung brachte ihn sofort erneut auf die Palme: „Soso! Du kannst also doch sprechen. Na zumindest haben wir jetzt mal eine Reaktion von dir provoziert“, sagte er auf Deutsch mit einem gehässigen Grinsen. Dann wandte er sich an Miriam: „Sagen Sie ihm, dass er mich mit seinen Geschichten nicht beeindrucken kann. Wir sind hier in Deutschland und nicht bei seinen Kamelen. Es ist mir scheißegal wen oder was er dort darstellt. Hier wird nach meiner Pfeife getanzt! Und wenn er nicht bald mitspielt, dann bringe ich ihn in das dunkelste Loch, das ich hier finden kann. Und werfe den Schlüssel weg!“

Er hatte sich richtig in Rage geredet und war laut geworden. Im Gegensatz dazu übersetzte Miriam die Worte ruhig, aber fast wortgetreu.

Rayan lächelte kalt. Ein Lächeln, das sanft seine Mundwinkel umspielte, aber nicht bis in seine Augen gelangte, die ihr kaltes Glitzern nicht verloren hatten. Es entging ihm nicht, dass Miriam fröstelte. Zumindest sie schien sich seiner Ausstrahlung nicht entziehen zu können. Sie war klug genug zu spüren, dass nun Vorsicht geboten war.

Gefährlich sanft und dabei mit einem Tonfall, der verriet, dass er keinerlei Gewissensbisse hatte, einen anderen Mann, wenn es sein musste, zum Tode zu verurteilen, antwortete Rayan: „Na dann wollen wir doch mal hoffen, dass es Sie nicht eines Tages nach Arabien verschlägt. Ich habe ein gutes Gedächtnis …“.

Wieder lief Miriam sichtbar eine Gänsehaut über den Körper, als sie die Worte in Deutsch für den Kommissar wiederholte. Der öffnete den Mund, um etwas Heftiges zu erwidern, als sich just in diesem Moment die Tür öffnete. Ein Beamter steckte seinen Kopf herein. „Weber – Du musst sofort kommen. Es gibt Ärger.“ Der Blick, den der Mann dabei Rayan zuwarf, sagte eindeutig, wen er für den Urheber der Schwierigkeiten hielt.

Einen Moment lang sah der Kommissar von seinem Kollegen zu Rayan und wieder zurück, dann stand er seufzend auf und verließ den Raum.

Rayans Ärger wandelte sich in Genugtuung. „Na endlich!“, dachte er zufrieden, „das wurde auch Zeit.“

Miriam hatte seinen Stimmungswandel beobachtet und dachte für sich: „Er wirkt kein bisschen überrascht, allenfalls ein wenig erleichtert. Er hatte die ganze Zeit noch ein Ass im Ärmel.“ Aber sie sagte nichts, sondern blieb einfach sitzen, wo sie war. Ihr war anzusehen, dass sie sich nicht wohlfühlte in ihrer Haut. Sie hatte selbst genügend Sorgen und wollte nicht in die Angelegenheiten des Kommissars hineingezogen werden. Wenn der keine Angst hatte, weil er nicht vorhatte, jemals nach Arabien zu gehen – schön für ihn. Sie jedenfalls hatte Familie dort.

Miriam überlegte, was sie sagen sollte, um klarzustellen, dass sie lediglich die Dolmetscherin war, doch sie kam nicht mehr dazu, ihre Gedanken in Worte zu fassen.

Ein Mann in einem sichtbar teuren, dunkelblauen Anzug trat ein, gefolgt von einem kleinlauten Kommissar. „Verdammt Weber, was tun Sie hier? Machen Sie den Mann sofort los!“

Er wartete, bis der Kommissar Rayan die Handschellen abgenommen hatte, dann eilte er um den Tisch herum auf ihn zu. „Mein lieber Scheich! Das ist alles ein riesengroßes Missverständnis! Ich muss mich bei Ihnen in aller Form entschuldigen! Bitte kommen Sie mit in ein angenehmeres Büro nebenan.“ Er sprach Englisch, wie sie es bei ihren sonstigen Treffen auch getan hatten.

Zufrieden registrierte Rayan, dass der Kommissar betreten wie ein begossener Pudel neben ihm stand. Von seiner Angriffslust vorher war nichts mehr übrig. Miriam dagegen kam aus ihrer Verwunderung nicht mehr heraus. Was passierte hier gerade? Und offenbar verstand ihr mysteriöser Verdächtiger auf einmal problemlos Englisch? Ein Scheich? Sie beschloss, sich so schnell wie möglich auf den Heimweg zu machen und am besten nie wieder mit diesem Fall in Kontakt zu kommen. Hoffentlich musste sie nicht als Zeugin eine Aussage machen. Und wer war eigentlich dieser Wichtigtuer im Anzug, der Weber offenbar zur Schnecke gemacht hatte?

Es handelte sich bei dem Neuankömmling um Rayans Kontaktmann im Innenministerium, der ihn bei offiziellen Besuchen betreute, dessen Nummer er Hanif gegeben hatte. Und dem im Gegensatz zu Weber sowohl Rayans politischer Status in Deutschland, speziell in München, aber vor allem auch sein Einfluss zuhause in Arabien klar war. Entsprechend respektvoll schüttelte er nun die Hand des Scheichs.

Weber warf er beim Hinausgehen einen wütenden Blick zu, der den Kopf daraufhin noch ein wenig weiter einzog. Weiterhin auf Englisch fuhr er fort: „Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Warum haben Sie mich denn nicht sofort verständigt?“

Ohne eine Antwort abzuwarten, geleitete er Rayan zur Tür hinaus und erkundigte sich dabei: „Scheich, ich hoffe Sie sind wenigstens anständig behandelt worden“, woraufhin Weber ruckartig den Kopf hob. Er war blass geworden. In all der Aufregung hatte er die Beleidigung, die er Rayan vorher laut seiner Kollegin hatte zuteilwerden lassen, schon wieder vergessen.

Kurz verengten sich Rayans Augen, als er Webers Blick erwiderte. Der trat entsetzt einen Schritt zurück. Nachdem der Scheich ihn um einen halben Kopf überragte und mit seinem leichten Bierbäuchlein kaum gegen dessen Muskeln ankäme, fühlte er sich nicht mehr so sicher, jetzt, wo die Handschellen entfernt worden waren.

Zu seiner Erleichterung antwortete Rayan in diesem Moment auf Englisch: „Keine Sorge, mein Freund, alles in bester Ordnung.“ Der Kommissar wollte gerade ausatmen. Sollte er wirklich Glück haben und mit seinem Verhalten durchkommen? Da fuhr Rayan mit deutlichem Sarkasmus fort: „Ich habe Mister Weber sogar gerade in mein Heimatland eingeladen.“

Weber zuckte zurück, als hätte ihn eine Schlange gebissen. Die Drohung war überdeutlich. Er machte sich eine interne Notiz, seine nächsten Urlaube auf jeden Fall weit weg von der arabischen Wüste zu verbringen. Das Nordkap schien ihm auf einmal sehr sympathisch!

Rayan, der die Gedanken des Mannes mühelos erriet, lächelte noch einmal kalt, drehte sich dann weg und verließ den Vernehmungsraum.

2005 - In der Wüste weit vor Alessia - Ein unhöflicher Gast

Wenn Rayan damit gerechnet hatte, in Taib einen dankbaren und entsprechend höflichen Gast vorzufinden, so hatte er sich getäuscht.

Als es Taib besser ging und er bereits kurze Zeit aufstehen konnte, stand er in der Nähe, als sich der Scheich zu seinem üblichen abendlichen Kontrollritt aufmachte. Erstaunt fragte er einen der Männer, wo ihr Anführer um diese späte Zeit hinreite?

Stolz berichtete der Gefragte, dass das Rayans übliche Routine sei. Er mache dies jeden Abend und Morgen, um ihnen so Ärger vom Hals zu halten. Denn die Wüste verrate ihm, sobald Probleme am Herannahen waren. Man sagte, sie spreche sogar mit ihm und er höre ihr zu.

Doch Taib war keineswegs beeindruckt, wie der Tarmane es erwartet hatte. Statt Ehrfurcht zu zeigen, lachte er trocken. Dann machte er eine eindeutige, kreisende Geste mit seinem Finger in der Höhe seines Kopfes und meinte: „Wenn ihr mich fragt, klingt das eher danach, als hätte er zu viel Sonne erwischt.“

Es war Ibrahim zu verdanken, dass der Krieger dem respektlosen Gast nicht auf der Stelle die Kehle durchschnitt. So über ihren Scheich zu sprechen, war nicht nur ungehörig, es grenzte an Selbstmord.

Später am Abend informierte Ibrahim Rayan über dieses Vorkommnis. Wie sollten sie darauf reagieren? Die Männer im Lager sprachen bereits darüber. Größtenteils waren sie geschockt, wie jemand es wagen konnte, sich derart respektlos zu verhalten. Doch der ein oder andere schien auch den Mut des Fremden zu bewundern. Wenn Rayan den Vorfall unbeachtet ließe, bestand die Gefahr, dass die Männer versuchen würden, ihn nachzuahmen. Auf jeden Fall wäre es ein nur schwer einzuschätzender Gesichtsverlust.

Offenbar war es auch nicht die erste Bemerkung dieser Art. Aber weder der Scheich noch sein Leibwächter konnten Taibs Beweggründe nachvollziehen. Was brachte den Mann dazu, sich so wenig dankbar und unhöflich zu verhalten?

Aufgrund der Verletzungen des Anwaltsgehilfen und des Angriffs hatte Rayan noch keine Gelegenheit gehabt, mehr als drei Worte mit ihm zu wechseln. Er beschloss, dass Taib zumindest so fit sei, ihn auf seine morgendliche Runde zu begleiten.

Also wurde der überraschend am nächsten Morgen noch weit vor Sonnenaufgang geweckt.

Einen Moment lang überlegte Rayan, was er tun sollte, wenn der Mann sich weigerte, mit ihm zu kommen, doch diese Befürchtung erwies sich als unbegründet. Die ersten Minuten ritten sie schweigend nebeneinander her. Der angehende Anwalt war kein erfahrener Reiter und hatte daher seine Mühe, das ihm zugewiesene Pferd zu kontrollieren.

Rayan hielt an und stieg ab. Er untersuchte einige Spuren, die er am Boden gesehen hatte. „Das waren nur wilde Kamele, ohne Reiter, keine Gefahr für uns“, kommentierte er und stieg wieder auf. Schweigend setzten sie ihren Weg fort, bis auf einmal die Sonne über dem Sand emporstieg.

Daraufhin hielt der Scheich inne, um das Schauspiel zu bewundern. Taib war ihm eigentlich nicht einmal so unsympathisch. Wie sollte er ihn aus der Reserve locken?

Es hatte auf jeden Fall keinen Sinn, solange er zu Pferd und entsprechend abgelenkt war und so hielt Rayan schließlich an. Beide stiegen ab und der Scheich zeigte ihm, wie er den Zügel über den Kopf des Pferdes ziehen musste. Ein Zeichen für die Tiere, an diesem Fleck stehenzubleiben.

Dann forderte er Taib auf, sich mit ihm gemeinsam hinzusetzen. Als beide im Sand Platz genommen hatten, begann er damit, genau zu erklären, was er bei seinen morgendlichen Runden machte und warum. Der Aushilfsanwalt hörte staunend zu. Anschließend fragte Rayan unvermittelt: „Wieso provozierst du meine Männer? Hast du solche Todessehnsucht?“

Taib sah ihn einen Moment lang trotzig an und entgegnete dann: „Ich provoziere keineswegs deine Männer, sondern dich.“

Rayan war nicht entgangen, dass sein Gegenüber ganz bewusst nicht die höfliche Anrede gebrauchte, die ihm aufgrund seines Ranges eigentlich zustehen würde. Doch er ließ sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen.

Er lachte stattdessen trocken über die direkte Aussage seines widerspenstigen Gastes. „Tut mir leid. Um mich zu provozieren, musst du schon schwerere Geschütze auffahren.“ Er war wirklich amüsiert, denn der Mut des Fremden beeindruckte ihn.

In den Augen von Taib blitzte es wütend auf. Er legte Rayans Lächeln als Arroganz aus und das brachte ihn in Fahrt. Und auf einmal brach es aus ihm hervor und er fuhr den Scheich an: