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Nach der verheerenden Explosion im Flatiron Building versucht die Schwarze Garde Major Annabella Biondi, eine mögliche Zeugin des Sprengstoffanschlags, zu finden, doch auch die Agenten der TSA sind ihr auf den Fersen. Zur selben Zeit offenbaren die Thanagog den Terranern und Nogk im Orbit Terras, den globalen Schutzschirm um die Erde ausschalten zu können. Ihre Lösung zwingt Ren Dhark und seine Gefährten zur Rückkehr zur Sternenbrücke… Gary G. Aldrin, Hendrik M. Bekker, Jan Gardemann und Jessica Keppler schrieben diesen packenden SF-Roman nach dem Exposé von Anton Wollnik.
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Seitenzahl: 374
Ren Dhark
Weg ins Weltall
Band 94
Rückkehr zur Sternenbrücke
von
Hendrik M. Bekker
(Kapitel 1 und 6)
Jan Gardemann
(Kapitel 7 bis 9, 13 bis 16 sowie 24)
Jessica Keppler
(Kapitel 10 bis 12)
Gary G. Aldrin
(Kapitel 17 bis 23)
und
Anton Wollnik
(Exposé)
Inhalt
Titelseite
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
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Ren Dhark Classic-Zyklus
Ren Dhark Extra
Simulacron-3/Welt am Draht
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Impressum
Prolog
Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden. Das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne wieder ausgeglichen. Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Planeten nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.
Noch im selben Jahr nimmt Ren Dhark das Angebot des Industriellen Terence Wallis an und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen.
Im Sommer des Jahres 2073 bekommen es die Raumfahrer mit einem Krayn namens Kharamak zu tun, der bewohnte Planeten mit tödlichen Seuchen überzieht. Er lässt Ren Dhark und dessen Begleitern keine andere Wahl, als ihn zu töten. Wieder auf dem Heimweg, werden die Terraner von den Tel dazu aufgefordert, bei der Aufklärung einer Reihe bestialischer Morde auf der Forschungswelt Reshaf zu helfen. Der Täter entpuppt sich als ein Teil des Bakterienmannes, der inzwischen auf Babylon und Terra ein regelrechtes Chaos veranstaltet. Ren Dhark gelingt es, den Bakterienmann zu besänftigen und eine für beide Seiten zufriedenstellende Einigung zu erzielen.
Während die Besatzung der POINT OF bei der Normalisierung der Lage auf der Erde hilft, bittet Marschall Bulton um Hilfe bei der Suche nach Dan Riker und dessen Verband. Dabei machen Ren Dhark und seine Gefährten eine erschütternde Entdeckung: Kharamak hat von dem Konteradmiral Besitz ergriffen und versucht mithilfe von Rikers Verband, sich aller Unsterblichen zu bemächtigen. Sie machen dem Krayn einen Strich durch die Rechnung und verbannen sein Bewusstsein in einen Hyperkalkulator, der sich nun im Keller der Point-of-Stiftung befindet.
Kurze darauf scheint überall in der in der Milchstraße verbliebenen Worgun-Technologie mit einem Mal der Wurm zu stecken. Ren Dhark und seine Gefährten fliegen nach Hope, doch die Experten im Industriedom haben die Ursache für die harmlosen Störungen noch nicht gefunden. Zur selben Zeit ereignet sich im Randbereich der Milchstraße, etwa 1.000 Lichtjahre vom Corr-System entfernt, eine gewaltige Gefügeerschütterung. Der Forschungsraumer CHARR fliegt hin, um sie zu untersuchen. Dabei stößt die Mannschaft auf eine transitierende Sonne, die die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen scheint. Eine Erklärung finden weder die Nogk noch die Terraner.
Währenddessen errichten die Meegs einen neuen globalen Schutzschirm um die Erde. Kaum sind sie abgereist, aktiviert sich dieser plötzlich von selbst und lässt sich nicht mehr abschalten. Bei der Suche nach einer Lösung stößt die POINT OF bei der Verfolgung eines verdächtigen Pyramidenraumers auf eine unterirdische Asteroidenstation, in der Artus spurlos verschwindet. Nachdem diese explodiert ist, kehrt Ren Dhark vorerst ins Sol-System zurück, wo er unter Aufsicht der Meegs den Schutzschirm beschießen lässt, der mit einem Mal aufreißt. Die Nadelstrahlen rasen auf New York zu.
Kurze Zeit später fliegen fünf fremde Raumschiffe in das Babylon-System ein. Shamol, der Herrscher der Thanagog, offenbart den Menschen, dass er und seine Begleiter aus Orn stammten und Freunde der Worgun seien. Ren Dhark bittet ihn um Hilfe bei dem Problem mit dem globalen Schutzschirm um die Erde …
1.
»Das ist wirklich furchtbar«, stellte Bruder Lambert schockiert fest. Er lehnte sich zurück und fuhr sich mit der Hand über das leicht gerötete Gesicht. Die Pigmentflecke, die er am Hals und im Gesicht hatte, kamen durch die aufsteigende Röte noch stärker zur Geltung.
Herr, du prüfst deine Kinder in letzter Zeit sehr hart, ging es ihm durch den Kopf. Erst die schreckliche Zerstörung des Flatiron Building und nun auch noch das.Möglicherweise hat der Täter Kontakte zu den Unsrigen.
Ihm gegenüber saß ruhig und abwartend Thomas Boas, der Chef der Terranischen Sicherheitsagentur. Dieser war nur wenigen Menschen ein Begriff und noch weniger kannten das scharf geschnittene Gesicht dieses beinahe kränklich dünnen Mannes. Selbst im Sitzen war er einen Kopf größer als der Kurator. Sein Blick wirkte neugierig. »Wir sollten sehen, was der Generalmajor dazu zu sagen hat, Kurator«, riet er. Seine Stimme besaß einen rauchigen Klang.
Etwas, das Bruder Lambert immer bewundert hatte, war, dass Boas nie laut werden musste, um sich Gehör zu verschaffen. Die Menschen um ihn herum schienen sich ihm stets freiwillig unterzuordnen. Vielleicht spürten sie die natürliche Autorität, die dieser Mann ausstrahlte.
»Generalmajor Farnham ist hier«, unterbrach nun Gordian, der Sekretär des Kurators, ihr Gespräch über die Gegensprechanlage.
Der Kurator beugte sich vor und nahm eine Einstellung auf dem Suprasensor vor. »Schicken Sie ihn rein!«, ordnete er an.
Die Tür öffnete sich und Christopher Farnham, der Befehlshaber der Schwarzen Garde, trat ein. Seine eisgrauen Augen glitten von Bruder Lambert zum Chef der TSA, und eine nachdenkliche Falte erschien auf seiner Stirn. Dabei bewegte sich sein künstliches linkes Auge eine Millisekunde später als das rechte.
»Ich freue mich, Sie zu sehen, Bruder Lambert«, grüßte er. »Guten Tag, Mister Boas.« Er setzte sich auf den freien Stuhl neben den Chef der TSA vor den Schreibtisch. Das Büro war so spartanisch eingerichtet, wie der Kurator es einst vom entmachteten Henner Trawisheim übernommen hatte. »Sie wollten mich sprechen? Sie sagten, es sei sehr dringend.«
Bruder Lambert nickte. Er merkte, dass Farnham den Ernst der Lage sofort begriffen hatte, als er Thomas Boas gesehen hatte. Der Chef der TSA war jemand, den man nur ausnahmsweise zu Gesicht bekam. Meistens war es kein gutes Zeichen, wie Bruder Lambert aus eigener Erfahrung wusste.
»Danke, dass Sie so schnell kommen konnten. Wir haben neue Informationen bezüglich der Explosion in New York«, erklärte Bruder Lambert ohne Umschweife. Er hielt eine Datenfolie in Händen, die einen kurzen Bericht der Ereignisse aus Sicht der TSA-Agenten vor Ort präsentierte. »Offenbar wurde Thermit in Kombination mit einer kleinen Menge Hy-Plastyt benutzt.«
»Letzteres nachzuweisen entpuppte sich als ziemlich schwierig«, fügte Boas hinzu, »doch meinen Experten ist es mit viel Aufwand gelungen. Wir können von Glück reden, dass nur eine sehr geringe Menge dieses verdammten Supersprengstoffs benutzt wurde.«
»Beides ist zurzeit schwer zu bekommen«, erwiderte Farnham.
»Ganz recht. Deshalb konzentrieren wir uns zunächst auf die potenziellen Bezugsquellen. Aufgrund des aktivierten Schutzschirms wird sich insbesondere die für das Hy-Plastyt wohl relativ schnell eingrenzen lassen.«
Der Generalmajor nickte. »Da stimme ich Ihnen zu. Wissen wir eigentlich inzwischen, wieso das Flatiron Building zerstört wurde? Haben wir einen Feind auf Terra, der bereit ist, Anschläge zu verüben?«
»Wie kommen Sie darauf?«, wollte Boas wissen.
»Erstens ist es noch vor Sonnenaufgang. Was immer der Grund für mein Hiersein ist, er konnte nicht warten. Zweitens nehme ich an, dass die Anwesenheit des Geheimdienstchefs eher gegen einen Unfall und für eine gezielte Aktion spricht. Bloß was hat die Schwarze Garde damit zu tun?«
»Ihre Überlegungen sind richtig, es hat mit der Garde zu tun«, bestätigte Thomas Boas ruhig und beinahe lauernd. »Wie Sie wissen, haben wir schlussendlich die Erlaubnis der Freien Bürger erhalten, einen Hilfskonvoi zu schicken. Darunter waren nicht nur Spezialkräfte zur Rettung und Versorgung etwaiger Überlebender, sondern auch Agenten der Terranischen Sicherheitsagentur.«
»Sie haben die Freien Bürger New Yorks ausspioniert?«, fragte Farnham überrascht. »Mir ist neu, dass die TSA eine Zuständigkeit bei den Anarchisten besitzt.« Seine Stimme machte klar, dass er dies nicht guthieß, doch Boas schüttelte als Antwort nur langsam den Kopf.
»Wir haben niemanden hintergangen und keinerlei Kompetenzen überschritten«, führte der Chef der TSA aus. »Wir waren vollkommen offen, was unsere Anwesenheit in New York angeht. Gemäß der Absprache mit dem Vertreter der Freien Bürger haben Ermittler der TSA den Hilfskonvoi begleitet, um herauszufinden, wie es zu der Explosion kommen konnte. Schließlich haben auch die Bewohner New Yorks ein sehr großes Interesse daran zu erfahren, was wirklich geschehen ist. Meine Experten haben umfangreiche Proben am Flatiron Building genommen, und unsere Sprengstoffspezialisten sind sich sicher: Es war unzweifelhaft ein Bombenanschlag. Besonders bemerkenswert ist allerdings, womit die besondere Sprengwirkung erzielt wurde: Thermit in Kombination mit Hy-Plastyt.«
Farnhams Blick wanderte von Boas zu Bruder Lambert. »Mit dämmert, warum Sie mich so dringend sehen wollten.«
Der Kurator faltete die Hände und beobachtete den Generalmajor genau. Dessen Reaktion hatte ehrlich überrascht auf ihn gewirkt. Er zweifelte nicht an der Loyalität Farnhams, dennoch war es wichtig für ihn zu sehen, wie der Anführer der Schwarzen Garde reagierte. »Wie Sie wissen, ist Thermit ein spezieller Thermosprengstoff, der unter anderem von der Schwarzen Garde verwendet wird. Wenn man bedenkt, dass wir aufgrund der globalen Situation vom Rest des Universums abgeschnitten sind und die Verteilung reglementiert ist, liegt der Verdacht nahe, dass das Thermit oder sogar das Hy-Plastyt möglicherweise aus Ihren Beständen stammen. Soweit ich weiß, unterhalten Sie Ihre eigene Waffenproduktionen und entwickeln in Ihren universitären Laboren Kampf- sowie Sprengstoffe.«
»Da will ich Ihnen gar nicht widersprechen, Bruder Lambert«, räumte Farnham ein. »Dennoch sind sowohl Thermit als auch Hy-Plastyt jenseits der Bestände der Schwarzen Garde zu bekommen. Ersteres findet in etlichen zivilen Bereichen Anwendung. Letzterer Sprengstoff wurde wohl eher auf dem Schwarzmarkt bezogen – und zwar außerhalb der Zonen, die mittels Sprengstoffspürern überwacht werden.
Nichtsdestotrotz werde ich umgehend eine interne Untersuchung anordnen, Bruder Lambert. Sollten die Sprengstoffe aus unseren Lagern entwendet worden sein, werden wir es herausbekommen. Ich kann mir allerdings nur schwer vorstellen, dass es einer meiner Soldaten gestohlen hat.«
»Ich will nicht respektlos erscheinen«, erwiderte der Chef der TSA, »aber ich würde gerne einige meiner Leute nach Star City schicken, damit sie diese Überprüfung überwachen.«
»Misstrauen Sie der Schwarzen Garde so sehr?«, gab Farnham zurück. »Tragen Sie uns die Geschichte mit den Kalamiten noch immer nach? Nicht nur in der Schwarzen Garde gab es sie!«
Bruder Lambert räusperte sich. »Meine Herren, das Problem ist durch die Kalamiten-Spürer bereits behoben. Ich habe Sie nicht für gegenseitige Schuldzuweisungen herbeordert, sondern damit wir das Problem mit dem Thermit sowie dem Hy-Plastyt lösen. Bedenken Sie bitte, dass wir momentan in einer schwierigen Situation stecken, die schnell in eine neue globale Krise ausarten könnte!«
»Das ist richtig«, pflichtete ihm Thomas Boas bei. »Leider liegen dem Generalmajor noch nicht alle Informationen vor. Es gibt noch einen weiteren Zusammenhang zwischen New York und der Schwarzen Garde.« Er wandte sich direkt an Farnham: »Sie kennen das Flat-Café in besagtem Gebäude?«
»Flüchtig, ja«, bestätigte dieser. »Worauf wollen Sie hinaus?«
»Sie kennen des Weiteren Major Annabella Biondi?«
Farnham überlegte kurz. »Sie ist Teil des technischen Stabs, der für den planetaren Schutzschirm zuständig ist, und Oberstleutnant Silkors Stellvertreterin. Was hat sie damit zu tun?«
»Nun, es verhält sich folgendermaßen: Major Biondi ist kurz vor der Explosion im Flat-Café gewesen. Wir haben sie auf einer Kameraaufnahme einige Straßen davon entfernt gesehen. Zudem wurde sie heute Morgen aus den Trümmern gerettet. Wider Erwarten lebt sie, ist allerdings schwer verletzt und wird aktuell behandelt. Sie ist leider nicht vernehmungsfähig, und laut Aussage der Ärzte wird sie das auch heute nicht mehr sein. Wenn wir Glück haben, werden wir morgen mehr wissen, sollte sie dann aufwachen.«
»Major Biondi ist Oberstleutnant Silkor unterstellt, wie Sie richtig angemerkt haben«, fügte Bruder Lambert hinzu, »was in der aktuellen Situation auch eine Rolle spielen könnte. Immerhin hat er leider den Schirm noch nicht deaktiviert bekommen.«
»Selbst wenn es keinen direkten Zusammenhang gibt, ist das ein beachtenswerter Punkt«, stimmte Boas zu.
Bruder Lambert wusste, dass diese Verknüpfung vollkommen zufällig sein konnte, dennoch wollte er Farnham daran erinnern, wie ungünstig diese Fakten zusammengenommen für die Schwarze Garde waren.
Der Generalmajor sah ihn nachdenklich an. Er schien genau zu verstehen, in welche Richtung dies alles lief. »Es tut mir leid, Bruder Lambert, aber ich kann Ihnen dazu noch nichts Genaues sagen. Das ist mir alles neu. Mit Ihrer Erlaubnis werde ich eine eigene Ermittlung anstreben, um diese Ereignisse aufzuklären«, fügte er mit Blick zum Chef der TSA hinzu.
Lambert registrierte wohl den Unterton in diesem letzten Satz. Farnham will wohl keinesfalls, dass die TSA anfängt, sich in die Angelegenheiten der Schwarzen Garde einzumischen. Er hatte derartige Bedenken vorausgesehen. »Sie werden Ihre eigene interne Untersuchung bekommen. Die TSA wird Sie über all ihre Ermittlungsergebnisse in Kenntnis setzen, und ich erwarte, dass auch von Ihnen, nämlich dass Sie uns informieren. Dennoch bitte ich Sie beide, Diskretion zu wahren. Wir wissen leider nicht, wie genau die Schwarze Garde darin verwickelt ist. So sehr ich Ihnen vertraue, Generalmajor Farnham, so sehr macht mir zumindest die Korrelation der Indizien Sorgen.«
Herr, hilf mir, dass ich keinen Fehler mache in dieser Angelegenheit. Ich konnte mich bisher immer auf meine Intuition verlassen, was Menschen angeht, dachte Bruder Lambert. Ich kann nicht glauben, dass die Schwarze Garde wirklich etwas damit zu tun hat.
Farnham nickte. »Natürlich, Bruder Lambert. Ich würde auch gerne eigene Leute nach New York schicken und meine Spezialisten das Ganze unvoreingenommen prüfen lassen.«
»Tun Sie das«, stimmte Lambert zu, »aber setzen Sie sich vorher bitte mit Iondru in Verbindung. Er ist in diesem Fall Ihr Ansprechpartner der Freien Bürger, und ich will auf gar keinen Fall, dass Truppen der Schwarzen Garde ohne seine Genehmigung New York betreten. Wir haben mit den Anarchisten zwar nicht immer ein leichtes Verhältnis gehabt in letzter Zeit, doch ich bin froh über die aktuelle Kooperationsbereitschaft. Die will ich gerne erhalten.«
»Selbstverständlich«, bestätigte Generalmajor Farnham.
»Zudem will ich über alles genauestens unterrichtet werden, was Sie herausbekommen, so wie ich einen gegenseitigen Informationsaustausch in vollem Umfang erwarte.« Bruder Lambert sah die beiden Männer vor sich einige Sekunden lang eindringlich an. Als er sich sicher war, dass seine Worte bei ihnen angekommen waren, sagte er: »Das wäre soweit alles, meine Herren. An die Arbeit.«
Als die beiden Lamberts Büro verlassen hatten, trat Gordian ein. »Bruder Lambert? Die Unterlagen, die Sie angefordert hatten.« Er reichte seinem Chef einige Datenfolien. »Es sieht so aus, als hätte die Firma Aarganis recht, wenn sie sich darauf beruft, dass der Transmitterbahnhof als exterritoriales Gebiet von Eden betrachtet werden muss. Dennoch drängt sie darauf, dass ein Urteil gesprochen wird.«
Bruder Lambert nickte. »Das verstehe ich, aber wir sind alle abgetrennt vom Universum.«
Es hatte einen kleineren Unfall auf dem Gelände des Transmitterbahnhofs gegeben und nun verlangte die Firma Aarganis als Beklagter, dass die Gerichtsverhandlung aufgeschoben würde, bis wieder eine Verbindung mit Eden hergestellt werden konnte. Solange der planetare Schutzschirm allerdings Terra vom Rest des Universums trennte, konnten sie so darauf hoffen, vorerst nicht verurteilt zu werden.
Als Bruder Lambert wieder allein in seinem Büro war, konnte er sich nicht mehr so recht hierauf konzentrieren. Seine Gedanken waren bei Farnham und der Schwarzen Garde.
Ich denke nicht, dass ich mich in dem Generalmajor geirrt habe, doch wer in seiner Organisation könnte einen Groll gegen uns hegen?, fragte er sich still mit gefalteten Händen.
Er sah wieder auf die Datenfolien vor sich und hatte eine Idee. Die Gerichtsverhandlung würde einfach nach dem Gesetzbuch Edens ablaufen. In Ermangelung einer Auslieferung nach Eden wäre dies zumindest ein Kompromiss.
Heißt es nicht »Unser tägliches Brot gib uns heute«?, sinnierte er mit Blick aus dem Fenster. Gott hat die Israeliten jeden Tag mit frischem Brot versorgt, doch sie bekamen nie mehr als unbedingt nötig. Sie wurden immer neu geprüft, ob sie noch den Gesetzen folgten … O Herr, uns bleibt nur, auf deine Gnade zu hoffen und jeden Tag so gut in deinem Dienst zu meistern, wie es uns möglich ist.
Bruder Lambert aktivierte sein Tischvipho, um die nötigen Anrufe zu tätigen. Er hatte an diesem Tag noch vieles zu tun.
2.
Als Generalmajor Farnham das Büro des Kurators verlassen hatte, rief er zuallererst mit seinem Armbandvipho Iondru in New York an. Die Kontaktdaten hatte ihm der Kurator am Schluss der Sitzung gegeben. Das markante Gesicht des berühmten Freien Bürgers erschien auf seinem Bildschirm.
»Generalmajor Farnham von der Schwarzen Garde«, stellte sich Farnham vor. »Ich hoffe, ich störe Sie nicht.«
»Keineswegs«, erwiderte Iondru mit einem Lächeln. Seine graublauen Augen sahen erschöpft aus. »Ich habe Ihren Anruf bereits erwartet. Bruder Lambert hat mit mir gesprochen, und ich bin über die Untersuchungsergebnisse der TSA informiert. Ich kann verstehen, dass Sie selbst Untersuchungen anstellen wollen.«
»Im Namen der Schwarzen Garde danke ich Ihnen. Wir werden sofort einige Leute schicken.«
»Ich würde es allerdings vorziehen, wenn Sie durchgehend in Uniform auftreten. Wenn Sie dort in offizieller Funktion sind, soll man es auch sehen. Wir Freien Bürger mischen uns nicht in die Angelegenheiten anderer ein, man wird Sie also nicht behelligen. Doch würden Sie Ihre Leute verdeckt schicken, riefe das vermutlich Unmut und Misstrauen bei den Freien Bürgern hervor.«
»Meine Soldaten werden Ihre Regeln respektieren.«
Iondru nickte, doch er war noch nicht fertig. »Ferner bitte ich Sie, ohne Dienstwaffen zu kommen. Ihre Karabiner wären doch etwas zu martialisch für eine zivile Umgebung wie New York. Lassen Sie die Gewehre daher bitte zu Hause in Star City.«
Farnham verzog leicht das Gesicht. »Ich fürchte, das wird leider so nicht möglich sein. Ein Gardist geht niemals ohne seine Waffe los, nicht mal bei zivilen Einsätzen. Das ist nicht verhandelbar. Gibt es eine andere Möglichkeit, Ihnen entgegenzukommen?«
Iondru schwieg einen Moment und schien nachzudenken. Schließlich sagte er: »Ich verstehe. Als Vorschlag zur Güte einigen wir uns darauf, dass ich für die Gardisten, die Sie schicken, jemanden abstelle. Betrachten Sie die Person weniger als Aufpasser und mehr als Fremdenführer. Im Notfall wird sie zwischen Ihren Soldaten und den Freien Bürgern vermitteln können, sollte es doch zu Missverständnissen kommen. Ich übersende Ihnen heute Vormittag Ihrer Zeit eine Nachricht mit allen wichtigen Informationen.«
»Vielen Dank, Iondru«, erwiderte Farnham.
Nachdem das Gespräch geendet hatte, machte er sich auf zu seinem Gleiter, um zurück zum Hauptquartier der Schwarzen Garde zu kommen.
*
Während des Rückfluges von Alamo Gordo nach Star City nutzte Christopher Farnham die Zeit, um die bisherigen Informationen durchzuarbeiten, die der Chef der TSA ihm mitgegeben hatte. Die Akte war erschreckend kurz.
Verheimlicht er mir etwas, weil er der Schwarzen Garde nicht traut?, überlegte er. Thermit wird unter anderem beim Terraforming verwendet. Wie es mit Hy-Plastyt aussieht, weiß ich gerade nicht. Was immer Boas im Schilde führt, ich muss unbedingt ausschließen, dass es ein Problem in Star City gibt.
Auf seinem Hand-Suprasensor las er aufmerksam den gesamten Bericht, den ihm die Terranische Sicherheitsagentur zur Verfügung gestellt hatte. Er bemerkte, dass ein wesentliches Detail fehlte: der Aufenthaltsort von Major Biondi. Die Akte sagte nur, dass sie in ein New Yorker Krankenhaus gebracht worden war.
Farnham sah nachdenklich aus dem Gleiterfenster hinunter auf die sich nähernden Gebäude Star Citys. Manch einer mochte die im Reißbrettmuster aufgebaute Stadt für langweilig halten, doch für Generalmajor Farnham war sie sein Zuhause. Er hatte nichts gegen den spöttischen Namen »Geniestädtchen«, den die Leute aus Alamo Gordo dem Sitz der Schwarzen Garde gegeben hatten.
Auf seinem Armband-Vipho wählte er die Nummern einiger Gardisten, um eine Inventur in verschiedenen Lagern zu veranlassen. Er wollte, dass es nach einer allgemeinen Überprüfung aussah, damit vorerst keine Fragen aufkamen. Sein letzter Anruf galt dem Kompaniechef Oberleutnant Ulysses Gerado.
»Was kann ich für Sie tun, Generalmajor?«, erkundigte sich der Oberleutnant.
»Ich will eine Prüfung von allen Waren, die in den letzten Monaten rein- oder rausgeflogen wurden. Wirklich von allem, das angeliefert wurde. Von allem, das bewegt wurde, seit wir unter dem Schild festhängen. Suchen Sie nach Unregelmäßigkeiten jedweder Art. Zudem veranlassen Sie bitte eine vollständige Prüfung unserer Bestände«, ordnete Farnham an. Er verschwieg vorerst das Thermit sowie das Hy-Plastyt.
»Jawohl, Sir«, betätigte Oberleutnant Gerado. »Darf ich fragen, was der Anlass ist? Eine Routineüberprüfung, um die Leute auf Trab zu halten?«
»So etwas in der Art.«
»Sollen die zuständigen Soldaten auf etwas Bestimmtes achten?«
»Nein, ich will einfach nur schnellstmöglich die Ergebnisse auf meinem Schreibtisch haben. Und ich will, dass Sie die Inventur überwachen, Gerado.«
»Verstanden, Sir.«
Farnham beendete die Verbindung. Er wollte, dass jemand, der ansonsten nicht direkt mit der Versorgung der Garde zu tun hatte, diese Prüfung durchführte. Sollte es tatsächlich einige faule Äpfel geben, war es so wahrscheinlicher, dass keine Spuren verwischt wurden.
So ungern er es dem TSA-Chef gegenüber zugeben würde, die Vorfälle mit den Kalamiten waren ihm noch gut in Erinnerung. Er machte sich Sorgen, dass sie womöglich damals nicht alle gefunden hatten und dass es den Feinden Terras gelungen war, die Kalamiten-Spürer zu umgehen.
Bevor er sich zu seinem Büro aufmachte, ließ Generalmajor Farnham den Gleiter in der Nähe des Friedhofs von Star City landen. Eine Weile spazierte er zwischen den Gräbern umher und genoss den leichten Wind, der die umgebenden Nadelbäume leicht bewegte.
»Sir? Sie haben nach mir rufen lassen«, riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken. Er drehte sich um zu Leutnant Drender Norfkol. Der asketisch wirkende Mann grüßte militärisch und trat auf den Generalmajor zu. Wie immer stand er absolut gerade.
»Ja, Leutnant Norfkol«, bestätigte Farnham. Er sah auf einen der Grabsteine vor sich. »Von Zeit zu Zeit bin ich gerne hier. Die Schwarze Garde hat schon einiges durchmachen müssen, genau wie die Erde. Aber wir sind noch hier. Wir tun unsere Pflicht, egal was passiert. Doch so sehr wir in der Schwarzen Garde etwas Besonderes repräsentieren, so liegen wir am Ende doch in der gleichen Erde wie alle anderen.«
Er atmete tief durch und sammelte sich. Der Anblick all dieser Namen erinnerte ihn daran, welche Verantwortung auf seinen Schultern lastete. Es ist nie leichter geworden, unangenehme Entscheidungen zu treffen, überlegte er.
»Dieser Friedhof schien mir ein passender Ort für ein Treffen zu sein«, erklärte Farnham. »Ich möchte Ihnen einen Sonderauftrag geben und bin mir nicht zu einhundert Prozent sicher, dass mein Büro in diesem Fall vertrauenswürdig ist. Sie sind Verhörspezialist und auch ausgebildet in der Informationsbeschaffung jedweder Art. Wie gefällt es Ihnen bei der Abteilung für Interne Ermittlungen?«
»Danke der Nachfrage, Sir. Ich bin ja erst seit einigen Monaten dabei, aber es gefällt mir gut«, antwortete Norfkol. »Es ist etwas anderes als das, was ich sonst gewohnt war, aber als Verhörspezialist passe ich da gut rein.«
»Das freut mich«, sagte Farnham. »Es ist sicher eine neue Herausforderung.«
»Das ist es, Sir, aber ich werde jeden Tag besser.«
Farnham nickte. »Ich befürchte, wir haben ein Problem innerhalb der Garde«, kam er zum eigentlichen Punkt. Er konnte sehen, wie der Blick des Leutnants ernster wurde.
»Gibt es ein neues Kalamiten-Problem?«, fragte Norfkol. Ihm waren die Kalamiten offenbar noch in lebhafter Erinnerung. Sie hatten es vor gar nicht allzu langer Zeit geschafft, die Schwarze Garde zu infiltrieren.
»Nein, das denke ich nicht«, entgegnete Farnham. »Selbst wenn, wir besitzen inzwischen Mittel und Wege sie aufzuspüren. Es geht um etwas anderes. Sie haben von dem Vorfall in New York gehört?«
»Das habe ich. Eine schreckliche Explosion hat das Flatiron Building zerstört. Man vermutet, dass es sich um eine Bombe gehandelt hat, da die alten Gasleitungen schon lange nicht mehr genutzt werden.«
»In diesem Fall ist die Gerüchteküche leider einmal zuverlässig. Es gab einen Sprengsatz aus Thermit sowie Hy-Plastyt. So wie es aussieht, war zudem auch noch ein Gardist am Tatort. Major Annabella Biondi wurde lebend, aber verletzt aus den Trümmern des Flatiron gerettet. Die TSA hat uns leider nicht verraten, wo sie sich befindet.« Farnham glaubte nicht an einen Fehler Boas’ in diesem Fall. Der TSA-Chef wollte schlicht nicht, dass die Schwarze Garde wusste, wo Biondi sich aufhielt, doch Farnham konnte das nicht hinnehmen. Die Schwarze Garde mochte in irgendeiner Form in den Anschlag verstrickt sein, aber er war jedem seiner Leute verpflichtet. Er wollte wissen, wo sich Biondi aufhielt und wie es ihr ging. Er würde sie keinesfalls einfach so der TSA überlassen. »Ich will, dass Sie nach New York gehen und herausbekommen, wo sie steckt, in welchem Krankenhaus sie behandelt wird und ob sie womöglich in eine andere Einrichtung gebracht werden soll.«
»Jawohl, Sir«, bestätigte Leutnant Norfkol. »Ich nehme an, dass die TSA in diesem Fall nicht kooperativ sein wird?« Während ihres ganzen Gespräches schien er sich kein bisschen bewegt zu haben. Er stand immer noch absolut gerade da, als wäre er eingefroren.
»Ich würde nicht drauf wetten«, erwiderte Farnham. »Die TSA hat allen Grund, uns zu misstrauen … bei diesen Indizien. Doch Major Biondi ist eine von uns. Deswegen wäre es zweifellos besser, hier eigene Nachforschungen anzustellen. Ich werde einige Gardisten schicken, die das Flatiron Building untersuchen, und Sie werden diese Gruppe begleiten.
Allerdings will ich, dass Sie ausschließlich Informationsbeschaffung bezüglich Major Biondi betreiben. Ich denke, ein Leutnant wie Sie wird weniger Aufsehen erregen. Finden Sie nur heraus, wo man sie hingebracht hat. Erstatten Sie mir persönlich Bericht. Das hat oberste Priorität. Und zu guter Letzt sehen Sie bitte zu, dass Sie die Freien Bürger so wenig wie möglich gegen uns aufbringen. Der Kurator wird es uns danken.«
»Jawohl, Sir. Darf ich fragen, ob ich mich vor jemandem besonders in Acht nehmen soll, Sir?«
»Ich persönlich vertraue jedem einzelnen Soldaten in der Schwarzen Garde. Dennoch ist möglicherweise Thermit oder gar Hy-Plastyt aus unseren Beständen entwendet worden. Ich kann also nicht sagen, ob wir ein Problem in den eigenen Reihen haben. Dennoch gibt es auch eine andere Möglichkeit, wenn wir nur den Sprengstoff betrachten. Wir benutzen eine Menge Technologie bei der Garde. Vielleicht ja zu viel? Es wäre möglich, dass unsere Sicherheitssysteme weniger sicher sind, als wir dachten.« Farnham machte eine vage Geste zum Friedhof um sie herum. »Darum dachte ich auch, dass es besser ist, das hier persönlich zu besprechen anstatt in meinem Büro. Ich will zudem, dass Sie eine Sondernummer benutzen und sich ein neues Armband-Vipho geben lassen.« Er nannte dem Leutnant die Viphonummer. »Meine dienstliche ist natürlich weiterhin in Gebrauch, doch diese Informationen sollten über einen neuen Kanal gehen.«
»Verstanden, Sir.« Norfkol fragte nicht weiter nach.
Farnham nickte. Er war sich sicher, dass er sich auf den Leutnant verlassen konnte.
Die beiden Männer verabschiedeten sich. Farnham sah dem hochgewachsenen Mann hinterher. Er hatte jedes Wort so gemeint. Dass jemand aus der Schwarzen Garde sie verraten hatte, glaubte er nicht, dennoch war die Sache mit dem Thermit und dem Hy-Plastyt erklärungsbedürftig. Es bestand die Möglichkeit, dass jemand entweder die Datenströme der Garde angezapft oder aber anderweitig Zugriff auf die Systeme bekommen hatte. Star City war groß. Sollte jemand die Überwachungssysteme aushebeln können, würde sich derjenige weitgehend unentdeckt bewegen können.
Keine Technologie, überlegte Farnham, ist vollkommen zuverlässig. Dabei sah er zu dem schwachen Schimmern am Himmel. Vielleicht vertrauen wir zu sehr auf unsere Technik.
*
Schließlich rief er sich über sein Armbandvipho erneut einen Gleiter, um sich zur zentralen Verwaltung von Star City bringen zu lassen. Dort führte er einige vertrauliche Gespräche, um verschiedenen Spuren nachzugehen. Auch diesmal erwähnte er weder das Thermit noch das Hy-Plastyt. Natürlich ahnten einige seiner Leute nur, dass Ausrüstung abhandengekommen sein musste, doch das reichte, damit sie seine Besorgnis verstanden.
Es dauerte bis zum Mittag, bis Farnham endlich wieder in sein Büro kam. Dort wartete bereits Ben Silkor auf ihn. Der Generalmajor hatte ihn auf dem Flug von Alamo Gordo aus kontaktiert, um ihn so bald wie möglich zu sprechen.
»Oberstleutnant Silkor, schön, dass Sie so schnell kommen konnten. Ich nehme an, mit dem Schutzschirm geht es bisher nicht voran?«
»Leider nein, Sir«, erwiderte Silkor.
Farnham deutete auf den Stuhl auf der anderen Seite seines Schreibtisches. »Bitte setzen Sie sich.«
Silkor nahm Platz. Mit seinen fast zwei Metern wurde er dadurch nur unwesentlich kleiner. »Aber wir haben ein paar neue Ideen«, ließ er den Befehlshaber der Schwarzen Garde wissen.
»Ich vertraue darauf, dass Sie Ihr Bestes geben, Silkor«, gab Farnham zurück. »Es geht mir heute eher um Ihre Stellvertreterin Major Biondi.«
Sorge blitzte in Silkors Augen auf, was Farnham nicht entging. »Was ist mit ihr, Sir?«
»Das wollte ich eigentlich Sie fragen. Bei der Explosion im Flatiron Building in New York wurde sie schwer verletzt aus den Trümmern gerettet. Nach meinen Informationen lebt sie noch.« Er bemerkte, wie die Schultern des stämmigen Oberstleutnants sich ein wenig entspannten. »Aber die interessante Frage ist für mich: Was hatte Ihre Stellvertreterin da zu suchen, Oberstleutnant Silkor? Der Schutzschirm erstreckt sich zwar um die ganze Erde, doch ein wenig verwundert bin ich schon. New York ist doch weit entfernt von ihrem Dienstort. Können Sie das für mich aufklären?«
»Ja, natürlich, Sir. Sie war dort wegen ihrer Familie«, begann der technische Stabsleiter, der für den globalen Schutzschirm verantwortlich war. »Major Biondi hatte sich freigenommen. – Nein, genau genommen habe ich sie gedrängt, sich freizunehmen«, korrigierte er sich. »Ihr Vater ist krank und benötigt ein bestimmtes Medikament für die Behandlung einer seltenen Stoffwechselkrankheit. Ihre Eltern sind von Babylon zurück auf die Erde gezogen und das Medikament, das er benötigt, wird auf Terra nicht hergestellt. Durch die momentane Abkopplung von der babylonischen Produktion ist ihm das Medikament ausgegangen. Sie hatte einige Restbestände ausfindig gemacht und wollte eigentlich einen Kurier engagieren, doch ich gab ihr frei und sagte, sie solle das selbst erledigen.«
Der Generalmajor hob fragend eine Augenbraue. »Wieso sollten Sie in dieser Lage jemanden aus Ihrem Stab wegschicken, Oberstleutnant Silkor? Ich kann mir denken, dass Sie jeden Einzelnen brauchen.«
»Genau wegen der ernsten Lage habe ich Major Biondi freigegeben. Meine Ratio dabei war folgende: Wenn es um den eigenen Vater geht, beschäftigt einen diese Sorge zwangsläufig. Zudem würde man es sich kaum verzeihen, wenn der Kurier einen Fehler macht. Wie Sie wissen, ist die Arbeit am globalen Schutzschirm aufgrund unseres teils sehr geringen Verständnisses für die Technik der Nogk mitunter gefährlich. Ich brauche Männer und Frauen, die hundertprozentig bei der Sache sind, damit niemand zu Schaden kommt. Für Fehler ist ebenso wenig Raum wie dafür, abgelenkt zu sein. Es erschien mir also die bessere Lösung, Major Biondi einen Tag freizugeben, als eine abgelenkte Mitarbeiterin zu haben.«
Generalmajor Farnham sah Silkor nachdenklich an. »Sie sind sehr besorgt um das Wohl Ihrer Leute, Oberstleutnant Silkor, das spricht für Sie.« Er fragte sich, ob die Informationen stimmten, die man ihm über Silkor zugetragen hatte. Angeblich unterhielt dieser eine intime Beziehung mit Major Biondi, die zu allem Überfluss auch noch Silkors Stellvertreterin war. Solch unprofessionelle Konstellationen hieß er gar nicht gut. Allerdings konnte er sich gut vorstellen, dass solche Gerüchte viele Gründe haben konnten, und er war strikt für die Annahme der Unschuld eines Mannes bis zum Beweis des Gegenteils. »Ist Ihnen Major Biondi einmal verdächtig aufgefallen? Haben wirklich Sie angeordnet, dass sie sich freinimmt oder wollte sie das?«
»Es war definitiv meine Idee. Major Biondi ist meine Stellvertreterin, und ich würde ihr diese Aufgabe nicht erteilen, wenn ich ihr nicht absolut vertrauen würde, Sir.«
Farnham war sich zumindest sicher, dass Silkor an Biondi glaubte. Das hieß aber noch lange nicht, dass der Major nicht etwas zu verbergen hatte. Es mangelte einfach noch an Informationen, um sich ein abschließendes Urteil bilden zu können.
»Gab es Unregelmäßigkeiten in letzter Zeit?«, erkundigte sich Farnham. »Sind Dinge verschwunden oder gab es Schwierigkeiten mit Offizieren im Logistikbataillon? Sind Waffen oder Materialien abhandengekommen?«
Oberstleutnant Silkor kratzte sich nachdenklich an seinem struppigen Vollbart. Er nahm sich Zeit zu antworten, als wollte er ganz sichergehen, dass er nichts vergaß. »Nein, nichts dergleichen, Sir. Ich kann jedoch, wenn Sie wollen, eine dezidierte Prüfung der Bestände durchführen lassen.«
»Ich bitte darum, auch wenn ich weiß, dass Sie genug zu tun haben.« Farnham sah kurz auf sein Chrono. »Die TSA hat Major Biondi in New York aus den Trümmern geborgen, was möglicherweise mit einem Besuch bei ihren Eltern zu erklären wäre. Allerdings wurde die Explosion im Flatiron Building durch eine Bombe ausgelöst. Darum ist es immens wichtig zu wissen, inwieweit möglicherweise Major Biondi in diesen Anschlag involviert gewesen sein könnte. Ich werde es Ihnen sagen, sobald wir wissen, in welchem Krankenhaus sie ist. Ich will, dass Sie sie befragen. Sie sind Ihr Vorgesetzter, und ich hoffe, dass sie Ihnen genug vertraut, um eventuelle Geheimnisse zu offenbaren.
Ich betrachte das hier als eine Angelegenheit der Schwarzen Garde. Wenn Sie sich das fragen sollten: Ich werde niemanden an die TSA ausliefern, solange wir nicht genau wissen, was geschehen ist. Die TSA arbeitet auf Anweisung des Kurators parallel zu uns. Für mich allerdings ist das hier eine interne Angelegenheit.«
»Verstanden, Sir«, bestätigte Oberstleutnant Silkor.
»Allerdings will ich keineswegs die TSA vor den Kopf stoßen. Verhalten Sie sich also diskret! Das ist keine offene militärische Aktion«, setzte der Generalmajor an, doch sein Armbandvipho unterbrach ihn. Er hatte eine Nachricht von Leutnant Norfkol erhalten. Der Mann schrieb, dass es drei Krankenhäuser gab, in denen sich Biondi aufhalten konnte. Eines hatte er bereits kontrolliert. Bei den anderen beiden Krankenhäusern hielten sich TSA-Agenten auf.
Farnham wollte nicht wissen, wie der Leutnant das in Erfahrung gebracht hatte, es reichte ihm, dass dieser die weitere Suche auf zwei Krankenhäuser eingegrenzt hatte. Er schickte Norfkol eine kurze Nachricht zurück und wandte sich dann wieder an Silkor: »Leutnant Norfkol von der Internen Ermittlung befindet sich in New York. Sie werden sich dort mit ihm treffen. Er wird Ihnen helfen, Major Biondi zu befragen und, sofern möglich, zu uns zu bringen. Vergessen Sie nicht, dass wir im selben Team wie die TSA spielen. Allerdings gibt es immer wieder Irrtümer und Fehler. Es ist, denke ich, auch in Ihrem Sinne, dass Ihre Stellvertreterin nach Star City kommt.«
»Natürlich, Sir«, bestätigte Silkor. Sein Blick verriet Farnham, dass er begriff, wie heikel diese Mission werden konnte.
Der Generalmajor meinte durchaus, was er sagte: Er hegte keinen Groll gegen die TSA. Er betrachtete diese Angelegenheit einfach als Interna der Schwarzen Garde. »Die Internen schicken einen Krankentransporter. Sie können von hier aus mit ihnen direkt nach New York fliegen. Dort erwartet Sie Leutnant Norfkol. Er wird Ihnen zur Seite stehen. Viel Glück.«
3.
Oberstleutnant Ben Silkor hatte gerade Generalmajor Farnhams Büro verlassen, als er auf seinem Armbandvipho Sergeant Ian Buchanan anrief. »Ich werde nicht direkt zur Kontrollzentrale des Schutzschirms zurückkehren, Sergeant. Ich habe einen Sonderauftrag des Generalmajors bekommen. Sie müssen mich noch ein wenig länger vertreten, denn Major Biondi ist bis auf Weiteres krankgemeldet. Die Zentrale gehört also ganz Ihnen. Ich werde vermutlich nicht gut erreichbar sein.«
Er hatte nicht vor, mehr über Annabella zu erzählen als nötig. Dafür wusste er selbst einfach noch zu wenig. Es sollten keine Gerüchte oder Spekulationen die Runde machen.
»Ich hoffe, es wird Major Biondi bald besser gehen«, erwiderte Buchanan. »Sie werden die Zentrale vorfinden, wie Sie sie verlassen haben. Darauf können Sie sich verlassen, Sir.«
»Von mir aus auch gerne in besserem Zustand. Sollte es Ihnen gelingen, den Schutzschirm abzuschalten, wäre ich Ihnen nicht böse. Viel Glück, Sergeant«, sagte Silkor trocken und beendete die Verbindung.
Seine Gedanken waren bei Bella. Er glaubte nicht, dass sie in diese ganze Angelegenheit wirklich verstrickt gewesen war. Die Bombe kann man jedoch nicht wegdiskutieren, dachte Silkor. Sie war zumindest ein sehr unglücklicher Zufall.
Er hoffte inständig, dass es seiner Geliebten gut ging.
Eine Gardistin mit einem strengen rotblonden Zopf trat auf ihn zu. Die ersten grauen Strähnen waren darin zu erkennen. »Sir?«, fragte sie ihn. »Sie sind Oberstleutnant Silkor, richtig?«
»Das ist richtig.«
»Leutnant Azra Outstrider von der Internen Ermittlung. Ich soll Sie zu Ihrer Mitfluggelegenheit abholen.«
Sie brachte ihn hinunter zum Flugplatz, auf dem bereits ein Krankenhausgleiter der Schwarzen Garde auf sie wartete. Sobald sie an Bord waren, hob der Gleiter ab in Richtung New York. An Bord befanden sich mehrere Gardisten, die Silkor alle nicht kannte. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde reichte ihm einer der Soldaten eine kleine Handfeuerwaffe.
»Unsere Multikarabiner sind ein wenig zu militaristisch für den Einsatz in New York«, ließ Leutnant Outstrider ihn wissen. »Nach Beschwerden der Freien Bürger haben wir bei den bereits vor Ort befindlichen Truppen entschieden, für diesen Einsatz zu einer kleineren Waffe zu wechseln.«
»Ich hoffe nicht, dass sie nötig sein wird«, sagte Silkor, nahm sie aber dankbar entgegen. Es wäre ihm falsch vorgekommen, sich unbewaffnet auf fremdem Territorium zu bewegen.
»Die TSA hat uns gemeldet, dass Annabella Biondi aus den Trümmern gerettet wurde«, setzte ihn Azra Outstrider über die neusten Informationen ins Bild, kaum dass er die Waffe eingesteckt hatte. »Sie ist schwer verletzt, lebt aber. Bisher war sie nicht vernehmungsfähig, und ihre Verletzungen waren zu schwer, um das in Erwägung zu ziehen. Wir haben angenommen, dass sie ins Cooper-Krankenhaus in Manhattan gebracht wurde. Doch das war vollkommen überlastet aufgrund der vielen Verletzten. Dazu kamen eine ganze Menge Menschen, die durch den aufgewirbelten Staub nach dem Einsturz des Flatiron Building schwere Atemwegsbeschwerden hatten. Darum wurde Major Biondi nach unseren Kenntnissen ins Zentralkrankenhaus von Brooklyn gebracht.«
Silkor fuhr sich gedankenverloren mit der Hand über den kahlen Kopf. »Wir sind mit Genehmigung der Freien Bürger dort, nicht wahr, Leutnant Outstrider?«, versicherte er sich. Sie alle trugen die dunklen Uniformen der Garde und würden damit sofort erkannt werden.
»Das ist richtig, Sir, allerdings nur als Besucher ohne jede Befugnis. Deshalb ist es empfehlenswert, etwaige Waffen verdeckt zu tragen.«
Während sich der Gleiter der Schwarzen Garde New York näherte und unter den Soldaten die Landschaft entlangzog, sank die Sonne immer tiefer. Silkor fieberte geradezu dem Moment entgegen, in dem sie endlich im Dunkeln der hereinbrechenden Nacht die Lichter New Yorks sehen würden.
Sie flogen direkt zum Parkplatz vor dem Zentralkrankenhaus Brooklyns. Es war erst vor wenigen Jahren fertiggestellt worden und ein riesiger Gebäudekomplex. Vom Gleiter aus gesehen erinnerte es an ein liegendes »E«. Auf seinem Dach gab es mehrere Landeplätze für Notfälle. Besucher mussten allerdings auf einem Platz neben dem Krankenhaus landen.
Ben Silkor stieg aus, gefolgt von Leutnant Outstrider. Die restlichen Gardisten verblieben vorerst auf Abruf im Gleiter. Sie wollten keinesfalls direkt mit einer so großen Gruppe in Uniformen in das Krankenhaus einmarschieren.
Obwohl es schon spät war, wimmelte es in der Notaufnahme noch von Patienten. Dadurch, dass so viele Verletzte infolge der Zerstörung des Flatiron Building hereingekommen waren, war noch immer ein Großteil des Krankenhauspersonals mit den Notfällen beschäftigt.
Silkor trat an den Empfangsschalter.
Ein Mann Anfang zwanzig saß dort und beendete gerade ein Gespräch über sein Vipho. Dann wandte er sich an den Besucher: »Was kann ich für Sie tun, Sir?«
»Wir sind hier, um Annabella Biondi zu sehen. Sie wurde heute aus den Trümmern des Flatiron Building geborgen, wurde uns gesagt.«
»Es tut mir leid, die Besuchszeiten sind schon seit Stunden vorbei. Wir haben hier alle Hände voll zu tun, kommen Sie bitte morgen wieder.«
»Wir sind extra den ganzen Weg aus Alamo Gordo hergekommen«, setzte Silkor an, doch der Mann unterbrach ihn.
»Es tut mir leid, dann nehmen Sie sich eben ein Hotel. Die Besuchszeiten sind vorbei.« Neben dem Rezeptionisten begann das Vipho eine Melodie zu spielen und verlangte Aufmerksamkeit.
»Warten Sie!«, versuchte es Silkor erneut, bevor sein Gegenüber den Anruf annehmen konnte. »Sagen Sie uns wenigstens, ob sie hier ist und ob es ihr gut geht.« Letzteres hatte er unbeabsichtigt mit leichter Verzweiflung in der Stimme gesagt.
Der Mann musterte erst ihn und dann seine Begleiterin. »Hören Sie … So sehr ich auch will, ich darf und werde diese Informationen nicht rausgeben, allein schon aus datenschutzrechtlichen Gründen. Ich werde nicht einmal in die Liste schauen. Sie gehen jetzt und kommen morgen wieder. Wir haben zu tun, okay?«
*
Oberstleutnant Silkor seufzte und gab sich vorerst geschlagen. Er verließ mit Leutnant Outstrider das Gebäude. Draußen angekommen fragte die Soldatin ihn: »Darf ich etwas anmerken, Sir?«
»Nur zu, Leutnant Outstrider.«
»Sie klangen beinahe wie ein besorgter Ehemann. Sie können gut schauspielern. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, für die Interne Ermittlung zu arbeiten?«
»Ich bleibe beim Schutzschirm, Technik liegt mir mehr«, entgegnete Silkor knapp.
Outstriders Blick wanderte zum Himmel, an dem auch in dieser Nacht der planetare Schutzschirm zu sehen war. Silkor war ihr sehr dankbar dafür, dass sie ihn nicht noch einmal ansprach. Ihm stand nun wirklich nicht der Sinn nach belanglosen Gesprächen.
Auf dem Rückweg zum Gleiter der Schwarzen Garde bemerkte er ein Kleinflugzeug. Es hatte getönte Scheiben, doch er fühlte sich unwillkürlich beobachtet. Er wurde langsamer.
»Dieser Gleiter«, murmelte er zu Outstrider. »Er hat einen guten Ausblick von dort, oder?«
Die Soldatin sah unauffällig in die Richtung. »Das ist eigentlich kein Landeplatz dort.«
»Aber man hat einen perfekten Blick auf jeden, der kommt und geht.« Einem vagen Gefühl folgend, ging Silkor nun direkt auf den Gleiter zu, gefolgt von Leutnant Outstrider. Dort angekommen klopfte er an eine Seitenscheibe, die sich kurz darauf senkte. Er konnte vier Männer im Inneren sitzen sehen. Sie trugen Zivilkleidung, doch er war sich sicher, dass sie keine normalen Bürger waren. Ihre Haltung wirkte offiziell und autoritär.
»Können wir Ihnen behilflich sein?«, fragte der ihm am nächsten Sitzende, der mit einem dunklen Rollkragenpullover bekleidet war.
»Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie keine Einheimischen sind?«, erkundigte sich Silkor. »Ich würde ja darauf tippen, dass Sie aus Alamo Gordo kommen.«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen«, behauptete der Mann mit einem beinahe ausdruckslosen Gesicht. »Wir warten hier nur auf jemanden.«
»Auf wen denn?«
»Eine Freundin. Sie ist gerade zu Besuch bei unserer Tante.«
»Die Besuchszeiten sind vorbei – also nein, ich glaube Ihnen nicht. Ich denke ja eher, Sie sind TSA-Agenten«, sprach Silkor mit langsam lauter werdender Stimme aus. Jetzt sah er eine Reaktion in den Augen seines Gegenübers.
»Hören Sie, da müssen Sie sich irren. Sie verwechseln uns vielleicht«, setzte der Mann an.
Doch Silkor sprach weiter mit erhobener Stimme: »Nein, ich denke, ich erkenne einen TSA-Agenten, wenn ich ihn sehe. Wie haben Sie überhaupt die Erlaubnis erhalten, in New York zu operieren?«
»Verschwinden Sie, Sie irren sich!«, sagte der Mann entschieden und schloss das Fenster.
Einige Sekunden lang starrte Oberstleutnant Silkor noch sein Spiegelbild an oder vielmehr durch dieses hindurch, dann kehrten Leutnant Outstrider und er zum Gleiter der Schwarzen Garde zurück.
»Sie haben ihn eindeutig nervös gemacht«, stellte Leutnant Outstrider fest.
Silkor lächelte grimmig. »Immerhin hat seine Reaktion ihn verraten. Das war keine Verwirrung, das war Sorge. Ich bin mir nicht sicher, ob das mit den Freien Bürgern so abgesprochen ist.«
»Bestimmt nicht, Sir«, stimmte ihm Outstrider zu. »Was haben Sie jetzt vor, Sir?«
»Das würde mich auch interessieren«, bemerkte ein Mann, der aus dem Schatten zu ihnen trat. »Leutnant Norfkol, Sir«, stellte er sich vor und nickte kurz Leutnant Outstrider zu. »Ich observiere das Gebäude schon eine Weile. Diese Mission untersteht Ihnen, Oberstleutnant Silkor?«
»Das ist korrekt«, bestätigte der Angesprochene.
»Wie werden wir uns die Zielperson holen?«
Die drei Gardisten hatten ihren Gleiter inzwischen erreicht und die Tür geöffnet.
»Unsere Mission ist noch immer dieselbe«, erklärte Silkor. »Ich werde allerdings erst mit Generalmajor Farnham über das weitere Vorgehen sprechen.«
Sie setzten sich in den Fond.
Silkor kontaktierte Farnham, dem er eine kurze Zusammenfassung der Situation übermittelte. »Ich denke, sie ist im Gebäude, und die TSA hat im Krankenhaus durchgesetzt, dass keiner mit ihr spricht. Die Leute vor dem Krankenhaus sind als Aufpasser da. Ich tippe auf weitere Agenten im Gebäude.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann, versprach ihm der Generalmajor. »Warten Sie vorerst ab.« Er beendete die Verbindung.
Silkor fragte sich, was genau Farnham plante. Natürlich konnte er auch einfach bei der TSA angeben, dass sie gerne mit Biondi sprechen wollten. Die Terranische Sicherheitsagentur würde wohl kaum zugeben, dass sie nicht vergessen hatte, die Schwarze Garde über Biondis Aufenthaltsort zu informieren, sondern dass sie diese schlichtweg hatte informieren wollen.
»Stabsunteroffizier Baysher, da wird gerade ein benachbarter Landeplatz neben dem TSA-Gleiter frei. Bitte parken Sie uns daneben«, ordnete Silkor an.
»Zu Befehl, Sir.«
Als die Gardisten sich näher am TSA-Gleiter befanden, erkundigte Silkor sich bei Outstrider: »Sie haben nicht zufällig ein wenig Abhörtechnik an Bord?«
»Das haben wir, Sir«, bestätigte sie und tätigte einige Eingaben in den Bordrechner. Dann schüttelte sie den Kopf. »Die Zielpersonen haben einen Sprachverwirbler aktiviert. Was immer da drüben vorgeht, bleibt erst einmal privat.«
»Schade, aber den Versuch war es wert.«
Beinahe eine halbe Stunde lang geschah nichts. Silkor ging derweil im Kopf einige Ideen durch, wie seine Begleiter und er sich möglicherweise Zugang zum Krankenhaus verschaffen konnten, ohne allzu großes Aufsehen zu erregen.
Dann setzte er sich überrascht auf, als einer der Agenten aus dem Gleiter der TSA ausstieg und zu ihnen herübergeschlendert kam. Wie zufällig blieb er neben dem Gleiter stehen und klopfte schließlich nach einem flüchtigen Blick auf sein Chrono an ihr Fenster. Erwartungsvoll sah Silkor ihn an, als er die Tür geöffnet hatte und zu dem Mann heraustrat.
»Kommen Sie bitte mit.« Mit einem Blick auf Leutnant Outstrider, die ebenfalls aussteigen wollte, schüttelte der TSA-Mann den Kopf. »Nur Oberstleutnant Silkor.«
Dieser sah zu der Soldatin. »Ist in Ordnung, Leutnant Outstrider.« Der TSA-Agent kannte seinen Namen und Rang, also nahm er an, dass Generalmajor Farnham etwas erreicht hatte.