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Resilienz – die Stärkung der seelischen (und körperlichen) Widerstandskraft – hat in Forschung und Praxis an Bedeutung gewonnen. Die Autor:innen stellen Konzepte und aktuelle Forschungsergebnisse verständlich dar. Sie führen in relevante Themengebiete wie Prävention, Risiko- und Schutzfaktorenkonzepte sowie Salutogenese ein und beschreiben Programme in Kindertageseinrichtungen und Schulen, mit denen Fachkräfte die Resilienz von Kindern fördern können.
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Seitenzahl: 139
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Klaus Fröhlich-Gildhoff, Maike Rönnau-Böse
Resilienz
Mit 5 Abbildungen und 2 Tabellen
7., aktualisierte Auflage
Ernst Reinhardt Verlag München
Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff und Prof. Dr. Maike Rönnau-Böse lehren und forschen an der Evangelischen Hochschule Freiburg i. Br.
Außerdem im Ernst Reinhardt Verlag erschienen:
Fröhlich-Gildhoff, K., Dörner, T., Rönnau-Böse, M.: Prävention und Resilienzförderung in Kindertageseinrichtungen – PRiK. Ein Förderprogramm
(5. Aufl. 2021, ISBN 978-3-497-03050-7)
Fröhlich-Gildhoff, K., Kerscher-Becker, J., Fischer, S.: Prävention und Resilienzförderung in Grundschulen – PRiGS. Ein Förderprogramm (2. Aufl. 2020, ISBN 978-3-497-02954-9)
Fröhlich-Gildhoff, K., Reutter, A., Schopp, S.: Prävention und Resilienzförderung in der Sekundarstufe I – PRiS. Ein Förderprogramm (2021, ISBN 978-3-497-03031-6)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
UTB-Band-Nr.: 3290
UTB-ISBN 978-3-8252-6313-3 (Print)
UTB-ISBN 978-3-8385-6313-8 (PDF-E-Book)
UTB-ISBN 978-3-8463-6313-3 (EPUB)
7., aktualisierte Auflage
© 2024 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München
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Lektorat / Redaktion im Auftrag des Ernst Reinhardt Verlags: Ulrike Auras, München Reihenkonzept: Alexandra Brand
Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung, Stuttgart
Cover unter Verwendung eines Fotos von © istock.com/johnnorth
Satz: m4p Kommunikationsagentur GmbH, www.m4pk.de
Printed in EU
Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München
Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]
Inhalt
Einleitung
Hauptteil
1Resilienz – Definition und Merkmale
2Risiko- und Schutzfaktoren – ein Wechselwirkungsprozess
3Resilienzfaktoren – personale Ressourcen
4Prävention – Bedeutung und Wirkung
5Praxis – Programme und Kurse zu Prävention und Resilienz
Anhang
Glossar
Literatur
Sachregister
Einleitung
Verstärkt seit den 1990er Jahren hat sich in Psychologie, Pädagogik und Gesundheitswissenschaften ein Wechsel der Blickrichtung vollzogen: Angestoßen durch Langzeitstudien, vor allen Dingen die Untersuchungen von Emmy Werner auf der Hawaii-Insel Kauai, und durch das Salutogenese-Konzept von Aaron Antonovsky, wird nicht mehr nur auf Ursachen und Bedingungen für die Entstehung psychischer Störungen oder Verhaltensauffälligkeiten geschaut, sondern es wird versucht, neben Risikofaktoren auch Schutzfaktoren zu identifizieren, die für die Entwicklung und den Erhalt seelischer und körperlicher Gesundheit maßgeblich mit verantwortlich sind. Dieser Perspektivenwechsel passt sich ein in Strategien der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Gesundheit in einem sehr umfassenden Sinne, nämlich als „Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens“ definiert und entsprechende Programme und Konzepte zur Förderung von Gesundheit propagiert.
Zugleich ergeben sich aus dieser Sichtweise neue Dimensionen für die Präventionsforschung: Es geht nicht mehr nur darum (Fehl-) Verhaltensweisen zu minimieren oder Verhältnisse zu ändern, die bei Menschen zu Erkrankungen oder Störungen führen, sondern es geht ebenso darum, Bedingungen zur Förderung seelischer und körperlicher Gesundheit zu gestalten. Hierzu gehört auch die Entwicklung von Fähigkeiten zu einer gelingenden Lebensbewältigung, sogenannten „life skills“, sowie zur Erlangung von Lebenszufriedenheit – insbesondere im Zusammenleben mit anderen Menschen.
In diesem Zusammenhang ist das Konzept der Resilienz, also der seelischen Widerstandskraft, entstanden und weiterentwickelt worden. Die Wurzeln für die Fähigkeit zur Resilienz werden schon in frühen Lebensjahren gelegt, und so hat die Förderung von Resilienz eine gewichtige Bedeutung für unterschiedlichste Disziplinen und Praxiszusammenhänge. Die Betrachtung von Schutzfaktoren, aber auch der Faktoren zu gelingender Lebensbewältigung, wie Resilienz, nimmt zunehmend in der Entwicklungspsychologie und klinischen Psychologie sowie innerhalb von Heil- / Sonderpädagogik breiteren Raum ein. Ebenso gewinnt in Sozialpädagogik bzw. Sozialarbeit das Thema Prävention und Resilienzförderung an Bedeutung: In diesen Disziplinen geht es zunehmend nicht mehr nur darum, benachteiligte oder (verhaltens-) auffällige Kinder, Familien und einzelne Erwachsene zu begleiten und zu unterstützen, sondern bereits im Vorfeld günstige Bedingungen für eine gesunde Entwicklung zu schaffen. Wesentliche Bedeutung gewinnen diese Interventionen in institutionellen Zusammenhängen, insbesondere in Kindertageseinrichtungen und Schulen – sie sollten deshalb integraler Bestandteil der Ausbildung von Lehrkräften und (früh-)pädagogischen Fachkräften sein.
Das vorliegende Buch hat das Ziel, die grundlegenden Konzepte der Resilienz und Resilienzförderung verständlich darzustellen; dabei wird Bezug auf empirische Ergebnisse genommen. Weiterhin soll die Bedeutung des Resilienzkonzepts für die Praxis, insbesondere für pädagogische Zusammenhänge, verdeutlicht werden. Wir haben vielfältige Erfahrungen mit der Umsetzung von Resilienzförderung in Kindertageseinrichtungen und Schulen sammeln können und sind immer wieder begeistert von dem „Klimawechsel“, den eine unterstützende, ressourcenfördernde und kompetenzstärkende Sicht für alle Beteiligten, also für pädagogische Fachkräfte ebenso wie für Kinder und Eltern, hat.
Nach den Definitionen von Resilienz und einem Überblick über relevante Studien, wird ausführlicher das Risiko- und Schutzfaktorenkonzept dargestellt, bevor dann im einzelnen zentrale Resilienzfaktoren (Selbstwahrnehmung, Selbstwirksamkeit, soziale Kompetenz, Selbststeuerung, Umgang mit Stress, Problemlösen) abgeleitet und vorgestellt werden. Ein Überblick über empirische Ergebnisse und den Forschungsstand zum Thema Prävention – und die Beschreibung von Anforderungen an Präventionsprogramme – führt schließlich zur Darstellung von Präventions- und Resilienzprogrammen und -kursen für unterschiedliche Altersstufen. Ein wichtiges Kriterium für die Aus- wahl dieser Programme war die sorgfältige empirische Absicherung; die Beispiele sollen Möglichkeiten der Förderung von Resilienz und Lebensbewältigungskompetenzen, auch im pädagogischen Alltag verdeutlichen.
Das Buch ist entstanden aus den Zusammenhängen des Zentrums für Kinder- und Jugendforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg. Es wäre nicht denkbar ohne die intensiven Diskussionen und die Zusammenarbeit im Team, besonders seien hier Eva-Maria Engel, Ste- fanie Pietsch, Simone Beuter, Jutta Kerscher-Becker und Sibylle Fischer gedankt.
Hauptteil
1
Resilienz – Definition und Merkmale
Wenn sich Personen trotz gravierender Belastungen oder widriger Lebensumstände psychisch gesund entwickeln, spricht man von Resilienz. Damit ist keine angeborene Eigenschaft gemeint, sondern ein variabler und kontextabhängiger Prozess. In verschiedenen Langzeitstudien auf der ganzen Welt wurden schützende (protektive) Faktoren festgestellt, die dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen zu unterstützen.
Der Begriff Resilienz leitet sich aus dem Englischen „resilience“ ab und bedeutet „Spannkraft, Widerstandsfähigkeit und Elastizität“. Damit ist die Fähigkeit eines Individuums gemeint, „erfolgreich mit belastenden Lebensumständen und negativen Stressfolgen“ (Wustmann Seiler 2020, 18) umgehen zu können.
In der Literatur ist eine Vielzahl von Definitionen zu finden (z. B. Rutter 1990, Bender / Lösel 1998, Kalisch 2017, Lindert et al. 2018, Welter-Enderlin 2012).
Eine Definition von Resilienz hängt davon ab, welche Kriterien als Maßstab genommen werden. Es können externale und / oder internale Kriterien zugrunde gelegt werden, d. h., Resilienz wird anhand von Anpassungsleistungen an die soziale Umwelt verstanden, oder es werden explizit die inneren Befindlichkeiten mit berücksichtigt (Bengel et al. 2009).
Arnold et al. (2023) fassen die verschiedenen Definitionsversuche zusammen und unterteilen die jeweiligen Resilienzparadigmen in drei Perspektiven:
1.Resilienz als Kapazität, da personale und soziale Faktoren die Wahrscheinlichkeit einer positiven Anpassung erhöhen,
2.Resilienz als Outcome, also als Anpassungsleistung an einen Stressor, sowie
3.Resilienz als dynamischer Prozess, d. h. die zeitliche Dynamik und verschiedene Einflussfaktoren oder Resilienzmechanismen auf die Resilienzentwicklung werden berücksichtigt.
Im Sinne eines Modells, das alle drei Perspektiven integriert, beschreiben die Autor:innen die Resilienzentwicklung als sowohl beeinflusst durch die Resilienzkapazität, also verschiedener Schutz- und Resilienzfaktoren, als auch durch das Outcome, das die erfolgreiche Anpassung an eine belastende Situation meint (Arnold et al. 2023). Dabei haben die Art (Qualität) des Stressors, die Kumulation (Quantität) und die Dauer von belastenden Ereignissen einen wesentlichen Einfluss auf den Resilienzverlauf (Lindert et al. 2018).
Im deutschsprachigen Raum wird die Begriffsbestimmung von Wustmann Seiler häufig zitiert, die sowohl externale als auch internale Kriterien mit einbezieht und Resilienz zusammenfasst als
Definition
„die psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken“ (Wustmann Seiler 2020, 18).
In der Regel gehen Resilienzforscher:innen davon aus, dass sich Resilienz bzw. resilientes Verhalten dann zeigt, wenn ein Mensch eine Situation erfolgreich bewältigt hat, die als risikoerhöhende Gefährdung für die Entwicklung des Kindes eingestuft werden kann, wie z. B. Verlust einer nahen Bezugsperson, Aufwachsen in Armut usw. Resilienz ist damit keine Persönlichkeitseigenschaft, sondern immer an zwei Bedingungen geknüpft:
1.Es besteht eine Risikosituation.
2.Das Individuum bewältigt diese positiv aufgrund vorhandener Fähigkeiten.
Merkmale von Resilienz
Die Fähigkeit zur Resilienz ist nicht, wie zu Beginn der Resilienzforschung angenommen, angeboren, sondern entwickelt sich in einem Interaktionsprozess zwischen Individuum und Umwelt (Lösel / Bender 2008). Das bedeutet auch, dass das Kind selbst aktiv regulierend auf seine Umwelt einwirkt. Resilienz ist damit ein „dynamischer Anpassungs- und Entwicklungsprozess“ (Wustmann Seiler 2020, 28). Dies schließt ein, dass Resilienz sich im Laufe des Lebens eines Menschen verändert – abhängig von den Erfahrungen und bewältigten Ereignissen (Opp et al. 2024, Rutter 2000, Scheithauer et al. 2000).
Bei der Betrachtung von Resilienz als dynamischen Prozess wird nicht nur das Ergebnis (Outcome) nach einer Belastung in den Blick genommen, sondern auch der Bewältigungsprozess wird berücksichtigt. Dabei kommt den Resilienzmechanismen eine besondere Bedeutung zu. Kalisch et al. (2015) unterscheiden hier zwischen spezifischen, generellen und globalen Resilienzmechanismen, die den Verlauf der Resilienzentwicklung beeinflussen. Nach wie vor besteht diesbezüglich ein hoher Forschungsbedarf, da die Wechselwirkungen verschiedener Faktoren und Mechanismen komplex sind und ihre Erfassung nur über differenzierte Langzeitstudien möglich ist.
Resilienz ist damit auch eine „variable Größe“ (Wustmann Seiler 2020, 30) und keine stabile Einheit, die immerwährende Unverwundbarkeit (→ Invulnerabilität) verspricht. So kann es sein, dass Kinder zu einem Zeitpunkt ihres Lebens resilient sind, zu anderen Zeitpunkten mit anderen Risikolagen jedoch Schwierigkeiten haben, die Belastungen zu bewältigen.
Definition
„Unter Resilienz wird die Fähigkeit von Menschen verstanden, Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklung zu nutzen“ (Welter-Enderlin 2012, 13).
Diese Definition macht deutlich, dass die → Ressourcen nicht nur auf der individuellen Ebene Bedeutung erlangen, sondern dass vor allem auch soziale Schutzfaktoren, wie. z. B. die Bindung an eine stabile emotionale Bezugsperson, einen bedeutenden Stellenwert für eine gesunde Entwicklung haben. Gabriel (2005) warnt deshalb davor, fehlende Resilienz als ein individuelles Charakterdefizit zu interpretieren, sondern verdeutlicht den Einfluss und die Relevanz von Erziehung, Bildung und Familie sowie von sozialen Netzwerken auf die Ausbildung von Resilienz.
Lösel und Bender (2008) plädieren dafür, Resilienz nicht anhand zu enger Kriterien zu definieren, sondern verweisen auf verschiedene Studienergebnisse, die zeigen, dass ein Faktor in unterschiedlichen Situationen verschiedene Auswirkungen haben kann. Als Beispiel wird eine überdurchschnittliche Intelligenz genannt, die zum einen hilft, planvoller zu handeln, Situationen schneller zu erfassen und Strategien entwickeln zu können; zum anderen nehmen intelligente Menschen ihre Umwelt differenzierter wahr und reagieren dadurch sensibler auf Stress (Lösel / Bender 2008, 60).
Resilienz ist also als Fähigkeit nicht „automatisch“ über den gesamten Lebenslauf stabil; sie ist auch nicht auf alle Lebensbereiche eines Menschen übertragbar. Kinder, die in einem Bereich, z. B. in der Schule kompetent sind, können trotzdem Schwierigkeiten haben, Beziehungen einzugehen und sich als sozial wenig kompetent erweisen.
Man betrachtet Resilienz deshalb nicht mehr als universell und allgemeingültig, wie das zu Beginn der Resilienzforschung (Ende der 1970er Jahre) der Fall war, sondern eher im Sinne von situationsspezifischen Ausformungen. Teilweise wird sogar von „bereichsspezifischen Resilienzen“ (Petermann / Schmidt 2006, 121) gesprochen, wie z. B. soziale Resilienz oder emotionale Resilienz.
Da sehr viele Faktoren – sowohl biologische, psychologische als auch psychosoziale – eine Rolle spielen, ist Resilienz immer multidimensional zu betrachten.
Merksatz
Im Mittelpunkt der Resilienzforschung steht
■„Die positive, gesunde Entwicklung trotz andauerndem, hohen Risikostatus (wie chronische Armut, psychische Erkrankungen der Eltern usw.)
■Die beständige Kompetenz unter akuten Stressbedingungen (wie z. B. Trennung / Scheidung der Eltern)
■Die positive bzw. schnelle Erholung von traumatischen Ereignissen (z. B. Trennung / Tod naher Bezugspersonen, sexueller Missbrauch)“ (Wustmann Seiler 2020, 19).
Wird Resilienz sehr eng definiert, wird die positive Bewältigung vor allem auf dem Hintergrund der Risikosituation bewertet. Resilienz liegt also nur dann vor, wenn eine Hochrisikosituation besser bewältigt wird als erwartet bzw. erwartbar ist (vgl. aktuelle Diskussionen in Opp et al. 2024; Zander 2011). In einer weiter gefassten Definition wird Resilienz als eine Kompetenz verstanden, die sich aus verschiedenen Einzelfähigkeiten zusammensetzt (vgl. z. B. Fröhlich-Gildhoff / Rönnau-Böse 2013). Diese Kompetenzen sind nicht nur relevant für Krisensituationen, sondern auch notwendig, um z. B. Entwicklungsaufgaben und weniger kritische Alltagssituationen zu bewältigen. Die Einzelkompetenzen entwickeln sich in verschiedensten Situationen, werden unter Belastung aktiviert und manifestieren sich dann als Resilienz.
Es geht bei Resilienz somit in erster Linie nicht nur um die Feststellung von Risikofaktoren für die kindliche Entwicklung und die „Abwesenheit psychischer Störungen“, sondern vor allem um den „Erwerb bzw. Erhalt altersangemessener Fähigkeiten und Kompetenzen“ und die „erfolgreiche Bewältigung von altersspezifischen Entwicklungsaufgaben“ (Wustmann Seiler 2020, 20). Entwicklungsaufgaben bestehen i. S. von Havighurst (1948) in jeder Altersstufe; in der frühen Kindheit sind dies z. B. die Sprachentwicklung, die Entwicklung von Autonomie oder auch der Übergang von der Familie in den Kindergarten. Bewältigt ein Kind diese Anforderungen erfolgreich, entwickeln sich Kompetenzen und Fähigkeiten und das Kind lernt, dass Veränderungen und Stresssituationen nicht bedrohlich, sondern bewältigbare Herausforderungen sind (Wustmann Seiler 2020, 20). Was unter erfolgreicher Bewältigung verstanden wird und was eine altersentsprechende Entwicklung beinhaltet, kann wiederum sehr unterschiedlich sein und, wie anfangs beschrieben, können auch hierfür externale (z. B. Schulleistungen) und internale Kriterien (z. B. das subjektive Befinden) herangezogen werden. Eine differenzierte Operationalisierung dieser Konstrukte steht noch aus und wird derzeit kontrovers diskutiert (Bengel et al. 2009, Holtmann / Schmidt 2004, Alvord / Grados 2005, Fingerle / Grumm 2012).
Die Resilienzforschung ist ressourcen- und nicht defizitorientiert ausgerichtet. Sie geht davon aus, dass Menschen aktive Bewältiger und Mitgestaltende ihres Lebens sind und durch soziale Unterstützung und Hilfestellungen die Chance haben, mit den gegebenen Situationen erfolgreich umzugehen und ihnen nicht nur hilflos ausgeliefert zu sein.
Es geht dabei nicht darum, die Schwierigkeiten und Probleme zu ignorieren, sondern die Kompetenzen und → Ressourcen eines Kindes zu nutzen, damit es besser mit Risikosituationen umzugehen lernt. Dieser Ansatz beinhaltet die große Chance für die Pädagogik, insbesondere der ersten Lebensjahre und der Frühförderung, aber auch für die klinische Psychologie und Kinderpsychotherapie, ressourcen- und bewältigungsorientierte Kompetenzen bei Kindern frühzeitig und gezielt zu unterstützen und die Ergebnisse der Resilienzforschung für sich zu nutzen.
Darüber hinaus kann ein weiterer Aspekt diskutiert werden, der in der Literatur bisher wenig Beachtung findet: Die starke Fokussierung auf Stärken, Schutzfaktoren und Ressourcen kann den Eindruck erwecken, dass negative Gefühle, wie z. B. Angst, Trauer, Schmerz, aber auch Dysfunktionalität, weniger Berechtigung erhalten. Die mit dem Resilienzkonzept verknüpfte Aufforderung, die Ressourcen und Kompetenzen von Menschen wahrzunehmen, führt in den letzten Jahren vor allem in der Praxis wieder zu einer Verengung des Konzepts, d. h. Schwierigkeiten und negative Gefühle dürfen „weniger sein“. Wer nicht gleich mitschwimmt auf der positiven Welle und sich seine positiven Seiten und Ressourcen vor Augen führt, wird dazu gedrängt. Es wird dabei vergessen, dass auch eine resiliente Entwicklung sehr anstrengend ist, mit Schmerz und Trauer verbunden sein kann und viel Kraft benötigt. Die Bewältigung der verschiedenen Belastungen mag aufgrund verschiedenster Schutzfaktoren gelingen – der Weg dahin wird dadurch aber nicht zwangsläufig einfacher für die Betroffenen.
Merksatz
Das Konstrukt Resilienz ist ein dynamischer oder kompensatorischer Prozess positiver Anpassung bei ungünstigen Entwicklungsbedingungen und dem Auftreten von Belastungsfaktoren. Charakteristisch für Resilienz sind außerdem ihre variable Größe, das situationspezifische Auftreten und die damit verbundene Multidimensionalität.
Literatur
Einen sehr gut verständlichen und umfassenden Überblick über den Stand der Forschung zu Resilienz gibtWustmann Seiler (2020): Resilienz. Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern.
Eine detaillierte Betrachtung von Resilienz nehmenOpp et al. (2024) vor: Was Kinder stärkt. Neben Grundlagen der Resilienzforschung und kritischer Reflexion des Begriffs, werden themenspezifische Zusammenhänge mit sozialen Arbeitsfeldern verknüpft. Ende Literaturfeldern verknüpft.
Resilienzforschung und relevante Studien
Die Resilienzforschung entwickelte sich aus der → Entwicklungspsychopathologie, die vor allem in den 1970er Jahren die Risikoeinflüsse auf die Entwicklung von Kindern untersuchte. Dabei wurde der Blick mehr und mehr auf die Kinder gerichtet, die sich trotz schwierigster Bedingungen sehr gut entwickelten, d. h. Beziehungen eingehen konnten, eine optimistische Lebenseinstellung hatten, in der Schule gut zurecht kamen usw. Eine systematische Resilienzforschung begann dann Ende der 1970er Jahre in Großbritannien und Nordamerika (Rutter 1979, Garmezy 1984, Werner / Smith 1982) und wurde Ende der 1980er Jahre auch in Deutschland zu einem festen Bestandteil der Forschung.