Resonanz - Hartmut Rosa - E-Book

Resonanz E-Book

Hartmut Rosa

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Beschreibung

Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung. So lautet die Kernthese dieses gefeierten Buches von Hartmut Rosa, das als Gründungsdokument einer Soziologie des guten Lebens gelesen werden kann. Anstatt Lebensqualität in der Währung von Ressourcen, Optionen und Glücksmomenten zu messen, müssen wir unseren Blick auf die Beziehung zur Welt richten, die dieses Leben prägt. Dass diese Beziehung immer häufiger gestört ist, hat viel mit der Steigerungslogik der Moderne zu tun, und zwar auf individueller wie kollektiver Ebene. Rosa nimmt die großen Krisen der Gegenwart in den Blick und weist einer resonanztheoretischen Erneuerung der Kritischen Theorie den Weg.

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Seitenzahl: 1186

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Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung. Dies ist, auf die kürzestmögliche Formel gebracht, die Kernthese des neuen Buches von Hartmut Rosa, das als Gründungsdokument einer Soziologie des guten Lebens gelesen werden kann. An seinem Anfang steht die Behauptung, dass sich die Qualität eines menschlichen Lebens nicht in der Währung von Ressourcen, Optionen und Glücksmomenten angeben lässt. Stattdessen müssen wir unseren Blick auf die Beziehung zur Welt richten, die dieses Leben prägt und die dann, wenn sie intakt ist, Ausdruck stabiler Resonanzverhältnisse ist.

 Um dies zu begründen, präsentiert Rosa zunächst das ganze Spektrum der Formen, in denen wir eine Beziehung zur Welt herstellen, vom Atmen bis hin zu kulturell ausdifferenzierten Weltbildern. Dann wendet er sich den konkreten Erfahrungs- und Handlungssphären zu – etwa Familie und Politik, Arbeit und Sport, Religion und Kunst –, in denen wir spätmodernen Subjekte Resonanz zwar suchen, aber immer seltener finden. Das hat maßgeblich mit der Steigerungslogik der Moderne zu tun, die sowohl Ursache als auch Folge einer gestörten Weltbeziehung ist, und zwar auf individueller wie kollektiver Ebene. Denn auch die großen Krisentendenzen der Gegenwartsgesellschaft – Ökokrise, Demokratiekrise, Psychokrise – lassen sich resonanztheoretisch analysieren, wie Rosa in seiner Soziologie der Weltbeziehung zeigt. Als eine umfassende Rekonstruktion der Moderne in Begriffen ihrer historisch realisierten Resonanzverhältnisse wagt sie den Versuch, den Rahmen für eine erneuerte Kritische Theorie abzustecken.

Hartmut Rosa, geboren 1965, ist Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie Direktor des Max-Weber-Kollegs in Erfurt.

 Im Suhrkamp Verlag sind erschienen: Beschleunigung und Entfremdung. Entwurf einer kritischen Theorie spätmoderner Zeitlichkeit (2013); Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung. Umrisse einer neuen Gesellschaftskritik (stw 1977); Soziologie – Kapitalismus – Kritik. Eine Debatte (zus. mit Klaus Dörre und Stephan Lessenich, stw 1923) und Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne (stw 1760).

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:/ /dnb.d-nb.de abrufbar.

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2016

Der vorliegende Text folgt der Erstausgabe, 2016.

© Suhrkamp Verlag Berlin 2016

© Hartmut Rosa

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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Satz: Satz-Offizin Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn

Inhalt

Anstelle eines Vorworts: Die Geschichte von Anna und Hannah und die Soziologie

I.

Einleitung

1.

Die Soziologie, die Moderne und das gute Leben

2.

Die Grundidee: Gelingende und misslingende Weltbeziehungen

3.

Was ist die Welt? Wer ist ein Subjekt?

4.

Der Gang der Untersuchung

Teil 1Die Grundelemente menschlicher Weltbeziehungen

II.

Körperliche Weltbeziehungen

1.

In-die-Welt-Gestelltsein

2.

Atmen

3.

Essen und Trinken

4.

Stimme, Blick und Antlitz

5.

Gehen, Stehen und Schlafen

6.

Lachen, Weinen und Lieben

III.

Weltaneignung und Welterfahrung

1.

Inskription und Expression: Der verweltlichte Körper als gestaltetes Selbst

2.

Medien der Weltbeziehung

3.

Von außen zurichten oder von innen gefügig machen: Der Körper als Ressource, Instrument und Gestaltungsobjekt

4.

Selbstentfremdung: Wenn der Körper zum Feind wird

IV.

Emotionale, evaluative und kognitive Weltbeziehungen

1.

Angst und Begehren als elementare Formen der Weltbeziehung

2.

Welterfahrung und Weltaneignung

3.

Kognitive Landkarten und kulturelle Weltbilder

4.

Landkarten der Bewertung und des Begehrens

5.

Psychoemotionale Grundierung und existentielle Problemdefinition

V.

Resonanz und Entfremdung als Basiskategorien einer Weltbeziehungstheorie

1.

Spiegelneuronen und Wünschelruten: Intersubjektivität als anthropologische Basis

2.

Intrinsische Interessen und Selbstwirksamkeitserwartungen

3.

Resonanz

4.

Entfremdung

5.

Die Dialektik von Resonanz und Entfremdung

Teil 2Resonanzsphären und Resonanzachsen

VI.

Einleitung: Resonanzsphären, Anerkennung und die Achsen der Weltbeziehung

VII.

Horizontale Resonanzachsen

1.

Die Familie als Resonanzhafen in stürmischer See

2.

Freundschaft: Das menschliche Rühren und die Kraft der Verzeihung

3.

Politik: Die vier Stimmen der Demokratie

VIII.

Diagonale Resonanzachsen

1.

Objektbeziehungen: »Die Dinge singen hör ich so gern«

2.

Arbeit: Wenn das Material zu antworten beginnt

3.

Schule als Resonanzraum

4.

Sport und Konsum als Versuche, sich zu spüren

IX.

Vertikale Resonanzachsen

1.

Die Verheißung der Religion

2.

Die Stimme der Natur

3.

Die Kraft der Kunst

4.

Der Mantel der Geschichte

Teil 3Die Angst vor dem Verstummen der Welt: Eine resonanztheoretische Rekonstruktion der Moderne

X.

Die Moderne als Geschichte einer Resonanzkatastrophe

1.

Was ist die Moderne?

2.

Das Weltverstummen in Literatur und Philosophie

3.

Auf dem Weg zu einer Soziologie der Weltbeziehung

XI.

Die Moderne als Geschichte gesteigerter Resonanzsensibilität

XII.

Wüsten und Oasen des Lebens: Moderne Alltagspraktiken, resonanztheoretisch interpretiert

Teil 4Eine kritische Theorie der Weltbeziehung

XIII.

Soziale Bedingungen gelingender und misslingender Weltbeziehungen

1.

Kontextuelle Faktoren: Von Atmosphären und Stimmungen

2.

Kulturelle und sozialstrukturelle Faktoren: Ist Resonanz katholisch, weiblich, jung?

3.

Institutionelle Faktoren: Zwischen Schule und Börse

XIV.

Dynamische Stabilisierung: Die Steigerungslogik der Moderne und ihre Folgen

1.

Was heißt ›dynamische Stabilisierung‹?

2.

Wettbewerb und Beschleunigung: Individuelle Weltbeziehungen unter den Bedingungen eines eskalatorischen Regimes

3.

Unlesbarkeit: Die Welt als Gegner und als Kränkung

XV.

Resonanzkrisen der Spätmoderne und die Konturen einer Postwachstumsgesellschaft

1.

Die Krise und das Weltverstummen

2.

Konturen einer Postwachstumsgesellschaft

Anstelle eines Schlussworts: Verteidigung der Resonanztheorie gegen ihre Kritiker – und des Optimismus gegen die Skeptiker

Danksagung

Literatur

Verzeichnis der Gedichte

Register

Am Meer, am wüsten, nächtlichen MeerSteht ein Jüngling-Mann,die Brust voll Wehmut, das Haupt voll Zweifel,Und mit düstern Lippen fragt er die Wogen:[…]Es murmeln die Wogen ihr ewges Gemurmel,Es wehet der Wind, es fliehen die Wolken,Es blinken die Sterne, gleichgültig und kalt,Und ein Narr wartet auf Antwort.

Nichts auf der Erde und nichts im leeren Himmel ist dadurch zu retten, daß man es verteidigt. […] Nichts kann unverwandelt gerettet werden, nichts, das nicht das Tor seines Todes durchschritten hätte. Ist Rettung der innerste Impuls jeglichen Geistes, so ist keine Hoffnung als die der vorbehaltlosen Preisgabe: des zu Rettenden wie des Geistes, der hofft. […] Die Erwägung, ob Metaphysik überhaupt noch möglich sei, muß die von der Endlichkeit erheischte Negation des Endlichen reflektieren. Ihr Rätselbild beseelt das Wort intelligibel. […] Der Begriff des intelligiblen Bereichs wäre der von etwas, was nicht ist und doch nicht nur nicht ist. Nach den Regeln der Sphäre, die in der intelligibeln sich negiert, wäre diese widerstandslos als imaginär zu verwerfen. Nirgends sonst ist Wahrheit so fragil wie hier. Sie kann zur Hypostase eines grundlos Erdachten ausarten, in welchem der Gedanke das Verlorene zu besitzen wähnt; leicht verwirrt die Anstrengung, es zu begreifen, wiederum sich mit Seiendem. Nichtig ist Denken, welches das Gedachte mit Wirklichem verwechselt […]. Aber mit dem Verdikt über den Schein bricht die Reflexion nicht ab. Seiner selbst bewußt, ist er nicht mehr der alte. Was von endlichen Wesen über Transzendenz gesagt wird, ist deren Schein, jedoch, wie Kant wohl gewahrte, ein notwendiger. Daher hat die Rettung des Scheins, Gegenstand der Ästhetik, ihre unvergleichliche metaphysische Relevanz.

Anstelle eines Vorworts:Die Geschichte von Anna und Hannah und die Soziologie

Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung. Das ist die auf die kürzest mögliche Formel gebrachte Kernthese dieses Buches. Sie signalisiert zugleich zwei wichtige Grundeinsichten: Erstens, die Lösung heißt nicht Entschleunigung. Auch wenn mir von der Presse gelegentlich die Rolle eines ›Entschleunigungsgurus‹[1] zugeschrieben wurde (und ich mir dieses Image durch einige unvorsichtige Medienauftritte vielleicht auch unfreiwillig verdient habe), habe ich tatsächlich niemals die Verlangsamung als individuelle oder gesellschaftliche Lösung für das Beschleunigungsproblem propagiert, sondern sie allenfalls als ›Coping-Strategie‹, als eine Weise, im Alltag mit tempoinduzierten Problemen umzugehen, nahegelegt. Im Grunde habe ich mich nie systematisch mit ›Entschleunigung‹ beschäftigt.

Zweitens, wenn Entschleunigung nicht die Lösung ist, bedeutet dies auch, dass die Problemdiagnose präzisiert werden muss. Moderne Gesellschaften sind durch eine systematische Veränderung der Zeitstrukturen charakterisiert, die sich unter den Sammelbegriff der Beschleunigung bringen lässt. Beschleunigung wiederum habe ich in meiner letzten Monographie als Mengenwachstum pro Zeiteinheit definiert, und dies macht bereits deutlich, dass wir es mit umfassenden Steigerungsprozessen zu tun haben: Man kann, wie ich im letzten Teil des vorliegenden Buches zeigen werde, den Beschleunigungsprozess auch verstehen als unaufhebbare Eskalationstendenz, die ihre Ursache darin hat, dass sich die gesellschaftliche Formation der Moderne nur dynamisch stabilisieren kann. Das bedeutet, dass die moderne, kapitalistische Gesellschaft sich immerzu ausdehnen, dass sie wachsen und innovieren, Produktion und Konsumtion steigern, Optionen und Anschlusschancen vermehren, kurz: dass sie sich beschleunigen und dynamisieren muss, um sich selbst kulturell und strukturell zu reproduzieren, um ihren formativen Status quo zu erhalten. Diese systematische Eskalationstendenz verändert aber die Art und Weise, in der Menschen in die Welt gestellt sind, sie ändert das menschliche Weltverhältnis in grundlegender Form. Dynamisierung in diesem Steigerungssinn bedeutet, dass sich unsere Beziehung zum Raum und zur Zeit, zu den Menschen und zu den Dingen, mit denen wir umgehen, und schließlich zu uns selbst, zu unserem Körper und unseren psychischen Dispositionen, fundamental verändert.

Und dies ist der Punkt, an dem Beschleunigung zum Problem wird: Ein zielloser und unabschließbarer Steigerungszwang führt am Ende zu einer problematischen, ja gestörten oder pathologischen Weltbeziehung der Subjekte und der Gesellschaft als ganzer. Diese Störung lässt sich heute instruktiv studieren an den großen Krisentendenzen der Gegenwart: an der sogenannten ökologischen Krise, an der Krise der Demokratie und an der ›Psychokrise‹, die sich beispielsweise in wachsenden Burnoutraten manifestiert. Die erste Krise signalisiert eine Störung im Verhältnis zwischen Mensch und nichtmenschlicher ›Umwelt‹ oder Natur, die zweite eine Störung in der Beziehung zur Sozialwelt und die dritte eine Pathologie im subjektiven Selbstverhältnis.

Mehr noch, ein problematisches Weltverhältnis ist nicht nur die Folge der Beschleunigung beziehungsweise des Steigerungszwangs moderner Gesellschaften, sondern zugleich auch deren Ursache, so dass wir es mit einem sich selbst verstärkenden Problemzirkel zu tun haben. Als Problem, ja als tendenzielle Pathologie ist dieser Zusammenhang nur deshalb beschreibbar, weil von der Art und Weise der menschlichen Weltbeziehung das Gelingen oder Misslingen des Lebens abhängt. Dies ist es, was ich in diesem Buch untersuchen und zeigen möchte, und ich möchte damit meinen Beitrag zu einer Soziologie des guten Lebens leisten, den ich bereits in meinem Beschleunigungsbuch angekündigt hatte und bis jetzt schuldig geblieben bin. Ich werde am Ende dieser Untersuchung auf die genannten Krisentendenzen, ihre Ursache und die Möglichkeiten ihrer Überwindung zurückkommen. Bis dahin ist es aber ein weiter Weg, der den Leserinnen und Lesern einige Ausdauer abverlangen wird. Beginnen wir am besten mit einer Geschichte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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