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Zugang zu den eigenen Stärken ermöglichen Was entscheidet darüber, ob eine Traumatherapie erfolgreich ist oder nicht? Wie kann man Klient*innen in einem vegetativ-entspannten Zustand aktivieren und ihnen so Zugang zu ihren Stärken ermöglichen? Welche Rolle spielen Bindungserfahrungen und Bindungsfähigkeit? Die Arbeit mit Ressourcen ist das verbindende Element in diesem Buch. Sie wird an verschiedenen Beispielen gezeigt, und das nicht nur in der Therapie mit Erwachsenen, sondern auch in der Arbeit mit Kindern. Mit Beiträgen von: Hélène Dellucci, Bernd Hanewald, Michael Hase, Dorothee Lansch, Daniela Lempertz, Peter Liebermann, Silke Mehler, Beatrix Musaeus-Schürmann, Peter Niederhuber, Michèle Rondez, Gisela Roth, Markus Stingl, Visal Tumani
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Seitenzahl: 333
Veröffentlichungsjahr: 2022
Christine Rost (Hrsg.)Ressourcenarbeit mit EMDR – neue EntwicklungenVom Aushalten zum Verändern
Zugang zu den eigenen Stärken ermöglichen
Was entscheidet darüber, ob eine Traumatherapie erfolgreich ist oder nicht? Wie kann man Klient*innen in einem vegetativ-entspannten Zustand aktivieren und ihnen so Zugang zu ihren Stärken ermöglichen? Welche Rolle spielen Bindungserfahrungen und Bindungsfähigkeit? Die Arbeit mit Ressourcen ist das verbindende Element in diesem Buch. Sie wird an verschiedenen Beispielen gezeigt, und das nicht nur in der Therapie mit Erwachsenen, sondern auch in der Arbeit mit Kindern.
Mit Beiträgen von: Hélène Dellucci, Bernd Hanewald, Michael Hase, Dorothee Lansch, Daniela Lempertz, Peter Liebermann, Silke Mehler, Beatrix Musaeus-Schürmann, Peter Niederhuber, Michèle Rondez, Gisela Roth, Markus Stingl, Visal Tumani
Dr. med. Christine Rost, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe und Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin. Selbstständige EMDR-Senior-Trainerin (EMDR Europa), Traumatherapeutin und Ausbilderin der DeGPT, Mitbegründerin des Zentrums für Psychotraumatologie Frankfurt, niedergelassen als Psychotherapeutin in eigener Praxis.
Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2022
Coverfoto: © Christine Rost
Lektorat: Christian Schneider
Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn
Satz, Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn
Alle Rechte vorbehalten.
Erscheinungsjahr dieser E-Book-Ausgabe: 2022
ISBN der Printausgabe: 978-3-7495-0332-2
ISBN dieses E-Books: 978-3-7495-0333-9 (EPUB), 978-3-7495-0335-3 (PDF), 978-3-7495-0334-6 (EPUB für Kindle).
Was sind die neuronalen Grundlagen für psychische Störungen? Was macht Therapien erfolgreich? Und welche Konsequenzen sollte dies für die Gestaltung von Therapien haben? Mit diesen Fragen hat sich Grawe (2004, 2013) in seiner Forschung beschäftigt. Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus seinen Aussagen war für mich, wie wichtig Ressourcenaktivierungen sind. Grawe begründet dies mit dem Hinweis, dass viele Klient*innen ein angeschlagenes Selbstwertgefühl haben. Psychisch krank zu sein wird als persönliches Versagen erlebt und in der Therapiestunde müssen sich die Klient*innen dann auch noch von ihren problematischen Seiten zeigen. Wenn wir nur auf die Probleme und Symptome fokussieren, dann nehmen wir unsere Klient*innen nicht in ihrer Gesamtheit als Person wahr mit ihren Möglichkeiten, Stärken und Ressourcen. Besonders im stationären Rahmen, aber auch in der ambulanten Therapie kann dieses Vorgehen eine regressive Haltung aktivieren oder verstärken. Deshalb ist es wichtig, in der Therapie auch die positiven und vorteilhaften Seiten wahrzunehmen. Die Klient*innen sollten auch über ihre Interessen, Fähigkeiten, Stärken sowie über schöne Erlebnisse und Erfolge berichten können. Dies stärkt den Selbstwert und verändert die Atmosphäre in der Therapie.
Sogar der Zeitpunkt der Ressourcenaktivierung spielt für den Therapie-Erfolg eine Rolle. Nach Regli sind die ersten vier bis fünf Stunden in der Therapie ausschlaggebend für den Erfolg der gesamten Therapie. Wenn es von Anfang an gelingt, dass sich sowohl Klient*innen als auch Therapeut*innen mit ihren individuellen Stärken einbringen können, verbessere und erleichtere dies die therapeutische Beziehung und die Zusammenarbeit (Regli et al. 2000). Die Aktivierung von Ressourcen zu Anfang der Therapiestunde hat tatsächlich eine deutlich bessere Wirkung als der Versuch, am Ende der Stunde noch eine Ressource zu aktivieren. Laut Grawes Forschungsergebnissen laufen Psychotherapiestunden am erfolgreichsten, wenn mit einer Ressourcenaktivierung begonnen wird und diese Ressourcen bei der Arbeit an Problemen immer wieder aktiviert werden.
Dies ähnelt meiner Ansicht nach der Absorptionstechnik von Hofmann (2014a), die auf der von Leeds (2009) entwickelten Resource Development Installation (RDI) basiert. In der Absorptionstechnik werden zu einem Problem aus dem Alltag drei Ressourcen (erfolgreich eingesetzte Fähigkeiten in bestimmten Situationen) mit bilateraler Stimulation aktiviert, sodass es am Ende der Übung meist zu einer deutlichen Abnahme der Belastung kommt.
Grawes Beschreibungen von nicht erfolgreichen Therapiestunden, bei denen an den Problemen gearbeitet und am Ende eine Ressourcenaktivierung versucht wurde (Grawe 2004), erinnerten mich beim Lesen damals sehr an eigene Therapiestunden mit komplex traumatisierten Menschen, in denen wir von einem Problem in das andere gerutscht waren und der Versuch, am Ende der Stunde noch eine Ressource zu aktivieren, meistens scheiterte.
Auch im EMDR-Basisprotokoll wird immer wieder der Bezug zu Ressourcen hergestellt:
Mit der Erarbeitung der positiven Kognition in Phase 3 legen wir ein realistisches, gewünschtes Ziel für die Selbstwahrnehmung fest. Mit der VoC (Validity of Cognition) überprüfen wir den Zugang zu den Ressourcen, weshalb wir bei einer VoC von 1 auch die positive Kognition überarbeiten und sie so umformulieren lassen, dass sie wenigstens schon etwas spürbar wird (also mindestens auf 1,5, besser aber höher liegt).
In der Traumakonfrontation mit EMDR erleben wir in Phase 4 bei „einfach“ traumatisierten Menschen (stabile Kindheit und einzelne Traumatisierungen als Erwachsene), dass sich während des Prozessierens die traumatische Erinnerung verändert und es gleichzeitig zu einem spontanen Aktivieren von Ressourcen kommt. Nur dadurch bekommen wir neutrale oder positive Zustände am Kanalende und abgeschlossene Prozesse ohne Belastung, also Werte auf der SUD-Skala (Subjective Units of Disturbance) von 0 oder niedrig angemessen. Hierin unterscheidet sich EMDR von anderen traumakonfrontierenden Verfahren.
Wenn wir mit komplex traumatisierten oder bindungsgestörten Menschen direkt in ein traumakonfrontierendes Arbeiten mit EMDR gehen, besteht die Gefahr endloser Kanäle mit dem Auftauchen immer neuer belastender Erfahrungen (Affektbrücken), ohne dass (ausreichend) Ressourcen spontan auftauchen. Dann verändert sich die Belastung kaum bzw. nur sehr langsam.
Aus diesem Grund fragen wir in der Phase 1 und 2 des Standardprotokolls nicht nur nach belastenden Erinnerungen, sondern auch nach Fähigkeiten, schönen Erlebnissen und guten Beziehungen. Wenn wir uns nach der Anamnese beide Bereiche anschauen und uns das Ganze als Waage oder Wippe vorstellen, können wir sehen, welche Seite schwerer wiegt: die Seite der belastenden Ereignisse oder die der schönen Erlebnisse. Wenn die belastende Seite mehr wiegt als die der Ressourcen, dann brauchen wir zusätzliche Stabilisierung und Ressourcenaktivierung; wiegt sie weniger, können wir schneller in die Konfrontation gehen.
Ebner & Rost 2008
In den EMDR-Ausbildungen lehren wir bei schwer und früh traumatisierten Menschen ein modifiziertes Vorgehen. In einer längeren und manchmal deutlich verlängerten Stabilisierungsphase werden die Ressourcen entwickelt und verstärkt, Affekttoleranz und Selbstberuhigung trainiert und Distanzierungstechniken vermittelt. Und wenn dies nicht genügt, dann drehen wir das Standardprotokoll um und beginnen mit der nahen Zukunft und den Belastungen im Alltag, bevor wir die auslösenden traumatischen Ereignisse der Vergangenheit mit EMDR prozessieren.
Bei der spezifischen Auswahl, welche Art der Ressourcen es braucht, um eine Verbesserung zu erreichen, kann uns auch die Polyvagal-Theorie von Porges (2017) helfen, die ich in Kapitel 4.6 näher vorstellen werde.
Die Erkenntnis, dass es spezifischer Ressourcen bedarf, ist auch ein Motor für die Entwicklung der Ressourcentechniken im EMDR. Wir versuchen in immer neuen Ansatzpunkten und Herangehensweisen bestimmte Problembereiche zu beeinflussen, wie z. B. die mangelnde Empathie mit sich selbst, dem eigenen Körper und der eigenen Lebensgeschichte oder die Panik vor dem Erinnern von traumatischen Erinnerungen. In diesem Buch stellen wir explizit dazu einige neue Ressourcentechniken vor, nämlich:
die Flash-Technik von Manfield & Engel durch Peter Liebermann und Dorothee Lansch (Kapitel 3.1),
die fundamentale Trost- und Einfühlsamkeitsressource und die Differenzierungsressource von und durch Hélène Dellucci (Kapitel 3.2 und 3.3),
die LOUA-Technik (Level of Urge to Avoid) und die Wozu-ist-es-gut-Technik von Knipe, mit der man an der Vermeidung und der Abwehr arbeiten kann, durch Michèle Rondez (Kapitel 3.4),
Loving Eyes von Jim Knipe durch Dorothee Lansch & Christine Rost (Kapitel 3.5),
die Aktivierung von Ressourcen im Alltag mit IRI und xtRI von und durch Michael Hase (Kapitel 3.6),
die Lobe-Übung von Andrew Leeds und die Inneren Helfer sowie das Briefprotokoll an sich selbst von Christine Rost (Kapitel 4.3),
aber auch Grundsätzliches wie
eine Zusammenstellung von Forschung zum Nutzen von Ressourcen in der Therapie von Markus Stingl und Bernd Hanewald (Kapitel 1.1),
den Einsatz von Tieren in der Traumatherapie durch Silke Mehler (Kapitel 4.2),
das Nutzen des Körpers als Ressource durch Christine Rost (Kapitel 4.4),
die Verwendung von Sprache in der Traumatherapie durch Visal Tumani (Kapitel 4.5),
einen Überblick über den Nutzen der Polyvagal-Theorien von Stephen Porges für die Traumaarbeit von Christine Rost (Kapitel 4.6),
und auch aktuelle Entwicklungen wie
den Einsatz von EMDR per Videokonferenz durch Gisela Roth (Kapitel 4.1).
Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen muss von vornherein ressourcenorientiert gestaltet werden, sonst würden diese schnell die Lust an der Therapie verlieren und abbrechen. An diesem Buch haben drei Kolleg*innen aus dem EMDR-Kinder- und Jugendbereich mitgeschrieben:
Beatrix Musaeus-Schürmann zum Krafttier und zur Flash-Technik für Kinder und Jugendliche (Kapitel 2.1),
Peter Niederhuber mit der Körperressource für Kinder (Kapitel 2.2) und
Daniela Lempertz mit dem Ressourcenbild (Kapitel 2.3).
Diese Ideen lassen sich natürlich auch auf Erwachsene übertragen.
Es bedarf vieler guter Erfahrungen von Bedürfnisbefriedigung und Selbstwirksamkeit in und außerhalb der Therapie, um bei schwer psychisch Kranken das Gefühl zu stärken, etwas verändern und beeinflussen zu können. Die tatsächlichen Erfahrungen, die Klient*innen in der Therapiestunde bezüglich ihres Kontrollbedürfnisses und ihres Selbstwertes machen, beeinflussen nach Grawe sehr stark, ob sie die Stunde als hilfreich erleben – oder eben nicht.
Mit diesem zweiten Buch über Ressourcenprotokolle und die bewusste Unterstützung positiver Prozesse wollen wir Ihnen weitere kreative und hilfreiche Möglichkeiten anbieten, die Sie in Ihren Therapiestunden nutzen können.
Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen und Erfahrungen.
Literatur
Ebner, F. & Rost, C. (2008). Einleitung: Ressourcenaktivierung mit EMDR. In: Rost, C. (Hrsg.): Ressourcenarbeit mit EMDR. Vom Überleben zum Leben. Paderborn: Junfermann.
Grawe, K. (2004). Neuropsychotherapie. Göttingen: Hogrefe.
Hofmann, A. (2014). EMDR. Praxishandbuch zur Behandlung traumatisierter Menschen. Stuttgart: Thieme, 5. Auflage.
Hofmann, A. (2014a). Absorptionstechnik. In: Rost, C. (Hrsg.): Ressourcenarbeit mit EMDR. Vom Überleben zum Leben. Paderborn: Junfermann.
Porges, S. (2017). Die Polyvagal-Theorie und die Suche nach Sicherheit. Lichtenau: G.P. Probst.
Regli, D., Bieber, K., Mathier, F. & Grawe, K. (2000). Beziehungsgestaltung und Aktivierung von Ressourcen in der Anfangsphase von Therapien. Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin, 21, S. 399–420.
Schmied, E. & Grawe, K. (2013). Die funktionelle Rolle von Ressourcenaktivierung. In: Schaller, J. & Schemmel, H. (Hrsg.): Ressourcen. Ein Hand- und Lesebuch zur psychotherapeutischen Arbeit. Tübingen: dgvt-Verlag, 2., vollständig überarbeitete Auflage.
In der Psychotherapie nahezu aller Richtungen und Schulen ist eine grundlegende Entwicklung zu beobachten: Die ursprünglich eher defizit- und problemorientierte Sichtweise wandelt(e) sich unter einer salutogenetischen Perspektive hin zum „Empowerment“1 der hilfesuchenden Menschen, um sie zu stabilisieren, zu stärken und selbst zu befähigen, ihre Probleme zu lösen (Willutzki 2000). Ressourcen spielen hier eine zentrale Rolle, indem sie als positiv erlebte Hilfsmittel zur Zielerreichung beitragen (Gassmann & Grawe 2006). Das Ressourcenkonzept lässt sich als ein allgemeines psychotherapeutisches Vorgehen verstehen, welches entweder die Ressourcenorientierung auf bereits vorhandene Ressourcen oder die spezifische Ressourcenaktivierung oder die Neuentwicklung von Ressourcen umfasst (Schaller 2013). Die psychotherapeutischen Ressourcentechniken, mit deren Hilfe die angestrebten Ziele erreicht werden sollen, kommen in verschiedenen Bereichen zur Anwendung.
In der Behandlung von Traumafolgestörungen werden häufig zunächst vorhandene Ressourcen identifiziert und gefördert, um ein Gegengewicht zu Symptomen und belastenden Erinnerungen wie Intrusionen und Flash-Backs zu entwickeln und um eine unausgewogene Problem- und Defizitorientierung zu vermeiden (Brunner 2016).
Die in der Praxis häufig eingesetzte und empfohlene Ressourcenarbeit (Reddemann 2017; Schäfer et al. 2019) soll im folgenden Kapitel theoretisch betrachtet werden. Einer einleitenden Begriffsbestimmung folgen Ansätze, Ressourcen diagnostisch zu erfassen. Im Anschluss wird der Wirkung von Ressourcen bzw. deren Wirkmechanismen nachgegangen.
Modelle eignen sich, um sich der Wirklichkeit anzunähern und sie in reduzierter Weise systematisch zu beschreiben. Dieses Vorgehen erscheint auch zur Beschreibung der Ressourcenarbeit sinnvoll, da sich sowohl die Anzahl als auch die Art der Ressourcentechniken über viele Bereiche hinweg beständig verändern, ergänzen und erweitern.
Zur Einordnung und zum Verständnis ist zunächst eine der grundlegendsten Theorien zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Krankheit hilfreich, das biopsychosoziale Modell, welches von G. Engel in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts als Gegenkonzept zur damals geltenden reduktionistischen und materiell ausgerichteten rein biomedizinischen Sichtweise entworfen wurde (Engel 1977). Dabei erweiterte Engel den Krankheitsbegriff zu einem Wechselspiel von biologischen, organisch bedingten Faktoren mit psychischen und sozialen Bedingungen. In Analogie dazu greift Sack (2007, 2019) das biopsychosoziale Modell auf und leitet in dessen Umkehr eine Systematik gesundheitsprotektiver Ressourcen ab, die den in Tabelle 1 beschriebenen übergeordneten Bereichen entsprechen und weiter differenziert werden.
Bereich
Biologisch-regulative Ressourcen
Genetik / Epigenetik, Immunsystem, endokrine Regulation, psychophysische Regulation
Psychische Ressourcen
Wahrnehmung:
der äußeren Welt und anderer Menschen sowie eigener Emotionen und Bedürfnisse
Denken und Gedächtnis:
Anpassung an wechselnde Bedingungen, kreatives Problemlösen, Verfügbarkeit von Bewältigungserfahrungen
Integration und Regulation:
ganzheitliche Objektwahrnehmung, stabiles Selbstbild und kongruente Identität, Selbstwert, Internalisierung anderer, Kommunikation, Regulation eigener Affekte und Beziehungen
Soziokulturelle Ressourcen
Soziales Umfeld, soziale Netzwerke, politische und staatliche Organisation, kulturelle und religiöse Rahmenbedingungen
Tabelle 1: Ressourcenbereiche (modifiziert nach Sack 2019)
Aus anderer Perspektive lassen sich Ressourcen in externe, interpersonelle und intrapersonelle Ressourcen gruppieren, die entweder subjektiv durch das Individuum selbst oder objektiv von äußeren Beobachter*innen wahrgenommen werden können (Willutzki 2003, 2008). In diesem Sinne können technische Hilfsmittel, soziale Netzwerke oder Einkommen als externe Ressourcen verstanden werden, während hilfreiche Beziehungsmuster interpersonelle Ressourcen darstellen. Schließlich bilden die persönlichen Eigenschaften oder Fertigkeiten eines Menschen die intrapersonellen Ressourcen (Groß et al. 2012, Karpel & Brauers 1986).
Orientiert man sich in der begrifflichen Annäherung an Ressourcen nach deren Nutzen, so kann alles, was von einem Individuum bei der Bewältigung einer belastenden Situation als hilfreich erlebt wird, als Ressource verstanden werden (Nestmann 1996, Groß et al. 2012). Ressourcen sind damit individuell und von Mensch zu Mensch unterschiedlich, spezifisch von äußeren Bedingungen abhängig und funktional, weil sie zur Erreichung von Zielen hilfreich beitragen (Groß et al. 2012). Von großer Bedeutung ist dabei auch die positive Bewertung einer Ressource durch das Individuum selbst (Schiepek & Cremers 2003, Groß et al. 2012) und durch das soziale Umfeld (Brunner 2016). Neben dem funktionalen Wert von Ressourcen zur Zielerreichung verbessert deren Nutzung auch das subjektive Wohlbefinden (Frank 2013). Zusammenfassend kann man Ressourcen als einen individuellen Möglichkeitsraum, also das positive Potenzial, das Patient*innen zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse zur Verfügung steht, verstehen (Grawe & Grawe-Gerber 1999).
Das Vorhandensein von oder der Mangel an unterschiedlichen Ressourcen vor und während des Erlebens belastender oder potenziell traumatisierender Lebensereignisse beeinflusst sowohl die kurzfristigen Auswirkungen stressreicher äußerer Ereignisse als auch die längerfristige Fähigkeit zur Adaptation an schwere Lebensbelastungen (Kamphuis et al. 2021).
Problematisch ist, dass stressreiche Ereignisse selbst die vorhandenen Ressourcen direkt beeinträchtigen können und so die Fähigkeiten zur Bewältigung von Stress reduziert werden können (Hobfoll 1989, Hobfoll et al. 2018, Kamphuis et al. 2021). Konsekutiv droht dadurch die Gefahr eines Circulus vitiosus aus der Entstehung von weiterem Stress und dem weiteren Verlust von Ressourcen. Dies bedeutet auch, dass Menschen, denen weniger Ressourcen zur Verfügung stehen, durch den Verlust von Ressourcen nach stressreichen Ereignissen in der Folge auch vulnerabler für die Entstehung von Traumafolgestörungen sind (Hobfoll 1989).
In der Psychotherapie stehen typischerweise die aktuellen Probleme, Belastungen und Symptome im Vordergrund. Deren Veränderung ist vorrangig der Fokus von Zielklärung und Therapieplanung. Bei der Frage, wie diese Veränderungen und Ziele erreicht werden können, kommt den Ressourcen der Patient*innen eine zentrale Bedeutung zu (Grawe & Grawe-Gerber 1999). Bereits zu Beginn der Behandlung konstatieren viele Patient*innen noch vor einer eigentlichen Problembearbeitung schon eine Besserung ihres Befindens (Grawe 1998). Dies kann als Ergebnis einer gelungenen Ressourcenaktivierung interpretiert werden, die sich positiv auf das Selbstwertgefühl der Patient*innen ausgewirkt und einen positiven Rückkopplungsprozess in Gang gesetzt hat. Die Patient*innen spüren, dass die Therapie bereits „wirkt“, ihr Kompetenzerleben, ihre Aufnahmebereitschaft für weitere therapeutische Schritte und das Vertrauen in die Therapeut*innen als Grundlage für den Wirkfaktor „therapeutische Beziehung“ nehmen zu (Grawe & Grawe-Gerber 1999). Wird dagegen in der Therapie einseitig nur auf die Probleme der Patient*innen fokussiert, drohen über andauerndes Defiziterleben negative Konsequenzen für das Selbstwertgefühl.
Ressourcen tragen zur Entwicklung von Resilienz und somit der Fähigkeit bei, trotz Belastungen den Alltag zu meistern und trotz bestehender Schwierigkeiten ein gewisses Maß an Wohlbefinden aufrechterhalten zu können (Flückiger & Beesdo-Baum 2020). Ressourcenaktivierung kann störungs- und therapieschulenübergreifend eingesetzt werden und gilt als allgemeiner Wirkfaktor in der Psychotherapie (Flückiger & Beesdo-Baum 2020). Durch Ressourcenaktivierung können bei Patient*innen positive Affekte mobilisiert und die Betroffenen in einen Annäherungsmodus gebracht werden, der erfolgreiche Lernprozesse in der weiteren Behandlung begünstigt (Willutzki & Teismann 2013, Brunner 2016). Diese prozessuale Ressourcenaktivierung geht mit einer dopaminergen Aktivierung des mesolimbischen Belohnungssystems und der Ausschüttung von endogenen Opioiden im Frontalhirn einher (Mentha 2013, Ruegg 2011, Brunner 2016). Durch die Mobilisierung positiver Affekte im Rahmen von Ressourcenaktivierung kann ein Aufschaukelungsprozess (Flückiger & Wüsten 2015) in Gang gesetzt werden, der ein Gegengewicht zu den negativen Affekten und Belastungen, die vielen psychischen Störungen immanent sind, darstellen kann (Willutzki & Teismann 2013). Hierdurch werden Selbstwirksamkeitserwartungen, Selbstwerterleben und Wohlbefinden verbessert und die therapeutische Beziehung wird gestärkt. Eine kooperative Arbeitsbeziehung kann etabliert werden, wenn es gelingt, Erfolge internal zu attribuieren und die Patient*innen dadurch für eine proaktive, intrinsisch motivierte Mitarbeit in der Behandlung zu gewinnen. Entsprechend der Broaden and Build Theory (Frederickson 2004) führt ein internal attribuierter Kompetenzaufbau dazu, dass vielseitigere Problemlöseversuche unternommen werden, wodurch weitere Handlungsskills erlernt und Kompetenzen aufgebaut werden (Flückiger & Beesdo-Baum 2020). Auf diesem Weg kann die therapeutische Beziehung selbst zu einer interpersonalen Ressource werden (Flückiger & Beesdo-Baum 2020, Grawe & Grawe-Gerber 1999, Brunner 2016). Auf Grundlage einer tragfähigen therapeutischen Beziehung erweist sich der Blick der Beobachter*innen (Therapeut*innen) zur Feststellung objektiver Ressourcen dann als besonders hilfreich, wenn sich die Patient*innen ihrer eigenen Ressourcen nicht bewusst sind, eine überwiegend defizitorientierte Sichtweise auf sich selbst haben oder sich als wenig selbstwirksam erleben. Dies ist im Rahmen akuter Erkrankungen häufig der Fall (Brunner 2016), aber auch länger andauernde psychische Störungen können mit gedrückter Stimmung, Problemfokussierung, Pessimismus, geringem Selbstwirksamkeitserleben und negativen Erfahrungen die Patient*innen zunehmend demoralisieren. Über die Ressourcenaktivierung kann hier versucht werden, einen gegenläufigen, lösungsorientierten „Remoralisierungsprozess“ zu initiieren und die Patient*innen für einen positiveren Blick auf die Zukunft zu öffnen (Flückiger & Beesdo-Baum 2020, Brunner 2016). Neben der Nutzung bewusster Ich-Ressourcen, um mit der Welt außerhalb der eigenen Person, einschließlich anderer Menschen und Aufgaben, in konstruktiver Weise in Beziehung zu treten (McCann & Pearlman 1990), fördert Ressourcenarbeit auf einer unbewussteren Ebene auch ein beständigeres Gefühl der Identität, ein kohärenteres Selbstverständnis und die Bewahrung eines positiven Selbstwertgefühls (Kohut 1977, Fonagy et al. 2002; Leeds 2009). Das gemeinsame Entdecken vorhandener und der Aufbau von neuen Ressourcen in der Psychotherapie ist daher nicht nur eine therapeutische Vorgehensweise, sondern geht über den Einsatz spezifischer Techniken hinaus. Hier zeigt sich vielmehr eine therapieschulenübergreifende Grundhaltung, die einen bedeutsamen therapeutischen Wirkfaktor darstellt und auf breiter Ebene positive Effekte erzeugen kann (Grawe & Grawe-Gerber 1999, Brunner 2016).
Das gemeinsame Entdecken vorhandener, vielleicht „verschütteter“ Ressourcen fällt insbesondere komplex traumatisierten Patient*innen zu Beginn der Behandlung noch schwer. In einem respektvollen Umgang mit den Patient*innen, die als Expert*innen für sich selbst angesehen werden und denen entgegen einer paternalistischen Herangehensweise mit Bescheidenheit begegnet wird, kann im therapeutischen Kontext gemeinsam die folgende Frage bearbeitet werden: Ob und wie hätten die erfahrenen Belastungen überlebt werden können, wenn den Patient*innen währenddessen und danach nicht auch Ressourcen zur Verfügung gestanden hätten?
Wenn Patient*innen wenig Zugang zu ihren Ressourcen haben, kann es sinnvoll sein, eine geleitete Ressourcendiagnostik durchzuführen. Dies kann helfen, sich der eigenen Ressourcen wieder bewusster zu werden oder den Zugang zu vorhandenen, aber nicht mehr genutzten Ressourcen zu finden. Ressourcendiagnostik kann auch einen Ideenprozess zur Entwicklung neuer Ressourcen anstoßen und sowohl Patient*innen als auch Therapeut*innen explizit auf die Ressourcenaktivierung im therapeutischen Prozess fokussieren.
Willutzki (2008) und Groß et al. (2012) schreiben der Ressourcendiagnostik verschiedene hilfreiche Funktionen zu:
ätiologische Funktion, da der Verlust von Ressourcen an der Entstehung psychischer Störungen beteiligt sein kann (vgl. auch Hobfoll 1989)
modifikationsbezogene Funktion, da Ressourcen Ansatzpunkte für therapeutische Interventionen sein können
Beziehungsförderungsfunktion
Prozessevaluationsfunktion im Sinne einer Evaluation der therapeutischen Beziehung als externe Ressource
Ergebnisevaluationsfunktion, da Ressourcenaufbau als Merkmal für Therapieerfolg gesehen werden kann
Tabelle 2: Funktionen der Ressourcendiagnostik nach Willutzki (2008) und Groß et al. (2012)
Willutzki (2008) schlägt in diesem Zusammenhang auch vor, Ressourcen und Probleme separat voneinander zu erfassen. Es bestünde ansonsten die Gefahr, dass mit einem einseitigen Blick auf Ressourcen tatsächlich vorhandene Probleme und Belastungen übersehen werden können. Und andererseits kann die Problemfokussierung die Erfassung vorhandener (Lösungs-)Möglichkeiten und Ressourcen erschweren.
Für die Ressourcendiagnostik stehen unterschiedliche Informationsquellen und Instrumente zur Verfügung. Ressourcen können mit standardisierten Fragebögen, aber auch mit Explorationsleitfäden erfasst und für die weitere Therapie genutzt werden. Eine Auswahl etablierter Verfahren wird im Folgenden übersichtsartig dargestellt.
Für die Selbsteinschätzung von Ressourcen liegt die deutsche Version des Values in Action Inventory of Strengths (VIA-IS, Ruch et al. 2010) vor. Der VIA-IS umfasst 240 Aussagen zu Charakterstärken der Patient*innen. Die Charakterstärken lassen sich in folgende Gruppen zusammenfassen: Weisheit und Wissen, Mut, Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Transzendenz. Die betroffenen Patient*innen sollen einschätzen, wie zutreffend die einzelnen Aussagen für sie sind.
Zur Selbsteinschätzung kann auch das Berner Ressourceninventar zur Erfassung der aktuellen Ressourcenrealisierung (RES, Trösken & Grawe 2003) herangezogen werden. Das RES umfasst 117 Items auf den Skalen Wohlbefinden, Stressbewältigung, Unterstützung, Krisenbewältigung, Selbstwerterleben, positives Selbstkonzept, nahe Beziehungen und Sinnfindung.
Der Bochumer Ressourcenfragebogen (RESO-B, Willutzki 2008; Willutzki & Stelkens, 2006) umfasst 58 Items zur Selbstbeurteilung in den Bereichen Allgemeine Lebensbewältigung, erfolgreich bewältigte Krisen und Aktuelle Problematik.
Die Ressourcencheckliste ermöglicht auf 50 Items zu 14 Unterbereichen sowohl eine Fremd- wie auch eine Selbsteinschätzung und umfasst die Hauptbereiche umweltbezogene und soziale Ressourcen sowie persönlichkeitsbezogene Ressourcen (Dick 2003).
Zur Fremdbeurteilung von Ressourcen kann auf das Berner Ressourceninventar zur Erfassung von Patientenressourcen (REF, Trösken & Grawe 2003) zurückgegriffen werden. Das Inventar umfasst 78 Items zu folgenden Skalen, die durch die Therapeut*innen oder Bezugspersonen eingeschätzt werden: soziale Kompetenz, soziale Einbettung, familiäre Einbindung, emotionale Offenheit, Optimismus / Glück / Sinnerleben, Handlungskompetenz, Fähigkeit zur Bewältigung alltäglicher Belastungen, Fähigkeit zu autonomem Denken und Handeln, Selbstwerterleben, Motivation zur Selbstreflexion, Motivation zum Lernen, Offenheit in der Kommunikation, Fantasie und Kreativität, intellektuelle Begabung, Hobbys und Interessen sowie Akzeptanz eigener Bedürfnisse.
Die aktuelle psychosoziale Lebenssituation von Patient*innen kann mit dem Psychosozialen Ressourcenorientierten Diagnostiksystem (PREDI, Küfner et al. 2006) erfasst werden. Es umfasst eine aktuelle Problem- und Ressourcenbeurteilung sowie die Veränderungsbereitschaft aufseiten der Patient*innen bzw. die Dringlichkeit einer Veränderung in neun Lebensbereichen.
Mit dem Ressourceninterview (RI, Schiepek & Cremers 2003) steht ein halbstrukturiertes Interview zur Verfügung, das eine Einschätzung von Ressourcen nach Relevanz sowie nach den Gesichtspunkten „Aktuell vorhanden oder nicht?“, „Inwieweit als Potenzial verfügbar?“ und „Zielzustand“ ermöglicht.
Eine Übersicht zu Ressourceninterviews, ressourcenorientierten Fragetechniken für die Diagnostik, ressourcenorientierter Selbst- und Fremdbeobachtung sowie erlebnisorientierter Ressourcendiagnostik findet sich bei Deubner-Böhme et al. (2013).
In der Praxis der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Gießen hat es sich bewährt, Ressourcenarbeit und Skills in einer Sitzung einer modularisierten Psychoedukationsgruppe zu Traumafolgestörungen standardisiert einzuführen. Die Gruppenteilnehmer*innen erarbeiten dabei gemeinsam ein Verständnis von Ressourcen und erhalten Ideen und Anregungen für mögliche Ressourcen, die auf individuellen Karteikarten gesammelt werden. Weitere Ressourcen können unter Verwendung des Ressourciums von Huber (2012) erarbeitet werden. Zur expliziten Nutzung von Ressourcen werden die Gruppenteilnehmer*innen aufgefordert, jeden Tag eine „Ressource des Tages“ aus ihren individuellen Karteikarten zu ziehen und gezielt zu nutzen. Darüber hinaus werden Skills zur Krisenbewältigung vermittelt und es wird ein „Notfallkoffer“ erstellt. Auf die erarbeiteten Ressourcen und Skills kann in den therapeutischen Einzelgesprächen zur vertiefenden Arbeit zurückgegriffen werden.
Wie wirken nun Ressourcen? Wie wirksam sind sie? Zur Beantwortung dieser Fragen können verschiedene Betrachtungsebenen – entsprechend den unterschiedlichen Ressourcenbereichen – eingenommen werden. Im Wesentlichen eignen sich neurobiologische und psychosoziale Konzepte, um mögliche Wirkmechanismen zu beschreiben und die Wirksamkeit zu überprüfen.
Neurobiologische Modelle
Das Korrelat psychischer Prozesse ist die Gehirnaktivität, Psychotherapie kann Gehirnaktivität verändern / beeinflussen, um psychische Störungen zu lindern oder zu heilen (z. B. Marwood et al. 2018; Barsaglini et al. 2014). Das Gehirn ist unsere „Megaressource“ (Mentha, 2013), da es die Anpassung des Individuums an die biologisch-physikalische und soziale Umwelt organisiert. Dabei greift es auf erfahrungsbasierte Wissensspeicher zurück oder entwirft neue Problemlösungsstrategien. Emotionen spielen hierbei eine wichtige Rolle, indem sie modulierend auf die Anpassungsprozesse einwirken (z. B. Lazarus 1991).
Das menschliche Gehirn zeichnet sich durch eine intrinsische Veränderungsbereitschaft aus, das Explorationsbedürfnis ist angeboren und sichert die permanente Erweiterung des Wissensspeichers zur Nutzung für zukünftige Anpassungsanforderungen, indem von Geburt an fortlaufend neue Lernerfahrungen gemacht werden können.
Bei psychischen Störungen zeigen sich die Bestimmungsstücke funktionaler Anpassung – Bindung, Exploration, Erweiterung des erfahrungsbasierten Wissensspeichers, Problemlösungsverhalten, emotionale Modulation – häufig beeinträchtigt. Deshalb werden psychotherapeutische Interventionen wie die Ressourcenarbeit gezielt eingesetzt, um die essenziellen Anpassungsfähigkeiten zu verbessern. Im Folgenden werden – auszugsweise – Befunde dargestellt, welche zum Verständnis der Wirkmechanismen solcher Interventionen beitragen können.
Aus der Säuglings- und Bindungsforschung ist bekannt, dass Explorationsbereitschaft mit Bindungssicherheit korreliert: Je mehr Vertrauen ein Kind gegenüber seiner Bezugsperson erlebt, desto eher wagt es, fremde Umwelten zu erkunden (Bowlby, 1973). Dieser Zusammenhang ist auch in der Psychotherapie gegeben, die therapeutische Beziehung ist ein wesentlicher Prädiktor für den Therapieerfolg (z. B. Horvath & Symonds, 1991). Veränderungen des peripheren Oxytocinspiegels – Oxytocin fördert als „Bindungs- und Kuschelhormones“ mütterliches Verhalten und die Mutter-Kind-Bindung – korrelieren unabhängig vom Geschlecht mit dem Ergebnis einer erfolgreichen Psychotherapie (Kendrick 2000; Zilcha-Mano 2020). Auch die praktische Ressourcenarbeit findet im Kontext einer sicheren und Halt gebenden therapeutischen Beziehung statt und festigt diese. Empathie, Wertschätzung, Transparenz bestimmen das therapeutische Vorgehen und ermöglichen Exploration und somit Veränderung. Grundlage solcher Veränderungen sind Lernprozesse, die erfahrungsabhängig Reaktionsdispositionen begründen und modifizieren. Die Ergebnisse dieser Lernprozesse werden im Gedächtnis gespeichert. Zur Anpassung an die Umwelt werden erworbene Kenntnisse und Fertigkeiten aus dem Gedächtnis abgerufen, dies dient der flexiblen Anpassung an die Umwelt durch den Vergleich mit früheren Erfahrungen oder der Antizipation zukünftiger Ereignisse oder Folgen eigenen Handelns. Diese Fähigkeit des Gehirns, sich permanent anzupassen und flexibel zu reagieren, ist durch die Neuroplastizität der Synapsen der Nervenzellen gegeben. Aus neurowissenschaftlicher Perspektive stellt die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen die Basis für alle psychischen Prozesse dar. Gedächtnisleistungen sind somit erfahrungsabhängige Veränderungen der neuronalen Signalübertragung durch biochemische oder strukturelle Veränderungen (z. B. Kandel 2007). Psychische Störungen sind häufig dadurch gekennzeichnet, dass dysfunktionale Gedächtnisinhalte erlernt wurden oder die Gedächtniskonsolidierung oder der -abruf gestört sind (z. B. fragmentierte Erinnerungen oder Intrusionen bei der PTBS). Aus dieser Perspektive beeinflusst Ressourcenarbeit gezielt die Gedächtnisrepräsentationen und somit die neuronalen Aktivitäten. Über erfahrungsbasiertes Lernen in der Ressourcenarbeit wird das Gedächtnis modifiziert oder neue funktionale Gedächtnisinhalte werden etabliert, um die adaptiven Fähigkeiten des Individuums zu erweitern und zu festigen. Es ist daher ratsam, auch in der Ressourcenarbeit jenen Faktoren besondere Aufmerksamkeit zu schenken, welche sich lerntheoretisch als bedeutsam gezeigt haben, um allgemein Lernprozesse zu fördern: Relevanz, Neuigkeit, Bedeutung, Motivation, Emotionalität und Sinnhaftigkeit bestimmen die Lernleistung wesentlich mit (z. B. Rinck & Becker 2011)
Verschiedene Autoren haben einen starken Zusammenhang von Psychopathologie und Beeinträchtigungen in der Emotionsregulation beschrieben, wie z. B. bei Depressionen, Angststörungen, PTBS und Persönlichkeitsstörungen (z. B. Stingl et al. 2020; Joormann & Quinn 2014; Sher & Grekin 2007; Bradley et al. 2011; Jazaieri, Urry & Gross 2013). Aus diesem Grunde beinhalten einige Therapieansätze explizit ein Emotionsregulationstraining, so zum Beispiel die Dialektisch-Behaviorale Therapie (Linehan 1993), die Emotionsfokussierte Therapie (Greenberg 2004) oder die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (Eifert & Forsyth 2005; Hayes, Strosahl & Wilson 1999). Die emotionale Modulation und Regulation ist auch im Fokus von Ressourcenarbeit. Viele Ressourcentechniken zielen auf eine direkte Verbesserung der Emotionsregulationsfähigkeit ab, wie im EMDR etwa die Absorptionstechnik (Hofmann 2004) oder die Flash-Technik (Manfield et al. 2017). In der Tat konnte eine psychotherapeutische Symptomreduktion mit verbesserten Emotionsregulationsfähigkeiten in Zusammenhang gebracht werden (z. B. Stingl et al. 2020). Die spezifischen neurobiologischen Hintergründe der Wirksamkeit psychotherapeutischer Interventionen, die auch Ressourceninstallation beinhalten, sind allerdings trotz langjähriger Forschung nicht gänzlich geklärt. Im Falle der PTBS ging man bis vor Kurzem davon aus, dass die charakteristischen Symptome Hyperarousal und Intrusionen aus einer Dysregulation frontaler und limbischer Systeme resultieren – vereinfacht gesagt interpretierte man die Befunde einer reduzierten Frontalhirnaktivität bei gleichzeitiger Hyperaktivität des limbischen Systems bei PTBS-Patient*innen dahingehend, dass deren emotionale Aktivierung aufgrund eines (traumatischen) Stressors nicht mehr ausreichend von übergeordneten Strukturen gehemmt werden kann (Rauch 2006; Etkin & Wager 2007).
Allerdings kommt eine Metaanalyse von Manthey et al. (2021) zu dem Schluss, dass sich die hirnphysiologischen Veränderungen bei PTBS weitaus komplexer darstellen und weitere Strukturen, wie z. B. die Amygdalae mit verschiedenen, teilweise unterschiedlich reagierenden Proportionen, die Hippocampi und die Insulae beteiligt sind. Mit bildgebenden Verfahren konnte gezeigt werden, dass an einer PTBS erkrankte Patient*innen einen hyperaktiven präfrontalen Cortex und eine hypoaktive Amygdala aufweisen (Aliev et al. 2020, Lanius et al. 2005). Dadurch sind hemmende neuronale Bahnen, die an der Bewältigung von Angsterleben beteiligt sind, bei PTBS-Patient*innen beeinträchtigt (Mendoza et al. 2018). Zudem führen hyperaktive limbische und mediale Bahnen zu gesteigerten Reaktionen schon bei verhältnismäßig geringen sozial bedrohlichen Situationen (Stevens & Jovanovic 2019; Aliev et al. 2020).
Andererseits kann durch Ressourcen wie soziale Interaktionen, regelmäßigen Sport, gesunden Lebensstil mit gesunder Ernährung, Gewichtsmanagement, Schlafhygiene und adäquater Medikation eine Remediation neuronaler Aktivierung von PTBS-Patient*innen erreicht werden (Bisson et al. 2015, Iribarren et al. 2005, Aliev et al. 2020), zumal PTBS-Patient*innen häufig auch metabolische Veränderungen aufweisen (Schwartz et al. 2006). Auch neuroendokrinologische Effekte ressourcenorientierter Behandlung konnten im Sinne einer abgeschwächten Cortisol-Antwort in einer standardisierten psychosozialen Stresssituation nach ressourcenorientiertem Stressmanagement-Training gezeigt werden (Storch et al. 2007).
Therapeutische Interventionen mit konfrontativen Ansätzen scheinen spezifisch die Aktivitäten des medialen präfrontalen Cortex und des rostralen anterioren Cingulums als Strukturen des Präfrontalhirns zu normalisieren (und nicht als Gegensteuerung das gesamte Frontalhirn übermäßig zu aktivieren). Die Auswirkungen therapeutischer Interventionen auf die Funktionalität der übrigen genannten Hirnareale dagegen lassen sich bei vorliegender, teilweise heterogener Datenlage derzeit noch nicht sicher bestimmen. Gleiches muss für eine neurobiologische Einordnung des Konzepts einer emotionsregulativen Ressourcenarbeit gelten, wenngleich die Ressourceninterventionen emotionaler und kognitiver Aktivierung die „grobe“ Zielsetzung einer Normalisierung frontaler und limbischer Funktionen haben.
Ein neuerer Forschungsansatz, der aus dem Bereich der Neurogastroenterologie stammt, könnte ebenfalls zur Klärung der Wirkmechanismen von Ressourcenarbeit beitragen – die Erkenntnisse zur sogenannten „Bauch-Hirn-Achse“ („gut-brain-axis“). Bislang ist bekannt, dass es einen bidirektionalen Austausch zwischen dem zentralen und dem enteralen Nervensystem gibt. Letzteres ist Teil des vegetativen Nervensystems und mit mehreren Millionen Nervenzellen über den Darm verteilt. Es steuert u. a. die komplexen Abläufe der Verdauungstätigkeit und wird vom Sympathikus (Aktivierung des Organismus / Stressreaktion) und Parasympathikus (Ruhe / Erholung) beeinflusst. Einige Studien weisen darauf hin, dass die Bauch-Hirn-Achse bei stressbedingten psychischen Erkrankungen in ihrer Funktion beeinträchtigt ist (Kelly 2015). Die Kommunikation zwischen Gehirn und Bauch erfolgt über direkte Nervenfasern und Neurotransmitter, die in beiden Systemen gebildet werden können (hauptsächlich über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse) (Mayer 2011), oder über immunologische Reaktionen. Zusätzlich können Bakterien der Darmflora Botenstoffe produzieren, die auch am Gehirn wirken können, und gemeinsam mit Pilzen und Viren dem sogenannten „Psychobiom“ zugeordnet werden (Marazziti 2021). Auch die Ressourcenarbeit kann z. B. mittels Entspannungstechniken dazu eingesetzt werden, auf das Verhältnis von Sympathikus- und Parasympathikusaktivität regulierend einzuwirken. Es ist daher vorstellbar, dass spezifische Ressourcentechniken ihre Effekte auch über die Bauch-Hirn-Achse vermitteln – zum aktuellen Stand müssen diese Überlegungen jedoch hypothetisch bleiben, zur weiteren Klärung der tatsächlichen Interaktion und Beeinflussbarkeit der zentralen und enterologischen Nervensysteme besteht noch großer Forschungsbedarf.
Psychologische Modelle
Die Bedeutung von Ressourcen ist komplementär zu den zu bewältigenden Anforderungen zu sehen. Die Untersuchung der einwirkenden Kräfte, mit denen sich ein Mensch konfrontiert sieht, begründeten die Stressforschung. Schon in den Anfängen der Stressforschung trifft man auf den Ressourcenbegriff, der in der Stressbewältigung eine prominente Rolle einnehmen sollte. Walter Cannon und Hans Selye studierten zunächst aus biologischer Sichtweise die physiologischen Reaktionen des Individuums auf einwirkenden Stress. Cannon (1915) entdeckte die angeborene „Fight-or-Flight-Reaktion“ auf Stress, Selye (1974) beschrieb sowohl den adaptiven Umgang des Organismus mittels psychosomatischer Reaktionsmuster bzw. endokrinologischer Ressourcen als auch den Zusammenbruch des Systems bei mangelnder Adaptation und konzipierte das Allgemeine Adaptationssyndrom (AAS). In der Folge entwickelten Lazarus und Folkman (1984) ihr transaktionales Stressmodell, welches Stressoren und Bewältigungsmechanismen aufeinander bezieht (Coping). Die Wirkung eines Stressors sei demnach immer in Wechselseitigkeit mit den vorhandenen Bewältigungsmöglichkeiten zu sehen, die maßgeblich von den individuell verfügbaren Ressourcen bestimmt werden.
Aus der Fokussierung auf die Bewältigung und deren Bedingungen entwickelte Aaron Antonovsky (1979) sein Salutogenesemodell, welches als Gegenentwurf zur pathozentrischen Krankheitsorientierung die Entstehung und Erhaltung von Gesundheit erklären sollte. Zentral für die Gesundheit sei das Ausmaß des individuellen „Kohärenzgefühls“, dessen Komponenten aus Verstehbarkeit, Handhabbarkeit / Bewältigbarkeit und Bedeutsamkeit / Sinnhaftigkeit bestehen. Indem sie den Grad der Handhabbarkeit von Belastungen sowie deren Bewältigung maßgeblich bestimmt, ist die Verfügbarkeit von Ressourcen für ein gesundes Kohärenzgefühl essenziell.
In eine ähnliche Richtung zielt auch das Resilienzkonzept, das die Widerstandsfähigkeit eines Menschen gegenüber Stressoren beschreibt. Resilienz kann dabei verstanden werden als dynamischer Prozess, innerhalb dessen das Vorhandensein individueller Ressourcen in der Interaktion mit Belastungen zu einem positiven Ausgang und zum Schutz vor der Entstehung psychischer Störungen führt (Zautra et al. 2010). Entsprechend betonen Gärtner et al. (2020) die Wichtigkeit einer Würdigung des Leidens bei der Erhebung der Anamnese ebenso wie die Wahrnehmung von Ressourcen und Resilienz sowie eine Fokussierung auf ressourcen- und resilienzorientierte Interventionen in der Stabilisierungsphase vor Beginn einer Traumakonfrontation.
Eine wesentliche Erkenntnis aus der umfangreichen Forschung zur Resilienz ist, dass sich die individuelle Resilienz im Laufe des Lebens und unter verschiedenen Umweltbedingungen verändern kann: Resilienz ist erlernbar. Den Ressourcen und deren Stärkung kommt als Resilienzfaktor eine wichtige Rolle zu, da sie dabei helfen können, Vulnerabilitäten auszugleichen und Stressoren etwas Positives entgegenzusetzen (z. B. Liu et al. 2020, Werner 1982).
Die Fähigkeit, psychologische und physiologische Effekte von Stress zu modulieren bzw. zu regulieren, sind insbesondere bei Betroffenen mit Traumafolgestörungen nachhaltig beeinträchtigt (van der Kolk & McFarlane 1996). Shapiro (2001) entwickelte mit dem AIP-Modell (Adaptive Information Processing Model) ein Erklärungsmodell für das Auftreten von Traumafolgestörungen, welches auch der Behandlung mit EMDR zugrunde liegt. Shapiros Überlegungen zufolge stellen dysfunktional gespeicherte und nicht vollständig verarbeitete Erinnerungen die Grundlage einer Reihe von psychischen Erkrankungen dar, wie z. B. der posttraumatischen Belastungsstörung, chronischen Schmerzstörungen, affektiven Störungen oder Suchterkrankungen (Hase et al. 2017). Das AIP-Modell geht davon aus, dass das Gehirn bestrebt und normalerweise auch in der Lage ist, (belastende) Erinnerungen zu integrieren, indem es diese mit neuronalen Netzwerken verknüpft, welche Bewältigungsstrategien und -erfahrungen beinhalten. Erst wenn diese adaptive Art der Informationsverarbeitung gestört sei, wie z. B. durch eine massive Stressreaktion mit Dissoziation im Rahmen traumatischen Geschehens, würden die Erinnerungen in einer unprozessierten Form gespeichert, da sie nun nicht mehr mit adaptiven Informationen bzw. Netzwerken verbunden werden könnten (Hase et al. 2007). Diese unprozessierten Erinnerungen würden in der Zukunft zu maladaptiven Antworten führen, sobald aktuelle Wahrnehmungen mit assoziierten unprozessierten und dysfunktional gespeicherten Erinnerungen verbunden werden. Hinsichtlich der Behandlung und Integration betonte Shapiro (2001) die Notwendigkeit des Zugreifen-Könnens auf Ressourcen vor einer Reprozessierung dysfunktional gespeicherter Erinnerungen mit EMDR. Mithilfe der EMDR-spezifischen bilateralen Stimulation sollen die dysfunktionalen Erinnerungsnetzwerke der Bearbeitung zugänglich gemacht und im Reprozessieren mit vorhandenen positiven, adaptiven Netzwerken verbunden werden (Shapiro & Laliotis 2017). Im Sinne des AIP-Modells liefert die Ressourcenarbeit somit die notwendigen Zutaten, um die dysfunktionalen pathogenen Erinnerungen mittels adaptiver Reprozessierung zu behandeln und zu integrieren (Hase 2021). In der EMDR-Behandlung ist die Ressourcenentwicklung und -installation in der zweiten Phase des Standardprotokolls verortet, hierfür können spezifische Techniken genutzt werden (Hase 2021; Ibadi et al. 2018; Korn & Leeds 2002). In den EMDR-Ressourcenprotokollen wird häufig empfohlen, die begleitende bilaterale Stimulation mit langsamer Geschwindigkeit (ca. 0,5 Hz) und sechs bis zwölf Stimulationen pro Set einzusetzen. Hintergrund ist die klinische Beobachtung, dass bei schnellerer Stimulation eher negative Erinnerungen und Affektbrücken aktiviert werden und ein weiterführender Verarbeitungsprozess pathogener Erinnerungen initiiert wird. Bei der Ressourceninstallation dagegen soll das positive Bild bzw. die positive Erfahrung eher gehalten und beispielsweise über eine angenehme Körperreaktion verstärkt werden (Hofmann 2014). Tatsächlich ist der Unterschied der Effekte von schneller und langsamer bilateraler Stimulation bei der Ressourceninstallation und -verstärkung bislang nicht hinreichend untersucht. Ichii (2004) bat in einer Studie 30 Studierende, jeweils drei positive Erfolgserinnerungen aufzuschreiben, und stimulierte die Imaginationen mit langsamen (1 Hz) oder schnellen (0,2 Hz) Augenbewegungen im Kontrast zu einer Bedingung mit fixiertem Blick. Anschließend sollten die Proband*innen ihr emotionales Befinden, die Lebendigkeit der Imaginationen, deren emotionale Intensität und das Verhältnis zwischen interner und externer Aufmerksamkeit vor und nach der Intervention einschätzen. Es zeigte sich, dass weniger die Art der Stimulation als vielmehr das Ausmaß der internen Aufmerksamkeitsfokussierung positive Emotionen verstärkte.
In einer eigenen Studie zu den Effekten langsamer bilateraler Stimulation setzten wir die Ressourcentechnik CIPOS („constant installation of present orientation and safety“, Knipe 2010) ein. Beim CIPOS wird nach einer kurzen, zeitlich begrenzten imaginativen Exposition mit belastendem Material die Reorientierung im Hier und Jetzt mithilfe verschiedener aktiver Reorientierungstechniken forciert. CIPOS soll die Patient*innen befähigen, über einen stärkeren Gegenwartsbezug und das begleitende Sicherheitserleben immer weniger zu dissoziieren und sich bei Kontakt mit traumatischem Material besser reorientieren zu können. Sobald die Proband*innen nach der Exposition und Reorientierung angeben, sich zu 90 % oder mehr wieder in der Gegenwart zu befinden, wird gemäß CIPOS-Protokoll das begleitende Empfinden mit langsamer bilateraler Stimulation verstärkt. In unserer Studie variierten wir das CIPOS-Protokoll dahingehend, dass wir bei einer Gruppe wie im Protokoll vorgesehen die langsame bilaterale Stimulation bei der Verstärkung des Gegenwartserlebens anboten, während eine zweite Gruppe das gleiche Vorgehen ohne bilaterale Stimulation durchlief. Neben der subjektiven Einschätzung der erlebten Belastungen erhoben wir physiologische Parameter wie Herzrate und Hautleitfähigkeit als objektive Marker. Zusammenfassend konnten wir feststellen, dass das CIPOS-Vorgehen in beiden Bedingungen zu einer Abnahme der physiologischen Erregung führte. Es zeigte sich aber auch ein Zusatzeffekt der langsamen bilateralen Stimulation, indem in dieser Bedingung auch die subjektive Belastung im Verlauf stärker als in der Kontrollgruppe abgenommen hatte, was wir als Zeichen einer verbesserten kognitiven Verarbeitung interpretieren würden (Reichel & Stingl 2018). Es besteht weiterer Forschungsbedarf, um die Auswirkungen unterschiedlicher Stimulationsarten bei der Ressourceninstallation klären zu können.
Ressourcen wirken auch auf sozialer Ebene. Menschen sind zwar Individualisten, sie brauchen aber auch andere Menschen in sozialen Beziehungen und Zugehörigkeit, um als „Herdentiere“ ihr physisches und psychisches Überleben zu sichern (Baumeister & Leary 1995). Das Wesen vieler psychischer Störungen ist dagegen, dass Ängste, Misstrauen und inadäquate soziale Fertigkeiten die Beziehung zu anderen Menschen einschränken und in die Isolation führen. Die Förderung relationaler Ressourcen zur Beziehungsgestaltung wie Empathie, Offenheit, Konflikt- und Kritikfähigkeit trägt bei bestehenden sozialen Schwierigkeiten daher dazu bei, in belastenden Lebenssituationen um Hilfe bitten zu können und auf soziale Unterstützung zurückzugreifen. Die Auseinandersetzung mit kulturellen und symbolischen Ressourcen, wie das „kulturelle und berufsbezogene Wissenskapital“, sowie die Bindung an ein stabiles religiöses, ethisches oder politisches Glaubenssystem wirken auf einer identitäts- und sinnstiftenden Ebene (Herriger 2020).
Wirksamkeitsbefunde zur Ressourcenarbeit
Im Folgenden werden einige Studien dargestellt, die in unterschiedlichen Kontexten und mit verschiedener Methodik den Einsatz von gezielter Ressourcenarbeit untersucht haben. Die Heterogenität der Auswahl spiegelt den breiten Einsatz in der Praxis wider und belegt die Bedeutung als therapie- bzw. schulenübergreifende Interventionsmöglichkeit.
Allgemein einen positiven Effekt durch Ressourcenarbeit erfahren zu haben, gaben alle 24 Patient*innen mit komplexer Traumafolgestörung an, als sie nach ihrer subjektiven Wahrnehmung einer Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie in qualitativen Interviews befragt wurden (Gärtner et al. 2020). Dabei empfanden mehr als die Hälfte der Patient*innen es als wichtig, Stabilisierungsübungen gelernt zu haben. Ressourcenarbeit in der Stabilisierungsphase führte zu verbesserter Affektregulation, stabiler Orientierung im Hier und Jetzt und half, Affektüberflutung und Gefühle von Hilflosigkeit zu vermindern
Entsprechend konnten Gassmann und Grawe (2004) durch Mikro-Prozessanalyen zeigen, dass Ressourcenaktivierung den Therapieerfolg positiv beeinflusste (Groß et al. 2012). Ähnliche Ergebnisse bildeten sich in einer randomisiert kontrollierten Interventionsstudie von Willutzki et al. (2004) ab, bei der eine rein kognitiv-verhaltenstherapeutische Psychotherapie mit einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen und ressourcenorientierten Psychotherapie in der Behandlung sozialer Ängste verglichen wurde. Am Ende der Therapie zeigten sich signifikant stärkere Effekte in der Gruppe der Patient*innen, die mit dem ressourcenorientierten Ansatz behandelt wurden. Willutzki et al. (2004) folgerten daraus, dass durch Ressourcenaktivierung die internale Attribution von Therapiefortschritten besser möglich war. Weitere Studien von Flückiger und Grosse Holtfort (2008) sowie Flückiger et al. (2009) fanden einen positiven Einfluss von Ressourcenaktivierung auf die therapeutische Beziehung, den Therapiefortschritt, das Selbstwerterleben, Bewältigungserfahrungen, die Vermeidung von Therapieabbrüchen und das längerfristige Therapieoutcome. Der Ressourcenaktivierung schreiben die Autor*innen eine protektive Wirkung zu, welche die individuelle Resilienz stärken und das Risiko für ein Krankheitsrezidiv zu vermindern vermag.
Auch scheint Ressourcenaktivierung einen moderierenden Einfluss auf problembearbeitende Interventionen zu haben, wie Groß et al. (2012) in einem Überblicksartikel betonen. Ressourcenaktivierung verbessert die Problemaktivierung und -bearbeitung und erleichtert eine Neubewertung und Relativierung der Probleme, wodurch korrektive Erfahrungen ermöglicht werden (Smith & Grawe 2003, Gassmann & Grawe 2006, Flückiger & Studer 2009).