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Sie dürfen sich nicht lieben, denn ihre Familien sind für immer verfeindet
Für Geschäftsmann Lincoln Riscoff steht das Familienunternehmen an erster Stelle. Aber seine Welt gerät ins Wanken, als er erfährt, dass Whitney Gable zurück in der Stadt ist. Augenblicklich holen ihn die Erinnerungen an ihre eine gemeinsame Nacht ein, die sein Leben für immer veränderte. Aber auch wenn das Verlangen, Whitney wiederzusehen, so stark ist wie nie zuvor, weiß Lincoln, dass er sich von ihr fernhalten muss: Denn Whitneys Familie ist seit Jahrhunderten mit seiner eigenen verfeindet. Und ein Riscoff und eine Gable dürfen niemals zusammen sein ...
"Mit diesem Roman hat Meghan March die Messlatte für großartige Liebesromane ins Unerreichbare katapultiert!" T. M. FRAZIER
Auftaktband der verboten heißen RICHER-THAN-SIN-Trilogie von NEW-YORK-TIMES-Bestseller-Autorin Meghan March
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Seitenzahl: 314
Titel
Zu diesem Buch
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
50. Kapitel
51. Kapitel
52. Kapitel
53. Kapitel
54. Kapitel
Die Autorin
Die Romane von Megan March bei LYX
Impressum
Meghan March
Richer than Sin
Roman
Ins Deutsche übertragen von Anika Klüver
Für Lincoln Riscoff steht das Familienunternehmen an erster Stelle. Immer. Als Erbe einer der einflussreichsten Firmen des Landes ist es an ihm, den Pflichten seiner Familie nachzukommen und den Erfolg von Riscoff Holdings auch in der nächsten Generation fortzuschreiben. Doch als Lincoln die Nachricht erhält, dass Whitney Gable zurück in der Stadt ist, gerät sein Leben von einer Sekunde auf die andere ins Wanken. Erinnerungen an ihre eine gemeinsame Nacht, die ihn für immer verändert hat, stürmen auf ihn ein. Und die Frau, die er seit Jahren zu vergessen versucht, geht ihm wieder unter die Haut, als wäre sie niemals weg gewesen. Doch Lincoln weiß, dass er sich von Whitney fernhalten muss, denn ihre Familien sind seit Jahrhunderten verfeindet. Und seitdem gilt das ungeschriebene Gesetz: Ein Riscoff und eine Gable dürfen nie zusammen sein. Aber das Verlangen, Whitney wiederzusehen, ist stärker! Lincoln hat seit Ewigkeiten auf diese zweite Chance gewartet, und wenn er eins weiß, dann dass das mit ihm und Whitney noch nicht vorbei ist. Denn das mit ihnen wird nie vorbei sein!
»Ich erhebe Einspruch.«
Jedes einzelne Mitglied der Kirchengemeinde drehte den Kopf in Richtung der Doppeltür, die ich aufgestoßen hatte.
Meine Sicht war verschwommen, was zweifellos an den zwei Flaschen Scotch lag, mit denen ich versucht hatte, die Tatsache zu verdrängen, dass sie heute jemand anders heiraten würde.
Denn eine Gable und ein Riscoff konnten niemals zusammen sein.
Aber das bedeutete nicht, dass ich schweigend dabei zusehen würde, wie Whitney Gable einen anderen heiratete.
»Du Arschloch. Wie kannst du es wagen?« Whitney trug Weiß und sah wie die perfekte Braut aus, abgesehen von dem kämpferischen Ausdruck, den sie im Gesicht hatte, als sie durch den Gang auf mich zugestapft kam.
Vielleicht hatte ich das Ganze in meiner betrunkenen Benommenheit falsch eingeschätzt.
»Du kannst ihn nicht heiraten.« Ich war mir ziemlich sicher, dass meine Worte undeutlich klangen, aber das war mir egal.
»Ich weiß nicht, warum du denkst, dass du deine Meinung dazu äußern kannst, deshalb verschwinde verdammt noch mal von hier.«
»Ich kann ihn bestechen.« Ich klang immer noch undeutlich.
Whitneys Augen funkelten vor Wut. »Das. Ist. Mir. Egal. Denn mich kannst du nicht bestechen.«
Zwei Paar Arme packten mich von hinten und zerrten mich zurück zur Tür.
»Tu das nicht …« Meine Worte verhallten, als man mich die Treppen im Eingangsbereich der Kirche hinunterstieß.
»Wenn du meine Schwester jemals auch nur anschaust, werde ich dich verdammt noch mal eigenhändig umbringen. Mir ist egal, wie viel Geld deine Familie hat.« Asa Gable ragte über mir auf, und ich zweifelte nicht an seiner Drohung – vor allem weil er seine Armeeuniform und sein grünes Barett trug.
Neben ihm stand der Bräutigam. Der Mann, der Whitney den größten Mist verkauft hatte, von dem ich je im Leben gehört hatte. Ich hatte mir eingeredet, dass sie das auf keinen Fall durchziehen würde. Dass ihr Bruder das niemals zulassen würde.
Ich lag falsch. Er würde sie jeden heiraten lassen, der kein Riscoff war.
Der Bräutigam grinste dreckig, sagte aber nichts. Dann machten die beiden kehrt und marschierten zurück in die Kirche.
Wenn ich nicht so verflucht betrunken gewesen wäre, wäre ich wieder reingegangen und hätte es noch einmal versucht.
Gut möglich, dass er sie heute heiraten würde, aber ich war noch nicht fertig mit Whitney Gable.
Ich würde niemals mit ihr fertig sein.
Zehn Jahre später – Gegenwart
»Es wird Zeit, eine Entscheidung zu treffen, Junge. Du kannst sie nicht ewig hinter dir herlaufen lassen. Ich werde nicht jünger, und du musst anfangen, die nächste Generation zu gründen. Die Riscoffs dürfen nicht aussterben, und ich habe das Warten satt.«
Mein Großvater gibt mir ungebeten seinen Rat, während mein Handy auf dem Tisch zwischen uns vibriert, als eine Textnachricht reinkommt. Wir halten unser allmorgendliches Treffen auf seiner Veranda mit Blick auf die Schlucht und den Fluss ab.
»Das ist für unser jetziges Gespräch nicht von Bedeutung.« Ich nehme das Handy vom Tisch und stecke es in meine Tasche. Ich ignoriere die Nachricht von der Frau, mit der ich mich in den letzten zwei Monaten hin und wieder getroffen habe, und schlage eine Aktenmappe auf, in der sich ein Stapel mit Dokumenten befindet, die die Unterschrift des Kommodores benötigen.
Das Business steht an erster Stelle. Immer und überall. So handhaben wir das in der Riscoff-Familie.
Jede Frau, die Zeit mit mir verbringt, weiß das und ist sich auch darüber im Klaren, dass diese Treffen mit meinem Großvater heilig sind. Ich mag der Erbe eines Multimilliardendollarimperiums sein, aber der Kommodore hält offiziell immer noch die Zügel in der Hand, und jede Entscheidung, die ich treffe, muss von ihm abgesegnet werden. Treibt mich das in den Wahnsinn? Verdammt noch mal, ja. Habe ich eine Wahl? Nein, denn das ist die Familientradition. Wir bewahren und schützen das Vermächtnis um jeden Preis. Das gehört dazu, wenn man der Erbe der Riscoff-Familie ist.
»Von Bedeutung ist dagegen, dass du diese Dokumente unterschreiben musst, damit wir die Vertragsverhandlungen abschließen und noch ein paar Hundert Millionen verdienen können, bevor das Jahr zu Ende geht.«
Ich schiebe ihm den Stapel Papiere zu und lege schnell die Hand darauf, als ein Windstoß vom Fluss her die einzelnen Seiten flattern lässt und droht, sie davonzutragen. Es war einfacher, als er noch auf dem Familienanwesen wohnte. Aber damit war es vorbei, als er meiner Mutter vor zwei Jahren vorwarf, ihn vergiften zu wollen. Daraufhin zog er in diese Hütte hier draußen am Fluss. Und nun muss ich mich jeden Tag herbemühen und über fünfzehn Kilometer Fahrt über gewundene Gebirgsstraßen in Kauf nehmen, um zu einem Ort zu gelangen, an dem der Handyempfang wirklich mies ist.
Ich habe mich gefragt, ob er beschlossen hat, dieses Anwesen zu erwerben, weil Magnus Gable, sein lebenslanger Erzfeind, das heruntergekommene Haus direkt nebenan gekauft hat und der Kommodore ihn im Auge behalten wollte.
Bleib in der Nähe deiner Feinde. Der Kommodore ist skrupellos genug, also würde ich ihm das durchaus zutrauen.
Ich weiß immer noch nicht, was ich von der Vorstellung halten soll, dass meine Mutter versucht haben könnte, ihn zu vergiften. Würde sie versuchen, sein Ableben zu beschleunigen, um die Übergabe der Firmenanteile zu erzwingen? Ich sollte in der Lage sein, das mit Gewissheit zu verneinen, aber dass ich das nicht kann, sagt eine Menge über meine Familie aus. Und nichts davon ist gut.
Wenn viele Milliarden Dollar auf dem Spiel stehen, muss man jedermanns Motive hinterfragen, egal ob man mit diesen Leuten das Blut, den Namen oder beides teilt.
Die rechte Hand des Kommodores, die immer noch gebräunt und kräftig ist, zittert gerade genug, dass man es bemerkt, während er mit den Fingern über die Seiten fährt und jedes einzelne Wort liest. Mit der anderen Hand, die er über den Rand seines Elektrorollstuhls hängen lässt, streichelt er gedankenverloren den dunklen Kopf seines Chesapeake Bay Retrievers Goose. Genau wie seine Schrotflinte ist der Hund sein steter Begleiter und weicht ihm nicht von der Seite, es sei denn, der Kommodore ruft: »Hol die Ente, Goose.« Dann prescht der Hund die Stufen zum Fluss hinunter und stürzt sich ins Wasser, um das herauszuholen, was auch immer der Kommodore geschossen hat.
Momentan lehnt die Schrotflinte an der Seite des Stuhls neben meinem, höchstwahrscheinlich um Magnus Gable zu bedrohen, sollte der alte Mann Ärger machen.
Der Kommodore blättert zur nächsten Seite weiter, liest sie und greift mit der linken Hand nach seinem Montblanc-Füller. Nachdem er seine Unterschrift auf die Seite gekritzelt hat, schaut er zu mir hoch. Der Blick seiner braunen Augen ist immer noch so scharf wie in meiner ersten Erinnerung an ihn, als ich vier Jahre alt war und er mir mitteilte, dass meine einzige Aufgabe im Leben darin bestehe, das Familienvermächtnis zu bewahren und zu schützen.
»Das mit diesem Vertrag hast du gut gemacht. Ich bin stolz auf dich, Junge.« Er schiebt den Stapel zurück in die Aktenmappe und schnappt sich einen der Flusssteine, die er als Briefbeschwerer benutzt, um die Dokumente, mit denen er Multimillionendollarentscheidungen genehmigt, am Davonfliegen zu hindern.
»Danke, Sir.« Ich strecke die Hand nach der Mappe aus.
»Wir sind noch nicht fertig.«
»Gibt es noch etwas anderes zu besprechen, bevor ich mit dem hier zurück ins Büro fahre und massenhaft Geld verdiene?«
»Verdammt richtig.« Der Kommodore lehnt sich in seinem Rollstuhl zurück und verschränkt die Arme vor seiner breiten Brust. Sein schneeweißes Haar und sein dichter Bart bewegen sich kaum, obwohl der Wind stärker wird. »Sie kommt zurück.«
Meine Hand erstarrt mitten in der Luft und schwebt über der Mappe, während der alte Mann jede meiner Bewegungen und Reaktionen beobachtet.
Skrupellos bis ins Mark.
»Verzeihung?«, frage ich vorsichtig, obwohl ich ihn sehr genau verstanden habe.
»Du hast mich verstanden. Sie kommt zurück, und ich muss wissen, ob du dieses Mal in der Lage sein wirst, einen kühlen Kopf zu bewahren.«
Ich setze eine Miene auf, die nichts preisgibt. Das ist eine weitere Lektion, die ich von dem alten Mann gelernt habe.
»Wer?«, frage ich und zwinge so viel Lässigkeit wie möglich in meinen Tonfall. Ich stelle die Frage, um Zeit zu schinden, während mein Gehirn hektisch versucht, die Information zu verarbeiten. Es besteht kein Zweifel daran, wer »sie« ist. Für mich hat es immer nur eine »sie« gegeben.
Der Kommodore löst seine Arme, lehnt sich vor, legt die Ellbogen auf den Tisch und verschränkt die Finger ineinander. »Versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen, Junge. Du weißt verdammt gut, von wem ich rede. Schlaf mit dem Mädchen, wenn es sein muss. Schlag sie dir auf diese Weise aus dem Kopf. Und dann mach weiter und widme dich endlich der Gründung der nächsten Generation. Ich werde nicht ewig leben und ich will sicher sein, dass diese Firma nicht in Harrisons Händen landet.«
Obwohl er so reich ist, klingt Kommodore Riscoff immer noch, als käme er gerade von Bord eines Marineschiffs, wenn er sichergehen will, dass es keine Möglichkeit gibt, seine Worte falsch zu deuten. Mein Verstand rast, während ich zu begreifen versuche, was zum Teufel hier vorgeht. Nur eine Sache, die er gesagt hat, spielt eine Rolle.
Sie kommt zurück.
Whitney Gable … die einzige Frau, die ich je in Weiß auf den Altar zuschreiten sehen wollte.
Und dann tat sie es. Für jemand anders.
Vor zehn Jahren stellte sie meine Welt vollkommen auf den Kopf, als sie diese Bar betrat …
Die Vergangenheit
Ich wurde nach Hause gerufen wie ein verdammter Hund. Und wie einer der folgsamen Retriever, die der Kommodore einsetzt, um seine geschossenen Vögel zu apportieren, kam ich, als man mich rief. Das bedeutete jedoch nicht, dass es mir gefallen musste. Welcher fünfundzwanzigjährige Mann, der etwas auf sich hält, packt schon alles zusammen und verlässt schlagartig sein Zuhause, wenn sein Großvater mit den Fingern schnippt?
Ganz richtig. Ich. Denn das tat man als guter Erbe des Familienvermögens.
Aber ich tat es nicht nur wegen des Geldes. Nein, ich tat es, weil mir der Kommodore seit meinem vierten Lebensjahr das Familienmotto eingebläut hatte: Bewahre und schütze das Vermächtnis. Das war die Aufgabe der Riscoffs. Wir füllten die Familienkassen mit noch mehr Geld, als sich ohnehin schon darin befand, wenn wir die Zügel in die Hand nahmen, und gaben es dann an die nächste Generation weiter.
Mein Vater war nicht besonders gut darin, den strengen Ansprüchen des Kommodores zu entsprechen, wenn man den Berichten, die ich aus New York erhielt, glauben konnte. Offenbar verbrachte er mehr Zeit mit seinen Geliebten als im Büro. Diese letzte Nachricht machte deutlich, dass der Kommodore genug davon hatte. Ihm zufolge war es für mich an der Zeit, nach Gable zurückzukehren und die Lücke auszufüllen.
Ich kam, aber es musste mir nicht gefallen. Nur weil ich ein folgsamer Erbe war, bedeutete das nicht, dass mich das nicht wütend machte. Was erklärte, warum ich in einer heruntergekommenen Bar außerhalb der Stadt saß und auf den Tequila starrte, der vor mir stand.
Ich konnte mit jeglichen Verpflichtungen umgehen, mit denen mich der Kommodore konfrontierte, aber ich war nicht bereit, wieder nach Gable zu kommen. Bei Weitem nicht. Mein Herz schlug für New York, und ich erklomm die Karriereleiter in einer Firma, in der niemand in einem Eckbüro saß, der denselben Namen trug wie ich. Ich bewies mich und meinen Wert.
Gable mochte meine Heimat sein, aber ich hatte mich dort nie wohlgefühlt. Es war eine Enklave inmitten der schönsten Berge, die ich je gesehen hatte, aber es war eine gespaltene Stadt.
Dafür hatte meine Familie im Laufe der Jahre gesorgt.
Die Riscoff-Gable-Fehde war legendär und würde nicht so bald vorbei sein. Jeder hatte sich für eine Seite entschieden, vor allem seit dem letzten Vorfall im vergangenen Monat, als der Kommodore die Familienfarm der Gables bei einer Auktion kaufte, nachdem sie sie wegen verspäteter Steuerzahlungen verloren hatten. Der Kommodore brauchte und wollte das Anwesen nicht. Es bereitete ihm lediglich Freude, den Gables etwas wegzunehmen.
Einen Tag nach dem Verkauf brannten das Haus und die große Scheune bis auf die Grundmauern nieder. Die Polizei wusste nicht, ob der Kommodore es aus Boshaftigkeit getan hatte oder ob die Gables das Anwesen selbst angezündet hatten, weil sie es nicht ertragen konnten, dass es nun den Riscoffs gehörte.
Ich kannte die Wahrheit nicht und wollte sie auch nicht kennen. Für mich spielte nur die Tatsache eine Rolle, dass ich in dieser Stadt nirgendwohin gehen konnte, ohne dass die Leute mich anstarrten und genau wussten, wer ich war. Und die Hälfte von ihnen hasste mich. Die Anonymität, die ich in New York genossen hatte, wurde mir in der Minute genommen, in der ich aus dem Firmenjet stieg.
Ich griff nach der Flasche Patrón, die vor mir stand, und schenkte mir ein weiteres Glas voll ein, während das dumpfe Dröhnen der Bar noch lauter wurde.
Ich hatte ganze drei Tage gebraucht, um einen Ort zu finden, an dem ich sitzen und wütend sein konnte, ohne dass mich jemand beachtete. In meiner abgewetzten Baseballmütze mit dem Logo der Mets, dem einfachen weißen T-Shirt und der zerrissenen Jeans kümmerte sich im Mo’s keiner darum, wer ich war. Die Bar war im Grunde genommen eine Spelunke, die vor allem Biker aufsuchten, die in die Berge hinauffahren wollten. Sie befand sich an der gegenüberliegenden Weggabelung der Straße, die zu unserem Familienanwesen führte – ein Ort, an dem ich es kaum erwarten konnte, wieder abzuhauen, sobald ich die Schwelle übertrat. Das Anwesen war lediglich eine Erinnerung an die Familienpflichten, die mir den Verlauf meines restlichen Lebens vorschrieben.
Ich war mein eigener Herr, aber nun, da mein Großvater den Ton angab, war ich verflucht frustriert.
Das Mo’s stellte das perfekte Versteck dar, und heute Abend wollte ich in Ruhe trinken, während ich versuchte, mich an die Vorstellung zu gewöhnen, dass ich mein Schicksal akzeptieren musste. Dafür würde ich deutlich mehr Tequila benötigen.
Ich dachte gerade darüber nach, den Alkohol vor mir hinunterzukippen, als sich die Tür öffnete und ein Windstoß die Aufmerksamkeit aller Anwesenden – einschließlich meiner – in Richtung Eingang lenkte.
Hei. Lige. Scheiße.
Haare so schwarz wie die Nacht. Lippen so rot wie die Sünde. Ein Körper, der für die Hände eines Mannes erschaffen worden war.
Herrgott. Verdammt.
Ich war nicht betrunken, aber die ganze Welt schien sich zu verlangsamen, als ihr Haar um ihre Schultern wehte, während sie in die Bar schritt. Es war wie eine gottverdammte Pose bei einem Fotoshooting – doch dieser zufällige Effekt war ihr gar nicht bewusst.
Das dumpfe Dröhnen der Bar verstummte, als der Mund jedes einzelnen Mannes im Raum angesichts ihrer Ankunft aufzuklappen schien. Es war, als würden wir alle gespannt darauf warten, dass sie den Kopf hob. Sie stopfte etwas in ihre Handtasche und schaute auf.
Soll das ein verdammter Witz sein?
Der Blick ihrer strahlend blauen Augen versetzte mir einen Schlag in den Magen. Gleich darauf folgte ein Kinnhaken, als sie die Lippen schürzte, während sie sich in der Bar umschaute, als wäre sie ihr Königreich. Sie verkörperte die Redensart: »Geh hinein, als würde dir der Laden gehören.« Mit nach hinten gestrafften Schultern, vorgereckter Brust und erhobenem Kinn kam sie mit einem desinteressierten Gesichtsausdruck auf die Theke zu, ohne auch nur einen Mann im Raum zu beachten.
Eine Frau auf einer Mission. Verdammt, das ist heiß.
Sie strahlte ein unglaubliches Selbstvertrauen aus, als sie sich auf einen Barhocker zwei Plätze von meinem entfernt sinken ließ und einen Zwanzigdollarschein auf die Theke knallte. »Tequila. Ohne Eis. So schnell wie möglich.«
Ich lag richtig mit der Annahme, dass sich diese Frau auf einer Mission befand. Irgendein armer Trottel musste sie verärgert haben. Und das Feuer, das unter dieser glatten Haut brodelte und kaum davon zurückgehalten wurde, war das Verführerischste, was ich seit Ewigkeiten erlebt hatte. Die heftige Lust, die mich überkam, sorgte dafür, dass sich mein Schwanz in meiner Jeans regte, und ich lehnte mich vor. Ich war noch nie ein Mann gewesen, der sich eine Gelegenheit wie diese entgehen ließ.
Ich schob die Flasche Patrón über die Theke zu ihr. »Bitte sehr.«
Sie packte mich mit ihren blauen Augen bei den Eiern, als sie den Blick auf mich richtete. »Ich werde nicht mit dir schlafen, weil du mir einen Drink spendierst.«
Ich mag ihren Stil. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht – das erste, seit ich den Anruf von meinem Großvater erhalten hatte, bei dem er mir mitteilte, dass es an der Zeit war, nach Hause zu kommen.
»Das wird nicht der Grund sein.« Ich drehte mich auf meinem Barhocker herum und streckte eine Hand aus. Es war reine Gewohnheit. »Ich bin …«
»Spar’s dir, Großstadtjunge. Ich muss deinen Namen nicht kennen, um deinen Tequila zu trinken. Ich werde dich ohnehin nie wiedersehen.«
Sie bewahrte mich davor, meine Identität preiszugeben, was ihre Haltung sogar noch attraktiver machte – und dafür sorgte, dass ich ihr das Gegenteil beweisen wollte. Das war ein besonderes Talent von mir.
»Warum denkst du, dass ich ein Großstadtjunge bin?«
Sie warf einen Blick auf mein Handgelenk. »Schicke Uhr.« Sie ließ den Blick nach unten zu meinen Schuhen wandern. »Und das sind weder Bikerstiefel noch Wanderstiefel noch Stahlkappenstiefel. Du kommst nicht aus dieser Gegend.«
Sie lag falsch, aber in gewisser Weise hatte sie auch recht. Ich stammte aus Gable, aber ich war hier nicht aufgewachsen. Meine Eltern engagierten Privatlehrer für mich, bis ich zwölf wurde. Danach schickten sie mich aufs Internat. Das Gleiche galt für meinen Bruder, aber nicht für meine Schwester. Meine Eltern waren der Ansicht, dass sie keine Internatsausbildung brauche, weil sie sich auf dem College einen Ehemann angeln könne. Glücklicherweise ging sie nach Yale und hatte dort eher ihr Studium als Jungs aus Studentenverbindungen im Kopf.
Im Interesse der Wahrung meiner Anonymität nickte ich zustimmend, bevor ich den Kopf schief legte, um die abgenutzten Absatzstiefel zu betrachten, die sie zu ihrem kurzen Jeansrock trug.
»Bedeuten deine Stiefel, dass du hier aus der Gegend kommst?«
Statt meine Frage zu beantworten, stellte sie sich auf die untere Querstrebe des Barhockers und griff über die Theke, um sich ein Schnapsglas zu stibitzen. Der Jeansstoff dehnte sich über ihrem Hintern, und ich wusste, dass ich nicht hinsehen sollte, aber diesen Kampf hatte ich bereits verloren.
Herrgott, sie war perfekt.
Als sie sich wieder hinsetzte, schüttete sie Tequila aus der Flasche, bis er ihr Schnapsglas bis zum Rand füllte. »Geboren und aufgewachsen, und jetzt will ich nur noch aus dieser Stadt verschwinden. Mir reicht es langsam.«
Ich sah zu, wie sie den Tequila hinunterkippte und das Glas wie ein Profi leerte, bevor sie es auf das zerkratzte Holz der Theke knallte. Meine Aufmerksamkeit blieb an dem roten Lippenstiftabdruck am Glas hängen. Ich wusste, wo ich diese roten Lippen lieber sehen wollte.
Als sich mein Schwanz gegen meinen Reißverschluss drängte, verscheuchte ich diesen Gedanken. Ich würde nicht mit einem Ständer in der Hose in einer Bikerkneipe sitzen wie ein dreizehnjähriger Junge.
Ich lenkte den Blick wieder auf ihr Gesicht, was mir absolut nicht schwerfiel. Wann immer ich sie anschaute, bemerkte ich etwas anderes. Dieses Mal war es die kleine Sommersprosse über ihren roten Lippen.
Herrgott, sie ist umwerfend.
Sie zog eine Augenbraue hoch, und mir wurde klar, dass ich sie zu lange angestarrt hatte. Ich riss mich aus ihrem Bann los und versuchte, mich daran zu erinnern, worüber zum Teufel wir geredet hatten.
Oh ja, richtig. Sie will unbedingt aus Gable verschwinden. Damit sind wir schon zu zweit, und ich bin gerade mal seit ein paar Tagen hier.
»Und wo würdest du hingehen?«
»Das spielt keine Rolle. Ich komme hier noch nicht weg. Ich hänge fest.« Sie öffnete den Mund, schüttelte dann aber den Kopf und klappte den Mund wieder zu.
Aus irgendeinem Grund wollte ich diesem Mädchen – oder, ihrem Aussehen nach zu urteilen, dieser Frau – sagen, dass ich sie überallhin mitnehmen würde, egal wohin sie wollte. Aber das tat ich nicht.
»Man kann nicht wirklich irgendwo festhängen. Man hat immer Möglichkeiten.«
Sie richtete den Blick ihrer blauen Augen wieder auf mich, und ich hätte schwören können, dass jemand die ganze Luft aus dem Raum gesaugt hatte. Ich hatte noch nie in meinem Leben eine derartige Verbindung zu jemandem gespürt.
»Vielleicht hast du Möglichkeiten. Aber meine Pläne sind heute Abend zum Teufel gegangen. Das einzig Positive daran ist, dass ich achtzig Kilo Ballast losgeworden bin.«
Dann hatte ich mit meiner ursprünglichen Vermutung also richtig gelegen. Irgendein Arschloch hatte es sich mit dieser Frau verscherzt. Sein Verlust. Mein Gewinn.
Sie griff nach dem Hals der Flasche und goss einen weiteren Tequila in ihr Glas. Als sie es dieses Mal an ihre Lippen hob, hielt sie den Blick fest auf mich gerichtet, während sie den Inhalt hinunterkippte. Für zehn Sekunden verlor ich die Fähigkeit, einen vollständigen Satz zu bilden, und genauso lange brauchte irgendein Idiot, um neben ihr aufzutauchen.
»Hast du endlich mitbekommen, dass dieses Arschloch alles vögelt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist? Er hat uns fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, als er die Chance dazu bekam. Da ist es nicht weiter überraschend, dass er dich ebenfalls fallen lassen hat. Immerhin versuchen nun alle Frauen in L. A., mit ihm in die Kiste zu steigen.«
Die Frau warf einen Blick über ihre Schulter in Richtung des Idioten, ihr Körper spannte sich an. »Verpiss dich, Dave.«
»Ich würde lieber noch ein wenig bleiben, Baby. Ich habe jahrelang auf meine Chance gewartet, dir einen Klaps auf deinen süßen Hintern zu verpassen.«
»Diesbezüglich hast du nicht die geringste Chance.«
Diese zwei hatten eindeutig eine gemeinsame Vergangenheit, und es stand mir nicht zu, mich einzumischen. Doch als er die Hand ausstreckte und sie um ihren Ellbogen legte, sprang ich von meinem Barhocker auf.
»Sie hat dich nicht darum gebeten, sie zu berühren, also lass die Finger von ihr.«
Dave richtete seine Aufmerksamkeit auf mich, und während er abgelenkt war, sprang die blauäugige Schönheit von ihrem Platz und rammte ihm beide Handkanten fest gegen die Brust.
»Rühr mich ja nie wieder an, du Mist…«, fing sie an zu brüllen, verstummte aber, als Dave ihre Hände zurückstieß und sie gegen den Barhocker taumelte.
Oh, Teufel nein.
»So geht man verdammt noch mal nicht mit Frauen um, du Stück Scheiße.« Ich griff nach unten und half ihr auf. Dann stellte ich mich zwischen sie und Dave.
»Bleib hinter mir.« In ihrem Blick blitzte etwas auf, als er auf meinen traf, und sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ich ließ sie nicht zu Wort kommen. »Das ist sicherer.«
Glas zerbrach, und ich wirbelte herum, um zu sehen, wie Dave eine zersplitterte Bierflasche am Hals gepackt hatte.
Ich mag mit Geld aufgewachsen sein, aber das bedeutete nicht, dass ich mich auf dem Internat nicht verteidigen musste, wenn ich respektiert werden wollte. Als Teenager hatte ich bereits gelernt, wie man einsteckte und austeilte.
Dave wedelte mit dem gezackten Glas in meine Richtung, und ich blockte ihn mit dem Unterarm ab und landete einen Treffer auf seine Leber.
Die zerbrochene Flasche zersplitterte, als sie auf dem Boden aufprallte, und Dave sackte auf die Knie wie ein Klotz. Stühle kratzten über den Zementboden, als der Rest der Gäste unsere Auseinandersetzung bemerkte, und Biker standen auf.
Abgesehen vom Kämpfen hatte ich auch noch gelernt, wann man sich besser zurückziehen sollte.
Ich drehte mich um und schaute die Frau an. »Wir verschwinden von hier.«
Ihr Kopf wippte, als sie nickte, und sie schaute mit weit aufgerissenen blauen Augen über meine Schulter, während sie ihre Hand in meine gleiten ließ. »Lass uns gehen.«
Ich legte meine Finger um ihre, und wir machten uns auf den Weg zur Hintertür. Sie war mir dicht auf den Fersen, als ich die Tür aufschob und sie in die kühle, nächtliche Frühlingsluft hinausführte.
»Ich habe kein Auto.«
»Mein Truck ist gleich hier.« Ich hatte mir den Schlüssel zu einem der Utility-Trucks geschnappt, die in der Garage des Anwesens standen.
Die Tür der Bar knallte gegen die schwarze Betonziegelwand, als jemand hinter uns hergestürmt kam. Ich drehte mich um und nutzte meinen Körper einmal mehr, um sie abzuschirmen. Doch ich war zu langsam, um mein eigenes Gesicht zu schützen, als seine Faust flog.
Die Faust des Gegners rutschte an meinem Wangenknochen ab, und ich ließ die Hand meiner Begleiterin los, um mit einem rechten Haken zurückzuschlagen. Ich erwischte ihn am Kiefer. Er taumelte zurück, während das Blut in meinen Adern kochte.
»Das war nicht nett. Kein bisschen.« Ihre heisere Stimme bahnte sich einen Weg durch das Adrenalin, das durch meinen Körper rauschte. »Aber es war heiß.«
Der Kerl ging erneut auf mich los, und ich entscheid mich für einen Kinnhaken. Ächzend sank er auf die Knie.
Ich trat auf ihn zu, aber eine Hand legte sich um meinen Arm. Sie schaute mir flehend in die Augen.
»Lass uns gehen. Er ist es nicht wert. Keiner von denen ist das.«
Den Kerl dort hocken zu lassen war die einfachste Entscheidung, die ich je getroffen hatte. Zwei Minuten später saßen wir in meinem Truck und rasten vom Parkplatz, dass der Schotter nur so spritzte.
»Tut mir leid. Das ist alles meine Schuld.«
Ich schaute quer durch die Fahrerkabine zu ihr hinüber, konnte aber ihr Gesicht in der Dunkelheit nicht sehen. Hier draußen gab es keine Laternen, die die Straße erhellten, sondern nur meine Fernlichtscheinwerfer, die durch die Nacht schnitten, während wir zurück in Richtung Stadt fuhren.
»Du hast ihn nicht darum gebeten, dich anzufassen, also würde ich sagen, dass es Daves Schuld war. Wer auch immer dieser Dave ist. Willst du mir erzählen, worum es da drinnen ging?«
»Nein. Ich will nicht darüber nachdenken. Nicht heute Abend. Niemals. Ich will dieses ganze Chaos einfach nur vergessen.«
»Wo soll ich dich absetzen?« Ich hasste es, die Frage zu stellen, weil ich sie noch nicht irgendwo absetzen wollte. Vor allem weil die geringe Möglichkeit bestand, dass sie zur Wohnung ihres Freunds wollte, weil sie dort noch nicht ausgezogen war.
»Niemand hat sich je für mich eingesetzt. Noch nie.«
»Das war nichts.«
Sie wandte sich zu mir. »Für dich vielleicht nicht, aber für mich war es sehr wohl etwas. Es war alles.«
Als der Verschluss ihres Sicherheitsgurts klickte und sie ihn in die Halterung zurückschnellen ließ, warf ich einen Blick in ihre Richtung. »Was machst du da?«
Sie rutschte in die Mitte der Sitzbank. »Ich will mich bedanken.« Sie presste ihre Lippen auf meine Wange.
Ich wusste, dass ich sie niemals wiedersehen würde, wenn ich sie heute Nacht absetzen würde, und etwas in meinem Inneren sträubte sich gegen diesen Gedanken.
Es gab nur einen Ort, an den ich sie gehen lassen wollte – mit zu mir. Und nicht aufs Anwesen. Niemals auf das verdammte Anwesen. Dieser Ort saugte die Lebensenergie aus jedem, sobald man durch die Tür trat.
Ich entdeckte eine Abzweigung ein Stück vor uns und fuhr an den Straßenrand. Als ich das Innenlicht einschaltete, hob und senkte sich ihre Brust, und ihre blauen Augen waren fest auf mich gerichtet.
Mein Blut, das durch den Kampf bereits in Wallung geraten war, heizte sich um weitere hundert Grad auf. Ich sah die gleiche Lust in ihrem Gesicht aufflackern. Sie wollte mich. Ich hatte genug Erfahrung, um das zu erkennen, wenn ich es sah.
Sie sagt, dass sie vergessen will? Ich kenne die perfekte Methode, um das zu bewerkstelligen.
Ich drehte mich herum. »Wenn du mir danken willst, dann küss mich richtig.«
Sie riss die Augen auf, und ihre Pupillen weiteten sich, während sie scharf einatmete. Für einen Augenblick fragte ich mich, ob ich zu forsch und zu schnell gewesen war. Doch anstatt zurück auf ihre Seite des Sitzes zu rutschen, rückte sie näher an mich heran.
»Ich mache so was normalerweise nicht. Vermutlich wirkt das so, als wäre ich leicht zu haben, aber …«
»Alles, was du gerade tust, sorgt dafür, dass du perfekt wirkst.« Ich erkannte das Knurren in meiner Stimme kaum wieder, als ich sie an den Hüften packte und auf meinen Schoß zog.
Ihr Mund stieß mit mehr Begeisterung als Geschick gegen meinen, und irgendetwas daran machte die ganze Situation nur noch heißer. Ich vergrub eine Hand in ihrem Haar und hielt die andere fest um ihre Hüfte gelegt, während ich die Kontrolle über den Kuss übernahm und ihren Kopf drehte, damit ich das Ganze vertiefen konnte. Ich wollte mir mehr nehmen. Mehr schmecken.
Sie war wie Feuer und Hitze und Schärfe. Sie schmeckte nach Ärger. Und ich wollte alles von ihr.
Sie zog mir die Baseballkappe vom Kopf, umfasste meinen Nacken und küsste mich mit einer Gier, die ich seit Jahren nicht mehr verspürt hatte.
»Ich will dich.«
Ich zwang mich dazu, mich von ihr zu lösen, als sie diese Worte keuchte. Ich kannte nicht mal den Namen dieser Frau. Ich konnte nicht in meinem Truck mit ihr schlafen.
Sie warf mir einen strengen Blick zu. »Lass mich jetzt ja nicht hängen, Großstadtjunge.«
»Nicht hier. Ich weiß etwas Besseres für uns beide.«
Ich zwang mich dazu, sie von meinem Schoß zu heben, ließ sie aber nicht weit weg. Ich legte einen Arm um sie und zog sie dicht an mich. Dann senkte ich den Kopf, um ein weiteres Mal ihre Lippen zu kosten.
Verdammt, sie ist wie eine Droge.
Ich musste sie haben.
»Ich weiß, wo wir hinfahren können.«
Die Fahrt zur Hütte war kurz, und wir hatten verdammt großes Glück, dass es mir gelang, den Truck auf der Straße zu halten, statt ihn in den Gaben zu steuern, denn die Frau neben mir lenkte mich ziemlich ab.
Sie schwieg, aber ihre Hand lag die ganze Zeit über auf meinem Oberschenkel, und ihre Fingerkuppen hätten ebenso gut Löcher durch meine Jeans brennen können, denn ihre bloße Berührung war heiß genug dafür.
Als ich vor der kleinen Hütte anhielt, drehte sie sich zu mir und sah mich an. Der Ausdruck ihres Gesichts verriet Unentschlossenheit.
»Du solltest etwas wissen, und ich muss auch etwas von dir erfahren, bevor wir da reingehen.«
Auch wenn es mich umgebracht hätte, wenn sie plötzlich ihre Meinung geändert hätte, nickte ich und bereitete mich darauf vor, sie stattdessen nach Hause zu bringen.
»Ich mache so etwas nicht. Ich weiß, dass Frauen, die so etwas machen, genau das behaupten, aber ich sage die Wahrheit.« Die Leidenschaft in ihrem Tonfall unterstrich nur, wie ernst ihr die Sache war. »Ich bin weder eine Hure noch eine Schlampe, und ich bin auch nicht leicht zu haben.«
»Hör auf«, bat ich sie. »Hör einfach auf.«
Sie schloss die roten Lippen und schluckte.
»Ich will dich«, sagte ich. »Ich wollte dich von der Sekunde an, als du durch die Tür der Bar gekommen bist. Warum zum Teufel sollte ich schlecht von dir denken, wenn ich im selben Boot sitze? Hier braucht keiner über den anderen zu richten, okay? Ich glaube dir.«
Sie betrachtete mein Gesicht, als wäre sie sich nicht sicher, ob ich ihr nur schmeicheln wollte, aber das war wirklich nicht meine Absicht. Natürlich gab es so was wie Doppelmoral, aber meine Sicht auf die Dinge war in Anbetracht des Verhaltens meines Vaters ein wenig anders.
»Okay«, sagte sie mit einem Nicken.
»Also, was willst du über mich wissen?«
Sie schwieg.
»Frag einfach. Was immer du wissen willst.«
»Du bist kein Serienmörder, oder?« Sie runzelte die Stirn, und ich hatte das Gefühl, dass ihre Frage vollkommen ernst gemeint war.
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf, während mein Lachen in der Fahrerkabine des Trucks widerhallte.
»Denn wenn du einer bist, verspreche ich dir, dass ich zurückkehren werde, falls du mich umbringst, um dich für den Rest deines Lebens heimzusuchen. Ich mag klein sein, aber in mir wird eine Menge Wut stecken.«
»Ich glaube dir«, sagte ich, und mein Mund verzog sich das erste Mal seit Tagen zu einem richtigen Lächeln. »Ich verspreche, dass ich kein Serienmörder bin. Ich habe früher mal ein paar Rehe geschossen, aber das ist auch schon alles. Du hast zwar keinen Grund, mir zu glauben, aber du bist nicht in Gefahr. Heute Nacht wird nichts passieren, was du nicht willst oder verlangst.«
Ihr Zögern verriet mir mehr, als ihre Worte es je gekonnt hätten. Das war untypisch für sie. Sie ging normalerweise nicht mit beliebigen Typen aus der Bar nach Hause. Ich vermutete, dass sie noch nicht einmal in der Bar gewesen wäre, wenn sie sich nicht von ihrem Freund getrennt hätte.
»Gut. Denn ich habe in meinem Leben viele dumme Entscheidungen getroffen, und ich will nicht, dass diese hier dazugehört.«
»Dir wird nichts passieren. Ich gebe dir mein Wort als …« Ich hätte beinahe »Riscoff« gesagt, hielt aber abrupt inne.
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Dein Wort als was?«
»Als ein Mann, den man schlagen würde, wenn er sich einer Frau gegenüber respektlos verhalten hätte.«
Es war das Erste, was mir in den Sinn gekommen war, und es entsprach absolut der Wahrheit. Der Kommodore würde mich umbringen, und dann würde mich meine Mutter im Garten vergraben. Das war die eine Sache, bei der sich beide einig waren.
Sie schaute durch die Windschutzscheibe zur Hütte, die von den hellen Scheinwerfern des Trucks angestrahlt wurde. »Ist das dein Haus?«
Ich nickte und stellte den Motor ab. Da ich meine Identität nicht offenbaren wollte, erzählte ich ihr nicht, dass es eine Jagdhütte war, die sich seit Jahrzehnten im Besitz meiner Familie befand. Sie war normal, nicht zu übertrieben, und ich hatte mich hier immer wohler gefühlt als auf dem Anwesen.
Ich nahm kein Zögern in ihrem Tonfall war, wollte aber trotzdem sichergehen, dass das hier für sie in Ordnung ging, während ich den Schlüssel aus dem Zündschloss zog. »Willst du deine Meinung ändern?«
Sie schüttelte lächelnd den Kopf, und mein Körper kribbelte, als hätte ich irgendein starkes Rauschmittel eingeworfen.
Gott sei Dank. Aber ich sprach die Worte nicht laut aus.
Stattdessen sagte ich: »Du bist wirklich was Besonderes, Blue.« Ich weiß nicht, warum ich ihr einen Kosenamen gab, aber er kam mir so leicht über die Lippen. Sie hatte so wunderschöne blaue Augen.
»Ich bin ein Niemand«, widersprach sie und wandte den Blick ab. »Aber heute Nacht will ich das vergessen.«
Ich streckte eine Hand aus und strich mit dem Daumen über ihre Wange. »Du bist kein Niemand. Ich muss deinen Namen nicht kennen, um das zu wissen. Aber heute Nacht werde ich dafür sorgen, dass du alles vergisst, was dich in diese Bar geführt hat, wenn du das willst.«
Sie hob den Blick und schaute mir in die Augen. »Genau das will ich. Und wir fangen jetzt damit an.« Sie drehte sich zu mir und schwang ein Bein über mich. Ihr Rock rutschte bis zu ihren Oberschenkeln hoch, als sie sich wieder rittlings auf meinen Schoß setzte. Ihr Körper vibrierte nahezu vor Verlangen.
Noch nie in meinem Leben hatte mich eine Frau so sehr gewollt, ohne zu wissen, wer ich war.
Normalerweise rissen sie sich die Höschen vom Leib, wenn sie meinen Nachnamen erfuhren, aber diese Frau wollte mich. Einfach nur mich. Dieses Wissen war stärker als eine ganze Flasche Tequila.
Unsere Lippen trafen aufeinander, und ihr Kuss war voller Gier und Verzweiflung. Ich gab ihr genau das Gleiche zurück. Ich labte mich an all ihren Empfindungen und empfand alles noch intensiver.
Schließlich löste ich meine Lippen von ihr. »Wir sollten reingehen. Ich werde gleich zum ersten Mal mit dir schlafen, und das wird nicht in diesem Truck passieren. Auf keinen Fall.«
Sie öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber ich hatte die Hand bereits am Türgriff. Ich manövrierte uns nach draußen und hob sie hoch, damit ich sie in die Hütte tragen konnte.
»Du magst ein Großstadtjunge sein, aber du verhältst dich nicht wie einer.« Sie umklammerte meine Schultern.
Wieder zupfte ein Lächeln an meinen Lippen, während ich vor der Tür stehen blieb und sie an meinem Körper entlang nach unten gleiten ließ, bis ihre Füße den Boden berührten. Die harte Beule in meiner Jeans, die sie mir beschert hatte, als sie im Truck auf meinen Schoß geklettert war, konnte ihr nicht entgangen sein.
»Freut mich, dass du das gut findest.«
Als ich mich zur Tür herumdrehte, fiel mir ein, dass ich keinen Schlüssel dabeihatte. Aber ich weiß, wo der Ersatzschlüssel versteckt ist.
»Warte eine Sekunde.« Ich ging ein paar Schritte zur Seite und hob den mit Moos bewachsenen Stein direkt unter dem mittleren Fenster an.
»Hast du deinen Schlüssel verloren?«