Richtig Schreiben geht natürlich - Christina Buchner - E-Book

Richtig Schreiben geht natürlich E-Book

Christina Buchner

0,0

Beschreibung

Warum haben so viele Kinder Schwierigkeiten mit dem Rechtschreiben? Die Antwort gibt dieses Buch: Wer nie gründlich das Schreiben gelernt hat, wer motorisch nur schwer in der Lage ist, den Stift zu halten und in den richtigen Bewegungen über das Papier zu führen, der wird für die richtige Schreibweise von Wörtern wenig bis gar keine Energie mehr aufwenden können. In diesem Fachbuch wird erstmals auf die Grundlagen des Schreibens eingegangen. Es wird dafür plädiert, vor dem Rechtschreiben erst einmal das Schreiben richtig zu lernen. Erst wenn der Vorgang des Schreibens mühelos geworden ist, sind die Kinder auch in der Lage, sich auf die richtige Schreibweise von Wörtern zu konzentrieren.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 171

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Vorwort

Einführung

Schreiben will gelernt sein

Die Grundlagen der Schreibfähigkeit

Schrauben ohne Schraubenzieher und im ersten Gang von München nach Hamburg

Kein Erfolg ohne Grundlagen

Der gründliche Schreiblehrgang

Freude an der Arbeit – das didaktische Stiefkind

Die drei Säulen des Schreibenlernens

Was brauchen Körper und Geist, um überhaupt mit dem Schreibenlernen beginnen zu können?

Der gründliche Schreiblehrgang

Die Freude am Schreiben – Was wir gerne tun, machen wir besser

Arbeit an den Grundlagen – es geht einfach los

Setz dich richtig hin

Exkurs: Benni und die liegende Acht

Die Bedeutung der liegenden Acht

Die liegende Acht im Unterricht

Variationen der liegenden Acht

Die liegende Acht ab der dritten Klasse

Noch einmal der Nutzen der liegenden Acht im Überblick

Der Nacken hat‘s in sich

TLR – der tonische Labyrinthreflex

ATNR – der asymmetrische tonische Nackenreflex

STNR – der symmetrische tonische Nackenreflex

Die Berücksichtigung der Reflexe im Schreiblehrgang

Ohne Bewegung kein Lernen – das tägliche Training

Der ATNR als Thema des Reflexturnens

STNR und TLR als Thema des Reflexturnens

Kleiner Exkurs zum STNR und zur schulischen Förderung allgemein

Kurze Zwischenbilanz

Zwei weitere wichtige Reflexe

Der Such-Saug-Schluckreflex und der Greifreflex

Handgymnastik – jetzt geht` s noch mehr zur Sache

Das leicht bewegliche Handgelenk

Der Daumengegenstellermuskel – er unterscheidet uns vom Affen

Zwei einfache Übungen zur Lockerung des Daumens

Das Kreuz mit dem Kreuzbein

Zwei einfache Übungen zur Lockerung des Kreuzbeins

Spielerische und musische Aktivitäten, die es in sich haben

Die tägliche Bewegungszeit

Das aufrechte Stehen

Joggen, die Überkreuzbewegung

Immer dabei: Die liegende Acht

Reflexturnen als wirkungsvolle Ergänzung

Die Bewegungszeit gut beenden

Zusammenfassung

Musik und Rhythmus – bitte nicht unter den Teppich kehren!

Leben ist Rhythmus

Rhythmus und Sprache

Rhythmische Sätze mit Hand und Fuß

Die rhythmische Speisekarte

Rhythmen klatschen

Klatschspiele – alt und immer noch attraktiv

Gedichte – der Königsweg zum schönen Sprechen

Zungenbrecher – Akrobatik für die Mundmotorik

Singen – mehr Integration geht fast nicht

Gemeinsames Tanzen – Psychohygiene und Lernförderung

Gehen nach Musik

Vom rhythmischen Bewegen zum Tanzen

Eine einfache Kombination

Weitere Möglichkeiten

Fadenspiele

Stickkartons

Pustespiele

Kneten

Hier ist mein Kneterezept:

Ballspiele, Wurfspiele

Die tägliche Vorlesezeit – alles andere als vergeudet

Gründliche Überlegung und Planung

Konsequenz, Ausdauer und Regelmäßigkeit

Zusammenfassung

Das Gestalten der richtigen Lernumgebung

Bewegung ermöglichen

Verschiedene Arbeitshaltungen akzeptieren, wenn es gerade möglich ist.

Individuelle Bewegungsmöglichkeiten schaffen

Die Organisation der Arbeit

Das Arbeitspensum überschaubar halten

Motivierendes Lehrerverhalten

Formatives Feedback

Erfolge zählen

Die Grundlagen sind gelegt

Nichts geht über einen gründlichen Schreiblehrgang

Grundformen für gebundene Buchstaben

Exkurs über die Tücken des flüchtigen Schreibens

Es geht weiter mit dem Lehrgang

Die ersten kleinen Wörter

Saubere Deckstriche und „harmonischer Ausklang“ am Ende des Wortes

Eine neue Grundform

Fangen wir mit dem „a“ an:

Nächster Schritt beim Üben

Großbuchstaben nicht vergessen

Die letzten beiden Kugelbuchstaben

Wir schlagen ein neues Übungskapitel auf

Die restlichen Schleifenbuchstaben

Noch einige schwierige Kandidaten

Ganz zum Schluss eine bunte Gesellschaft

Ein weiteres kurzes, aber wichtiges Kapitel: Buchstabenverbindungen

Die Freude am Schreiben

Die Lehrerpersönlichkeit

Gemeinsam mit anderen Kindern etwas machen

Zum Gruppenschreiben auf Tapetenrolle:

Wer schreibt, wird gehört

Das Gestalten von Gedichten

Das 10-Minuten-Schreiben

Schlussgedanken

Dank

Literatur und Quellen

Über die Autorin

Weitere Bücher:

Vorwort

Richtig schreiben geht natürlich – dieser Titel klingt vielleicht provokativ. Das darf er auch ruhig sein, denn ich begebe mich mit meinen Ausführungen in ein unruhiges Fahrwasser, plädiere ich doch für etwas, das einerseits als aus der Mode und eigentlich unnötig angesehen wird, dessen Schwinden man aber unlogischerweise andererseits beklagt: Ich spreche von einer ordentlichen, formschönen und flüssigen Handschrift.

Und ich behaupte, dass es möglich ist, diese zu erlernen, ja, noch mehr: Ich postuliere, dass das „natürlich“ geht. Dieser Begriff „natürlich“ gilt für mich in zweifacher Bedeutung. Einmal drückt er aus, dass es selbstverständlich möglich ist, richtig zu schreiben und zum anderen besagt er, dass das auf natürliche Weise geht.

Damit ist nicht gemeint, dass die Fähigkeit zum Schreiben uns von ganz alleine zuwächst, aber das tun andere Fähigkeiten auch nicht: Sowohl das Laufen- als auch das Sprechenlernen erfordern sehr viel Übung, bis wir beides souverän und selbstverständlich anwenden.

Das Schreibenlernen unterscheidet sich insofern von Laufen oder Sprechen, als es eines gezielten Lehrgangs bedarf, hier zu reussieren. Sind jedoch die körperlichen und neuronalen Voraussetzungen für das Erlernen dieser hochkomplexen Tätigkeit vorhanden und finden die Kinder daran auch noch Gefallen, dann wird das Ganze leicht und spielerisch, auch wenn es Anstrengung kostet. Ein wichtiger Teil des vorliegenden Lehrgangs beschäftigt sich deshalb damit, wie wir auf kindgemäße Weise die Grundlagen schaffen können, die es unseren Schülern ermöglichen, sich mit Freude auf das Abenteuer des Schreibenlernens einzulassen.

Kinder sind durchaus bereit sich anzustrengen, wenn ihnen das, was sie tun, die Anstrengung wert ist. Bei vielem, was die Schule bietet, ist einfach kein Anreiz dafür da. Das geht bereits in der ersten Klasse mit Fibeltexten los, deren Simplizität fast wehtut. Kein halbwegs vernünftiger ABC-Schütze wird sich von „Otto kommt mit Oma“ begeistern lassen.

Die Lückentexte, mit denen Grundschüler dann in der zweiten, dritten oder vierten Klasse hinter die Geheimnisse von Grammatik und Rechtschreibregeln kommen sollen, sind nicht sehr viel attraktiver. Und auch beim Rechnen tut sich wenig Spannendes, wenn man die verschiedenen Arbeitshefte, passend zu den Büchern, kritisch betrachtet.

Dabei könnten sowohl das Lesen als auch das Untersuchen von Sprache oder der glasklare Aufbau des mathematischen Regelwerks faszinierend sein, aber diese Faszination sichtbar zu machen, das wäre unsere Aufgabe als Pädagogen und Didaktiker.

Ich habe mein langes Lehrerleben damit verbracht, Wege zu suchen, wie Schule für uns alle, die Kinder und die Lehrer, ein Ort sein kann, an dem wir uns miteinander wohlfühlen und miteinander lernen und wachsen. So habe ich für die zentralen Bereiche Lesen, Schreiben und Rechnen, aber auch für das Classroom Management, das Theaterspiel, den Musikunterricht, meine eigenen Methoden entwickelt, die ich in meinen Büchern und auf meinen Blogs mit dir, liebe Leserin und lieber Leser, gerne teile.

Was das Schreibenlernen betrifft, so wirst du dir vielleicht nicht recht vorstellen können, wie man Kinder für diese auf den ersten Blick doch eher trockene Materie gewinnen kann. Das kann ich hier auch nicht in extenso ausführen. Deshalb: Lies dieses Buch, lass dich überraschen und habe den „Mut und die Entschlusskraft“ – frei nach Immanuel Kant –, dich darauf einzulassen.

Damit die Lektüre flüssig und ohne Stolpersteine erfolgen kann, verzichte ich auf Gendersternchen, Binnen-I und Doppelpunkte. Mir sind Leser und Leserinnen gleich lieb und wert und ich hoffe, dass keiner und keine sich benachteiligt fühlt, wenn ich nur eine Geschlechterform verwende. Es sind immer alle gemeint. Und dass ich euch, liebe Leserinnen und Leser, nun zum ersten Mal in einem Buch in der zweiten Person – also mit „du“ und „euch“ – anspreche, verstimmt hoffentlich niemanden, aber so halte ich es in meinen Blogs und es käme mir sehr unnatürlich und gespreizt vor, es hier anders zu machen.

So bleibt mir nur noch, euch eine angenehme Lektüre und viele nützliche Anregungen zu wünschen.

Traunstein, im Mai 2023

Christina Buchner

Einführung

Über die mangelnde Qualität schulischer Bildung wird seit Jahren viel geschrieben und geklagt.

Auch wenn diese Klagen berechtigt sind, so möchte ich mich ihnen hier nicht anschließen, und zwar deshalb nicht, weil dazu ohnehin schon alles gesagt ist und das bloße Benennen der Übelstände als erster Schritt hin zu einer Abhilfe derselben zwar nötig, aber eben nicht ausreichend ist.

Vielmehr möchte ich dazu beitragen, Lösungen in den Alltag zu implementieren – Lösungen allerdings, die ziemlich weit unten in der Schulbiographie ansetzen. Ein nur schwach literalisierter Zwanzigjähriger ist eine so harte Nuss, dass sie kaum noch geknackt werden kann. Diese Nuss muss von selbst aufgehen. Das heißt, der junge Mensch muss sich selbst entschließen, dem Übelstand abzuhelfen. Dann allerdings ist auch in diesem „hohen Alter“ beileibe noch nicht alles verloren.

Hier aber soll es um Kinder gehen und darum, wie wir ihnen den Weg zum Schriftspracherwerb zugänglich, erfolgversprechend und schmackhaft machen können.

Halten wir fest:

Die Selbstverständlichkeiten Lesen und Schreiben sind gerade das nicht – oder nicht mehr? –, nämlich selbstverständlich.

Viele Schüler verlassen unsere Schulen, ohne auf diesen notwendigen, ja geradezu unverzichtbaren, Feldern eine alltagstaugliche Geläufigkeit erworben zu haben.

Das Abitur – einst ein Gütesiegel und eine Garantie für Hochschultauglichkeit – dient zwar nach wie vor als Eintrittskarte in die akademische Bildung, bürgt aber längst nicht mehr dafür, dass die Inhaber der Reifezeugnisse auch wirklich das schriftsprachliche Rüstzeug haben, um längere und komplexe Texte sinnerfassend zu lesen und eigene Texte sprachlich einwandfrei zu verfassen.

Was also ist zu tun?

Sehr laut wird von verschiedenen Seiten gefordert, die Bildungspolitik solle gefälligst mal „in die Gänge“ kommen und handeln. Da werden allerlei Ansprüche erhoben.

Hier einige Beispiele:

Kleinere Klassen

Andere Lehrpläne

Zwei Lehrer in einer Klasse

Multiprofessionelle Teams an jeder Schule

Ausbau der schulpsychologischen Beratungsstellen

Verbesserte Lehrerausbildung

All diesen Vorschlägen ist eines gemeinsam: Ihre Umsetzung dauert Jahre – oder ist erst einmal gar nicht möglich – und ist mit zum Teil enormen Kosten verbunden.

Und über die tatsächliche Wirksamkeit dieser Verbesserungsmöglichkeiten ließe sich auch noch trefflich streiten, aber das bringt uns nicht weiter.

Sollen wir uns also zurücklehnen, über die Umstände jammern und ansonsten das tun, was sich bisher schon sehr schlecht bewährt hat, nämlich abwarten, fordern und Schuldige suchen?

Oder sollen wir das tun, was uns als Profis weit besser ansteht, nämlich vor dem Hintergrund fundierter fachlicher Informationen nach effektiven didaktischen Möglichkeiten Ausschau halten?

Diesen Weg möchte ich allen engagierten Kolleginnen – von denen es jede Menge gibt – wärmstens ans Herz legen.

Und weil es hier ganz explizit um das Schreiben geht, beschränken wir uns auf dieses Feld.

Schreiben will gelernt sein

Bei der Erwähnung des Themas „Schreiben“ wird wahrscheinlich in den meisten Lehrer-, Schüler- und Elternköpfen gleich eine Verbindung zum Rechtschreiben hergestellt werden, und das ist ja auch unbestritten ein wichtiges und weites Feld.

Es gibt eine schier unendliche Fülle an Handreichungen, Arbeitsblättern und methodischen Vorschlägen dazu, wie Kinder das Rechtschreiben lernen und üben können.

Dabei wird das Augenmerk in erster Linie nur auf das „Was?“ gelenkt, also:

Was steht da – ist es richtig oder falsch?

Völlig übersehen wird die Frage nach dem „Wie?“, also:

Wie kommt denn das Geschriebene überhaupt auf das Papier? Was müssen Gehirn, Nervenfasern und Muskeln leisten, damit im Heft ein Wort steht?

Aus der Antwort auf diese Frage ergeben sich nämlich sehr viele didaktische Forderungen für jeglichen Schreibunterricht und jede Menge Übungsfelder, die auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so viel mit dem Rechtschreiben zu tun haben.

Allerdings nur auf den ersten Blick und auch nur vielleicht, denn auch ohne großes pädagogisches Wissen muss jedem vernünftigen Menschen einleuchten, dass es zwangsläufig einen großen Unterschied macht, ob es einem Kind leicht fällt, Wörter und Sätze aus dem Füller fließen zu lassen oder ob jedes einzelne Wort, ja, jeder einzelne Buchstabe, nur unter größten Mühen auf das Papier zu bannen ist.

Wie soll denn ein Kind, für das das bloße Schreiben nicht nur Schwerarbeit, sondern eine regelrechte Schinderei ist, auch noch Energie übrig haben für Groß- und Kleinschreibung, Mitlautverdopplung, s-Schreibweisen, Dehnungs-h und vieles andere?

Da können wir noch so intensiv üben, es wird immer viel zu wenig herauskommen, gemessen am Aufwand.

Deshalb müssen wir Lehrer uns VOR jeglicher Rechtschreibarbeit vergewissern, dass das Werkzeug – das Vehikel – für das Rechtschreiben überhaupt zur Verfügung steht und dieses Werkzeug ist das leichte, flüssige Schreiben. Ohne dieses werden Rechtschreiben und Aufsätze zu einer einzigen Quälerei.

Und dieses leichte, flüssige Schreiben lernen die Kinder nicht, indem wir ihnen als Vorlagen einfach Übungsblätter geben, auf denen zu sehen ist, wie es zum Schluss aussehen soll. Dafür brauchen die Kinder keine Profis – das könnte jeder. Du aber musst deinen Schülern zu der Fähigkeit verhelfen, den Stift so über das Papier zu führen, dass die richtigen Spuren auf das Blatt „gezaubert“ werden und dafür musst du einiges darüber wissen, wie diese Schreibspuren überhaupt zustande kommen können.

Die Grundlagen der Schreibfähigkeit

Du siehst hier eine Mauer, die einer Schüssel als Unterlage dient. Diese Schüssel ist wie eine Halbkugel geformt und liegt deshalb auch nur an einem Punkt auf der Mauer auf.

Sie soll das leichte Schreiben symbolisieren und ihr labiles Gleichgewicht soll verdeutlichen, wie störanfällig das Ganze ist.

Die Steine, aus denen sich die Mauer zusammensetzt, stehen für die verschiedenen Grundfunktionen und -fähigkeiten, die für gutes Schreiben nötig sind und die beiden Herzen sollen dich daran erinnern, dass ohne die Motivation und den guten Willen der Kinder nur sehr wenig möglich ist.

Auf die einzelnen Bestandteile dieser Mauer werde ich weiter unten detailliert eingehen. Zunächst ist es mir wichtig, dir eine Idee davon zu vermitteln, wieviel es braucht, um nur „schreiben“ zu können, ganz ungeachtet der inhaltlichen und rechtschriftlichen Qualität dessen, was dabei herauskommt. Es muss uns doch zutiefst verwundern, dass es Kindern, deren Grundlagenmauer nicht oder nur rudimentär vorhanden ist, überhaupt gelingt, irgendetwas auf das Papier zu bringen, sei es auch unschön, krakelig und falsch.

Denn selbst das ist für ein Kind, dem es an den wichtigen Schreibvoraussetzungen fehlt, eine enorme Leistung.

Was aber hören diese Kinder?

„Konzentrier dich besser!“ „Du musst mehr üben!“ „Gib dir halt mehr Mühe!“

Dass das zum Verzweifeln ist, leuchtet ein und dass die Kinder in ihren Schwierigkeiten und Nöten sich alleingelassen fühlen, ist auch verständlich.

Schrauben ohne Schraubenzieher und im ersten Gang von München nach Hamburg

Ich möchte dir zwei plakative Beispiele geben für das Missverhältnis zwischen Aufgabenstellung (richtiges Schreiben) und den zur Verfügung stehenden Mitteln.

Würdest du eine Schraube mit bloßen Händen eindrehen wollen – und können?

Natürlich nicht!

Du würdest dieses Ansinnen zu Recht als Zumutung betrachten.

Das Mindeste, was du dafür brauchst, ist ein Schraubenzieher und noch besser ist ein Akkuschrauber.

Falls du aber im Notfall und in Ermangelung aller Hilfsmittel doch eine Schraube notdürftig nur mit der Hand fixieren müsstest:

Was würdest du über einen Schlaumeier denken, der die von dir mit der Hand eingedrehte Schraube nicht fest genug, zu schief oder sonst irgendwie fehlerhaft finden und bemäkeln würde? Ich vermute, nichts Schmeichelhaftes!

Oder nehmen wir an, du hättest ein Auto mit kaputtem Getriebe, bei dem nur der erste Gang funktioniert (Ich weiß nicht, ob es sowas überhaupt gibt, aber es soll ja nur hypothetisch als plakatives Beispiel dienen!). Mit diesem Auto müsstest du nun von München bis Hamburg fahren – alles im ersten Gang!

Du wirst Tage brauchen und wahrscheinlich nicht sehr erfreut sein, wenn du belehrt wirst, dass es mit einem höheren Gang doch viel schneller gegangen wäre.

Diese Vergleiche sind gar nicht so weit hergeholt, wie sie dir vielleicht vorkommen, denn genau das passiert vielen Kindern tagtäglich in der Schule und bei den Hausaufgaben: Sie sollen etwas fabrizieren, für das sie nicht ansatzweise gut genug ausgerüstet sind und bekommen alle möglichen Hinweise, was sie beachten sollen – Hinweise, die angesichts der Gesamtlage nicht nur sinnlos und töricht, sondern sogar ausgesprochen kontraproduktiv sind.

Kein Erfolg ohne Grundlagen

Was also ist der erste Schritt, wenn es ans Schreiben geht? Wir schauen, wie es um die Grundlagen bestellt ist und arbeiten daran, diese zu verbessern. Das geht im ganz normalen Unterricht, ohne dass einzelne Kinder als defizitär herausgestellt werden müssen, denn das Aufbauen, Verfeinern und Verbessern dieser Grundlagen ist für alle Kinder von großem Nutzen und falsch machen kannst du gar nichts.

Nun musst du dir aber nicht vorstellen, dass dieser Teil „Arbeit an den Grundlagen“ losgelöst vom Schreiblehrgang und vom Rechtschreibtraining stattfindet. Diese Arbeit findet vielmehr eingebettet in den Schreibkontext statt und ist gerade deshalb auch besonders wirksam.

Wie du Übungssequenzen gestalten kannst, erfährst du weiter unten (S. → ff. und S. →).

Der gründliche Schreiblehrgang

Auch wenn ein Kind alle Grundlagen für leichtes und flüssiges Schreiben mitbringt, so kann es deshalb noch lange nicht schreiben, genauso wenig wie ein Heimwerker allein durch den Besitz der richtigen Werkzeuge schon zum Handwerker wird. Und auch der Kauf eines Autos vermittelt noch nicht die entsprechende Fahrtüchtigkeit. Werkzeug, Auto und Schreibgrundlagen sind nur Voraussetzungen, aber noch nicht das, was wir damit erreichen wollen.

Im Zuge der modernen Lernmethoden ist oft das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und einiges Nützliche und Bewährte als altmodisch ad acta gelegt worden. Entdeckendes Lernen, freie Arbeit, Stationentraining, Gruppenpuzzle und andere Beschäftigungsmöglichkeiten haben in manchen Klassen das solide und gründliche Üben und die Anleitung durch die Lehrkraft fast völlig verdrängt.

Nun ist vielerorts der Katzenjammer groß, weil man merkt, dass die Kinder sich eben nicht alles allein aneignen können und dass unsere Schulabgänger gerade in den Basics gravierende Defizite aufweisen.

In meinem Lehrerteam hatte ich eine junge und sehr engagierte Kollegin und die berichtete mir eines Tages ganz stolz, sie habe für ihre Zweitklässler einen Schreiblehrgang entworfen, mit dem sie sich die Schreibschrift selber beibringen könnten. Dieser Lehrgang bestand aus Arbeitsblättern und Schreibkarten und die Kinder konnten mit diesen Vorlagen die Schreibschriftbuchstaben irgendwie abmalen. Das Wesen der Schreibschrift besteht aber nicht im Abmalen von Buchstabenformen, sondern in einem möglichst gleichmäßigen, bewegungsökonomisch sinnvollen und fließenden Schreiben und das bringen die Kinder alleine nicht hin.

Die Bewegungsabläufe des flüssigen Schreibens müssen genauso eingeübt werden wie Bewegungsabläufe beim Tennis, Golf oder Skifahren. Niemand käme auf die Idee, diese Sportarten nur anhand von Arbeitskarten und Büchern zu lernen, da muss schon ein richtiger Kurs und am besten ein Einzeltraining her.

Nun sind aber diese Sportarten verglichen mit dem, was unser Gehirn beim Schreiben leisten muss, nur banale Nichtigkeiten, Kleckerkram, Pillepalle, Kinkerlitzchen oder Peanuts.

Diese Anhäufung von Synonymen soll hervorheben, welch ein neurologisches Schwergewicht das Schreiben ist und wie sehr es dieser unglaublichen Leistung unseres Gehirns zusteht, in der Schule die nötige Aufmerksamkeit und auch das entsprechende didaktische Geschick der Lehrerin zu beanspruchen.

Und dann noch etwas: Wenn mit der Schreibschrift erst in der zweiten Klasse begonnen wird, ist die Hand durch das Schreiben von Druckbuchstaben schon programmiert auf das Schreiben einzelner Zeichen. Das flüssige Verbinden von Schriftzeichen erfordert feinmotorisch einen ganz anderen Einsatz der Handmuskulatur: Hier sind die horizontale Bewegungsrichtung und ein weniger starker Schreibdruck ein Teil der Schreibbewegung, während beim Drucken das Vertikale und in Verbindung damit oft auch ein relativ starker Schreibdruck im Vordergrund stehen.

Was spricht denn dagegen, mit Schwungübungen bereits im zweiten Trimester der ersten Klasse zu beginnen? Da wird doch kein Schaden angerichtet, wenn großräumige, rhythmische Schreibgymnastik allmählich zu den ersten Schwüngen auf Papier führt. Wie das konkret aussehen kann, wird ausführlich weiter unten behandelt (ab S. →).

Hier zeige ich dir nur – sozusagen als Appetizer – exemplarisch eine Möglichkeit, wie ein Schwung rhythmisch-musikalisch aufbereitet und präsentiert werden kann:

Freude an der Arbeit – das didaktische Stiefkind

Lernen ist mit Anstrengung verbunden und gerade das Schreiben verlangt den Kindern sehr viel ab. Aber das heißt doch noch lange nicht, dass es nicht auch Freude machen kann. Nur sind da wieder sehr stark wir Lehrer gefordert, uns darüber ganz explizit Gedanken zu machen und diesem didaktischen Bestandteil „Freude“ genügend Raum – ist gleich Zeit! – und Aufmerksamkeit zu schenken. Dafür gibt es keine fertigen Arbeitshefte, da müsst ihr schon selber ran und mit eurem Einsatz, eurer eigenen Freude am Lehren und mit eurer Kreativität Nischen schaffen, in denen Kinder sich wohlfühlen können. Kommt euch das utopisch vor? Dann lest einfach weiter, ihr werdet gerade zu diesem Thema genügend konkrete Anregungen finden, die nur darauf warten, von euch in eurer Klasse umgesetzt zu werden. Übrigens: Anregungen umsetzen muss nicht unbedingt heißen, alles genau 1:1 zu reproduzieren, was ich hier vorstelle. Es heißt in meinem Verständnis vielmehr, dass du dich davon für dein eigenes Tun inspirieren lässt und das, was für dich passt, nimmst, anderes aber entweder abwandelst oder auch etwas ganz Eigenes kreierst.

Nur eines muss dir unbedingt bewusst sein: Wenn es dir gelingt, in den Schreiblehrgang und in das Grundlagentraining Aktivitäten einzubauen, die den Kindern Freude machen, dann hast du ein sehr bedeutendes didaktisches Ziel erreicht und höchstwahrscheinlich mehr für die Schreibförderung deiner Schüler getan, als du dir jetzt vorstellen kannst.

Die drei Säulen des Schreibenlernens

Im Überblick siehst du hier die drei Säulen, auf denen die Schreibfähigkeit ruht.

Hierzu möchte ich noch einiges anmerken: