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Ringelblume sucht Löwenzahn Er liebt mich, er liebt mich nicht … Annemarie Schoenles „Ringelblume sucht Löwenzahn“ jetzt als eBook bei dotbooks. SOS! S–O–S? Na, so dramatisch fand Single-Frau Kathie Fröhlich ihr Leben eigentlich nicht. Wohl ganz im Gegensatz zu ihrem Bruder, der ihr zum 35. Geburtstag eine Freude der besonderen Art macht: Eine Zeitungsannonce soll endlich den Deckel zum Topf bringen. Frei nach dem Motto: Ringelblume sucht Löwenzahn. Und tatsächlich bleibt dieser Versuch nicht folgenlos. Kathies anfängliche Böe der Leidenschaft wird zu einem Sturm der Liebe. Bleibt nur zu hoffen, dass sich ihr Löwenzahn nicht als Pusteblume entpuppt … Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Ringelblume sucht Löwenzahn“ von Annemarie Schoenle. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag. Abends nur noch Mondschein Heitere Frauen-WG statt drögem Familienalltag – entdecken Sie Annemarie Schoenles „Abends nur noch Mondschein“ jetzt als eBook bei dotbooks. Marie ist fast 40. Sie hat alles, was frau sich wünscht … oder auch nicht: einen gutaussehenden Ehemann – der sie betrügt –, eine ganz entzückende Tochter – mitten in der Pubertät – und eine fürsorgliche Schwiegermutter – die alles besser weiß. Fast wie gerufen, erbt sie ein altes Haus, packt ihre sieben Sachen und verlässt die Familie. Doch ist nicht alles Gold, was glänzt. Das Haus muss renoviert werden, die Erbschaftssteuer fällt auch noch an und so häufen sich die Schulden. Maries Lösung: Untermieter müssen her! Aber bitte nur Frauen, denn das sind sowieso die besseren Menschen. Wenn sich Marie da mal nicht täuscht … Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Abends nur noch Mondschein“ von Annemarie Schoenle. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag
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Seitenzahl: 600
Über „Ringelblume sucht Löwenzahn“:
SOS! S–O–S? Na, so dramatisch fand Single-Frau Kathie Fröhlich ihr Leben eigentlich nicht. Wohl ganz im Gegensatz zu ihrem Bruder, der ihr zum 35. Geburtstag eine Freude der besonderen Art macht: Eine Zeitungsannonce soll endlich den Deckel zum Topf bringen. Frei nach dem Motto: Ringelblume sucht Löwenzahn. Und tatsächlich bleibt dieser Versuch nicht folgenlos. Kathies anfängliche Böe der Leidenschaft wird zu einem Sturm der Liebe. Bleibt nur zu hoffen, dass sich ihr Löwenzahn nicht als Pusteblume entpuppt …
Über „Abends nur noch Mondschein“:
Marie ist fast 40. Sie hat alles, was frau sich wünscht … oder auch nicht: einen gutaussehenden Ehemann – der sie betrügt –, eine ganz entzückende Tochter – mitten in der Pubertät – und eine fürsorgliche Schwiegermutter – die alles besser weiß. Fast wie gerufen, erbt sie ein altes Haus, packt ihre sieben Sachen und verlässt die Familie. Doch ist nicht alles Gold, was glänzt. Das Haus muss renoviert werden, die Erbschaftssteuer fällt auch noch an und so häufen sich die Schulden. Maries Lösung: Untermieter müssen her! Aber bitte nur Frauen, denn das sind sowieso die besseren Menschen. Wenn sich Marie da mal nicht täuscht …
Über die Autorin:
Die Romane Annemarie Schoenles werden millionenfach gelesen, zudem ist sie eine der begehrtesten Drehbuchautorinnen Deutschlands (u. a. Grimme-Preis). Sie ist Mutter einer erwachsenen Tochter und lebt mit ihrem Mann in der Nähe von München.
Bei dotbooks erschienen bereits Annemarie Schoenles Romane Frauen lügen besser, Frühstück zu viert, Verdammt, er liebt mich, Eine ungehorsame Frau und Nur eine kleine Affäre,Ich habe nein gesagt und Du gehörst mir sowie die Erzählbände Der Teufel steckt im Stöckelschuh, Die Rache kommt im Minirock, Die Luft ist wie Champagner und Das Leben ist ein Blumenstrauß.
Die Website der Autorin: www.annemarieschoenle.de
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Originalausgabe Dezember 2015
Copyright © der Originalausgabe Ringelblume sucht Löwenzahn 1988 Knaur Taschenbuch, München
Copyright © der Originalausgabe Abends nur noch Mondschein 1989 bei Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München
Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Rocket400 Studio
ISBN 978-3-95824-573-0
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Annemarie Schoenle
Ringelblume sucht Löwenzahn & Abends nur noch Mondschein
Zwei Romane in einem Band
dotbooks.
Alte Freunde küsst man nicht
Ein stürmischer Apriltag. Kalt, regnerisch, mit einem Himmel, der sich selbst nicht mochte und wie zäher Erbsbrei über der Stadt hing.
Katharina Fröhlich saß mit angezogenen Beinen im Bett und starrte in einen kleinen Handspiegel. Er hatte einen Sprung und teilte ihr Gesicht in zwei traurige, blasse Hälften. »Fünfunddreißig Jahre«, sagte sie erschüttert vor sich hin. »Eine alte griesgrämige Frau. Unbemannt, ungeliebt. Erste Falten um den Mund. Gesprenkelt wie ein Perlhuhnei. Rote Haare.« Sie schob den Spiegel unter die Bettdecke und beschloss, eine lauwarme Dusche zu nehmen. Lauwarme Duschen waren so ziemlich das Ekelhafteste, das sie sich vorstellen konnte, und passten zu einer Frau, die sich langsam, aber stetig dem Altersheim näherte.
Die Wohnung war still. Und mehr als öde. Wie reizend man sich wieder einmal meines Geburtstags erinnert, dachte Kathie und zog ein fröstelndes Bein unter ihr wärmendes Flanellhemd.
Klar, dass der verdammte Simon just in diesem Moment aus seinem Zimmer kam. »Schonzeit für Störche«, sagte er und blickte trübsinnig auf Kathies nackte Zehen.
»Ich habe heute Geburtstag.«
»Ach.« Simons Vokabular war reichhaltig wie immer.
»Danke für die guten Wünsche. Und für den liebevoll gedeckten Geburtstagstisch.«
»Meine liebe Katharina. Ich bin hier nur der Untermieter. Was ist mit Tobias?«
»Tobias ist hier nur der Bruder. Von einem Bruder kann man noch weniger erwarten als von einem Untermieter.« Kathie setzte ihr fröstelndes Bein wieder auf die Erde und öffnete die Küchentür.
»Oh Gott!«, sagte sie nur und erschauderte. Denn die Küche glich Dantes Inferno. Sie war ein rotweiß kariertes Schlachtfeld, auf dem es nach Tortellini alla Milanese, überbackenem Camembert und Johannisbeergrütze roch. Teller standen herum, in einer Salatschüssel welkte braun geränderter Chicoree, rosa Lippenstift prangte an einem der Weingläser, eine weiße Seidenbluse hing am Schlüssel des Besenschränkchens. Tobias’ neueste Jagdtrophäe.
»Saustall, mistiger!«, sagte Kathie und warf die Seidenbluse über einen Stuhl.
»Man sagt nicht ›Saustall‹! Und man geifert nicht wie ein böses Marktweib.« Tobias, schlaksig und sommersprossenübersät wie seine Schwester, latschte um die Ecke des schmalen, verwinkelten Flurs und sank, von neuerlicher Müdigkeit überwältigt, auf Kater Moritz’ Lieblingsstuhl. Ein paar Strähnen seines rotblonden Haares fielen ihm in die Stirn, seine Augen, sehr hell, sehr blau, blickten treuherzig zu Kathie auf. Ein höchst lächerlicher, seinen kurzen Hosen entwachsener fünfundzwanzigjähriger Gymnasiast, dachte sie. Was die Frauen an dem nur finden!
»Wenn du schon mit einer deiner Miezen hier speist, während ich bis spät nachts im Büro sitze, dann doch bitte mit einer fleißigen Hauskatze. Die abwäscht hinterher«, sagte sie.
»Mein Faible für Hauskatzen hält sich in sehr geziemenden Grenzen.« Tobias schüttelte den Kopf. »Kathie, Kathie. Wie willst du jemals einen Mann kriegen mit deiner spießigen Einstellung!«
»Meine Einstellung scheint immer dann spießig zu werden, wenn sie für dich mit Arbeit verbunden ist.«
»Ich kann doch nicht Brian Ferry, Kerzenlicht und meinen ganzen Charme kredenzen, um anschließend neckisch mit dem Scheuertuch zu winken! Man nimmt keinen Weichspüler und schüttet pfundweise Kalk darauf.«
»Dann bitte wechsle die Reihenfolge. Zuerst der Abwasch, dann der Charme. Ich habe es nämlich satt, dein Liebesleben ständig auf Kosten meiner Arbeitskraft zu bereichern.« Kathie wand ihr karottenrotes Haar zu einem braven Dutt und verschwand im Bad.
»Sie hat heute Geburtstag«, hörte sie Simon sagen.
»Warum ist sie dann so schlecht gelaunt?«
»Vielleicht das Alter …« Simons Grinsen knisterte förmlich.
»Liebes Ringelblümchen. ‘tschuldigung.« Tobias klopfte an die Badtür. »Aber am frühen Morgen darfst du von einem Studenten der Volkswirtschaft noch keinerlei geistige Turnübungen erwarten.«
»Mich deucht, von einem Studenten der Volkswirtschaft kann man auch während des Tages nichts Besonderes erwarten.«
»Du kränkst mich tief.«
»Du mich auch«, sagte Kathie. »Und nenn mich gefälligst nicht immer Ringelblümchen. Ich ringle nicht. Ich bin eine selbstständige moderne Frau, der du vielleicht eine Tasse Kaffee machen solltest.«
Tobias zwinkerte Simon zu und begab sich mit der Zeitung auf die Toilette. Toilette war immer gut. Toilette konnte man abschließen. Toilette verbat anders geartete Tätigkeiten.
Kollege Udo Marquart, der gelegentlich für einen Zwillingsbruder von J.B. Kerner gehalten wurde und den diese Tatsache auch noch glücklich machte, saß am Computer und hüstelte. »Der Hartmann hat bereits nach dir gefragt«, sagte er.
Kathie blickte sich um, und ihre Enttäuschung war so endlos und grau wie die Gänge der Firma Pelz & Söhne. Keine Blumen! Keine Karte! Nichts. Der Glanz einer Chefsekretärin schien sich mit den Jahren ähnlich abzunutzen wie der einer Ehefrau. Wobei es die Ehefrau weitaus besser hat, dachte Kathie böse. Wenn Evelyn Hartmanns Geburtstag sich jährte, stand es in Kathies Kalender. Sie telefonierte nach Blumen, sie schickte den widerstrebenden Ehemann zum Juwelier, sie inspirierte das Lehrmädchen zum Kauf einer veilchenumrankten Geburtstagskarte.
»Kathie?«
»Kathie hier, Kathie da«, sagte sie böse.
»Bitte kommen Sie! Ich will die Akte ›Stahl KG‹ mit Ihnen besprechen.«
Als Kathie Ralph Hartmann folgte, schmolz ihr Herz, und ihr Ärger fiel in sich zusammen wie Asche im Kamin. Sah er nicht göttlich aus? Ach ja, gewiss, das tat er. Er war groß, kräftig, hatte glattes schwarzes Haar, einen schwarzen Kirgisenbart, schwarze Augen, gelbbraun getönte Haut. Mindestens sechzehn rassige Schönheitsköniginnen und fünfzig Dressmen mussten sich in seiner stattlichen Ahnenreihe höchst unmoralisch vergnügt haben. Schiwago, ein junger Omar Sharif auf Deutsch, falls es das gab.
Er wandte sich um. »Tut mir Leid, dass es gestern Abend so spät wurde. Aber Sie wissen ja … Dr. Bender fliegt heute nach Brasilien. Die Unterlagen mussten einfach noch fertig werden.«
»Ist schon okay.«
»Was täte ich bloß ohne Sie.« Die kirschschwarzen Augen lachten.
Gute Frage, dachte Kathie. So ein dummes Luder wie sie fand er sicherlich nicht ein zweites Mal. »Ich hoffe, heute Abend kann ich pünktlich gehn …«
Ein rascher Blick. »Aber ja. Gäste?«
Kathie wurde rot. »Eine kleine Familienfeier.«
»Sie leben, glaube ich, mit Ihrem Bruder zusammen?«
»Tja. Und mit Simon, dem Untermieter.« Die Röte auf ihren Wangen vertiefte sich. Wie das schon klang! Frau Wirtin hat auch einen Mieter … »Er gehört so gut wie zur Familie«, schob sie hastig nach.
»Und Ihre Eltern?«
»Meine Mutter ist gestorben, als ich gerade sechzehn war. Und mein Vater lebt seit einigen Jahren in Kanada. Ist abgedampft mit der raffinierten Elsa.«
Ralph Hartmann lachte. »Wieso raffiniert?«
»She Looks like an angel … Aber sie ist so geldgierig wie zehn nackte Schotten und anspruchsvoll wie eine Filmdiva. Vater hat wahrscheinlich alle Hände voll zu tun.«
»Kommt er oft nach Deutschland?«
»Nein. So gut wie nie.«
»Und Sie blieben in der elterlichen Wohnung?«
»Tja. Mit Bruder Tobias und Untermieter Simon Burger sowie Kater Moritz.«
Kathie setzte sich an Ralph Hartmanns Schreibtisch und zückte enttäuscht den Bleistift. All diese dummen Fragen stellte er natürlich nicht das erste Mal. Führungsseminar, zweite Lektion: Wie motiviere ich meine Sekretärin. Ob in diesen Seminaren auch gelehrt wurde, was man mit verliebten Sekretärinnen tat? Seit genau sechseinhalb Jahren verliebten? Sie wusste jedenfalls, was Ralph Hartmann tat. Er übersah es. Aber er ignorierte es nicht. Er kokettierte damit. Eine verliebte Sekretärin war nämlich nahezu unbezahlbar. Blieb bis elf Uhr nachts an ihrem Schreibtisch hocken in der irrwitzigen Hoffnung, der Angebetete, der Herrliche, der Macher, dessen beruflicher Erfolg wie hundertprozentiger Sexappeal aus seinen eleganten Knopflöchern sprang, möge plötzlich hinter ihr stehen, nachdenklich ihren reizenden Nacken betrachten und sich seiner Männlichkeit besinnen. Um dann den Stecker aus dem Computer, die Haarnadeln aus ihrem Haar und die Whiskyflasche aus der Schublade zu ziehen. Jenen Whisky, der sonst nur den Generalvertretern der Konkurrenz vorbehalten blieb. Honey. Du raubst mir den Verstand. Und mit meiner Frau schlafe ich schon lange nicht mehr. Sie versteht mich nicht.
»Kathie?«
»Pardon, Herr Hartmann.«
Am Nachmittag telefonierte sie mit Tobias. »Wir dachten, wir machen heute Abend ein kleines Essen«, sagte er. Er hatte die Zeitung inzwischen ausgelesen, seine Stimme klang vergnügt.
»Wer ist wir?«
»Simon, Hermine, Ulla, Birgit und ich. Was hältst du davon?«
»Und jetzt wolltest du mir mitteilen, was ihr euch zu essen wünscht?«, fragte Kathie sarkastisch.
»Nein, natürlich nicht. Bring nur auf den Tisch, wozu du lustig bist.«
»Also ein Glas Wasser und das Beschwerdebuch. Okay. Ich muss Schluss machen. Tschau! Und vergiss nicht, den Kater zu füttern!«
Kathie legte auf und schnitt eine Grimasse.
Simon, Hermine, Ulla und Birgit. Entzückend. Was für eine reizende Gesellschaft. Simon, der sie immer musterte, als hätte er es mit einer total Bekloppten zu tun. Hermine, seine Dauerverlobte, die sich meist dem intelligenten Gesichtsausdruck ihres Bräutigams anschloss und mit ihren siebenundzwanzig Jahren so treublond brav und zopfig wirkte wie die Damen aus Deutschlands unbewältigter Vergangenheit, und daneben Ulla, Kathies Freundin: groß, vollbusig, grünäugig, total verschlampt und amoralisch. Über die Birgits oder Marions in Tobias’ Leben machte Kathie sich allerdings keine Gedanken. Sie waren so auswechselbar wie die Glühlämpchen im Flur, die ähnlich schnell ausbrannten wie Tobias’ Zuneigung zu ihnen. Sie waren jung, schlank, blond und albern verliebt. Manchmal klingelten sie des Nachts, schnüffelten sich in Kathies Wohnzimmer und ließen sich trösten. Sie tranken ihren Cognac leer und schliefen in ihrem Bett. »Verdammter Tobias!«, sagte Kathie so laut, dass Udo Marquart zusammenzuckte. »Verdammt« war eines der Worte, die sie besonders schätzte.
Am Abend hastete sie zum Supermarkt. Müde, abgearbeitete Sklavinnen, vielerorts auch Ehefrauen genannt, hechteten nach billigen Schnitzeln, eine aufgetakelte Blondine rammte ihr den Einkaufswagen in die Kniekehlen, und einsame Männer, die es noch nicht geschafft hatten, sich eine nach Schnitzeln hechtende Sklavin anzuschaffen, drehten ziemlich ratlos abgepackte Wurst in ihren Händen und dachten an ihre kaputte Spülmaschine. Ein pickeliger junger Mann lächelte Kathie an. »Kennen wir uns nicht?«, fragte er, sichtlich entzückt ob seines Einfallsreichtums, und streifte wie zufällig ihren Arm. Kathie lächelte giftig zurück. »Brigitte Bardot ist meine Mutter. Daher!«, sagte sie und wackelte mit den Hüften.
Als sie durch den Park lief, begann es zu regnen. Kleine Nebelschwaden krochen über den Rasen, ein paar Tauben flatterten auf und setzten sich auf den ehernen Kopf eines ehernen Reiters, ein Junge in Jeans und Anorak ließ Papierschiffchen auf Pfützen schwimmen, in denen sich der graue Himmel spiegelte.
Das Haus Königstraße 16, in dem Kathie und Tobias seit ihrer Geburt lebten, wirkte wie eine alte, schläfrige Frau, die es leid war, sich zu wundern, und die nur noch viele Röcke trug und Wärme spendete. Kathie schüttelte ihren Schirm aus. Die Flaschen in den Tragtüten schepperten gegen das Treppengeländer.
In der Wohnung roch es nicht mehr nach italienischer Kneipe. Es roch nach Bohnerwachs und Pfeifenrauch. Simons Zimmertür stand einen Spalt offen, die Lampe auf seinem Schreibtisch brannte.
Kathie schüttelte den Kopf. Kaum zu glauben, wie schnell die Zeit verflog.
In diesem Zimmer hatte sie früher mit Tobias Schulaufgaben gemacht, hatte Vokabeln abgehört, Aufsätze verbessert und müde auf tintenverschmierte Bubenfäuste gestarrt, während sie überlegte, was Vater sich wohl zum Abendbrot wünschte und welchen Anzug sie ihm für den kommenden Tag aufplätten sollte. Vater. Sie seufzte. Damals hatte er noch in Deutschland gelebt und nichts gewusst von einer raffinierten jungen Elsa. Von Frau Fröhlich, der zweiten.
»Simon?«
»Hallo, Kathie.« Simon öffnete die Küchentür. Alles an ihm war kräftig und dunkel und überaus sympathisch. Die braunen Augen, der dichte Bart, das kurz geschnittene, gelockte Haar. Er war mittelgroß, muskulös, er trug Hemden und Hosen, die weit und bequem waren, er rauchte Pfeife, hatte eine angenehm raue Stimme und saß am Abend meist lesend in seinem Zimmer. Er besaß eine Hand voll Freunde, mit denen er ab und zu zum Weintrinken ging oder ins Kino, er scheute laute Lustigkeit und hasste Angeber. Und zimperliche Frauenzimmer. Wenn er, wie jetzt, in der Küche arbeitete, zeigte sein Gesicht den gesammelten Ausdruck einer Hausfrau, die Eingemachtes abfüllt. Er war drei Jahre älter als Kathie und ihr und Tobias so vertraut wie ein Paar ausgelatschte Schuhe.
»Du brauchst doch nicht Tobias’ Saustall aufzuräumen!«, sagte Kathie.
»Lass nur! Tobias ist auf der Jagd nach Blumen. Und diese komplizierte Aufgabe raubt ihm fast den Verstand.« Simon grinste.
»Wann kommt Hermine?«
»Sie wollte gleich nach dem Amt vorbeisehen. Warum?« Kathie lachte. »Ich bin froh, dass sie erst kommt, wenn alles aufgeräumt ist. Sie hat so eine Art, mich wortlos zu maßregeln …«
Seine Miene verschloss sich. Hermine, seine Braut, war Steuerbeamtin, ein überaus tüchtiges, nüchternes Wesen und, wie alle Welt sagte, genau die Richtige für ihn.
Denn Simon, dessen Geschäftssinn in keinerlei Verhältnis zu den täglichen Anforderungen stand, betrieb unten im Haus einen kleinen Buchladen; er beriet seine Kunden mit der Sorgfalt eines Schriftgelehrten und bestückte den Laden mit Büchern, die seinem Geschmack entsprachen. »Unzweifelhaft die sicherste Methode, Pleite zu gehen«, sagte Hermine und pflegte meist korrigierend einzugreifen. »Du musst Unterhaltungsliteratur in dein Programm aufnehmen. Was willst du mit deinen Nobelpreisträgern und all den modernen Amerikanern in einer Gegend, wo vorwiegend Hausfrauen und Rentner leben?« Und sie schob Simons geliebte Klassiker in die hintersten Ecken der Regale und brütete über neuen Katalogen. Und hatte auch die glorreiche Idee mit den Schreib- und Rauchwaren.
»Ich bin kein Krämer«, hatte Simon damals geschrien. Doch Hermine hatte lediglich gemeint, er solle um Himmels willen nicht so arrogant sein, hatte die Zimmertür geschlossen und auf ihre stämmige Art erreicht, was sie für nötig hielt.
»Was gibt es denn Feines?« Simon stellte Gläser auf den Tisch.
»Risotto. Grünen Salat. Schokoladencreme. Rotwein.«
»Na, prima!« Er nahm eines der Gläser und hielt es gegen das Licht. »Was hat dir dein Schiwago geschenkt?«, fragte er, ohne Kathie anzusehen.
»Oh … Er hat …« Kathie wurde rot. »Er hat mich für morgen Abend zu einem Glas Champagner eingeladen.«
»Ach. Und seine Frau?«
»Was hat das mit seiner Frau zu tun?«
»Nun, ich nehme an, dass es nicht zum absolut Normalen gehört, mit seiner Sekretärin Champagner zu trinken.«
»Seit wann muss ich normal sein?«
Er sah sie missbilligend an. »Kathie, Kathie«, sagte er.
»Kathie, Kathie … Lass mich bloß in Ruh mit deinen spießigen Ansichten! Und danke deinem Schöpfer, dass bei dir und Hermine alles so schön im Lot ist. Die brave zukünftige Familie. Die heile Welt. Wann heiratet ihr eigentlich?«
»Bald.«
»Na, dann herzlichen Glückwunsch. Wie ich euch kenne, werdet ihr flugs ein Musterkind nach dem anderen produzieren, lauter kleine Buchhändler und Beamtinnen.« Kathie schmetterte einen Topf auf den Herd.
»Und du, meine Liebe, wirst als böse Alte enden, wenn du so weitermachst«, antwortete Simon gemütlich und steckte beide Hände in die Hosentaschen. »Mach dir bloß nichts vor!«, setzte er hinzu. »Du bist nicht die raffinierte Geliebte eines Ölmillionärs in Texas. Du bist Kathie Ringelblümchen und verplemperst dein Leben mit deiner hirnrissigen Liebe zu diesem Karrierehengst.«
»Was geht’s dich an?«
»Nichts«, sagte er. »Gott sei Dank.«
Die »hirnrissige Liebe« ärgerte sie am meisten. Und auch der »Karrierehengst«. Weil es der Wahrheit so entsetzlich nahe kam. Denn Schiwago Hartmann war ein Karrierehengst. Einer, der sein Fähnchen stets nach dem Winde hängte. Der gut angesehen war im Hause. Der gerne intrigierte. Der immer wusste, worauf’s ankam. Tss. Klar war es hirnrissig, ihn zu lieben. Doch obwohl sie ihn liebte, wusste sie, was sie von ihm zu halten hatte. So vollständig verblödet, wie Simon dachte, war sie nicht. Aber ehrlich … Waren es nicht immer die Schurken, die man am meisten begehrte? Logissimo, um mit Bruder Tobias zu sprechen. Wer mochte schon einen faden, netten Sachbearbeiter, der so gut und edel war, dass es einen grauste?
Als Ulla klingelte, atmete Kathie erleichtert auf. Ulla kam ihr gerade recht. Ulla war so herrlich unmoralisch und fand es ganz in Ordnung, dass Freundin Kathie einem verheirateten Mann nachlief. »Na und?«, sagte sie stets. »In unserem Alter? Was willst du da anderes! Entweder sind sie mit vierzig noch ledig, dann ist sowieso was faul im Staate Dänemark. Dann sitzt zu Hause das greise Mütterchen, kocht des Bübchens Lieblingsspeisen, bügelt seine Hemden und verscheucht mit giftigen Blicken alles, was nach Weib aussieht. Oder aber sie sind verwitwet, und ihr Herz liegt irgendwo zwischen Friedhof und Kneipe. Du darfst zum Jahrestag der teuren Verblichenen rosa Nelken aufs Grab legen und musst das Gulasch ständig so versalzen, wie sie es tat. Tja. Und dann haben wir noch die Geschiedenen. Mein lieber Mann! Das sind die Allerschlimmsten. Die haben bereits vor ihrem Scheidungstag beschlossen, sich an der weiblichen Menschheit zu rächen. Sie zwängen ihren Bauch in enge Jeans, tragen Hawaiihemden und Goldkettchen, stehen in den Kneipen herum und behandeln dich als reines Sexobjekt.« Ulla wusste, wovon sie sprach. Sie war seit Jahren Sexobjekt.
»Hallo, Mädchen!« Sie schüttelte eiskalten Aprilregen aus ihrer braunen Mähne und feixte. »Alles Gute! Und halt die Ohren steif! Hat Omar Sharif dir einen Brillanten geschenkt?«
»Nein. Hat er nicht. Er hat mir die Akte ›Stahl KG‹ aufs Auge gedrückt und den Geburtstag glatt vergessen.«
»Scheißkerl.«
»Richtig.«
Ulla band sich eine Schürze um und rührte im Risotto. Sie war einen Kopf größer als Kathie, vollschlank, vollbusig, hatte Augen wie Smaragde und unentwegt Liebeskummer. »Wer kommt alles heute?«, fragte sie.
»Simon, Tobias, irgendeine Birgit und Hermine.«
»Oh Gott!« Die Nennung Hermines beflügelte Ulla immer nur zu diesen zwei Worten. Umgekehrt war es ähnlich. »Aha«, sagte Hermine stets, wenn von Ulla die Rede war.
»Dreh dich um und freu dich auf der Stelle!«, rief Tobias durch die Küchentür und hielt Kathie schon von weitem einen Strauß Chrysanthemen entgegen. Weiß und gelb. Ein nachösterliches Sonderangebot der Friedhofsgärtnerei. Kathie schluckte. Chrysanthemen hatten sie ihrer Mutter immer an Allerheiligen aufs Grab gelegt. »Danke«, sagte sie etwas säuerlich und holte eine Vase.
Eine Stunde später saßen sie alle um den Tisch: Simon in seinem dicken Janker, Tobias mit frisch gescheiteltem Haar, Ulla, Hermine musternd, Hermine, Ulla übersehend, und Birgit, ein geschlechtsloses sehr junges Wesen mit dem Gesicht eines Kükens, dessen Mutter gerade im Suppentopf schmorte. Ihre wasserblauen Augen hingen unablässig an Tobias’ risottoverschmierten Lippen. Sie trug eine formlose braune Bluse, einen gemusterten Rock, der aus dem Fundus des Residenztheaters zu stammen schien und wohl gelegentlich Mutter Courage entstellte, und hatte zündholzkurzes Haar. Ein weiblicher Sträfling in Sachen Mode. Und wohl auch in Sachen Liebe, wie Kathie ihren Bruder kannte.
»Schmeckt es?«, fragte sie höflich.
Birgit nickte irritiert. Essen war plebejisch, die Lust auf Essen kundzutun, unterstes Niveau.
»Bei uns im Amt werden Arbeitszeitkonten eingeführt«, sagte Hermine zufrieden.
»Was ist das?« Tobias’ Löffel schwebte in der Luft.
»Falls du jemals in den Prozess, den man Arbeitsleben nennt, einsteigen solltest, was ich allerdings sehr bezweifle«, meinte sie, »wirst du es zu schätzen wissen. Du bestimmst nämlich deine Arbeitszeit nahezu selbst.«
»Toll.« Tobias war tief beeindruckt. »Du meinst, wenn ich am Abend vorher eine Fete habe, gehe ich mittags hin und kann mich nachmittags um drei schon wieder verabschieden?«
»Nein. Gewisse Kernzeiten müssen natürlich eingehalten werden.«
»Kernzeiten wann?«
»Anwesenheit ist Pflicht zwischen neun und fünfzehn Uhr.«
»Neun Uhr?« Das Thema war für Tobias schon gestorben. Er legte einen Arm um die junge Mutter Courage und drückte sie an sich. »Ich möchte jetzt Bescherung machen«, sagte er. »Ich kann es nämlich kaum noch erwarten.«
»Klingt wie Weihnachten.« Simon stopfte Tabak in seine Pfeife.
»Wird auch wie Weihnachten.« Tobias verzog seinen Mund, und Kathie schwante nichts Gutes. Sie räumte den Tisch ab und goss sich vorsichtshalber einen Schnaps ein. »Also«, meinte sie und lächelte.
Hermine schenkte ihr ein Tischtuch.
Ulla einen erotischen Roman.
Simons Geschenk war liebevoll in japanisches Seidenpapier verpackt. »Pass auf!«, sagte er. »Zerbrechlich.«
Es war eine kostbare alte Puppe. Ihr Porzellankopf hatte zwei Gesichter; wie immer man sie drehte, sie blickte einen an. Ein Gesicht, das weinte, und eines, das lächelte. »Du kannst so jeden Tag kundtun, wie du gelaunt bist«, meinte Simon.
»Wird für uns eine große Hilfe sein. Nicht wahr, Tobias?« Er grinste.
Kathie lief aus dem Zimmer, setzte die Puppe, das lachende Gesicht nach vorne, auf Kater Moritz’ alten Lederstuhl. »Kathie heute gut gelaunt«, rief sie übermütig und freute sich wie ein Kind. Sie umarmte Simon und küsste ihn auf die Nase. Er roch nach englischem Pfeifentabak und frischer Seife. An seinem Hals pochte eine Ader.
»Und jetzt«, sagte Tobias, »kommt der absolute Renner des Abends. Das Geschenk der Geschenke. Die Nummer eins auf dem Gabentisch.« Er erhob sich, nahm ein Paket in der Größe eines Schuhkartons vom Küchenschrank und warf es Kathie in den Schoß.
»Uff«, sagte er glücklich. »Ich freu mich seit Tagen auf diesen Augenblick.«
Es war tatsächlich ein Schuhkarton. Als Kathie Geschenkpapier und Deckel entfernt hatte, erstarrte sie. Circa dreißig ungeöffnete Briefe lagen darin und ein Zeitungsausschnitt:
RINGELBLUME SUCHT LÖWENZAHN
SOS! Leicht chaotische Mittdreißigerin,
rothaarig, sommersprossig, anschmiegsam,
anhänglich und mit chronisch gebrochenem
Herzen hat es satt, auf ihrer sumpfigen Wiese
allein zu stehn.
WER HILFT?
Zuschriften mit Bild an
Chiffre 202A865
»Wieso ›sumpfig‹?«, fragte sie.
»Klang besser als grün.«
»Und ›chaotisch‹?«
»Toller Werbeeffekt«, meinte Tobias stolz. »Wer will schon eine ausgeglichene, langweilige Tussi mit Schürze um den Leib. Und anhänglich bist du auch, musst du zugeben. Als du damals diesen Lehrer mit dem Ökotick kanntest, hast du tagelang nur Joghurt verschlungen, ihm seine Sandalen geputzt, Korn geschrotet und sittsame Rupfenkleider getragen. Wenn das nicht typische Ringelblumenmentalität ist!«
»Du willst also sagen, du hast für mich eine Anzeige aufgegeben, Briefe sind eingegangen …«
»Es kommen sicher noch mehr.«
»… Briefe sind eingegangen von wildfremden Männern, Briefe, die du in dieser dussligen Schachtel gesammelt hast, um sie mir zu schenken.«
»Klar doch. Damit du noch einen abkriegst für deine alten Tage. Ist es nicht eine göttliche Idee?« Er sah sich strahlend um.
»Sehr göttlich«, sagte Hermine. »Wie viel hat der Spaß denn gekostet?«
»Was ist schon Geld …«
»Mach die Briefe auf!« Ullas Augen glitzerten.
»Dass ich einmal so enden muss«, sagte Kathie fassungslos. »Eine Mittdreißigerin mit einem Haufen Männer im Schuhkarton, die allesamt auf meiner sumpfigen Wiese … Also, wirklich! Und dann der Text: ›Ringelblume sucht Löwenzahn‹. Das ist die unverblümte Aufforderung an sämtliche Machos in München und Umgebung, mir ihre starke Schulter zur Verfügung zu stellen. Heiliger Strohsack!« Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
Zwei Stunden später hatten Stimmung und Situation sich grundlegend geändert. Ulla machte Kathie klar, dass Ralph Hartmann ein herzloser Geselle und ihre Liebe zu ihm der pubertäre Ausrutscher einer gefühlsmäßig Abhängigen sei, Tobias setzte ihr, läppisch grinsend, Kater Moritz auf den Schoß, mit der aufbauenden Bemerkung, dieser sei wohl das einzig männliche Wesen, das ihr noch verblieb, während Hermine die Briefe zählte und ihr riet, Nutzen zu ziehen aus der Tatsache, dass dreißig Männer, ziemlich wehrlos sozusagen, auf ihrem karierten Tischtuch lagen.
Nur Simon schwieg.
»Was sagst du dazu?«, fragte Kathie. »Wen soll ich nehmen? Den FKK-Anhänger, der ständig von seiner natürlichen Körperbejahung spricht? Oder den Siebzigjährigen, der noch so rüstig ist und seine Gesundheit dreimal unterstrichen hat? Oder vielleicht den netten Grafen? Du musst zugeben, er sieht blendend aus, fast so gut wie mein Schiwago.«
»Nimm den Lyriker!«, sagte Tobias. »Du weißt schon. Der schwankende Grashalm, der so gerne auf deiner sumpfigen Wiese stünde …« Er wühlte in den Briefen: »›Ich spüre es, du bist es, du Schöne der Nacht, sitzend an dem kristallklaren Bach des Lebens.‹« Er grinste. »Das ist genau das Richtige für dich. Denn, meine liebe Katharina, du bist eine heillose Romantikerin, wie wir alle wissen …«
»Bin ich nicht«, sagte Kathie beleidigt. »Ich bin rotzfrech und sachlich wie ein Gerichtsvollzieher.«
»Der Typ mit den Maßen ist ja auch stark, findest du nicht?« Ulla kicherte.
»Vielleicht könntest du deine unanständige Begeisterung etwas zügeln«, meinte Hermine.
»Was heißt hier ›unanständig‹?«
»Deine Interessen sind uns hinlänglich bekannt.«
»Ach«, sagte Ulla.
»Genau«, antwortete Hermine, und wieder einmal war zwischen beiden alles gesagt worden, was es zu sagen gab. Simon klopfte vorsichtig seine Pfeife aus. »Für einen Jux ein bisschen teuer, das Geschenk«, meinte er.
»Wieso Jux?«
»Willst du etwa sagen, du antwortest auf irgendeinen dieser Briefe?«
»Warum nicht?« Kathie nahm einen großen Schluck Wein. Ihr Kopf war Watte mit rotem Kraushaar darum, das Leben kein Labyrinth mehr, das sie ängstigte. »Ein Bauer«, schrie sie entzückt und hielt ein neues Foto hoch. »Ist das nicht herrlich? Guck, Ulla, das Bild. Im Hintergrund sein Hof, neben ihm ein Hund, und Kühe und Hühner …«
»Du mit deiner Schussligkeit auf einem Bauernhof?«, fragte Simon. »Du melkst doch versehentlich die Hühner und schlachtest den Hund. Und bei den Kühen wunderst du dich, warum sie nicht lila sind und Schokoladenwerbung machen.«
»Behandle mich bitte nicht immer wie eine komplette Idiotin!«
»Wenn du dich wie eine solche aufführst …«
Es war plötzlich sehr still im Raum. Simon sah Kathie mit zusammengekniffenen Augen an. »Normalerweise wäre es mir gänzlich egal, was du machst. Aber dein Vater ist in Kanada, und kein Mensch passt auf dich auf …«
»Du meinst, du hegst väterliche Gefühle für mich, obwohl uns nur drei kleine Jahre trennen?«
»Drei Jahre? Dass ich nicht lache. Du führst dich auf wie ein alberner Backfisch. Bist seit Jahren in einen Mann verliebt, der für dich nicht in Frage kommt und sich nicht das Geringste aus dir macht. Erwägst jetzt, wildfremden Männern zu schreiben, dich mit ihnen zu treffen … Als ob du nicht selbst wüsstest, dass Heiratsannoncen der absolute Käse sind. Wenn Tobias schon spinnt, musst du es nicht auch noch tun.«
»Na hör mal …« Tobias zog die Schultern hoch.
»Halt den Mund!« Simons Gesicht rötete sich. »Wetten, Kathie kriegt weder einen Mann noch sonst etwas durch diese blöde Annonce?«
»Wetten, dass doch?«, fragte Kathie zurück.
»Was geht’s dich an?«, rief Hermine.
»Eben. Es geht ihn gar nichts an«, sagte Kathie, raffte die Briefe zusammen und warf sie in den Karton.
In der Nacht erwachte sie. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Sie wickelte sich in eine Decke und setzte sich ans Fenster. Es hatte aufgehört zu regnen, ein blasser, hochmütiger Mond stand am Himmel. »Ich werde dem Grafen schreiben«, sagte sie zu Kater Moritz, der auf ihren Schoß sprang und ebenfalls aus dem Fenster starrte. »Wetten, der Graf gibt Simon den Rest?« Moritz begann zu schnurren. Er hatte sehr viel übrig für philosophische Gedanken im blassen Mondlicht. Und für Kathies Hand, die seinen Nacken kraulte.
Am nächsten Morgen saß Kater Moritz auf den dreißig Briefen mit den hoffnungsvoll lächelnden Konterfeis im Schuhkarton und sah Kathie unverwandt an. Durch die geschlossenen Vorhänge stahl sich eine penetrant freundliche Sonne, Simon sang im Bad die überaus ketzerische Ballade vom Mann, der partout nicht heiraten will, und Nachbar Grunewald schmetterte mit den Türen und tat damit kund, was er von diesem jungfräulich frischen Morgen hielt.
Kathie war geneigt, sich seiner Ansicht anzuschließen. Denn ihr Kopf schwebte nicht mehr, wie am Abend zuvor, überaus heiter und gelassen inmitten rosaroter Wattewolken. Er lag eher schwer und bleich auf einem von Hermine bestickten Kissen und schien ein Hort trübsinniger Gedanken und Schlussfolgerungen. In der Nacht hatte ihr geträumt, sie säße hoch zu Ross neben jenem charmanten Grafen, dessen Brief ihr so imponierte. Und ihr zu Füßen, die Augen stumpf und verzweifelt, kauerte Ralph Hartmann und bat um den Verwalterposten. »Wollen wir ihn nehmen?«, hatte der Graf hochmütig gefragt. Und sie hatte, ein grausames Lächeln auf den blassen Lippen, geantwortet: »Nein, wozu?«
Über dieser köstlichen Aussicht war sie erwacht und hatte zu ihrem Leidwesen feststellen müssen, dass der Traum weder ihr Leben noch ihr Leben ein Traum war. Das Ganze war eher eine Mischung aus Gräfin Mariza und Eliza Doolittle und nicht im Mindesten dazu angetan, ihre düstere Verfassung aufzuhellen.
Vorsichtig streckte sie einen Fuß aus dem Bett und gähnte. »Guck nicht so dumm, Moritz!«, sagte sie. »Und sitz gefälligst nicht auf meinen zahlreichen Männern herum. Das gehört sich nicht.« Sie nahm ihren Morgenmantel und ging auf den Flur. Simons doppelgesichtige Puppe lächelte ihr entgegen. »Hallo, du.« Kathie hob sie hoch. »Du hast heute das falsche Gesicht. Heute ist Kathie nicht glücklich. Heute hat Kathie Weltschmerz.« Sie drehte die Puppe um. Das zarte Porzellangesicht blickte nun traurig und geheimnisvoll. »Ich werde dich Melusine nennen«, sagte Kathie. »Du hast Melusinenaugen.«
»Was, bitte, sind Melusinenaugen?«, rief Hermine in genau jenem heiter glucksenden Ton aus der Küche, den Kathie am Morgen partout nicht ausstehen konnte. Außerdem ärgerte sie sich. Sie ärgerte sich immer, wenn Hermine bei Simon übernachtete und in ihrer Küche herumstand. Denn Hermine war auch als Hausfrau unschlagbar. Sie klatschte nicht Wurst und Käse auf einen Teller und schrie wie eine alternde Megäre: »Frühstück ist fertig, ihr Penner!« Nein, mitnichten. Sie trällerte ein fröhliches Liedchen, legte Eier in sprudelndes Wasser, drapierte Servietten um die Saftgläser und erinnerte mit ihrem Ach-was-für-ein-herrlicher-Morgen-Getue an jene Margarinewerbung, in der die Hausfrau geziert lächelnd am rustikalen Eichentisch Platz nimmt und ihrer sauber geputzten Familie einen Topf Fett unter die Nase hält.
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