Rockstars küssen besser (Die Rockstars-Serie 7) - Teresa Sporrer - E-Book

Rockstars küssen besser (Die Rockstars-Serie 7) E-Book

Teresa Sporrer

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Beschreibung

Die junge Schauspielerin Cadence Fitzpatrick hat es bis ganz nach oben geschafft. Nach zahlreichen Auftritten in mittelmäßigen Serien ergattert sie die Hauptrolle in einem großen Hollywoodfilm. Doch genau auf dem Höhepunkt ihrer Karriere holt sie die Vergangenheit ein. Denn auch ihre Jugendliebe Nigel O'Callaghan hat den Durchbruch geschafft und lebt nun als gefeierter Rockstar in New York. Cadence ist wild entschlossen ihm alles heimzuzahlen, was er ihr Schreckliches in der Vergangenheit angetan hat. Wozu Schauspieltalent besitzen, wenn man es nicht entsprechend einsetzt? Kurzerhand schlüpft sie in die Rolle des aufstrebenden Gitarristen Charlie und bewirbt sich auf die freigewordene Stelle in der Rockband… //Alle Bände der romantischen Bestseller-Reihe:  -- Verliebe dich nie als Rockstar (Die Rockstar-Reihe 0)  -- Verliebe dich nie in einen Rockstar (Die Rockstar-Reihe 1)  -- Blind Date mit einem Rockstar (Die Rockstar-Reihe 2)  -- Ein Rockstar kommt selten allein (Die Rockstar-Reihe 3)  -- Rockstar weiblich sucht (Die Rockstar-Reihe 4)  -- Der Rockstar in meinem Bett (Die Rockstar-Reihe 5)  -- Rockstars bleiben nicht zum Frühstück (Die Rockstar-Reihe 6)  -- Rockstars küssen besser (Die Rockstar-Reihe 7)  -- Rockstars kennen kein Ende (Die Rockstar-Reihe 8)  -- Rock'n'Love (Ein Rockstar-Roman)  -- Liebe ist wie ein Rocksong (Die Rockstar-Reihe Spin-off) -- Alles begann mit einem Rocksong (Die Rockstar-Reihe Spin-off) -- Die MEGA Rockstars-E-Box: Band 1–8 der Bestseller-Reihe -- ROCKSTARS. Band 1–3 in einer E-Box -- Berührende Rocksong-Romantik im Sammelband (Die Rockstar-Reihe)//   Die Rockstar-Reihe ist abgeschlossen. Alle Bände der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden und haben ein abgeschlossenes Ende.

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Im.press Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2015 Text © Teresa Sporrer, 2015 Lektorat: Hannah Tannert Umschlagbild: photocase.de / © truelife / © mickmorley Umschlaggestaltung: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck Schrift: Alegreya, gestaltet von Juan Pablo del Peral

PROLOG

Bühne frei für Cadence Fitzpatrick

»Ich bin so froh, wenn du endlich tot bist, Schlampe.« Collin stupste meinen reglos am Boden liegenden Körper mit dem Fuß an. »Du hast das alles verdient! Wegen dir hat mich meine Frau verlassen …«

Er ging in die Knie, packte mich an meinen Haaren und zog meinen Kopf hoch, so dass ich ihm in die Augen sehen musste.

Au, au, au!, schrie meine Kopfhaut. Lass das sein, du Idiot!

Er wirkte ziemlich furchteinflößend mit der puren Raserei in seinen grünen Augen.

»Sie war schwanger. Wusstest du davon?«

Mir wurde ganz übel und in meinem Kopf drehte sich alles, aber ich kniff die Augen zusammen und riss mich zusammen.

Jetzt ja nicht ohnmächtig werden oder einen Nervenzusammenbruch riskieren, Cadence.Sei professionell!

»Natürlich«, röchelte ich

Ein heftiger Hustenanfall beutelte meinen Körper.

Mir war ganz kalt und ich war nass. Unter mir breitete sich eine rote Flüssigkeit aus. Collin hatte Fußabdrücke im Blut hinterlassen.

So würde ihn die Polizei erwischen: mit Blut an den Schuhen. Er würde auf jeden Fall nicht so leicht aus der Sache herauskommen.

Man lebt erstaunlich lange, wenn man einen Bauchschuss abbekommt. Natürlich nur, wenn er keine lebenswichtigen Organe verletzt hat. Aber irgendwann, wenn einem niemand hilft, verblutet man erbärmlich. Und das würde hoffentlich in den nächsten fünf Minuten passieren.

Collin ließ abrupt meine Haare los und ich schlug mit der Wange hart am Boden auf. Ich biss mir auf die Zunge.

Au! So war das nicht geplant!

»Natürlich wusstest du das! Und du weißt auch, dass sie das Kind abgetrieben hat!«, brüllte er mich an. Er war nun auf den Beinen und lief aufgeregt umher. »Das zwischen uns beiden war nur ein One-Night-Stand. Einmal! Und ich habe deshalb alles verloren. Alles!«

»Ich hoffe …« Ich hustete noch einmal und spuckte Blut auf den Boden. »Ich hoffe, du verrottest irgendwann in der Hölle mit mir.«

Ja, und das war es dann.

Ich krümmte mich noch einmal wie unter Schmerzen und blieb dann mit offenen Augen liegen.

Tot.

Für fünf Sekunden.

Zehn Sekunden.

Zwanzig Sekunden.

»CUT!«, rief der Regisseur endlich. »Das war’s, Cadence!«

Ich holte tief Luft. Meine Lungen hatten schon jetzt genug vom Totsein. Langsam richtete ich mich auf und fuhr mir durch die verfilzten Haare. Oh Mann, ich hatte Kunstblut in den Haaren! Meine blonden Locken waren jetzt orange und klebrig.

Jemand legte mir eine Decke um die Schultern und tätschelte mir aufmunternd den Rücken.

»Super gespielt, C.«

Ich sah hoch.

Es war Collin, der mich freundlich anlächelte, obwohl mich seine Serienfigur gerade eiskalt in einem Kellerverlies umgebracht hatte.

Aber hey, ich konnte es ihm beim besten Willen nicht verübeln: Ashley, meine Figur, war die Königin der miesen Schlampen. In unserer Serie Forever Young hatte sie den meisten Kerlen den Kopf verdreht, sie manipuliert und ausgenutzt. Mit Harold, Collins Figur, hatte sie nur geschlafen, weil sie mit seiner Frau Elena noch eine offene Rechnung gehabt hatte. Elena war nämlich ihre ältere Stiefschwester und ihre Stiefmutter hatte in ihrem Testament veranlasst, dass die Tochter, die ihr zuerst einen Enkel schenken würde, ihr riesiges Anwesen in Los Angeles und die zwei Häuser in Madrid und Canberra bekommen würde. Ashleys Halbschwester Paige war keine Bedrohung, da diese seit Staffel zwei mit ihrer lesbischen Freundin in New York lebte.

Meine Figur hatte Elenas naive Liebe zu Harold ausgenutzt, damit sie aus Liebeskummer das Kind abtrieb.

Wäre ich bei der Serie geblieben, hätte Ashley eine Schwangerschaft gefakt und das Anwesen eingesackt. Sie hätte danach jemanden angeheuert, der ihre Mutter vergiftete, und nach der Testamentsverkündung hätte sie so getan, als hätte sie ihr Kind verloren.

Deshalb hatte ich mich entschieden die Serie nach drei Jahren zu verlassen. Man sollte nicht nur aufhören, wenn es am schönsten war, sondern auch dann, wenn es eindeutig zu … zu geschmacklos wurde.

Deshalb hatte der Regisseur in Absprache mit mir beschlossen, Ashley den Serientod sterben zu lassen. Der würdigste Abgang für so ein Miststück.

Wie es ohne Ashley in der Serie weiterging, würde man erst ab März im Fernsehen sehen können. Ihr Tod war der Cliffhanger der fünften Staffel und sollte die Zuschauer ähnlich zur Verzweiflung bringen wie das Ende einer Staffel Sherlock.

»Kann ich bitte ein Wasser haben?«, fragte ich heiser. »Ich glaube, ich habe eine Armee Bodenfussel verschluckt.«

In der Zwischenzeit hatte mir eine der Assistentinnen Feuchttücher gebracht, damit ich mir Kunstblut und Make-up abwischen konnte.

Ich rubbelte gerade den Dreck von meinem Gesicht, als ich ein Glas an meiner Hand spürte. Ohne die Augen zu öffnen nahm ich es an und trank es ex aus. Erst danach fiel mir der komische Geschmack auf.

»Noch ein Glas Sekt?«, fragte mich eine Stimme, die ich hier heute gar nicht erwartet hätte.

»Das gibt’s doch nicht!«

Mein anderer Kollege und Freund Nick reichte mir ein neues Glas mit prickelndem Sekt, das ich nur zu gern annahm. Hinter ihm standen gut zwei Dutzend meiner Schauspielkollegen aus der Serie. Harmony, die Elena spielte, und Anna, die Paige mimte, rollten auf einem Wägelchen einen gut eineinhalb Meter langen Kuchen herein. Die anderen klatschten und johlten.

»Glaubst du wirklich, dass du dich an deinem letzten Tag ganz klammheimlich vom Set stehlen kannst?«, fragte mich Harmony und fuchtelte mit einem Tortenheber herum.

Ganz ehrlich?

Ja, ich wollte mich ganz leise vom Set stehlen. Ich war seit Jahren ein Teil der Serie, aber so richtige Freunde hatte ich bis auf meinen Nick-Nack nicht gefunden.

Deshalb nahm ich nun ein klein wenig verkrampft ein Stück Kuchen von Harmony entgegen. Ich hatte wirklich nichts gegen meine Schauspielkollegen. Anders als meine Figur war ich ein ganz netter, aber eher zurückhaltender Mensch. Ich blieb lieber für mich alleine. Mit Freunden musste man bloß zu viel seines Lebens teilen.

Zum Glück legte sich bald eine von Nicks riesigen Pranken, oh, ich meinte natürlich Händen, auf meine Schulter.

»Du wirst mir so fehlen, Caddy.«

»Du mir auch, Nick-Nack.«

Er stöhnte.

Warum stöhnten Leute immer, wenn ich sie mit ihrem Spitznamen anredete?

Die anderen waren von dem Kuchenmonster, das zur Krönung auch noch mein Gesicht als Fotoglasur trug, so gefesselt, dass Nick und ich uns ein bisschen abseits der Szenerie begeben konnten.

»Ich weiß, dass du als Abschiedsgeschenk ein paar Gutscheine bekommst. Hast du Lust mit mir ein bisschen am Rodeo Drive zu shoppen?«

»Nichts lieber als das!«

Ich drückte Nick mein Kuchenstück in die Hand, um endlich den Rest Blut von meinen Armen, vom Bauch und von der Hüfte zu wischen. Das Blut hatte sich durch den hauchdünnen Stoff des Seidentops gefressen und nun war ich so orange wie eine … naja, eine Orange. Ich putzte mir auch die Abdeckcreme weg, die mein Tattoo – der Spruch »We all carry these things inside that no one else can see« von einer meiner Lieblingsbands Bring Me The Horizon, den ich mir an der Hüfte habe stechen lassen – verdeckte. Meine Agentin Sophie war damals total ausgeflippt, als sie den Schriftzug gesehen hatte.

Ich meine, Hallo? Die meisten Schauspieler haben Tattoos! Ich denke da an Johnny Depp, Angelina Jolie oder Megan Fox. Man kann sich die Dinger mit ein bisschen Make-up überschminken und schon hat man wieder eine wunderschöne pfirsichfarbene Haut, ohne eine »groteske Verschandelung« – wie es Sophie formuliert hatte. Sie hatte beinah einen Nervenzusammenbruch bekommen, als sie die Lyrics auf meiner geröteten Haut gesehen hatte. Ich hatte das Tattoo vor ihr verheimlichen wollen, aber als sie mein Shirt für ein Interview zurechtzupfte und ich darauf einen kleinen Schmerzensschrei nicht unterdrücken konnte – es war gerade frisch gestochen worden -, war sie mir auf die Schliche gekommen. Sophie hatte herumgetobt wie eine Irre.

Ich war damals einundzwanzig gewesen und trotzdem hatte ich mir eine erstklassige Moralpredigt darüber anhören dürfen, was ich so Schlimmes mit meinem Körper anstellte. Sophie meinte, dass ich sie als meine Agentin zumindest hätte fragen sollen, ob ich mir das Tattoo stechen lassen darf – als hätte sie ja gesagt!

Das Verhältnis zu ihr war schwierig, aber zu sagen, dass ich sie hasste, war übertrieben. Sie war einfach ein bisschen … kompliziert, würde ich sagen, sie gehörte einfach mal wieder ordentlich durchgevögelt. Vielleicht würde dann ab und zu ein Lächeln auf ihrem Gesicht erscheinen und vielleicht würde sie dann auch einmal sagen »Gut gemacht, Cadence. Du bist mein Lieblingsschützling!« Stattdessen nervte sie mich und trieb mich beinahe in den Wahnsinn!

»Oh Mann, das Top war echt schön«, sagte ich zu Nick. »Warum muss auf das schönste Zeug immer Kunstblut drauf?«

»Echt ein Jammer«, stimmte mir Nick zu. »Genau aus dem Grund sollten wir shoppen gehen.«

»HEY!«, brüllte eine andere Schauspielkollegin plötzlich. »Ihr zwei Turteltauben steht zu weit abseits.«

Wenn jemand sagte, dass Nick und ich ein Paar waren, verbesserte ich ihn nicht mehr. Sein Charakter Ambrose und Ashley waren in der Serie meistens ein Paar, natürlich nur, wenn sie nicht wieder fremdvögelte oder Ambrose mit anderen Mädchen rumhurte. Sie waren Bad Boy und Bad Girl, die sich irgendwie magisch anzogen.

In Wirklichkeit war Nick natürlich kein Arschloch – und schwul. Aber er traute sich einfach nicht, sich zu outen. Leider war das in unserer Branche immer noch etwas, das sich entweder extrem positiv oder extrem negativ auf die Karriere auswirken konnte.

Ich war die einzige Person, die wusste, dass er eigentlich Männer liebte. Er vertraute mir, weil er ahnte, dass ich selbst ein Geheimnis mit mir herumtrug, von dem ich auch nicht wollte, dass es ans Licht kam. Ich glaube, dass er hoffte, ich würde es ihm eines Tages auch verraten.

Mit einem tiefen Atemzug verdrängte ich alles und gesellte mich mit einem Lächeln zu den Leuten, mit denen ich größtenteils die letzten drei Jahre verbracht hatte.

»Auf den Serientod von Ashley Darling!«, sagte ich lächelnd und hob mein Sektglas. »Man stirbt nur einmal.«

»Außer die Serie hieße Vampire Diaries«, mischte sich Nick ein.

»Oder Buffy«, warf der Regisseur ein.

»Oder Supernatural«, gab noch jemand zum Besten.

Die Gläser klirrten und ich lachte über irgendwelche Witze, die jemand machte, oder kicherte über so Schmeicheleien wie die, dass mein hübsches Antlitz der Serie fehlen würde.

Die Serie hatte vielleicht geendet, aber nicht die Show.

Die Show endet nie.

***

Ein paar Stunden später, in denen ich mich geduscht, umgezogen und geschminkt hatte, schlenderte ich mit Nick die wohl berühmteste Einkaufsstraße von Beverly Hills entlang.

Ich wurde nicht so oft von Paparazzi belagert, wie man vielleicht denken mochte. Momentan war ich nur eine Seriendarstellerin einer Soap, die großteils von weiblichen Teenies geguckt wurde. Aber bald … Bald würde der Trailer zu meinem ersten richtigen Film Dying For Love laufen, in dem ich die weibliche Hauptrolle übernommen hatte. Das Buch, auf dem der Film basierte, war ein weltweiter Bestseller und in mehr als 20 Sprachen übersetzt worden. Sophie war sich sicher, dass ich bald ein richtiger Star sein würde. Ich war mir sicher, dass ich davor Angst hatte.

Zur Beruhigung leckte ich an dem riesengroßen Lolli, den ich ebenfalls zum Abschied bekommen hatte.

Nick brabbelte von dem neuen Skript und davon, was Ambrose ohne seine Ashley in der nächsten Staffel machen würde: saufen, rumvögeln und ihren Mörder suchen.

Ich hörte ihm nur mit halbem Ohr zu, da ich gerade realisierte, dass ich nun endgültig aus der Serie raus war. Dass ich bald vielleicht ein Star war. Wie ich es mir immer gewünscht hatte. Wie wir es uns immer gewünscht hatten …

Ich hörte Nick kaum zu und sah mir nur halbherzig die Auslagen der Läden an.

Doch dann erregte ein Geschäft meine Aufmerksamkeit: Es war kein Klamotten- oder Schuhladen, sondern ein Gitarrenladen. Ich hatte jahrelang keinen einzigen Akkord auf meiner Gitarre mehr angeschlagen, aber als ich die Instrumente im Schaufenster sah, wurde mir sofort warm ums Herz.

Ich erinnerte mich daran, wie ich mit zehn Jahren Gitarre gelernt hatte. Doch so schnell, wie das warme Gefühl gekommen war, verwandelte es sich in einen Pfeil aus Eis, der mein Herz durchbohrte.

Nigel.

Nigel hatte mir beigebracht Gitarre zu spielen.

Nigel, Nigel, Nigel, hörte ich seinen Namen in meinem Kopf. Eine Mischung aus Übelkeit und wohligem Kribbeln breitete sich in meinem Bauch aus.

»Ein Wahnsinn, wie erfolgreich die sind«, sagte Nick plötzlich.

Er legte mir einen Arm auf die Schulter und beugte sich so zu mir herab, dass unsere Köpfe ungefähr auf derselben Höhe waren. Mit der anderen Hand deutete er auf einen Bildschirm, der hinter dem Fenster im Laden hing.

Es lief gerade irgendein Musikvideo. Ein Mädchen in einem blutverschmierten Kleid schritt mit teuflischem Lächeln durch eine alte Villa.

»Wer sind die?«, fragte ich ihn.

»Was?« Er hörte sich schockiert an. »Du kennst Empathica nicht? Die vier Bandmitglieder werden jetzt schon als Rockgötter bezeichnet. Die Band existiert seit ein paar Jahren, aber erst mit ihrem neuesten Album haben sie den absoluten Durchbruch geschafft. Seit Monaten geistern sie durch die Medien.«

Ich schaute kaum Fernsehen, las weder Zeitungen noch Zeitschriften, allerhöchstens ein paar Fernsehkritiken über mich, und natürlich sah ich mir Forever Young im Fernsehen an.

»Hm … Und auf welchen der Rockgötter stehst du?«, fragte ich Nick. Ich hatte ihn sofort durchschaut. »Pass auf, gleich siehst du ihn«, meinte er grinsend. »Das ist Brandon Jackson. Der Gitarrist und zu meinem Leidwesen sehr heterosexuell.«

Auf dem Bildschirm war ein wirklicher Prachtkerl zu sehen: blonde Haare, dunkle Auge, gebräunter Teint und ein Lächeln, das wohl schon einige Slips feucht gemacht hatte.

»Die Kleine ist Natalie Pearce und der Kerl im Hintergrund an den Drums ist Jack Garcia, der ist auch nicht so übel«, fuhr er fort. »Er ist nur ein bisschen zu mager für meinen Geschmack.«

Die Frontfrau der Band war ungefähr in meinem Alter, vielleicht aber auch ein paar Jahre jünger. Sie hatte schwarze Haare mit auffallend blauen Strähnen und Augen in demselben Blau. Aber vielleicht war das auch nur nachbearbeitet. Der Typ im Hintergrund war eindeutig lateinamerikanischen Ursprungs, denn er hatte eine dunklere Hautfarbe und dunkle Haare. Er hatte ziemlich viele Piercings im Ohr.

»Und jetzt kommt gleich der Bassist«, warnte mich Nick. »Stell dir vor, der Kerl ist nicht nur verdammt süß, sondern auch aus Irland, wie du.«

Wie Nick vorhergesagt hatte, erschien als nächstes der Bassist auf dem Bildschirm. Man konnte erkennen, mit welcher Leidenschaft er sein Instrument spielte.

Ich stieß ein erschrockenes Keuchen aus, als Nick sagte: »Das ist -«

»Nigel«, hauchte ich.

»Nigel O’Callaghan.« Er merkte nicht, dass ich gerade mit der Fassung ringen musste. Ich biss sogar ein Stück des Lollis ab. »Süß, nicht wahr?«, schwärmte Nick.

Nigel sah älter aus. Was kein Wunder war, wenn man bedachte, dass seit unserem letzten Treffen beinahe acht Jahre vergangen waren. Trotzdem hatte ich ihn sofort an seinen karottenroten Haaren und den Sommersprossen erkannt. Seine Haare waren nun länger und fielen ihm wie bei so vielen Rockstars in die Stirn. Zum Glück hatte er sich keinen Undercut machen lassen, das hätte auch wirklich nicht zu ihm gepasst. Sein Gesicht war, naja, männlicher geworden. Schärfer, kantiger. Er war nun ein Mann. Ein wahnsinnig attraktiver Mann, der, obwohl ich innerlich dagegen ankämpfte, sofort ein wildes Kopfkino in mir auslöste.

Als meine unartigen Gedanken endlich verebbt waren, kroch die Wut in jeden Quadratmillimeter meines Körpers.

Ich bin Cadence Fitzpatrick und es wird Zeit meinem Exfreund in New York einen bühnenreifen Besuch abzustatten. Vorhang auf für die Rolle meines Lebens!

1. KAPITEL

CADENCE & THE CITY

Gegenwart

Ich konnte mich einfach nicht an diesem Anblick sattsehen: Vor mir ragten majestätische Wolkenkratzer in die Luft. Die große Grünfläche dort hinten war wohl der Central Park und dann war da noch etwas blau Glänzendes, das war wahrscheinlich irgendein Fluss. Ich konnte nur raten, was es für Gebäude waren, da ich in meinen dreiundzwanzig Jahren bis jetzt nur Teile von Irland und jeden plattgetretenen Kaugummi in Los Angeles gesehen hatte. Ich würde noch genug Zeit haben mir die Stadt genauer anzusehen, denn so schnell würde die eineSache kein Ende finden.

Ich drückte meine Nase an der Fensterscheibe platt.

Zum Glück konnten die Paparazzi kein Foto davon machen, wie ich hier im vierzigsten Stock des berühmten Four Seasons beinahe mit dem Glas herumknutschte. Außer sie würden mit so einem komischen Aufzuggerät die Fenster reinigen, während ich …

Ich drückte mich enger an das Glas und suchte meine Umgebung nach verkleideten Fotografen oder nach ganz normalen Fensterputzleuten ab. Nein, ich war allein. Nicht einmal Spiderman klebte an den Außenwänden des Hotels. Hm, Andrew Garfield an der Fensterscheibe hätte mich nun wahrlich nicht gestört.

Erst als ich ein nerviges Piepen hörte, riss ich mich von dem unglaublichen Ausblick los. Da das Hotel keine ordentlichen Boxen zum Musikhören in den Zimmern zu bieten hatte – das würde schön in einen Beschwerdebrief wandern! –, musste ich mit meinem iPhone und den kleinen Lautsprechern Musik hören. Das Piepen störte gerade den Song »Kill my Boyfriend« von Natalia Kills. Genau mein Song:

Kill, kill, kill, – Piep! I’m gonna, Kill, kill, kill So we can run – Piep! away just like we said Kill, kill, kill, Piep! -I’m gonna, Kill, kill, kill So we can be – Piep! together like we planned.

Für ein paar Sekunden hörte das Gepiepse auf. Dann ging es von vorne los.

Mit einem genervten Murmeln gab ich mich geschlagen. Der Anrufer schien einfach nicht auflegen zu wollen.

Ich nahm Anlauf, sprang über meinen offenen Kleiderkoffer und landete mit meinen Zwölf-Zentimeter-High-Heels heil auf der anderen Seite.

»Applaus«, sagte ich, grinste und griff nach dem Handy.

Das Lächeln in meinem Gesicht war sofort verschwunden, als ich sah, dass mich Sophie streng anstarrte – zumindest ihr Anrufer-Foto.

Meine Agentin schaffte es zu fünfundneunzig Prozent ihrer Lebenszeit bedrohlich zu wirken: Auf dem Bild hatte sie die Lippen nach unten verzogen und ihre blauen Augen wirkten hinter ihren Brillengläsern wie Eisblöcke. Ihre roten Locken ähnelten mit viel Fantasie Feuer, das ihr Gesicht umfloss. Da ich nur zu gut wusste, dass sie nicht aufgeben würde, ehe ich ihre liebreizende Stimme annahm, ergab ich mich. Ein nicht gerade freundliches Geräusch drang an mein Ohr.

»Dir auch ein schönes Grmpf!, Sophie«, begrüßte ich meine Agentin übertrieben gut gelaunt. »Es ist wirklich ein schöner Tag.«

»Cadence«, begann sie und seufzte. Ihr Seufzen drückte meist mehr aus, als sie eigentlich sagte. »Ich versinke in Arbeit.« In diesem Zusammenhang bedeutete ihr Seufzen Folgendes: Cadence, ich versinke in Arbeit wegen dir, und das nur, weil du dir innerhalb von ein paar Sekunden in den Kopf gesetzt hast, mal schnell von Los Angeles nach New York zu fliegen, um dort auf unbestimmte Zeit Urlaub zu machen. Ich bin wahnsinnig enttäuscht von dir, obwohl du die Schönste und Talentierteste von allen Schauspielerinnen bist, die ich je unter Vertrag genommen habe. Okay, du bist auch die erste und einzige in meiner kurzen Laufbahn als Modelagentin, aber das tut jetzt nichts zur Sache.

»Warum denn?«, fragte ich und spielte die Ahnungslose.

Das blonde Dummerchen hatte ich von all meinen Rollen neben der egoistischen Schlampe am besten drauf. Der Vorteil dieser Figur war, dass sie nicht ernstgenommen wurde und ihr deshalb oft Dinge verraten wurden, die man ihr gar nicht hätte verraten wollen. Außerdem konnte niemand lange auf das Dummchen böse sein, wenn man in seine großen blauen Augen und auf seinen verzweifelt lächelnden Schmollmund blickte.

»Warum ist Cadence Fitzpatrick in New York? Können Sie uns nähere Details geben oder uns wenigstens ihre Anschrift oder Telefonnummer? Arbeitet sie an einem neuen Film?«, äffte Sophie wohl eine Horde Reporter nach. »Alle zwei Minuten läutet das Telefon oder mein E-Mail-Programm meldet sich. Ich drehe durch, Cadence. Ich drehe durch! Es ist nämlich so, Madame« – Jetzt war sie wirklich wütend. Wenn sie mich »Madame« nannte, dann stand sie kurz davor zu explodieren -, »dass ich über so etwas wie ein Privatleben verfüge. Und auch wenn sich im Moment alles um meine Scheidung dreht, kann ich mir Besseres vorstellen, als hinter dir aufzuräumen.«

Jetzt fühlte ich mich tatsächlich ein wenig schlecht. Sophie machte gerade ihre dritte Scheidung durch und das war sicherlich hart für sie. Ihr Leben bestand zurzeit aus der Scheidung, einem Glas Whisky am Abend und mir.

»Bist du ihm wenigstens schon begegnet?«, fragte Sophie nun ein wenig versöhnlicher. Doch bevor ich antworten konnte, fügte sie etwas hinzu, was mir ein flaues Gefühl in der Magengegend bescherte. »Jahrelang wolltest du keinen Kontakt zu ihm und dann … Du hättest ihn vor Jahren wegen der Sache aufsuchen sollen!«

Ich krallte mich an den hässlichen grauen Hotelsessel. Eine Sache … Wie konnte es Sophie nur als Sache abstempeln? ›Sieh es einfach als ein Ding an, das du in einen Karton packen und einfach wegstellen kannst‹, hatte sie gesagt, als ich vor einem Casting beinahe einen Nervenzusammenbruch gehabt hatte. Als wäre es so einfach! »Cadence?«, drang ihre Stimme in der Gegenwart wieder an mein Ohr.

»Sorry, hab dir nicht zugehört. Der Ausblick ist zu geil!«, meinte ich nur und versuchte vom Thema abzulenken. »Ich sehe einen Teil der New Yorker Skyline! Und die ist echt umwerfend!«

Auch eine Rolle, die ich sehr gut spielen konnte, war die verzogene, oberflächliche Prinzessin. Sie dachte nur an sich und deshalb ging ihr nichts zu nahe. Gefühle hatten keinen Platz in ihrem Leben.

Sophie stieß wieder ein leicht zu interpretierendes Seufzen aus: Cadence, manchmal bist du einfach nur blond.

»Du könntest mich doch besuchen kommen«, schlug ich vor. »So ein paar Tage in New York würden dir guttun.«

Ich könnte dir einen Typen suchen, der dich mal so richtig durchnimmt. Die gibt es hier sowieso in Massen. Glaubte ich zumindest.

»Komm schon. Urlaub! Urlaub in New York!«, versuchte ich sie zu locken.

»Ich habe Los Angeles vor der Nase«, knurrte sie.

»Und das nützt dir genau was? Du gehst doch sowieso kaum aus! Beim Shoppen denkst du nur daran, wie lange du für das Kleid oder für die Schuhe arbeiten musst, und wenn du mal ausgehst, verschreckst du alle heißen Kerle mit deinem Eisblick.«

Ihr Eisblick ließ einen Kerl, sobald er sie sah, einfrieren. Keine Ahnung, wie sie, in Eisblöcke verwandelt, danach immer so schnell das Weite suchen konnten. Da Sophie schon viel zu alt für die meisten Clubs war und zusätzlich noch die wenigen willigen Herren mit ihrem Blick verschreckte, waren die Chancen, einen Kerl in LA für sie zu finden, mikroskopisch klein.

»Im Gegensatz zu dir arbeite ich, Madame. Ich schicke deine Mappe jetzt an die Leute, die den Film über Kurt Cobains Leben drehen«, verkündete sie. Sie hatte mir vor ein paar Tagen irgendetwas darüber gemailt. »Wenn sie dich zum Casting bitten, dann gehst du dort gefälligst hin! Und ich will dann kein einziges Wort über Nigel hören! Falls ich sie dazu kriege, dass du vorsprechen kannst, bewegst du deinen Arsch sofort nach …« Sie blätterte hörbar in ihren Unterlagen. »Seattle.«

»Aber Seattle ist so weit von New York entfernt!«, protestierte ich.

Ich hörte, wie Sophie einatmete und gerade wieder zu einer Moralpredigt ansetzen wollte, da klopfte es an der Tür meiner Suite. Ich nutzte die Unterbrechung, um Sophie abzuwürgen. Wenn meine Agentin noch etwas mit mir zu bereden hätte, würde sie in den nächsten zwei Stunden sowieso noch zwanzig Mal anrufen.

Eilig lief ich zur Tür und öffnete sie. Es konnte nur eine Person sein …

Vor mir stand einer der wenigen Männer, zu denen ich hinabblicken musste.

Ich war zwar eins dreiundsiebzig, aber die meisten Männer, die ich so kannte, waren um die eins achtzig.

Er nickte mir zu und trat ein.

Bevor ich die Tür hinter ihm schloss, sah ich kurz nach rechts und links. Niemand war auf dem Hotelflur.

»Mir ist keiner gefolgt«, beruhigte er mich. »Ich darf doch?«

Er deutete auf das graue Sofa, das zu dem hässlichen Sessel passte.

»Ja«, erwiderte ich.

Während er sich setzte, musterte ich meinen Besucher eingehend: Bruce Daniels war einer der besten und vor allem einer der diskretesten Privatdetektive, die man als Promi engagieren konnte. Er war ein kleiner Mann von ungefähr fünfzig Jahren, aber für das Alter hielt er sich echt gut. Wirklich. Wenn er zwanzig Jahre jünger oder ich zwanzig Jahre älter und er nicht so klein gewesen wäre, hätte ich ihn echt heiß gefunden mit seinen dunklen Haaren und den grünen Augen. Außerdem fand ich Männer in Trenchcoat irgendwie immer sexy.

»Sie lassen es sich wirklich gut gehen«, bemerkte der Privatdetektiv mit deutlichem Neid in der Stimme.

Er blickte sich in dem hellen Zimmer um.

Obwohl ich die Ausstattung als hässlich und Beleidigung für meine Augen empfand, schien er begeistert davon zu sein.

»Wie kann ich Ihnen denn behilflich sein? Wollen Sie etwas über die Affäre Ihres Freundes herausfinden oder soll ich ein paar pikante Bilder oder Videos von Ihnen auftreiben?«

»Das Erste war schon beinahe richtig.« Ich lehnte mich an den materialisierten Augenkrebs. »Ich will, dass Sie für mich ein paar Sachen über jemanden herausfinden«, begann ich. Ich zögerte und überlegte, wieviel ich ihm erzählen sollte. Ich entschied mich für wenig. »Ich will, dass Sie, wenn es sein muss, auch in seinem Müll herumwühlen. Er muss irgendwelche Leichen im Keller haben. Die sollen Sie finden! Ich will etwas gegen ihn in der Hand haben, so dass ich ihm im besten Fall damit richtig drohen könnte.«

»Und wie heißt der Glückliche?«

»Sagt Ihnen der Name Nigel O’Callaghan, was?«

Er nickte.

Natürlich nickte er. Fast jeder auf der Welt kannte den irischen Rockmusiker, dessen Band drauf und dran war Rockgeschichte zu schreiben. Ein Wunder, dass sich noch keiner ernsthaft mit seiner Vergangenheit beschäftigt hatte. Denn in seiner Schulzeit würde man auf einen anderen, sehr bekannten Namen stoßen: auf meinen. Im gleichen Krankenhaus geboren, in der gleichen Stadt aufgewachsen, den gleichen Kindergarten besucht, die gleiche Grundschule, ein Jahr an …

»Ich habe nicht gewusst, dass er Ihr Freund ist oder zumindest eine Affäre«, merkte Bruce an. Er zog einen Notizblock aus seinem Mantel und schrieb ein paar Sachen auf. »Oder ist da etwas ganz anderes zwischen ihnen beiden?«

Er ist diskret, Cadence, aber du musst ihm wirklich nicht alles auf die Nase binden. Manche Sachen bleiben besser unausgesprochen.

»Das ist alles schon lange her.« Ich reckte das Kinn in die Höhe. »Wir beide haben noch eine offene Rechnung. Zumindest ich.«

Seine grünen Augen fixierten mich sekundenlang, ehe er den Kopf schüttelte und noch etwas in das Büchlein eintrug.

»Ich beginne übermorgen mit der Arbeit«, ließ mich der Detektiv wissen.

Er legte mir so etwas wie einen Kostenvoranschlag für seine Dienste auf den Tisch. Mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen griff ich nach dem Blatt Papier – und ich musste all meine schauspielerischen Fähigkeiten dazu aufwenden, um zu verhindern, dass mir meine Gesichtszüge nicht entglitten, als ich all die Nullen auf dem Blatt sah. Ich brauchte unbedingt ein billigeres Hotel.

2. KAPITEL

NEUE SCHULE, NEUES PECH

Vergangenheit

»Das ist soo scheiße«, beklagte ich mich und nestelte am Sicherheitsgurt herum. »Einfach beschissen!«

Heute störte mich alles: der Gurt, der mir in den Hals schnitt, das regnerische Wetter, das ich ansonsten so liebte, und … dieses langsame rote Auto vor uns! Warum hupte Mom nicht einfach? Es fuhr 75, obwohl 80 Stundenkilometer erlaubt waren!

»Mäßige bitte deinen Ton«, wies mich meine Mutter streng zurecht. »Und nimm gefälligst deine Schuhe vom Armaturenbrett!«

Seit wir losgefahren waren, starrte meine Mutter mit einem so finsteren Blick auf die Straße, dass ich mich vorhin für eine ACDC-CD für die Autofahrt entschieden hatte. »Highway to Hell« schallte aus den Lautsprechern, was die Laune meiner Mutter nicht wirklich hob.

Gleich würde sie sicher wieder damit anfangen, dass ich selbst dafür verantwortlich war, dass es so weit gekommen war, und dass ich das Beste aus der Sache machen sollte.

»Du bist selber schuld, dass es so weit gekommen ist«, sagte sie und ich stieß eine Mischung aus Lachen und Aufschrei aus. »Mach das Beste aus der Sache.«

Flüche vor mich hinmurmelnd setzte ich mich vernünftig hin und lehnte meine warme Wange an die kühle Fensterscheibe.

Vor einem Monat hatte meine Mutter einen höflich formulierten Brief bekommen, in dem stand, dass ich ab dem nächsten Monat – also ab heute – nicht mehr auf das Internat gehen durfte. Damit meine Mitschüler und insbesondere ich mich besser entwickeln konnten.

Im Klartext: Man hatte mich der Schule verwiesen, und das, obwohl ich nicht wirklich etwas angestellt hatte.

Nicht wirklich, wie gesagt … Eigentlich wollte ich die Sache mit meinem Rausschmiss nicht mehr im Kopf wälzen, aber es ließ mir einfach keine Ruhe. Was, wenn dadurch meine erträumte Schauspielkarriere vernichtet würde, bevor sie überhaupt begonnen hatte? Und vor allem: Wie war die neue Schule?

Auf dem Internat war ich eines der angesagtesten Mädchen gewesen: Wenn es nach der Anzahl meiner Dates ging, dann war ich verdammt hübsch. Neben all den rot- und vor allem braunhaarigen Mädchen in Irland stach ich mit meinen blonden Locken und den blauen Augen geradezu hervor.

Mein Aussehen war ein Erbe von meinem richtigen Großvater. Meine Mutter hatte rote Haare und mein Dad dunkelbraune, auch meine Großeltern hatten eine ähnliche Kombination. Mein Vater war nach meiner Geburt drauf und dran gewesen, meiner Mutter einen Vaterschaftstest aufzuzwingen, hätte meine Großmutter ihm nicht noch rechtzeitig eine Affäre mit einem deutschen Soldaten gebeichtet. Anscheinend hatten die Gene eine Generation übersprungen.

In unserer Familie waren so komische Verhältnisse gar nichts Besonderes, wenn man bedachte, dass mein Dad jetzt mit einer zehn Jahre Jüngeren ausging.

Vielleicht zog auch genau das einige Jungs an: mein nicht existierender Vaterkomplex. Mein Dad hatte uns verlassen, aber mir war das tatsächlich so was von egal. Er aber hatte ein schlechtes Gewissen und sorgte für den dritten Grund dafür, dass ich eines der beliebtesten Mädchen der gesamten Schule gewesen war: Designerklamotten!

Mit einem Lächeln berührte ich meine schwarzen Stiefeletten, die glücklicherweise nicht gegen die Kleiderordnung der neuen Schule verstießen. Man konnte Liebe nicht kaufen, aber man konnte Glückshormone bezahlen.

Warum war ich also von der Schule geflogen? Meine Noten waren durchschnittlich gewesen. Sie waren nicht der Grund, warum mich der Direktor am liebsten mit seinen eigenen Füßen hinausgekickt hätte. Ich hatte einen, sagen wir mal, kleinen Aussetzer in der Theater-AG gehabt, der mich wohl für immer unvergesslich machen würde. Es gab da ein Mädchen, das sich in einen heißen Kerl verguckt hatte. Von dieser Schwärmerei wusste nur ihre beste Freundin. Die beiden redeten oft stundenlang darüber, wie toll der Kerl war und dass das Mädchen echt gute Chancen bei ihm hatte, weil er ihr immer zuzwinkerte oder nach den Hausaufgaben fragte. Doch dann erwischte das Mädchen ihre Freundin und den heißen Kerl dabei, wie sie herumknutschten, und sie warf eine Vase nach der Schlampe. Ja. Das ist leider kein Bühnenstück, das ich geschrieben habe, sondern eines, das vom Leben geschrieben wurde. Und das Mädchen … das war natürlich ich. Der heiße Kerl war wirklich ein heißer Kerl namens Philippe, unser französischer Austauschschüler. Und die falsche Schlampe, der ich die Vase an den Kopf geknallt habe, war meine jetzt ehemals beste Freundin Amy gewesen. Zu meiner Verteidigung muss gesagt werden, dass die Vase ein Requisit war und man es eigentlich nicht einmal spürte, wenn man mit ihr eins übergebraten bekam. Sie war einer dieser Bruchgegenstände und sie sah täuschend echt aus. Amy hätte vermutlich nicht einmal wirklich bemerkt, dass ich ihr das gute Stück an ihr hässliches Haupt geknallt hatte, hätte ich es nicht vor versammelter Theater-AG inklusive Lehrer getan.

Ehe ich mich versehen konnte, hatte ich vor dem großen braunen Schreibtisch meines Direktors gesessen und mir anhören dürfen, dass er enttäuscht von mir war und die ganzen anderen Floskeln. Kurzerhand wurden meine Eltern informiert und ich wurde vorerst nur suspendiert. Aber als rauskam, dass ich am selben Tag noch »Fick dich, Schlampe« an Amys Spint gekritzelt hatte, war Cadence Fitzpatrick Geschichte – zumindest an dieser Schule.

Nach meinem zehnten Seufzer schlug meine Mutter gegen das Lenkrad. »Führ dich nicht so auf, Cadence!«

»Ich will damit nur ausdrücken, dass das alles total unfair ist!«, platzte es aus mir heraus.

»Du hast deiner besten Freundin eine Vase nachgeworfen!«

»Ich hab einer falschen Schlange eine Bruchvase nachgeworfen«, verbesserte ich meine Mutter. »Aber keine Sorge. Sowas wird in dem Drecksloch von neuer Schule nicht wieder passieren. Die haben ja nicht mal eine Schauspiel-AG! Das ist echt alles total scheiße!« Mittlerweile brüllte ich fast.

Ich überlegte kurz, ob mich der Sturz aus dem fahrenden Auto umbringen würde oder ob ich mit einer schweren Gehirnerschütterung, zahlreichen Knochenbrüchen und ohne Theater-AG würde weiterleben müssen.

»Da kann ich mich doch gleich umbringen!«, sagte ich trotzig.

»Ich habe mit der Direktorin geredet«, versuchte meine Mutter mich zu beschwichtigen. Anscheinend hatte mein kleiner Wutanfall bewirkt, dass sie sich wieder etwas beruhigt hatte. »Wenn du mindestens zwanzig Schüler findest, die sich für so etwas wie einen Schauspielkurs als AG einschreiben würden, dann versuchen sie einen Lehrer aufzutreiben.«

Ich guckte weiterhin trotzig aus dem Fenster und tat so, als hätte ich sie nicht gehört.

Plötzlich hielt sie an. Wir waren da.

Neugierig schaute ich aus dem Fenster. Durch den Nieselregen erkannte ich nur ein paar Autos auf dem Parkplatz. Verglichen mit meiner alten Schule standen hier nur Rostlauben rum. Nirgends ein neuer Sportflitzer in Sicht.

»Tu mir einfach den Gefallen und führ dich hier nicht wie … wie ein Star auf.« Meine Mutter tätschelte meine Schulter. »Und sei nett. Okay?«

Ich warf ihr einen wütenden Blick zu und stieg ohne ein weiteres Wort aus. Draußen spannte ich meinen großen orangenen Regenschirm auf.

Nett sein!

Langsam ging ich auf das große Gebäude zu. Ich ließ mir nicht anmerken, wie aufgeregt ich doch war, sondern schritt mit einem selbstbewussten Lächeln durch den Regen. In meinem Nacken spürte ich ein paar Blicke und immer wieder drehten sich Schülergrüppchen nach mir um.

Und dann sah ich ihn.

Er stand mit drei Mädchen und ein paar Jungs in unserem Alter an der grauen Mauer des Gebäudes. Direkt neben dem Eingang. Lässig lehnte er an der Wand, der Nieselregen schien ihm nichts auszumachen. Ich konnte sein Lachen bis zu mir hinüber hören. Wie vertraut es immer noch war.

Mit dem Regenschirm vor dem Gesicht und rasendem Herzen rannte ich in das Schulgebäude.

***

Nach meinem kurzen Abstecher ins Sekretariat, den ich genutzt hatte, um meinen Puls wieder zu verlangsamen, sah ich mir die Schüler im Gang genau an. An den gelben beschmierten Metallschließfächern standen Mädchen und Jungen, die verglichen mit den Schülern auf meinem ehemaligen Internat nicht unterschiedlicher hätten sein können: Obwohl auch hier eine gewisse Kleiderordnung herrschte – dunkelblauer Blazer, weiße Bluse, graue Krawatte und blauer Rock beziehungsweise Hose –, gab es mehr Individualität als an meiner alten Schule. Ein paar Schüler trugen extrem viel schwarzes Make-up, die anderen trugen tatsächlich neongelbe Turnschuhe zur Uniform.

Mir blieb nicht viel Zeit, um meine neuen Mitschüler länger zu bewundern, da er den Flur betrat.

Ich hielt mir meinen Stundenplan vors Gesicht und hastete in entgegengesetzter Richtung den langen Gang entlang, bis ich beinahe über ein Paar Füße fiel. Ein Mädchen saß auf dem Fußboden und sah mich verschreckt an.

»Hey, du!«, sprach ich das Mädchen an, dessen Füße beinahe meine Stolperfalle geworden waren. Sie blickte unsicher zu ihrem Notizbüchlein und trug hastig etwas ein. »Komm her, Mäuschen.«

Ich konnte nicht widerstehen, ihr diesen Spitznamen zu geben. Sie war die klassische Verkörperung der Unscheinbarkeit: eine graue Maus halt. In Filmen würde aus ihr die strahlende Abschlussballkönigin werden, aber im wahren Leben würde sie entweder einsam und allein bleiben oder einen guten Job bekommen und so normal sein, wie jemand normal sein konnte.

Sie sah auf. Ihre dunkelbraunen Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und hinter ihrer dicken Brille blickten mich passende mausgraue Augen an.

»Ich bin Cadence Fitzpatrick und neu hier.« Sie sah mich immer noch verwundert an.

»Ich bin Meghan«, stellte sie sich schüchtern vor.

Ich beschloss, sie trotzdem weiterhin Mäuschen zu nennen. Wenn ich einmal jemandem einen Spitznamen gegeben hatte, dann wurde ihn dieser Mensch nie mehr los.

»Könntest du mich bitte durch die Schule führen?«, fragte ich mit einem Lächeln auf den Lippen. Ich bemühte mich nett zu sein. Vielleicht war ich ein bisschen herrisch, dennoch wollte ich nicht gleich als Oberzicke abgestempelt werden.

»K-klar.«

Ach, wie süß! Sie fragte sich jetzt sicher, warum sich jemand wie ich mit jemandem wie ihr abgab. Ich würde sie heute noch fragen, ob sie Interesse an einer Schauspiel-AG hatte.

Ich wollte mich gerade bei meiner neuen Bekanntschaft unterhaken, als ich seine Stimme hörte.

»Du gehst mir aus dem Weg, Caddy.«

Mein Herz setzte kurz aus oder es machte einen Sprung. Keine Ahnung. Obwohl sie durch den Stimmbruch ein wenig männlicher geworden war, löste seine Stimme in meinem Körper immer noch das gleiche leise Kribbeln aus.

Ich hätte einfach weitergehen können, aber es lag unter dem Niveau von Cadence Fitzpatrick so offensichtlich zu flüchten.

Also drehte ich mich um und schenkte dem sommersprossigen Jungen ein falsches Lächeln. »Wie kommst du denn darauf, Nigel?«

Er stand nicht einmal eine Armlänge von mir entfernt. Mit der einen Hand hielt er seinen Schulrucksack, mit der anderen fuhr er sich durch das rote Haar. Naja, eigentlich war es mehr orange, aber das war jetzt egal, da mich seine blauen Augen wie immer in ihren Bann zogen.

Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Caddy, Caddy, Caddy. Ich kenne dich besser, als du denkst. Ich wollte dich nur willkommen heißen.«

»Dann mach es doch«, schlug ich ihm mit einem charmanten, falschen Lächeln vor. »Denn wie du sicherlich bemerkt hast, stehe ich gerade vor dir.«

»Willkommen auf deiner neuen Schule, Caddy«, sagte er lächelnd. Er breitete die Arme aus, aber ich hatte keine Lust auf eine Umarmung.

»Danke, Nigel …« Ich hasste es, dass ich für ihn nach all den Jahren immer noch keinen Spitznamen gefunden hatte. »Und wir gehen uns jetzt einfach für die nächsten Jahre wieder aus dem Weg. Ja? Tschüss, Nigel.« Ich hatte mich mit Meghan schon umgedreht, als er mir nachrief: »Bis bald.«

3. KAPITEL

WIE MAN (CADENCE) KAKERLAKEN TÖTET

Gegenwart

Als ich kreischend mit meinem Schuh eine Kakerlake aufspießte, wurde mir wieder einmal klar, wie glücklich ich vor einigen Jahren noch gewesen war: Ich hatte mein Hobby neben und in der Schule ausgelebt, war ziemlich beliebt und hatte einen liebenden Freund, der mich immer unterstützte und für mich diese verdammte Kakerlake gekillt hätte. Aber »immer« war bekanntermaßen bei Männern so eine schrecklich kurze Zeit!

Und jetzt?

Jetzt hatte ich das Vieh mit dem Bleistiftabsatz meines Schuhs selbst erledigen müssen. Noch schläfrig von der Nacht hatte ich eben statt in zwei blauen Augen in zwei eklige Fühler starren müssen. Ich hatte herumgekreischt, bis meine Zimmernachbarn gegen die Wand gehämmert hatten. Und dann war mir die grandiose Idee mit den Schuhen gekommen. Eine Zeit lang hockte ich völlig aus der Puste auf dem Boden, meine rechte Hand umklammerte immer noch den Schuh mit der widerlichen Kakerlakenleiche.

Ich hätte auf der Stelle losheulen können – was ich dann auch tat. Manchmal bekam ich so einen spontanen Gefühlsausbruch. Wenn es ging, verschwand ich dann so schnell wie möglich auf die Toilette und weinte mir beinahe sämtliche Flüssigkeit aus dem Körper. Daher kamen auch die ab und zu auftauchenden Gerüchte, dass ich kokain- und/oder magersüchtig war. Nachdem ich mich ein bisschen beruhigt hatte, bekam ich einen zweiten Anfall – diesmal einen Wutanfall –, weil ich bemerkt hatte, dass ich das Kakerlaken-Tier mit meinen Jimmy Choos getötet hatte. Mit meinen neuen blauen Jimmy Choos.

»Mein Leben ist scheiße«, fluchte ich.

Und als hätte das eine gewisse Person in Los Angeles, die meines Erachtens mit dem Teufel verwandt sein musste, sonst würde sie nicht immer mit so einer vorausschauenden Grausamkeit die schlechtesten Momente für einen Anruf finden, gehört, klingelte mein Handy.

»Hallo Sophie«, meldete ich mich beinah atemlos.

Ich wischte mir mit einer Socke die Wuttränen aus den Augen.

Zum Glück hatte ich noch kein Make-up aufgelegt. Ich hasste schwarze Schlieren!

»Was ist los?«, wollte ich wissen.

»Hast du Sport getrieben?«, fragte sie mich anstelle einer Begrüßung.

»So ähnlich …«

Kakerlaken mit dem Schuh aufspießen war ja beinahe eine sportliche Aktivität. Wer weiß, vielleicht würde es sogar in einem oder zwei Jahrzehnten olympiareif sein?

Das mit dem Heulkrampf würde ich Sophie verheimlichen. Sie war sowieso der Meinung, dass ich psychologische Hilfe in Anspruch nehmen sollte, weil mir diese Sache widerfahren war.

»Cadence!«, ermahnte sie mich streng und in so einem Tonfall, dass mir sofort klar wurde, was sie sich schon wieder vorstellte: Bettsport.

»Ich bin alleine im Zimmer«, beruhigte ich sie. »Was sonst …«

Im Gegensatz zu den meisten meiner Schauspielkollegen hatte ich keine Lust nur aufzufallen, weil ich mit dieser Berühmtheit oder dem einen oder anderen bekannten Gesicht geschlafen hatte.

Cadence Fitzpatrick sollte durch ihre schauspielerischen Leistungen berühmt werden.

Auch wenn ich die Befürchtung hatte, dass mein Status bald angekratzt sein würde, weil ich einmal was mit dem weltbekannten Rockstar Nigel O’Callaghan gehabt hatte.

»Ich habe eine Kakerlake getötet, nachdem ich mir die Seele aus dem Leib geschrien habe«, antwortete ich auf ihr »Sag mir, was los war«-Seufzen.

»Im Four Seasons gibt es Kakerlaken? Das geht ja gar nicht!«, jammerte meine Agentin. Ich hörte, wie sie auf die Tastatur regelrecht einprügelte. »So etwas musst du dir nicht gefallen lassen, Cadence!«

»Ich bin nicht mehr im Four Seasons«, murmelte ich leise in das Handy.

Kurz nachdem ich den Privatdetektiv damit beauftragt hatte, Nigel zu observieren, war ich aus dem Four Seasons ausgecheckt und hatte mich in ein billiges Vier-Sterne-Hotel eingemietet. Bald würde es wohl einen Stern verlieren. Vielleicht noch zwei oder drei mehr …

»Wo bist du, Cadence?!« Sophie war ein kleiner Kontrollfreak und sie hasste es, wenn ich einmal aus der Reihe tanzte.

Ich musste mir beinahe alles von ihr genehmigen lassen und das nervte total.

Ohne meine Agentin allerdings wäre ich auch aufgeschmissen. Nicht mehr schauspielern zu können würde heißen, dass ich zu einem Nichts wurde. Ohne die Schauspielerei war ich nichts weiter als eine hübsche lebensgroße Puppe.

Brav nannte ich ihr also den Namen des Hotels.

»Warum hast du eigentlich angerufen?«, wechselte ich galant das Thema.

»Gibt es in deiner Absteige einen Fernseher?«, wollte sie wissen.

»In dieser Höhle gibt es noch nicht mal Strom«, versuchte ich einen Witz zu machen. Man konnte beinahe die Grillen zirpen hören, als meine Agentin schwieg.

»Lass dir die Scherze lieber von einem Drehbuchautor schreiben«, riet sie mir trocken. »Mach einfach den Fernseher an und schalte auf MTV.«

»Läuft da ein Video von … naja, Empathica?«

»Schalte einfach ein.«

Ich tapste barfüßig über den Teppich. Überall lagen verstreute Klamotten, eine Pizzaschachtel und natürlich ganz viele Lutscherstiele. Bei fast jeder Diät versuchte ich von meiner Sucht loszukommen, aber das war zwecklos. Immerhin war es hundertmal besser als drogen- oder alkoholabhängig zu sein.

Der Fernseher – noch ein Röhrengerät – machte ein beunruhigendes Geräusch, als ich ihn einschaltete.

Ich konnte nicht genau erkennen, was im Fernsehen lief, außer die Sendung war über einen Schneesturm.

»Und?«, fragte Sophie.

Ich schlug mit dem Schuh – dem ohne Kakerlake – gegen den Fernseher und siehe da: Das Bild wurde tatsächlich klarer.

»Und was soll an der Cola-Werbung so toll sei-«

Ich verstummte augenblicklich, als die nächste Werbung abgespielt wurde.

Oh, es war nicht nur irgendeine Werbung!

Es war der Trailer meines Filmes Dying For Love! Gebannt sah ich der dunkelgeschminkten blonden Frau, die nur einen schwarzen BH und ein Höschen trug, zu, wie sie sich mit einem Messer eine Lippe anritzte und sich das Blut genüsslich mit der Zunge ableckte.

Diese Szene hatte mir ziemlich viel abverlangt, weil irgendwer immer einen dummen Witz über Vampire oder Twilight gemacht hatte und ich mich dann nicht mehr auf die Rolle hatte konzentrieren können.

Dafür war mir der nächste Teil schon beim ersten Mal gelungen: Meine Rolle trägt ein schwarzes Kleid und räkelt sich auf dem Schoß meines Drehpartners. Im ersten Moment sieht es so aus, als würden sie gleich miteinander schlafen, aber dann legt sie ihre Hände um seinen Hals und drückt zu.

Ich habe dabei an Nigel gedacht. Ich wollte ihn nicht töten! Nur dasselbe hilflose Erstaunen in seinen Augen sehen wie das meines Schauspielkollegen jetzt.

Der Rest des Trailers wurde von einer rockigen Melodie begleitet. Ein Mädchen singt etwas von Exfreunden, die man am liebsten töten würde, und das passte perfekt zu dem Film. Mein Charakter will so viele Jungs töten, wie es nur geht, aus Rache dafür, dass sie auf einer Party abgefüllt und vergewaltigt wurde.

Es gibt kein Happy End. Obwohl sich mein Charakter in einen Jungen verliebt, bringt sie diesen am Schluss um, weil sie eben nicht anders kann.

Mein zertrümmertes Herz und ich glauben zwar noch an die Liebe, aber diese ganzen kitschigen Happy Ends in Filmen lösen bei mir Brechreiz und Bauchschmerzen aus. Nichts gegen Happy Ends, aber bitte eine Spur realistischer …