9,99 €
Studentin bei Tag – Bestsellerautorin bei Nacht.
Unter dem Pseudonym A. Lovelace schreibt Livia supererfolgreiche Liebesromane. Und nun soll ihr Buch verfilmt werden! Einziger Haken: Ausgerechnet Julian Collins, der abgestürzte Star, soll die männliche Hauptrolle verkörpern. Für Julian ist es die letzte Chance, seine Karriere zu retten. Dass er dazu in einem "Kitschroman" mitspielen muss, schmeckt ihm gar nicht. Auch Livia hat wenig übrig für den arroganten Julian. Doch dann schlägt Julian die Rolle eiskalt aus und die Verfilmung steht auf der Kippe. Livia ist fest entschlossen, Julian von seinem Glück zu überzeugen. Sich in ihn zu verlieben, war allerdings nie Teil des Skripts …
Witzig-spritzige Enemies-to-Lovers-Romance mit Book-Vibes, viel Charme und einer Prise Fake Dating.
Leseprobe:
»Hatten wir mal was miteinander?«
Diese Frage kam so aus dem Nichts, dass ich mich beinahe an der Luft verschluckte.
»W-was?« Ich erschrak, als Julians Kopf sich in mein Blickfeld schob. Er lehnte lässig mit dem Ellbogen auf dem Tisch und hatte – nur um das zu betonen – immer noch keine einzige Silbe geschrieben.
»Ob wir Sex hatten, frage ich dich.«
Galt das noch als Blinzeln oder war es schon ein Augenzucken?
»Oder ein Date? Oh, warte. War das, als ich einen Tag Tinder benutzt habe? Ich kann dir sagen, dass ich so genervt davon war, dass ich mich mit niemandem getroffen habe.«
»Ich … verstehe nicht.«
Julian zuckte locker mit den Schultern. »Meistens sind Frauen sauer auf mich, weil ich mal mit ihnen geschlafen habe.«
»So mies im Bett, hm?«
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Das Buch
Unter dem Pseudonym A. Lovelace schreibt Livia supererfolgreiche Liebesromane. Und nun soll ihr Buch verfilmt werden! Einziger Haken: Ausgerechnet Julian Collins, der abgestürzte Star, soll die männliche Hauptrolle verkörpern. Für Julian ist es die letzte Chance, seine Karriere zu retten. Dass er dazu in einem »Kitschroman« mitspielen muss, schmeckt ihm gar nicht. Auch Livia hat wenig übrig für den arroganten Julian. Doch dann schlägt Julian die Rolle eiskalt aus und die Verfilmung steht auf der Kippe. Livia ist fest entschlossen, Julian von seinem Glück überzeugen. Sich in ihn zu verlieben, war allerdings nie Teil des Skripts …
Die Autorin
© Privat
Teresa Sporrer hegte schon ihr ganzes Leben lang eine große Leidenschaft für Bücher: zunächst als Leserin, später auch als Bloggerin und mittlerweile ist sie selbst eine erfolgreiche Autorin. Ihre Reihe über verwegene Rockstars spielte sich in die Herzen vieler Leser:innen. Neben witzig-romantischen Lovestorys schreibt sie außerdem Fantasy-Romane über Antihelden wie ruchlose Piraten oder giftige Hexen.
Teresa Sporrer auf Instagram: www.instagram.com/teresasporrer/
Der Verlag
Du liebst Geschichten? Wir bei Planet! auch!Wir wählen unsere Geschichten sorgfältig aus, überarbeiten sie gründlich mit Autor:innen und Übersetzer:innen, gestalten sie gemeinsam mit Illustrator:innen und produzieren sie als Bücher in bester Qualität für euch.
Deshalb sind alle Inhalte dieses E-Books urheberrechtlich geschützt. Du als Käufer erwirbst eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf deinen Lesegeräten. Unsere E-Books haben eine nicht direkt sichtbare technische Markierung, die die Bestellnummer enthält (digitales Wasserzeichen). Im Falle einer illegalen Verwendung kann diese zurückverfolgt werden.
Mehr über unsere Bücher und Autoren auf:www.thienemann.de
Planet! auf Instagram:https://www.instagram.com/thienemannesslinger_booklove
Viel Spaß beim Lesen!
Liebe Leser:innen,
auch wenn es sich bei »Unwritten Love« um eine humorvolle & romantische New-Adult-Geschichte handelt, werden darin ernste Themen behandelt. Eine Auflistung der Content Notes findet ihr am Ende des Buches.
Für alle,
die sich schon immer gerne in Büchern erst verloren unddann wieder gefunden haben.
PROLOG
Die morschen Bretter, die nicht die Welt bedeuten
Man hört viel zu oft, dass Gegensätze sich anziehen – und trotz dieses alten Klischees war das auch bei Carina und Nathan der Fall: Was er zu wenig hatte, besaß sie im Überfluss. Wo sie versagte, zeigte er sich von seiner besten Seite.
Auszug aus dem 3. Kapitel von One Last Kiss von A. Lovelace
Livia
Im Angesicht meines bevorstehenden Ablebens fragte ich mich, ob vor mir schon viele Menschen von Büchern erschlagen worden waren. Während meine Finger sich mit letzter Kraft an dem lackierten Holz festkrallten und das Taubheitsgefühl mit einem Kribbeln von meinen Zehen über meine Füße langsam hochwanderte, musste ich ausgerechnet an die seltsamsten Tode der Welt denken: Erst vor Kurzem hatte ich von einem Mann im 16. Jahrhundert gelesen, dessen Leben ein jähes Ende fand, weil sein Bart schlichtweg zu lang war. Bei einem Feuer war er in aller Hektik auf ihn getreten und hatte sich beim darauffolgenden Sturz das Genick gebrochen. Dann gab es beispielsweise die große Biertragödie in London, die mehrere Leben gefordert hatte. Wer wollte sein Leben schon in einer Bierflutwelle aushauchen? In Anbetracht der wenig prickelnden Alternativen wahrscheinlich gar nicht mal so wenige …
Bald würde auch mein Abgang zu den schrägsten Todes-fällen der Welt zählen: Livia Scott. Eine Frau – einundzwanzig Jahre jung, tagsüber Aushilfe in einer prestigeträchtigen Bibliothek, nachts heimliche Bestseller-Autorin. Die Superheldin, die die Welt nicht brauchte, weil ihre magische Kraft lediglich darin bestand, Energydrinks und Muffins in Sekundenschnelle zu vernichten und jeden Paketboten anzuknurren, der sie an einem vorlesungsfreien Tag vor zehn Uhr morgens aus dem Bett klingelte. Die junge Schreiberin fand ein eher unrühmliches Ende, als ein riesiges Bücherregal unter ihr zusammenbrach und sie von jahrhundertealten Wälzern begraben wurde. Ihre platt gedrückte Leiche entdeckte man erst Tage später, als Netflix bemerkte, dass sie nicht wie gewöhnlich stundenlang koreanische Soaps gebinge-watched hatte – ihre emotionale Krücke, um durch den Tag zu kommen. Die Bibliothek bedauerte sehr, dass ihre Leichenflüssigkeit so viele Bücher ruiniert hatte, und würde es umso mehr begrüßen, wenn sie nicht als übernächtigter Poltergeist zurückkehrte.
Es war nicht nur meiner morbiden Ader geschuldet, dass ich so viel über unnatürliche Tode wusste. Ich langweilte mich auf meiner neuen Arbeit in der John Rylands Bibliothek in Manchester auch ohne Lebensgefahr durch morsche Bretter manchmal halb zu Tode.
Ja – ich wusste, dass ich für die Anstellung in diesen historischen Gemäuern echt dankbar sein sollte. Dass es eine unglaubliche Ehre war, dass man mir diesen Posten überließ, nachdem all die anderen Praktikanten eine bessere Stelle angeboten bekommen hatten oder gerade hochschwanger waren. Normalerweise würde man eine völlig Universitätsfremde, wie mich, nie an die alten Bücher ranlassen.
Ja – das durfte ich mir nahezu wöchentlich von einigen der Kollegen anhören.
Das änderte aber wenig daran, dass ich meist nichts zu tun hatte und mir stinklangweilig war. Man traute mir einfach nichts zu: Ich musste die Bücher, die vom Personal oder anderen Ausleih-Befugten als mangelhaft abgegeben wurden, erneut kontrollieren und alle Mängel genau protokollieren, bevor sie an die Fachleute in der Restaurationsabteilung gingen. Meine Arbeit war ein unnötiger Zwischenschritt, aber weder ich noch mein Konto beklagten sich. Zumindest nicht oft. Das gerade war eine Ausnahme – und ich schwor bei meinem privaten Bücherregal, wenn ich es unversehrt hier runterschaffte, dann würde ich nie, nie, nie wieder irgendetwas Böses über meine Arbeit sagen!
Wenn ich dieses Unglück überlebte, würde ich mehr Fleiß und Elan an den Tag legen und meine Zeit nicht länger auf Internetseiten, welche mit reißerischen Titeln wie »Ein Student aß jeden Tag Instant-Nudeln – erfahre hier, was mit seinem Gehirn passiert ist« oder »Die zehn dümmsten Tode aller Zeiten – du wirst über Nummer 6 lauthals lachen« lockten, verplempern.
Eigentlich war das hier die perfekte Arbeitsstelle für mich: Ich mochte Bücher und war nicht gern unter Menschen. In der Schule hatte ich schon die Verwaltung der schuleigenen Bibliothek fast ganz allein gestemmt. Jede Pause, jede Freistunde und auch die Zeit vor und nach dem Unterricht versteck- äh, verbrachte ich dort. Einmal war ich so in meiner Arbeit versunken gewesen, dass mich die Schule über Nacht eingeschlossen hatte. Es war selbst am nächsten Tag niemandem aufgefallen …
Meine schier grenzenlose Buchliebe sollte mir nun aber zum Verhängnis werden.
Ich wusste nicht mehr, wie es passiert war und erst recht nicht warum, aber mein Handy befand sich ganz oben auf einem der alten Bücherregale, welche gefühlte fünfzig Meter in die Höhe wuchsen. Seit einigen Minuten klingelte es – mit Unterbrechungen – munter vor sich hin. Meine Mutter hatte schon kurz nach Beginn meines Studiums aufgegeben, mich telefonisch erreichen zu wollen. Wenn mir danach war, schrieb ich ihr einsilbige Nachrichten und ließ sie wissen, dass ich noch lebte und keine gefährlichen Stunts in einer historischen Bibliothek ausübte.
Entweder waren das nervige PING-Anrufe aus dem Ausland oder mein Verlag, der mir etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Sehr wichtig, der Anrufhäufigkeit nach zu urteilen.
Beide Optionen fand ich wenig berauschend …
Ich schüttelte den Kopf.
Was hatte ich mir für dieses Jahr vorgenommen? Endlich ein bisschen aufgeschlossener zu sein und meine Probleme offensiv anzugehen, statt mir die nächstbeste Fluchtmöglichkeit zu suchen. Zum einen das und zum anderen nicht mehr so verplant zu sein. Die geografische Lage meines Handys bewies überdeutlich, dass ich das mit der Verplantheit noch nicht im Griff hatte.
Vielleicht brachte mich mein dämlicher Neujahrsvorsatz, den ich leicht beschwipst von Erdbeersekt meinem Spiegelbild geschworen hatte, echt noch ins Grab.
»Ganz ruhig, Livia«, sagte ich und versuchte möglichst gleichmäßig zu atmen. »Zuerst ein … und wieder a-aus.«
Eine Panikattacke konnte ich gerade nicht gebrauchen. Warum waren die Bibliotheksleitern nur so rutschig? Man brauchte hier dringend ein paar große Neon-Warnschilder für Vollidioten wie mich.
Solange das Regal nicht nach vorne kippte und meinen Brustkorb zerschmetterte, würde mir nichts Schlimmes passieren, versuchte ich mich zu beruhigen. Ich kam auch ohne Leiter wieder von hier runter. Vielleicht würde ich mir nur den Knöchel verstauchen, wenn ich die fünf Regalbretter runterrutschte. Morgen würde ich über meine Ängste lauthals lachen. Zwar mit einem schmerzenden Knöchel, aber ohne gequetschte Organe.
Mit klopfendem Herzen wagte ich einen Blick nach unten. Die Leiter lag flach auf dem Boden. Es gab keine Möglichkeit, sie von meinem Standpunkt aus aufzurichten oder irgendetwas heranzuziehen. Um Hilfe rufen war auch keine Option, denn die Wände des historischen Gemäuers waren dick und deshalb nahezu schalldicht. Niemand würde mich hören. Jeden Mittwoch und Freitag kam jemand vorbei, um die Bücher mitzunehmen – und heute war erst Montag.
Ich wollte so gerne jemand anderem die Schuld an meiner misslichen Lage geben, aber das hatte ich mir ganz allein eingebrockt.
Als ich den Job letzten Monat angenommen hatte, war meine erste Aufgabe gewesen, die von der Bibliothek aussortierten Bücher umzuräumen und die Regalbretter zu erneuern. Nun standen die neuen Hölzer in der Ecke und verspotteten mich.
Ja, ich war in diesem Moment echt sauer auf mein unzuverlässiges Vergangenheits-Ich! Die faule Vergangenheits-Livia hatte nämlich angefangen, in den alten Büchern zu lesen und sie nach Zustand zu sortieren. Letzteres gehörte zwar auch zu meiner Aufgabe, aber nun verstand ich, warum es besser gewesen wäre, die morschen Bretter zuerst zu ersetzen.
Jeder kleine Schritt ließ das Holz unter meinen Füßen knarzen und ich spürte, wie es sich bedrohlich bog.
Bitte brich nicht. Bitte brich nicht. Ich habe doch einen Stapel ungelesener Bücher zu Hause. Bitte, bitte.
Normalerweise mochte ich den Geruch alter, in Leder gebundener Bücher, doch gerade jetzt verströmten die dicken Wälzer den ekelerregenden Duft des Todes.
Zu meinem Glück war ich schon immer die Kleinste und Schlankeste in der Klasse gewesen. Zu meinem Pech auch die Mieseste im Sportunterricht. Mir mangelte es nicht nur an Kondition, sondern ebenfalls an Koordination.
Ich hangelte mich also ganz langsam zu meinem Handy, bis ich nur noch meine Hand ausstrecken musste. Das fühlte sich wie ein kleiner persönlicher Sieg an!
Meine Freude verflog schnell, als ich aufs Display blickte. Das Bild einer jungen Frau mit großen silbernen Ohrringen ließ mein Blut in den Adern gefrieren, da konnten ihre blauen Augen noch so vor Freude glänzen.
Meine Lektorin war am Telefon – und sie schien mir irgendetwas Wichtiges mitteilen zu müssen, wenn sie es nicht bei einer Mail beließ.
Vor Aufregung wurde meine Kehle trocken. In meinem Kopf spielten sich zahlreiche Horrorszenarien gleichzeitig ab. Zum Beispiel, dass das Buch sich plötzlich sehr schlecht verkaufte oder ein Kritiker, der normalerweise keine Liebesromane las, auf einmal Interesse an meinem Buch hatte und es in seinem Blog aufs Übelste zerriss.
Eine Frage hallte aber am lautesten: Weißt du schon, wann du fertig bist?
»Hallo-o Emily«, ging ich ans Telefon. »Was gibt’s denn?«
Ich telefonierte äußerst ungern. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, aufzulegen und meiner Lektorin eine Mail mit der Ausrede zu schicken, dass ich auf der Arbeit schlechten Empfang hätte. Doch ich wollte nicht umsonst das riesige Regal todesmutig erklommen haben.
»Hallo Livia!«, begrüßte sie mich freundlich. »Wie geht es dir? Du hörst dich so aus der Puste an. Störe ich dich bei etwas?«
»Mörderisches Workout«, log ich. Mit letzter Kraft krallte ich mich am Holz fest. Lange würde ich das nicht mehr aushalten. Ich spürte meine Finger kaum noch!
»Du wirst es nicht glauben, aber bei uns überschlägt sich gerade alles!« Täuschte ich mich oder knallten im Hintergrund die Sektkorken? »Ich habe tolle Neuigkeiten für dich!«
Komm zur Sache!, dachte ich ungeduldig.
»Ach ja?«
»Der erste Schauspieler für die Verfilmung steht fest!«
Um mich herum verschwommen die Bücher zu einer braunen Masse, als mir auf einmal schwindelig und kotzübel wurde.
Die Buchverfilmung.
In mir war schon die Hoffnung gekeimt, dass es nicht so weit kommen würde – und vor allem nicht so schnell!
Meine Gedanken überschlugen sich und mir fiel es plötzlich schwer, einen einfachen Satz zu bilden. Meine Brust fühlte sich wieder so eng und beklemmend an wie damals zu meiner Schulzeit, wenn ich vor der Klasse etwas vortragen musste. Es war fast so, als könnte ich das höhnische Gelächter meiner Mitschüler hinter den Bücherregalen hören.
Hört auf!I-Ich …
»Ah– Un-Und wer?«, fragte ich nur, weil sie es anscheinend von mir erwartete.
»Julian Collins!«
Mein Mund klappte auf und das Handy fiel mir aus der Hand. Es war völlig still im Raum, als das Gerät von Regalbrett zu Regalbrett hüpfte.
Und dann brach das Holz unter meinen Füßen krachend entzwei.
VORSPANN
Für Trash TV reicht es immer noch
Seien wir ehrlich: Der Plot von After School Lessons hat mehr Löcher als ein kaputtes Nudelsieb und trotzdem kann man nicht aufhören, wenn man einmal mit der Serie begonnen hat.
Und das alles hat genau einen Grund: Julian – fucking – Collins.
Er ist nicht nur heiß, sondern auch gut aussehend und attraktiv.
3-Sterne-Rezension von After School Lessons
Julian
Jeder starrte mich an.
Natürlich.
Selbst ins letzte Dreckskaff hatten sich die neuesten unnötig reißerischen Schlagzeilen um meine Person verbreitet.
Ich musste nicht einmal hinhören, um zu wissen, was hinter vorgehaltener Hand über mich getratscht wurde.
»Ich habe das Gerücht aufgeschnappt, dass er einen Paparazzo krankenhausreif geprügelt hat«, flüsterte die Dame, welche hinter dem Tresen des Flughafencafés stand und einem Kunden gerade frischen Kaffee und einen mit weißer Schokolade glasierten Donut überreichte. »Natürlich entspricht das der Wahrheit! Die Medien pushen doch nie etwas hoch.«
»Er soll sein tolles Luxus-Apartment in L.A. verloren haben«, tratschten zwei junge Frauen mit frischer Bräune im Gesicht hinter vorgehaltener Hand. »Wundert dich das? Wann hat er das letzte Mal etwas anderes als ein entstelltes Mordopfer gespielt?«
»Ach, er war das? Durch das ganze Kunstblut habe ich das nicht bemerkt!«
Und dann war da noch …
»Julian!«, schrie eine weibliche Stimme aufgekratzt und übertönte mit Leichtigkeit alle anderen Geräusche in der Flughafenhalle. »Juliaaan! Huhu! Hier bin ich!«
Augenblicklich standen meine Nackenhaare zu Berge.
Eine junge blonde Frau hüpfte aufgeregt auf und ab. Einige Männer drehten sich nach ihr um, aber ich war mir nicht sicher, ob es daran lag, dass sie ehrliches Interesse an ihr hatten oder sie sich vor ihrem euphorischen Rumgehüpfe fürchteten. In ihrer rechten Hand hielt sie zu allem Überfluss auch noch ein Schild mit meinem Namen. Als würde ich meine eigene Schwester nicht wiedererkennen …
»Ich habe das Gerücht aufgeschnappt, dass ihm nichts anderes übrig bleibt, als zu seiner Zwillingsschwester nach Derbyshire zu ziehen«, murmelte ich vor mich hin. »Dass sein Agent ihm eine einzige, allerletzte Chance gibt, bevor er nur noch bei Dancing with the stars oder in ähnlichen Trash-Shows auftreten darf.«
Es war nicht das erste Mal, dass meine Karriere zu scheitern drohte. Wenn man wie ich schon seit frühester Kindheit schauspielerte, waren Durststrecken vorprogrammiert.
Aber ich schaffte das. Ich schaffte es immer.
Ich musste nur die Zähne zusammenbeißen und diesen einen Kitschstreifen in London abdrehen. Dann konnte ich mich vor weiteren Angeboten kaum retten – sagte zumindest mein Agent. In einem Jahr würde mein Leben wieder in geregelten Bahnen verlaufen. Sofern man das Starleben als »geregelt« bezeichnen konnte.
»JULIAN COLLINS!«
Wie ein Echo hallte mein Name durch das gesamte Flughafengebäude. Nun waren mit Sicherheit alle Blicke auf mich gerichtet. Dieses Mal war das Gefühl keinem Funken Paranoia geschuldet.
»Was macht Julian Collins denn hier?«
»Ich will ein Autogramm!«
»Der soll voll der Arsch sein.«
»JULIAN COLLINS!«
Meine Zwillingsschwester Charlotte hatte ein beeindruckend lautes Organ. Als wir noch Kinder waren, wollte immer jeder, dass sie dem Chor beitrat oder die Hauptrolle in Schulaufführungen übernahm. Neben unseren hellblonden Haaren und grünen Augen war das unsere dritte Gemeinsamkeit.
Sie setzte zu einem weiteren Ruf an, als ich völlig entnervt und mit gesenktem Kopf auf sie zustürmte. Meine Wangen brannten vor Scham. Nur sie schaffte es, dass ich mit meinen fünfundzwanzig Jahren rot wie ein Schuljunge wurde.
Meine Schwester trug dieses breite Grinsen im Gesicht, welches ich noch aus meiner Kindheit kannte. Wenn ich jetzt das Falsche sagte oder tat, würde sie eine riesige Szene machen. Noch mehr ungewollte Aufmerksamkeit konnte ich echt nicht gebrauchen.
»Warum schreist du so –«
Weiter kam ich nicht, da sie mich in eine unglaublich feste Umarmung zog und mir ein paar Küsse auf die Wangen hauchte.
»Willkommen daheim«, sagte sie und legte eine Hand auf meinen Hinterkopf. »Ignorier mich das nächste Mal nicht. Das ist herzlos.«
»Ich habe dich nicht gesehen.«
In ihrer Stimme lag kein Groll, als sie mir ins Ohr flüsterte: »Vielleicht brauchst du dann eine Brille – oder du lernst, besser zu lügen.«
Charlotte war genauso groß wie ich, aber dank ihrer Leidenschaft für hochhackige Schuhe überragte sie mich in diesem Moment um einige Zentimeter. Das nutzte sie auch zugleich schamlos aus.
»Lass dich mal ansehen!«, sagte sie, als wäre sie geistig schon weit über 60 Jahre alt. Sie kam meinem Gesicht so nahe, dass ich die Klumpen ihrer Mascara auf den Wimpern erkennen konnte. »Das sind ja mal üble Augenringe … Schläfst du genug?«
»Da ich praktisch arbeitslos bin: Ja. Ich hab schließlich nix Besseres zu tun.«
Ihre hellpinken Lippen verzogen sich zu einem unzufriedenen Strich.
»Das ist doch nur vorübergehend«, sagte sie und tätschelte meine Schulter wie eine Großmutter. »Das wird wieder. Wie nennt man das bei euch Künstlern? Schaffenskrise?«
Ha, sie sagte exakt das Gleiche wie mein Agent. Mich würde es nicht wundern, wenn sich die beiden abgesprochen hatten.
Erneut zog sie mich in eine feste Umarmung, die mir kurzfristig die Luft zum Atmen raubte. »Ich habe dich so vermisst.«
Ich versuchte mich zu erinnern, wann ich Charlotte das letzte Mal gesehen hatte. Persönlich und nicht über Handykamera oder im ganz seltenen Fall über Livestream. Es musste an die drei Jahre her sein. Sie hatte sich verändert … Sie wirkte glücklicher. Zufriedener.
Warum fühlte ich mich dann so schlecht?
»Lässt du mich auch irgendwann wieder los?«
Zugegeben: Das Wiedersehen mit meiner Schwester hatte mich abgelenkt, aber jetzt wurde mir wieder bewusst, dass wir inmitten der Flughafenhalle rumkuschelten. Das war mir unangenehm.
»Nie wieder«, antwortete sie mit grabeskalter Stimme. »Deinen nächsten Film musst du mit mir am Rockzipfel drehen.«
»Die Leute gucken schon.«
»Sollen sie doch. Haben die noch nie eine Schwester gesehen, die ihr kleines Brüderchen vermisst hat?«
Das hatten sie bestimmt, aber sie hatten noch nie Charlotte in Action erlebt. Ihre Größe, ihre Stimme – ihre ganze Präsenz war einnehmend.
Irgendwann hatte sie dann zum Glück genug davon, ein öffentliches Ärgernis zu mimen. »Okay. Lass uns heimfahren.« Charlotte nickte in Richtung des Ausgangs. »Ich fahre so ungern im Dunkeln.«
»Im Dunkeln?«
Die Aussage irritierte mich. Es war erst fünf Uhr nachmittags. Zwar wurde es im ewig bewölkten England zu dieser Zeit früher dunkel als in L.A., aber uns blieben bis dahin ein paar Stunden.
»Wir haben ungefähr zwei Stunden Fahrt vor uns.«
»Zwei Stunden«, wiederholte ich fassungslos. »Warum habe ich dann einen Flug zu diesem Kaff-Flughafen gebucht?«
Meine Schwester blinzelte mich an, als käme ich gerade frisch vom Mond. »Julian, das ist der einzige Flughafen in der Nähe. Zu den anderen würden wir viel länger brauchen.«
»Was?«
»Du bist nicht mehr in Los Angeles«, erinnerte sie mich, als hätte ich das nicht schon längst bemerkt. »Aber glaub mir, das Landleben wird dir guttun.«
Ich bezweifelte, dass mir das Leben in einem Kuhdorf wirklich zusagen könnte, aber ich hatte dieselbe Befürchtung wie meine Schwester: dass mir die Auszeit tatsächlich guttun würde. Weit und breit keine Paparazzi, keine Preisverleihungen oder Partys. Es gab keine Versuchungen, denen ich ausgesetzt war, außer ich entwickelte einen Fetisch für lange Wanderausflüge im Grünen. Meine Schwester spähte auf meine zum Bersten gefüllte Reisetasche. »Hast du noch Koffer zum Mitnehmen? Oder kommt der Rest etwa mit einem Umzugswagen?«, erkundigte sich Charlotte. »Ich habe die letzte Woche extra Oberarm-Workouts gemacht.« Sie demonstrierte mir ihren Bizeps. Ich erkannte kaum einen Unterschied zu vorher. »Fass mal an.«
Ich schüttelte den Kopf. »Da kommt nichts mehr. Ich habe das Zeug in Amerika einlagern lassen.«
Sie ließ den Arm sinken. »Ist das nicht teuer? Nicht, dass dein Zeug gepfän–«
»Mein Agent übernimmt vorübergehend die Kosten.«
Ich war abhängig: von meinem Agenten, meiner Schwester und dem Skript, das ich in meiner Reisetasche herumtrug.
Deine allerletzte Chance, hallte es in meinem Kopf. Dead End.
»Na dann!« Charlotte klatschte zweimal in die Hände. »Warum stehen wir hier so blöd rum?«
Ich schwieg.
Das wollte ich jetzt lieber unkommentiert lassen.
Charlotte führte mich zu ihrem Auto. Es handelte sich dabei um einen silbernen Gebrauchtwagen, der schon einige Jahre auf dem Buckel hatte, den sie aber sichtbar aufopferungsvoll pflegte.
Ich verstaute meine Reisetasche im winzigen Kofferraum. Meine Schwester musste direkt vom Wocheneinkauf gekommen sein, da beinahe der ganze Kofferraum voll mit bunten und vor allem überfüllten Stofftragetaschen war. Wieso bestellte sie sich nicht einfach etwas? Gab es hier etwa keine Lieferservices? Musste ich etwa … selbst kochen?!
Ich hatte noch nie in meinem ganzen Leben gekocht.
Bevor ich den vollen Kofferraum schloss, fiel mein Blick auf eine Packung Jelly Babies. Bei dem Anblick konnte ich mich natürlich nicht zurückhalten. Es war Stunden her, dass ich etwas Ordentliches gegessen hatte. Das Menü in der Economy-Klasse war wirklich ekliger Fraß.
Als ich eine Tüte Gummibärchen als Wegzehrung an mich nahm, purzelten mir weitere Packungen entgegen. Dahinter befanden sich noch einige Schokoladentafeln von Cadbury und Sherbet Lemons.
Charlotte wusste immer noch, welche Süßigkeiten ich am liebsten aß.
Ich blickte noch einmal zum Flughafen. Es gab keinen Weg zurück. Meine Kreditkarten waren gesperrt und ich hatte mein letztes Bargeld für überteuertes Flughafen-Mineralwasser und einen trockenen Bagel mit Camembert ausgegeben.
Ich ergab mich mit einem Seufzen meinem traurigen Schicksal und stieg in Charlottes Wagen. Das wollte ich zumindest tun …
»AUA!«
Irgendetwas Spitzes hatte sich in meinen Arsch gebohrt.
»Was zur Hölle!« Ich hielt eine funkelnde Krone in der Hand.
»Meine Tiara!« Meine Schwester streckte den Arm aus. »Ohne die kann ich am Samstag nicht zur Arbeit antanzen.«
Charlotte hatte mir schon vor ein paar Monaten am Telefon erzählt, dass sie als Prinzessin in einem kleinen Resort namens Gulliver’s Kingdom arbeitete. Mit diesem Job und dem Erbe unserer Eltern kam sie gut über die Runden.
Ich hatte meinen Anteil am Erbe für irgendetwas ausgegeben.
Ich wusste nicht einmal mehr, in was es geflossen war – ob es der Jacuzzi war, den ich nie benutzt hatte oder der Porsche, den ich vor ein paar Monaten wieder verkaufen musste, als das Geld knapp geworden war.
Ich drückte meiner Schwester widerwillig die Krone in die Hand. Am liebsten hätte ich das Scheißteil vor einen fahrenden Lkw geschmissen. Sie setzte sich die Plastikkrone freudestrahlend auf den Kopf. Hoffentlich stoppte uns kein Polizist – ihr peinlicher Aufzug würde bestimmt einen Alkoholtest provozieren.
»Wie gefällt dir dein Job?«, fragte ich, um den Small Talk aufrechtzuerhalten. Ich war trotzdem noch etwas angepisst von dem unfreiwilligen Fast-Einlauf. Wenigstens hatte ich die Jelly Babies.
»Abgesehen von der Kinderkotze und klebrigen Tatschefingern ganz gut.«
»Kinder können anstrengend sein.«
»Nicht nur die Kinder«, seufzte sie. »Die Väter sind viel schlimmer. Besonders, wenn ich zur Aufbesserung der Haushaltskasse zusätzlich die eine oder andere Schicht im Restaurant übernehme.«
»Ist das dein Ernst?«, grollte ich. »Char–«
»Wir haben ein gutes Security-Team«, versuchte sie mich zu beschwichtigen. »Wenn jemand extrem aufdringlich wird, werfen sie ihn raus. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
»Mache ich auch nicht.«
»Wenn du das nicht tun würdest, wärst du jetzt gar nicht hier.«
»Das hat nichts mit dir zu tun«, zischte ich. »Das habe ich mir allein eingebrockt.«
Die Wahrheit war, dass sie sich Sorgen um mich machte.
Aber ich war ihr Bruder.
Ich sollte auf sie achtgeben. Ich sollte sie beschützen. Stattdessen hatte ich meine Karriere über unsere Beziehung gestellt. Ich war nicht da gewesen, als sie wochenlang im Krankenhaus lag, um sich von den Komplikationen ihrer OPs zu erholen. Natürlich hatte ich sie angerufen und ihr ein paar Blumensträuße per Kurier schicken lassen, damit ihr Zimmer nicht allzu trist aussah, aber … Aber ich hätte ihre Hand halten sollen! Sie hatte doch niemanden mehr außer mir.
»Deine Haare sind länger«, sagte ich und starrte weiterhin aus dem Fenster.
»Ich habe sie schneiden lassen.«
»Wa–«
»Scherz!«, lachte Charlotte. »In letzter Zeit wachsen sie wie irre. Muss wohl an meiner neuen Pflegespülung liegen. Sie brechen nicht mehr so leicht ab. Ach, wenn wir schon mal dabei sind. Erste Hausregel: Finger weg von meiner Pflegespülung. Die war teuer. Nimm die 25-in-1-Spülung für Körper, Haar, Bart, Auto und was weiß ich noch, die es speziell für euch Männer gibt.«
»Mhm.« Was auch immer.
»Willst du Radio hören? Oder was anderes?«, fragte mich meine Schwester nach einiger Zeit des Schweigens. »Momentan höre ich nämlich mein Lieblingsbuch als Hörspiel. Es ist so gut! Glaub mir, dass wird selbst dir gefallen! Es ist romantisch, tragisch, wi–«
»Ist mir egal.«
Ich war zu sehr damit beschäftigt, die grüne Landschaft nach Leben abzusuchen. Wo waren die ganzen Häuser? Straßen? Gab es hier überhaupt andere Menschen? Die letzten Minuten hatte ich nur eine Schafherde nach der anderen gesehen. Das hier war wirklich das letzte Kuhdorf.
Aber … Irgendwie war es auch ganz schön anzusehen. Die weiten Wiesen waren saftig grün mit vielen Wildblumen und der Himmel so klar. Laute Geräusche gab es keine, nur den Wind, der um uns herumpfiff, als ich das Fenster ein Stück weit herunterließ.
Vielleicht tat es mir ganz gut, ein paar Wochen hier abzuschalten. Ein paar Wochen ohne Blitzlichtgewitter und kreischende Fans, keine Ex, die einem im blödesten Moment eine Szene machte. Ein paar Wochen Pause, bevor ich zum Start der Dreharbeiten wieder nach London musste und danach alles seinen gewohnten Lauf nahm. Das blendende Licht, das ohrenzerfetzende Geschrei und die grundlos wütende Ex, die in den ungelegensten Augenblicken auftauchte, als wolle sie einen Oscar für ihre Darbietung überreicht bekommen.
»Julian?«
»Was ist denn noch?«
»Ich bin froh, dass du mein Angebot angenommen hast. Ich …« Ihre langen Finger verkrampften sich um das Lenkrad. »Wir haben ja nur noch uns.«
Ich schnaubte – und starrte weiterhin demonstrativ in die Pampa.
Das bin ich auch.
1. KAPITEL
Abneigung auf den allerersten Blick
Nathan (abschätzig, Blick abgewandt): Ach, du willst mir helfen?Mir? Tut mir leid, Prinzessin, aber ich bin kein hilfloser Streuner, der mit Hundeblick auf ein neues Frauchen wartet.Ich brauche keine Hilfe. Ich brauche dich nicht.
Carina (unsicher): Ich … Ich will …
Nathan (überheblich, grinsend): Na? Zunge verschluckt, Prinzessin?
Skript-Auszug One Last Kiss, basierend auf dem gleichnamigen Roman
Einige Wochen später …
Livia
Ich freute mich ungemein darauf, Julian Collins kennenzulernen. Deswegen blickte ich auch alle paar Minuten mit Bauchgrummeln aus dem Fenster zu meinem schwammigen Spiegelbild, um mir ein schlechtes Gewissen wegen einer weiteren miesen Lebensentscheidung einzureden.
»Das ist der beste Tag meines Lebens!«
Das war Sarkasmus, falls meine zuckersüße Stimme und die Zornesfalte zwischen meinen Brauen nicht als Hinweis genügten.
Seit ich wusste, dass Julian die männliche Hauptrolle in meiner Buchverfilmung übernehmen würde, hatte ich nicht nur meinen Job in der Bibliothek verloren, sondern auch mein Handy kaputt gemacht und mir zur Krönung den Arm gebrochen. Tatsächlich waren diese drei Sachen innerhalb der ersten Minute nach der Bekanntmachung passiert: Der Sturz vom Bücherregal hatte für mich glimpflich mit einem Unterarmbruch und tödlich für ein paar alte Faksimiles geendet. Ich hatte einen Buchrücken mehrfach gebrochen und ein paar Seiten herausgerissen und übel geknickt, als ich nach dem Fall auf einem anderen Buch ausgerutscht war. Kein Restaurator der Welt konnte mehr helfen: Die teuren Werke waren für die Tonne.
Ich »durfte« mich glücklich darüber schätzen, dass es »nur« Faksimiles waren und keine Originalwerke oder Einzelstücke wie die Gutenberg-Bibel oder das St. John Fragment.
Man warf mir die »mutwillige Zerstörung von Bibliothekseigentum« vor, obwohl ich nicht einmal ein Eselsohr in meine Bücher machen konnte, ohne mich unendlich schlecht zu fühlen. Wie der Teufel das Weihwasser mied ich die Nähe zu jedweder Flüssigkeit aus Angst vor gewellten Seiten!
Aber meine hundertfache Entschuldigung brachte nichts: Der Job war weg und ich hatte lebenslanges Hausverbot in der John Rylands. Ich! Lebenslang! Weil ich Bücher zerstört hatte!
Nun konnte ich mir einer Sache ganz sicher sein: Julian Collins würde mir nur Pech bringen. Warum hatte ich mich noch einmal dazu überreden lassen, ihn zu treffen? Warum? Warum?
Warum?
Ich benötigte noch einige Minuten, um endlich wieder normal durchatmen zu können. Nervös starrte ich durch die Fenster des Cafés auf die Londoner Straßen. Draußen war es grau, kalt und regnerisch, ein weiterer Wolkenbruch bahnte sich gerade durch immer finster werdende Wolken an.
Das war mein Lieblingslesewetter, wenn mich die vertrauten Wände meiner Wohnung umgeben hätten, stattdessen hockte ich in einem Café und litt unter Heimweh. Eigentlich wollte ich mich nur in meinem Bett verkriechen und mein neues Buch lesen. Ich wollte jemand anderen die Protagonistin der Geschichte sein lassen.
Allerdings wurde ich in einer Stunde in meinem Verlag erwartet, wo ich Julian treffen sollte, und ich war so gar nicht erfreut darüber. Das lag einerseits daran, dass ich ungern neue Menschen kennenlernte. Andererseits stand ein abgestürzter Schauspieler wie er ganz unten auf meiner Liste der Leute, die ich gerne treffen würde. Zugegeben: Es gab keine Liste. Ich kannte keine einzige Person, die ich gerne treffen würde.
Trotz des schlechten Wetters schlenderten einige Familien, verliebte Pärchen und Freundesgruppen mit Tüten und Regenschirmen lachend und tratschend an meinem Fensterplatz vorbei.
Der Anblick brachte mich dazu, mich schnell wieder abzuwenden.
Es war mir bewusst, dass ich eine Einzelgängerin war – wer würde es mir verdenken? Mit anderen Menschen kam ich einfach nicht klar.
Ein humorloses Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich an das vorgestrige Telefonat mit meiner Lektorin zurückdachte:
»Willst du vielleicht doch jemanden mitnehmen?«, hatte sie mich gefragt. »Julian kommt auch nicht allein. Du kannst also gerne einen Freund einladen.«
Ich legte den Kopf in den Nacken und blickte zur rustikalen dunkelbraunen Holzdecke hoch. »Julian Collins. Warum ausgerechnet er?«
Ein Name, der zwar eindrucksvoll klang, aber hinter dem sich auch nur ein weiterer gefallener Celebrity verbarg. Vor ein paar Jahren war er noch der Publikumsliebling gewesen: Sein Bild prangte auf jeder Teenie-Zeitschrift, man stolperte nahezu täglich über seine Parfümwerbung und für einen dreistelligen Betrag konnte man auf Conventions in ganz Europa und Amerika ein Bild mit ihm knipsen. Wenn man über die Serie After School Lessons redete, dann hatte jeder sofort das Bild des blonden jungen Mannes mit hellgrünen Augen im Kopf.
Um mir die Zeit bis zum Termin zu vertreiben, tippte ich After School Lessons Julian Collins in die Suchmaschine auf meinem Tablet ein.
Ich erinnerte mich noch daran, dass viele meiner Mitschüler die Serie geliebt hatten. Beverly Hills, 90210, Gossip Girl und After School Lessons – alle paar Jahre gab es diese eine Teenie-Serie, die so durch die Decke ging, obwohl man nur schönen Leuten dabei zusah, wie eklig sie sich gegenüber ihren Mitmenschen benahmen. In der Serie mit Schul-Setting gab es alles: Freundschaft, Liebe, Drama, Affären, Mord – und in einem Halloween-Special sogar einen ruhelosen Geist und einen Alien mit Spinnenphobie.
Selbst ich hatte mal eine oder zwei Folgen gesehen. Meist dann, wenn das Internet gestreikt und ich aus Langweile auf das klassische TV-Programm zurückgreifen musste. Einerseits schüttelte man den Kopf über die überzogenen Dialoge und den Großteil der Schauspieler, die eindeutig fünf bis zehn Jahre zu alt für die Highschool waren, aber trotzdem konnte man nicht wegschauen.
Als die Serie nach fünf Jahren und fast einhundert Folgen vorüber war, kam Julians Karriere erst richtig in Fahrt: Kinofilme, Werbespots und Modelaufträge, bis …
Mir war zwar langweilig, jedoch nicht langweilig genug, um genau zu analysieren, wann der Abstieg des britischen Schauspielers genau begonnen hatte. Fakt war: In den letzten Jahren hatte Julians Popularität rapide abgenommen. Bei Interviews gab er sich meist arrogant und unnahbar. Fans ignorierte er. Von dem unwiderstehlichen Charme, den er in der Serie als treuherziger Playboy versprüht hatte, war nicht mehr viel übrig. Und ja das Adjektiv treuherzig und das Etikett Playboy beißen sich eigentlich, aber laut den Rezis kam er in der Serie genau so rüber.
Und nun sollte ausgerechnet mein Buch ihm zu altem Glanz verhelfen.
Meine Lippen verzogen sich zu einem Strich und als ich den Kaffeebecher in meiner Hand zerdrückte, durchzuckte mich ein scharfer Schmerz. Den Gips hatte ich erst letzte Woche entfernt bekommen.
Ich würde mich heute mit Julian treffen – und das war es. Da ich One Last Kiss unter einem Pseudonym verfasst hatte, würde ich auch nicht zur Filmpremiere kommen. Ich würde mich beim ganzen Dreh stets im Hintergrund halten. Selbst einen Cameo hatte ich sofort vehement abgelehnt. Es war besser, wenn die Welt nicht wusste, dass ich A. Lovelace war.
Mit einem leisen Klingeln der Türglocke kündigten sich neue Gäste an, die lautstark am Streiten waren.
»Charlotte, ich will nicht zu spät kommen.«
»Jetzt beruhige dich, wir haben alle Zeit der Welt!«
»Nein. Das haben wir eben nicht.«
Eigentlich wollte ich die beiden – ein Mann und eine Frau den Stimmen nach – ignorieren. Ich hatte keine Lust, im schlimmsten Fall in einen Pärchenstreit zu geraten, weil ich neben dem Personal die einzige andere Person im Café war. Ich würde den Streithähnen keine Sekunde meiner Aufmerksamkeit schenken, sondern mich vollkommen auf meinen Vanilla-Latte und mein Croissant konzentrieren. Das hatte ich mir nach der mühseligen Anreise mit Zugverspätung und besetztem Reservierungsplatz redlich verdient.
»Du hast wieder mal einen Stock im Arsch«, ärgerte die Frau den Mann. »Mach dich locker.«
»Stock im Arsch? Vielleicht habe ich mich auch nur wieder auf deine Krone gesetzt, weil du so unordentlich bist.«
»Das ist eine Tiara!«
Als mich die Neugier dann doch übermannte und mich umdrehte, stockte mir der Atem. Ich rieb mir die Augen, aber die Szene blieb unverändert. Vorne an der Theke stand zweifelsfrei Julian Collins. Neben ihm eine wunderschöne Blondine, die gerade einen kleinen Aufstand veranstaltete. Selbst der Bedienung war es sichtbar peinlich.
»Was willst du trinken? Ich gebe dir einen aus.«
»Lass lieber.«
»Ich gebe dir einen aus«, wiederholte er bestimmend. »Jetzt sag schon.«
Die blonde Frau lachte nur. »Also gut. Ich will mal nicht so sein. Ich nehme den Erdbeershake mit ordentlich viel Sahne, Schokosoße und Streuseln – und der glitzrigen Überraschung.«
»Ist das nicht ein Kindergetränk?«
»Was für Kinder gut ist, muss auch für mich gut sein. Die ›Erdbeerfee‹ mit Überraschung für mich.«
Die süße Versuchung hörte sich in meinen Ohren wirklich himmlisch an!
»Bist du fünf oder fünfundzwanzig?«
»Hol mir einfach meinen Shake, ja?« Sie blies ihm einen Kuss zu, den er mit einem genervten Gestöhne quittierte. »Ich suche währenddessen einen Platz für uns.«
»Wir haben keine Zei–«
»Doch. Das haben wir.«
Die Frau ließ ihren Blick durch das Café schweifen. Völlig unnötig, da nur ein Tisch besetzt war – mit mir.
Sie hob grüßend die Hand – und ich reagierte wie immer: Ich zog mir die Kapuze meines Hoodies tief ins Gesicht. So sah sie meine brennenden Wangen nicht. Ich hatte sie zu lange angestarrt, oder? Hoffentlich hielt sie mich jetzt nicht für eine Stalkerin.
Ihre halsbrecherischen Stilettos klackerten auf dem Steinboden. Wer zog bei so einem Wetter solche Schuhe an? Und das Geräusch kam näher und näher und –
»Hallo! Willst du ein Autogramm von Julian?«, fragte mich seine Begleitung lächelnd. »Ich hab deinen Blick bemerkt.«
Pah!
Ich kniff die Lippen zusammen, bevor mir ein böses Wort entwischte und schüttelte den Kopf.
Ihr Blick fiel auf mein Tablet, wo zahlreiche Bilder von Julian zu sehen waren. Aus diesem Grund sollte man nicht nur seinen Browser-Verlauf regelmäßig löschen, sondern auch immer offene Tabs schließen.
»Ich kann ihn für dich fragen, wenn du zu schüchtern bist. Ist kein Problem! Ich kenne Julian schon ewig. Er kann mir keinen Wunsch abschlagen.«
Ich war nicht wirklich schüchtern. Ich redete nur nicht gerne mit anderen Menschen. In meinen Gedanken war ich die schlagfertigste Person im englischen Sprachraum.
Also: Nein, ich wollte kein Autogramm von ihm. Das konnte man heutzutage ja nicht mal mehr gewinnbringend auf eBay verscherbeln.
»Wie heißt du denn?«
Meine Antwort war reiner Reflex. »Li-Livia.«
Sie lächelte mich an – und tatsächlich zuckten meine Mundwinkel leicht mit. »Ein schöner Name.«
»Charlotte, wen zur Hölle belästigst du nun wieder?«
Julian drückte seiner jauchzenden Begleitung die zuckrige Kalorienbombe in die Hand und schenkte mir lediglich einen abschätzigen Blick von der Seite.
Wahrscheinlich war ich das genaue Hinsehen nicht wert, weil ich nicht so aufgetakelt wie seine Begleitung war, die trotz Regenwetter in Pumps und einem roten Sommerkleid durch die Gegend stolzierte.
Nachfolgend bewies Julian, wieso er auf dem Tiefpunkt seiner Karriere angelangt war – und dass er es nicht anders verdient hatte.
»Würdest du Livia ein Autogramm geben?«, fragte Charlotte für mich, obwohl ich sie nicht darum gebeten hatte.
Ich war mir sicher, dass ein Autogramm von mir viel mehr wert war als Julians Gekrakel. Meine signierten Bücher waren innerhalb einer Minute ausverkauft gewesen, obwohl es 5.000 Exemplare gegeben hatte. Meine Hand verkrampfte sich noch stärker, als ich an die Strapazen des Signiermarathons dachte.
»Muss das sein?«
»Was haben wir besprochen? Du willst doch netter zu deinen Fans sein. Jetzt sei nicht so!«
Der Schauspieler schnaubte verächtlich und – ich wusste nicht warum – mein Blut begann, unkontrolliert zu brodeln. »Ich muss netter sein – von wollen kann da keine Rede sein.«
Julians Augen richteten sich auf mich. »Wer bist du eigentlich?«
Ich hätte beinahe »dein schlimmster Albtraum« geantwortet – anscheinend stiegen mir die Dialoge aus Julians mieser TV-Serie bereits zu Kopf. Bevor ich als Vollpsycho dastand, schwieg ich lieber und betrachtete die Kunstpflanze auf dem Tisch.
»Gut«, schnaubte Julian und sein Ton ließ meine Wut überschäumen. »Wenn es sein muss. Charlotte, hast du einen Stift für mich?«
Während des Herumgeplänkels der beiden verkrampften sich meine Hände auf der Holztischplatte zu Fäusten.
Charlotte kramte in ihrer Handtasche. »Ich habe welche mit Geruch!« Zu Testzwecken malte sie sich ein Herz auf die Haut. »Oh, die glitzern sogar! Ist mir vorher nie aufgefallen.«
Etwas verspätet fanden dann auch ein paar Worte ihren Weg über meine Lippen: »Wer ich bin, ist egal«, sagte ich mit fester Stimme. Die Wut in meinem Inneren musste in diesem Moment einfach raus. »Du bist auf jeden Fall ein großes Arschloch.«
Charlotte schnappte entsetzt nach Luft, während Julians Augen sich verengten. »Wie bitte?«
Ich war gleichermaßen entsetzt und stolz auf mich. Ich hatte es zumindest ohne Stottern rausgebracht …
2. FOLGE
Fans waren auch schon mal höflicher
Auf der St. James Academy »herrschen« die reichen Eliteschüler über alle anderen. Partys sind an der Tagesordnung und die Lehrer müssen tatenlos zusehen – wenn sie nicht schon selbst der Dekadenz des Internates verfallen sind. Wir begleiten den Urenkel des Schulgründers – Theodore St. James (Julian Collins) – auf ausschweifende Partys, gefährliche Liebschaften und finden uns schon bald in einem Netz aus tödlichen Intrigen wieder …
Kurzbeschreibung der Hit-Serie After School Lessons
Julian
Meine Schwester hatte mich regelrecht dazu gezwungen, in das Café zu gehen. Nur ein bisschen von ihrer Bettelei genervt wollte ich ihr erklären, dass ich bei meiner letzten Chance lieber fünfzehn Minuten zu früh, als zu spät auftauchte, aber sie konnte richtig herrisch werden, wenn mit süßen, pinken Drinks im Schaufenster gelockt wurde. Sie war so eine Prinzessin …
Schlussendlich war ich dann doch eingeknickt. Ein warmer Cappuccino oder ein starker Espresso taten mir nach der langen Fahrt sicher ganz gut.
Zu meinem großen Leidwesen waren wir mit dem Zug angereist, nachdem mir Charlotte vorgerechnet hatte, wie viel ein Kurzstreckenflug von Derbyshire nach London kosten würde und mein Vorschuss für den Kitschfilm bereits dafür draufgegangen war, meine ärgsten Schulden zu decken. Ganz zu schweigen davon, dass der Verlag niemals für solche Kosten aufkommen würde.
Davon abgesehen gab es in ganz Derbyshire keinen Flughafen, wie ich bei der viel zu langen und unangenehm stillen Autofahrt zu Charlottes Wohnung feststellen durfte.
Die drei Stunden Zugfahren waren die reinste Tortur gewesen und meine Laune war nicht mehr im Keller, sie war zum Erdkern vorgedrungen und dort verdampft. Wir hatten uns das Abteil mit 16-Jährigen auf Klassenfahrt geteilt, sodass ich bestens über die intimen Details einer Highschool-Klasse im Süden Englands informiert war, so als wäre ich wieder in meine alten Serie reingecastet worden.
Aber das war der Tortur noch nicht genug: Jetzt saß vor mir eine komische Gestalt im Hoodie, die mir gerade ein »Arschloch« an den Kopf geworfen hatte, obwohl ich überhaupt nichts verbrochen hatte, sondern nur meiner nervigen Schwester ein überteuertes Kindergetränk als kleines Dankeschön kaufen wollte.
»Du bist auf jeden Fall ein großes Arschloch«, hallte ihre Stimme in meinem Kopf, während ich sie verdattert anstarrte.
Ich wusste nicht, womit ich ihre Feindseligkeit verdient hatte. Angestrengt versuchte ich ihr Gesicht mit Bekannten aus meiner Zeit vor L.A. abzugleichen. Sie war eine junge Frau in einem übergroßen blauen Kapuzenpullover, welcher nahezu ihre ganze Statur verhüllte. Unter dem dicken Stoff lugten ein paar lockige braune Strähnen hervor. Ihre Augen hatten einen ähnlichen Farbton, während ihre Haut ein paar Nuancen heller war.
Laut Charlotte war ihr Name Livia.
Livia. Livia. Livia … Liv? Via?
Der Name kam mir nicht im Geringsten bekannt vor und ich war mir fast sicher, dass ich sie noch nie zuvor gesehen hatte. Jemand mit einem solchen Angst einjagenden Blick hätte sich garantiert in mein Gedächtnis gebrannt.
Sie wirkte klein und zierlich, wie sie da saß in ihrem Oversize-Hoodie – nur die große Klappe und dieses Furcht einflößende Starren wollte nicht dazu passen.
»Was hast du gesagt?«, fragte ich verdattert. Ich musste mich einfach verhört haben!
»Du bist ein großes Arschloch«, wiederholte sie mit einem selbstgefälligen Lächeln, welches sofort eine fette Zornesfalte auf meine Stirn rief.
Was erlaubte sich diese dahergelaufene Göre?! Sie kannte mich nicht.
»Weißt du –«, begann ich, aber meine Schwester zupfte an meiner Kapuzenjacke.
»Julian, lass das.«
»Warum sollte ich?«
Ich blickte Livia unverwandt an und sie tat es mir gleich. Eines stand fest: Sie würde diesen Kampf verlieren. Sie hatte keine Schwester wie Charlotte, die in der Kindheit andauernd Starrduell spielen wollte und einen jedes Mal fest in die Seite kniff, wenn man verlor.
Die Worte meiner Schwester drangen wie durch einen zähflüssigen Nebel verspätet und im ersten Moment schwer verständlich an mein Ohr: »Du hast selbst gesagt, dass du verstehst, dass sich viele deiner Fans von dir abgewendet haben. Also belass es dabei. Nicht zurückblicken, nur nach vorn sehen.«
Es gab eines, was ich an der Schauspielerei gar nicht ausstehen konnte: Jeder meinte, mich persönlich zu kennen, weil er eine Serie oder einen Film mit mir gesehen hatte.
Jeder Mensch hatte schlechte Tage oder Beweggründe, die man nicht öffentlich mit aller Welt teilen wollte – wenn ich das als Schauspieler jedoch nicht an die große Glocke hängte, wurden Hunderte von abstrusen Thesen aufgestellt. Das beste Beispiel war ausgerechnet der Vorfall, der mich zurück nach England und zu Charlotte getrieben hatte.
Bereute ich es, dass ich dem Paparazzi-Arschloch eins reingehauen hatte? Nein. Hatte er es verdient? Absolut. Würde ich es wieder tun? Wenn er seine Worte über Charlotte wiederholte: Ja. Ja. Und noch mal: Ja!
Hatte ich meine Wut über fehlende Jobangebote und steigende Schulden wahllos an einem Fotografen ausgelassen?
Nein. Ganz und gar nicht. Das war schließlich mein eigenes Versagen, für das ich mich nur selbst verantwortlich machen konnte.
Aber meine Beweggründe interessierten die Klatschzeitschriften und Möchtegern-Journalisten auf den zahlreichen Social-Media-Plattformen nicht, die selbstverständlich alles über jeden zu wissen glaubten.
Ich stürzte den überteuerten Kaffee im Stehen hinunter, knallte die Tasse auf Livias Tisch und warf die Kapuze über meinen Kopf. Das blöde Grinsen verschwand augenblicklich aus ihrem Gesicht, stattdessen starrte sie mich nun mit großen Augen an, was mir ein bisschen Genugtuung verschaffte. »Ich geh dann mal. Ich habe noch etwas zu tun.«
»Und deine Sachen?«
Ich senkte meinen Blick auf den knallpinken Koffer, welcher neben zwei kompletten Outfits und Pflegeprodukten von Charlotte meine Zahnbürste und mein Handyladekabel enthielt.
»Kümmer du dich drum.«
»Klar. Ich komme gleich nach. Ich trinke noch gemütlich meinen Drink aus. Hab Spaß bei deinem Termin!«, rief mir Charlotte lautstark hinterher, als ich schon halb die Tür raus war.
Pah! Spaß? Was sollte das sein?
Ich musste den Kopf freikriegen, bevor ich etwas Dummes sagte und die ganze Welt erneut vergaß, dass ich auch nur ein Mensch war, der so etwas Banales wie echte Gefühle besaß.
Meine Schwester wusste wenigstens, wann sie mich für ein paar Minuten allein mit meinen Gedanken und Emotionen lassen sollte, als sie mit ihrem rosa Diabetescocktail im Café zurückblieb und mir überschwänglich zum Abschied winkte.
Das typische nasskalte London-Wetter tat mir und meinen angespannten Nerven mehr als gut. Nichts war schlimmer als strahlender Sonnenschein, wenn man miese Laune hatte. Warum war ich vor all den Jahren noch mal ins sonnige L.A. gezogen?
Ach ja: Weil ich dachte, dass After School Lessons ein Sprungbrett für den weiteren Verlauf meiner Karriere wäre …
Meine Wut verrauchte wie eine brennende Kippe auf den nassen Pflastersteinen der Gehwege. Stattdessen breitete sich ein unangenehmes Gefühl in meinem Inneren aus. Ich ekelte mich … vor mir selbst. Seit wann war ich so? Seit wann brachte mich ein blöder, dahingesagter Spruch so schnell auf die Palme? Als ich mit dem Dreh zu ASL begonnen hatte, hatten mir meine Kolleginnen und Kollegen oft gesagt, dass ich mit solchen Aussagen rechnen musste, und ich hatte nur müde darüber gelächelt. Das war nicht meine erste Serie. Natürlich nahm ich Tweets und Ähnliches nicht ernst. Ich verschwendete keine einzige Minute vor meinem Handy oder Computer, um das Netz nach Dingen zu durchsuchen, die über mich geschrieben wurden.
Aber eines stand fest: Ich wäre früher niemals so ausgeflippt wie gerade eben. Mir doch egal, wenn mich jemand »Arschloch« nannte. Mir doch egal, was die Welt über mich dachte.
Ich verzog vor Ekel, den ich nicht richtig begründen konnte, das Gesicht.
Ich gab es nicht gerne zu, aber vielleicht sollte ich ein Mal in meinem Leben auf meine Schwester hören. Als ich bei ihr eingezogen war, hatte sie mich noch vor Betreten der Wohnung zur Seite genommen und gesagt: »Versuch, nicht nur das Schlechte in deiner jetzigen Situation zu sehen. Weißt du, Julian, vielleicht ergeben sich dadurch ganz neue Möglichkeiten für dich. Hör auf dein Bauchgefühl – dein wahres Bauchgefühl. Nicht auf die Intuition, die du dir einredest.«
Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wurde mein Kopf leichter statt schwerer und ein entspanntes Lächeln machte sich auf meinen Lippen breit.
3. FOLGE
Heißt das, sie ist gar kein Fan?
Der Publikumspreis für den besten Schauspieler geht an Julian Collins für seine Rolle als Theodore in After School Lessons! Die Jury ist sich einig, dass ohne den charmanten Newcomer die Serie schon nach den ersten Folgen abgesetzt worden wäre. Wir hoffen inständig, dass Julian uns noch lange mit seinem Können – und seinem guten Aussehen – auf den Bildschirmen beglücken wird.
Presse-Statement zum ersten Screenies-Preis für Serien
Julian
Vor einigen Jahren, die sich fast wie ein anderes Leben anfühlten, nannte ich – und natürlich auch Charlotte – London meine Heimat. Jetzt durch die Straßen zu gehen, fühlte sich einerseits vertraut, andererseits fremd und unwillkommen an. In den letzten Jahren hat sich hier einiges verändert: Viele Geschäfte waren geschlossen worden und haben neuen Platz gemacht. Nur an einigen nicht so schnelllebigen Lokalen konnte ich Erinnerungen aus meiner Kindheit festmachen. Trotz neuer Sitzgarnituren erkannte ich ein Café an den kunstvollen Blumenranken. Meine Tante Elaine – unser Vormund – hatte sich dort früher gerne mit den neuen Klienten ihrer kleinen Model-Agentur zu einem persönlichen Treffen verabredet. Kurz danach entdeckte ich einen vertrauten Laden für Baby- und Kinderkleidung, an dem Charlotte und ich tagtäglich auf unserem Weg zur Grundschule vorbeigegangen waren. Eines Tages hatte sie die pinkeste und glitzerigste Tasche im Schaufenster entdeckt und sich einfach vor dem Laden auf den Bürgersteig gelegt, als unsere Tante sie ihr nicht kaufen wollte. Irgendwann war Elaine dann doch eingeknickt, weil sie nach sechs eigenen Kindern keine Kraft mehr besaß, auch noch Charlottes Anwandlungen Einhalt zu gebieten. Dieses Erlebnis war so prägend gewesen, dass ich Charlottes Wunsch nach einer Zuckerbombe vorhin nicht wirklich abschlagen konnte. Wenn ich es jemandem zutraute, sich im zarten Alter von fünfundzwanzig in einem Trotzanfall auf einen nassen und dreckigen Londoner Bürgersteig zu legen, dann meinem sturköpfigen Schwesterherz.
Damals war es mir mehr als peinlich gewesen, heute beschwor diese Erinnerung ein Gefühl der Wärme in meiner Brust.
Ein paar Minuten ließ ich mich von meiner nostalgischen Anwandlung ziellos durch die Straßen treiben. London im Regen roch zumindest noch genau so, wie ich es in Erinnerung hatte: Ein leicht metallischer Geruch hing in der Luft, den ich wie Salz auf meiner Zunge schmecken konnte. Darunter lag ein erdiges Aroma, irgendwo in der Nähe musste sich ein Park befinden. Hatte es hier schon immer eine Grünfläche gegeben? Ich erinnerte mich nicht daran. Nicht, dass ich in meiner Kindheit viel Zeit für Parkbesuche übrig gehabt hätte …
Mit in die Stirn gezogener Kapuze schien mich keiner auf offener Straße zu erkennen. Für diese kurze Zeit fühlte ich mich nicht mehr wie der Julian Collins, der wochenlang das Lieblingsthema auf den unterirdischen Online-Klatschseiten gewesen war.
Aber dann prasselte alles mit Wucht auf mich ein.
Ich unterdrückte den Drang, zum Café zurückzugehen und meine Schwester mitsamt ihrem Zuckershake in den nächsten Zug zurück ins Kuhdorf zu verfrachten.
Julian Collins und kalte Füße? Nein. Das war lediglich der Stress, der mir in den letzten Tagen den Schlaf raubte und dem ich meine angespannten Nerven zu verdanken hatte.
»Reiß dich zusammen«, zischte ich mich selbst an und erschreckte dabei drei Teenager, die neben mir auf das Grün der Ampel warteten und einen dämlichen TikTok-Tanz filmten.
»Sagt mal …«
»Er sieht nur so aus, oder?«
»Ja, oder? Der Echte lebt doch in Amerika!«
Bevor mich die drei Mädchen ansprechen konnten, sprang die Ampel um und ich nutzte die Menschenmenge, um direkt vor ihren Augen zu verschwinden.
Mit meinem Handy und der passenden App fand ich das Verlagsgebäude überraschend schnell. Golden Leaves Publishing stach nicht wirklich zwischen all den anderen modernen Hochhäusern mit Glasvertäfelung hervor. Einzig eine Steinstatue in Form eines Ahornblattes verriet, dass ich die richtige Adresse abgespeichert haben musste.
Ich bahnte mir gerade einen Weg durch die shoppingwütigen Bummler, als ein hellblauer Hoodie mir ins Auge sprang. Das war doch nicht …
»Livia?«
Beim Klang ihres Namens drehte sie sich um. Feindselig blitzten ihre dunklen Augen in meine Richtung, bevor sie knurrend wegsah und sich demonstrativ in der Menge zurückfallen ließ.
Ein Grinsen zuckte an meinen Mundwinkeln.
Was, wenn die Kleine im Verlag arbeitete? Vielleicht musste ausgerechnet sie mir heute Kaffee, Wasser und Sandwiches kredenzen? Vielleicht war es Livias schweres Los, mir heute jeden noch so schwachsinnigen Wunsch von den Lippen abzulesen.
Nun, da sie mich ohnehin für ein Arschloch hielt, konnte ich ihren Vorurteilen ohne schlechtes Gewissen gerecht werden. Julian Collins lieferte immer genau das ab, was man von ihm erwartete.
Schon vor dem Eingang begrüßte mich ein riesiger Aufsteller von One Last Kiss. Kein Wunder, dass meine Schwester so auf das Buch abfuhr: Ein Albtraum-Cover in Rosarot prangte auf dem Schild. Na gut, meine Schwester würde betonen, dass es sich um Vintagerosa handelte und ihr natürlich am besten die floralen Elemente gefielen – welche auf dem echten Cover leicht glitzerten.
»Der Mega-Bestseller bald auch in deinem Kino!« titelte ein ketchuproter Sticker mit blauer Schrift. Wer hatte den nur entworfen? Ein farbenblinder Maulwurf?
Ziemlich zeitgleich traf ich mit Livia im sonnendurchfluteten Foyer ein. Selbst hier zierten einige Exemplare von One Last Kiss die Regale – zusammen mit den anderen Bestsellern des Verlages.
Auch wenn Livia meinte, so schlau zu sein, einen anderen Eingang zu nehmen, begegneten wir uns vor dem Empfangs-tresen erneut. Mit einem Stöhnen und Augenrollen drückte sie ihr Missfallen aus.
Ich war so frei und drängelte mich vor. Schließlich ging es hier um mich und nicht um sie. Ein empörtes Knurren konnte ich fast eindeutig ihr zuordnen.
»Ja, bitte?«, fragte ein junger Mann im hellgrauen Anzug. Er war vielleicht ein paar Jahre jünger als ich.
Ich legte einen Arm auf die marmorierte Tischplatte. Der Stein fühlte sich eiskalt auf meiner erhitzten Haut an. »Ich habe einen Termin.«
»Sehr schön. Und Ihr Name lautet?«
Stille.
»Ihren Namen, bitte«, wiederholte er etwas langsamer, als hätte ich ihn beim ersten Mal nicht verstanden.
Livia kaschierte ihr hämisches Kichern mit einem lauten Schnauben.
»Julian Collins«, stellte ich mich zähneknirschend vor.
Warum musste ich mich überhaupt vorstellen? In England wurde After School Lessons in den letzten drei Jahren ihrer Laufzeit als beliebteste Serie der 15- bis 25-Jährigen gewählt. Beliebter war sie nur in Amerika, wo sie von Anfang an diesen Titel innehatte.
»Ah! Ich informiere gleich Miss Taylor. Sie wartet im achten Stockwerk auf Sie.« Er deutete nach links. »Der Aufzug ist gleich um die Ecke.«
Ich ging zwar vom Tresen weg, spitzte aber neugierig die Ohren, was Livia hier wollte.
»Hi … Äh. Livia S-Scott.«
»Oh! Miss Scott!«, freute sich der Mann am Empfang. »Wie schön, Sie endlich per–«
In diesem Moment öffnete sich der Aufzug und durch das aufgeregte Getuschel mehrerer Mitarbeiter, die ausstiegen, ging das Gesagte unter.
Ich hätte gerne noch mitgekriegt, warum der Mann so begeistert von Livias Auftauchen war. Beschimpfte sie ihn auch immer – und er fand es toll? Ob Verbale Domina ein Beruf war?
Livia wollte schnell in den Aufzug hüpfen, doch als sie mich in der Fahrstuhlkabine erblickte, wurde sie langsamer und blieb schließlich stehen.
Ich verdrehte die Augen. Man konnte mir vielleicht vorwerfen, dass ich ein Arschloch war, aber ich war ganz sicher nicht nachtragend. Egal, wie sehr mich die Fantasie gereizt hatte, Livia in ganz London nach französischem Mineralwasser suchen zu lassen …
Im letzten Moment steckte ich meinen Fuß in die sich schließende Tür. »Jetzt steig schon ein. Du hast es doch eilig.«
Livia zog an der schwarzen Kordel ihres Hoodies, bis der Kapuzenstoff ihre Augen verdeckte und trottete mit gesenktem Kopf zu mir in die Kabine. Da sie auf keinen anderen Knopf drückte, nahm ich an, dass wir die gleiche Etage als Ziel hatten.
»Du bist keine Stalkerin, oder?«, fragte ich sie und versuchte versöhnlich zu klingen. In meinen Gedärmen keimte die üble Vorahnung, dass ich die nächsten Stunden mit ihr verbringen durfte.
Sie schnaubte und blickte demonstrativ in eine andere Richtung. »Fü-fühl dich mal nicht so wichtig. Das bi-bist du nämlich nicht.«
Woher kam plötzlich dieses leichte Stottern? War sie etwa nervös?
Kaum hatte ich einen Fuß aus dem Aufzug gesetzt, waberte mir eine blumige Parfümwolke entgegen. Das Begrüßungskomitee bestand aus einer blonden Frau im dunkelblauen Business-Anzug. Nicht nur trug sie ein breites Grinsen zur Schau, auch ihre blauen Augen leuchteten erwartungsvoll. So sah ein wahrer Fan aus!
»Hallo Julian! Ich darf doch Julian zu dir sagen, oder? Ich hoffe, dass das okay ist«, begrüßte mich die Verlagsangestellte herzlich. Sie schluckte ein aufgeregtes Kichern herunter. Super-Fan, sagte ich doch. Wetten, dass sie das limitierte Tee-Set mit meinem Antlitz im Regal stehen hatte? »Ich bin Miss Taylor, aber nenn mich gern Emily. Ich bin ja keine fünf Jahre älter als du. Also ähh. Natürlich nur, wenn es für dich okay ist. Soll ich dich lieber Mister Collins nennen?« Sie überspielte ihre Nervosität mit einem Kichern. »Hattest du eine angenehme Anreise? Äh, Mister Collins?«
Ich dachte an die vorpubertierenden Monster im Zug und meine Möchtegern-Stalkerin Livia. Außerdem hatte ich Hunger und der Kaffee war zwar sauteuer gewesen, aber ich fühlte mich immer noch kaputt.
»Nicht wirklich.«
Ihre Gesichtszüge entglitten für einen Moment. Warum hatte sie überhaupt gefragt? Wer mit der Wahrheit nicht zurechtkam, sollte gar nicht erst fragen.
»Du bist ja ein w-wahrer Sonnenschein!«
Ich drehte mich nicht zu Livia um. Ich würde dieses Mädchen einfach ignorieren. »Du bist nicht ganz schuldlos an meiner Misere, Livia.« Kleine Korrektur: Ich würde versuchen, sie zu ignorieren.
Emily klatschte begeistert in die Hände. »Oh! Habt ihr beide euch schon vorgestellt? Das ist fantastisch. Dann muss ich das ja nicht übernehmen. Das ist immer so unangenehm.«
Blinzelnd blickte ich Miss Taylor – Emily – entgegen. Wovon redete sie? »Wen soll ich kennengelernt haben?«
»Na. Die Autorin von One Last Kiss!«
So langsam dämmerte es mir, auch wenn alles in mir sich gegen die Erkenntnis sträubte.
Ich drehte mich um, mit einem letzten Funken Hoffnung, dass dort in der vergangenen Minute eine weitere Person aufgetaucht war.
Aber dort stand immer noch einzig und allein Livia – und sie streckte mir frech die Zunge raus!
4. KAPITEL
Grumpy x Gremlin
Also … Das Beste an One Last Kiss sind auf jeden Fall die lebendigen Charaktere! Ich habe so mit Nathan und Carina mitgefiebert – zuerst mochten sie sich nicht und dann! AAAH! Und dann das Ende! Keine Spoiler, aber das Ende war soo gemein!! Die Autorin ist eine Sadistin!!!
Ich hoffe, das nächste Buch der Autorin kommt ganz bald!!!!!!
Rezension zu One Last Kiss
Livia
Ob es klug war, Julian zu ärgern?
Nein. Absolut nicht. Auf keinen Fall!
Das war wohl eine der dümmsten Aktionen, die ich neben dem Coup in der Bibliothek bis jetzt gebracht hatte und ich wartete nur darauf, dass mein Karma mich dafür bestrafte.
Normalerweise würde ich niemals auf die Idee kommen, jemand Fremden ein Schimpfwort an den Kopf zu werfen, aber ich konnte meinen Körper in Julians Nähe nicht kontrollieren. Der mittlere Finger meiner rechten Hand kribbelte, zum Glück konnte der Schauspieler nicht durch meinen Hoodie hindurchsehen, wo ich meine unartige Hand versteckte, sonst wäre es womöglich nicht bei seinem zornesroten Gesicht geblieben.
Keine Ahnung, warum mein Gehirn bei Julian sofort in den Angriffsmodus sprang. Wenn ich zu meiner Schulzeit nur in diese Richtung reagiert hätte, dann hätten mich meine Mitschüler nicht so tyrannisiert.
Schön zu wissen, dass ich einfach nur ein gutes Jahrzehnt gebraucht hatte, um angemessen auf Stresssituationen zu reagieren.
»Geh doch schon mal in den Konferenzraum dahinten vor«, wies meine Lektorin Julian grinsend wie ein Honigkuchenpferd an. Anscheinend sorgten die rosaroten Herzchen in ihren Augen dafür, dass sie seine verärgerte Miene nicht bemerkte. »Ich muss noch unseren Ehrengast begrüßen.«
Dass Julian ein Schauspiel-Talent war, merkte ich, als sich seine Gesichtszüge innerhalb eines Wimpernschlages glätteten. Von seiner Feindseligkeit war keine Spur übrig, stattdessen –
Ba-Bumm. Ba-ba-bumm.
Sein strahlendes Lächeln brachte mein Herz zum Stottern. Waren das etwa Grübchen?
Verdammt!
Das war also dieser berüchtigte Julian-Charme, der ihn so berühmt machte. Oder gemacht hatte. Auf jeden Fall fiel es mir gerade schwer, den Blick abzuwenden – und das ging mir gewaltig gegen den Strich.
»Natürlich.« Julian nickte – mit diesem Lächeln im Gesicht, das meinen Mund trocken werden ließ. »Ohne Livia wären wir doch alle nicht hier.«
Kam es mir nur so vor oder triefte sein Kommentar voller Gift?
Was konnte ich denn dafür, dass er für Nathans Rolle in meiner Buchverfilmung gecastet wurde? Als Autorin hatte ich herzlich wenig Einfluss auf die Entscheidungen, die den Film betrafen. Lediglich ein paar Änderungen im Skript hatte man mir zugesagt.
Warum rechtfertigte ich mich überhaupt?
Dank mir hatte er endlich wieder einen Job! Einen Job, der ihm in den nächsten Jahren weitere Auftritte bringen würde. Und das war nicht reines Wunschdenken von meiner Seite aus: Das Film-Studio Coppermoon Production hatte in den letzten fünf Jahren zwar nur fünf Filme produziert, aber bei vier von ihnen handelte es sich um absolute Kassenschlager, die die Produktionskosten innerhalb der ersten Woche wieder einspielen konnten. Natürlich hatte ich mir alle Filme angeschaut – nur zu Recherchezwecken, versteht sich – und empfand sie durchgehend als unterhaltsam. Perfekt für lange, mit Fruchtwein getränkte Filmabende mit den besten Freundinnen. Mit ein wenig Alkohol im Blut bemerkte man die Plot Holes nicht mehr so leicht. Ganz zu schweigen, dass die viel zu attraktiven Schauspieler alle Blicke auf sich zogen und der Plot dabei schnell zur Nebensache geriet.
Also einfach perfekt für Julian!
Eine Lavendel-Zitronen-Duftwolke vertrieb vorerst jeden Gedanken an den Schauspieler.
»Schön, dich endlich wiederzusehen, Livia!« Meine Lektorin Emily umarmte mich kurz, aber so überschwänglich, dass ich ihre Zähne knirschen hörte. »Es ist schon so lange her, dass du uns hier besucht hast. Wann war das noch?«
»Das letzte Mal war zur unendlichen Signieraktion.«
Bei dem Gedanken an eine kaputte Uhr, deren roter Sekun-denzeiger angestrengt versuchte einen Schritt nach vorne zu machen und Bücherstapel, die gefühlt immer höher wurden, je mehr ich signierte, überkam mich bis heute ein kalter Schauer. Manchmal plagten mich Albträume über diesen Tag.
Legenden besagten, dass ich in lediglich fünf Stunden 5.000 Exemplare signiert hatte. Das schien mir mathematisch unmöglich, aber mir gefiel dieser Mythos.
»Uff.« Emily wandte demonstrativ den Blick ab. »Erinnere mich bloß nicht daran.«
»Geht’s dir nach dem üblen Hexenschuss wieder gut?«
»Das war doch kein Hexenschuss! Ich bin 28. Ich bekomme keinen Hexenschuss. Ich bin zu jung dafür. Das war nur ein … eine …«
»Ein Bandscheibenvorfall?«
»Ich habe mich nur verhoben. Ich muss das mehr aus den Knien heraus machen.«
»Okay.«